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Meisterblut
Gorian umfasste Sternenklinge mit beiden Händen.
Welche magischen Manipulationen mochte Thondaril wohl vorgenommen haben? Gorian versuchte, sie zu erspüren. Und tatsächlich, da waren Kraftpunkte im Raum, die sich ganz nach der Magie des Ordens anfühlten. Zweifellos war hier etwas geschehen, was die Bedingungen des bevorstehenden Kampfes entscheidend veränderte, indem es die Voraussicht eines Schwertmeisters dämpfte oder gar ganz außer Kraft setzte.
In einem Duell mit einem Schattenmeister war das von entscheidender Bedeutung, denn so war es Parrach möglich, plötzlich im Rücken seines Gegners aufzutauchen und zuzustechen, ohne dass Gorian den Angriff vorausahnen und parieren konnte.
Für einen kurzen Moment erwog er, seinen Dolch Rächer nach Parrach zu schleudern, solange der Schattenmeister noch verstofflicht vor ihm stand. Aber vielleicht war es genau das, was der Feind von ihm erwartete, der Fehler, der Gorians Tod bedeutet hätte.
Parrach hielt zwei Schwerter in den Händen, eines von gewöhnlicher Länge und eines mit kurzer, dafür aber recht breiter Klinge. Er stürmte auf Gorian zu und begann sich dabei in dunkle, rauchartige Teilchen aufzulösen.
Da aber prallte er gegen eine bläulich schimmernde Lichtbarriere, die ihn und Meister Shabran plötzlich wie eine gläserne Glocke umfing.
Parrach verstofflichte wieder, und Entsetzen zeichnete seine Züge. Er wollte eine Formel ausstoßen, aber kaum hatte er die ersten Silben über die Lippen gebracht, hatte bereits Meister Shabran sein Schwert gezogen, einen Kraftschrei ausgestoßen und ihm die Klinge in den Leib gestoßen.
Meister Parrach sank zu Boden und blieb regungslos liegen.
 
»Ohne Eure Hilfe wäre es nicht möglich gewesen, den Verräter zu stellen«, sagte Meister Shabran. Er beugte sich nieder und nahm dem toten Parrach den Meisterring ab. »Ich werde trotz allem dafür sorgen, dass eine entsprechende Begräbniszeremonie abgehalten wird, während sein Ring vergraben wird. Man soll sich an Parrachs gute Taten erinnert, nicht an den Tag, an dem ihn seine innere Schwäche zum Verräter werden ließ.«
Thondarils Antwort war ein stummes Nicken, dann sprach er eine Formel und hob dabei beide Hände. Seine Augen wurden schwarz, und aus seinen Fingern schossen bläuliche Blitze. Sie trafen die Lichtglocke, die Shabran und den toten Parrach nach wie vor umgab, die sich aber daraufhin auflöste.
»Ich gebe zu, Meister Shabran, ich befürchtete schon für einen Moment, auch Ihr könntet auf Morygors Seite gewechselt sein«, gestand Thondaril, dann wandte er sich an Gorian. »Es tut mir leid, dass ich dich nicht einweihen konnte. Wären deine Verwunderung und deine Verzweiflung nicht echt gewesen, hätte Parrach das sofort gemerkt und wäre misstrauisch geworden. Und tatsächlich habe ich auch diesen Raum magisch manipuliert, genau so wie Parrach es von mir verlangte.«
»Und nur deswegen konnte er meinen Angriff nicht voraussehen«, ergänzte Shabran, der nun ungehindert näher trat. »Denn die Fähigkeit zur Voraussicht war hier tatsächlich gedämpft, und zwar auch für ihn.«
Gorian stieß sein Schwert zurück in die Rückenscheide. »Ihr habt mich als Köder benutzt«, stellte er grimmig fest.
»Ich habe versucht, dich zu schützen«, widersprach Thondaril. »Meister Parrach war zu Morygors Knecht geworden. Er hätte sich an unsere Fersen geheftet und uns verfolgt, bis er dich getötet hätte. Und es stand zu befürchten, dass ihm das auch gelungen wäre, denn er war ein mächtiger Schattenpfadgänger.«
Meister Shabran schüttelte den Kopf, und sein Gesichtsausdruck war von tiefer Bitterkeit und Schmerz geprägt. »Was ich heute getan habe, wird mich den Rest meines Lebens verfolgen. Parrach war einst mein Meister und Mentor, und ich habe ihn lange Jahre respektiert und bewundert.«
»Was haltet Ihr davon, uns zu den Inseln der Caladran zu begleiten«, schlug Meister Thondaril vor. »Wir haben in unserer Gruppe niemanden, der die Kunst der Schattenpfadgeherei beherrscht.«
»Es wäre mir eine Ehre, Meister Thondaril«, antwortete Shabran. »Aber ich halte es für klüger, wenn ich schnellstmöglich nach Havalan zurückkehre, um jedes unnötige Aufsehen zu vermeiden. Das würde unserer Sache nur schaden. Aber wir bleiben in Verbindung.« Er sah Gorian an und sagte: »Wenn es jemand schaffen kann, die Caladran auf unsere Seite zu ziehen, dann bist du es. Und genau das ist es, was Morygor so fürchtet.«
»Wir müssen jetzt aufbrechen«, drängte Meister Thondaril. »Der Tod von Herrn Greshshsht hat sich bereits in der Stadt herumgesprochen, und das macht die Situation hier kompliziert.«
Meister Shabran sah traurig auf den toten Fischlinger hinab. »So bestraft Morygor jene, die ihm abtrünnig werden. Aber ihr Schicksal ist noch vergleichsweise gnädig im Vergleich zu denen, die er über den Tod hinaus zu seinen Sklaven macht.«
»Meister Parrach hat Herrn Greshshsht und dessen Gefolge nicht allein getötet«, sagte Gorian und sah Shabran dabei anklagend an.
Der junge Ordensmeister hielt seinem Blick stand, während er bekannte: »Was du sagst, trifft leider zu.«
»So habt Ihr an Parrachs Seite Unschuldige getötet«, hielt ihm Gorian vor.
»Ich hatte keine Wahl, Parrach hätte mir sonst misstraut. Ich weiß, eines der Axiome des Ordens lautet, dass man die Unschuldigen nicht erschlagen soll, um die Schuldigen zu treffen, aber …«
»Ja, so sagte der Erste Meister«, unterbrach ihn Gorian mit harter Stimme.
»Niemand, der das Böse bekämpft, kann ohne eigene Schuld bleiben, Gorian«, sagte Shabran, dann wandte er sich wieder an Thondaril. »Eines solltet Ihr noch wissen, bevor Ihr zu den Inseln der Caladran aufbrecht.«
»Was?«, fragte Thondaril.
»In letzter Zeit mehrten sich Gerüchte, die von diesen Inseln zu uns dringen, und das allein ist schon ungewöhnlich, da dieses Volk in selbst gewählter Abgeschiedenheit lebt. Eines dieser Gerüchte besagt, dass die Caladran die Kunst des Sternenflugs wieder aufnehmen wollen.«
»Heißt das, die Caladran wollen Erdenrund verlassen?«, fragte Gorian erstaunt.
Meister Shabran zuckte mit den Schultern. »Niemand weiß das. Allerdings haben auch die Caladran Augen im Kopf und sehen dasselbe wie jeder andere, nämlich einen Schattenbringer, der die Sonne verdunkelt.«
»Das sähe ihnen ähnlich«, schimpfte Thondaril. »Sich einfach davonzumachen und alles dem Chaos zu überantworten, statt sich dem Übel entgegenzustellen.«
»Einem Übel, das zudem noch in Gestalt von Morygor seine Wurzeln im Volk der Caladran hat«, stimmte ihm Shabran zu. »Aber es gibt noch ein anderes Gerücht, das genau das Gegenteil bedeuten könnte. Danach befindet sich auf der Insel Pela eine große Apparatur im Bau, die angeblich dem Zweck dienen soll, die Gestirne zu beeinflussen.«
Gorian horchte auf. »Ist nach Eurer Einschätzung an diesem Gerücht etwas dran?«
»Ich habe mich über die Schattenpfade nach Pela begeben, um es zu überprüfen. Dort gibt es tatsächlich ein Bauwerk, das noch seltsamer aussieht als alles, was ich bisher von den Caladran kenne. Aber wozu es dient, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Es wird sehr streng bewacht und mit einer äußerst wirksamen Magie abgeschirmt, sodass ich es nur von einem benachbarten Berg aus betrachten konnte.« Er hob die Hand, und in der Innenfläche bildete sich ein Licht. »Seht euch an, was ich gesehen habe. Vielleicht werden euch die Caladran mehr über dieses Bauwerk verraten, wenn es euch gelingt, sie zu Verbündeten zu machen.«
Während sich Meister Shabran in schwarzen Rauchteilchen auflöste, um das Gebäude und die Stadt über die Schattenpfade zu verlassen, befanden sich Gorian und Meister Thondaril bereits auf dem Weg ins Freie.
»Ihr werdet mir noch viele Fragen beantworten müssen, Meister«, sagte Gorian, während er neben Thondaril herlief.
»Später, Gorian, später!«, wehrte dieser ab.
Draußen herrschte mittlerweile so heftiges Schneegestöber, dass man kaum weiter als zwei Dutzend Schritt zu sehen vermochte. Am Rand des Gondelplatzes bekämpften sich zwei Gruppen Oger. Ihre Schreie gellten durch die Nacht.
Unmittelbar vor Gorian wuchs plötzlich eine Gestalt aus dem Boden. Er schreckte zurück und konnte aufgrund seiner Fähigkeit zur unmittelbaren Voraussicht gerade noch verhindern, mit demjenigen zusammenzuprallen.
Es handelte sich um den Maskierten. »Beeilt euch! Der Tod von Herrn Greshshsht hat überall zu Kämpfen um die Verteilung seiner Pfründe und Schutzgeldrechte geführt. Eine Gondel steht schon in Flammen.«
Sie rannten weiter durch das Schneegestöber. Der Maskierte verzichtete darauf, den für ihn vermutlich unbeschwerlicheren Weg durch das Pflastergestein zu nehmen. Ein paar Oger-Söldner, von denen nicht ganz klar war, für oder gegen wen sie eigentlich kämpften, erschreckte er mit seinem Flammenschwert so sehr, dass sie sofort die Flucht ergriffen.
»Leider bist du der Einzige, auf den der Greifengargoyle hört!«, rief der zweifache Ordensmeister Gorian zu, während sie auf die bereits leicht eingeschneite Gondel zuliefen.
Ar-Don wandte den Kopf, um ihnen entgegenzusehen, und kommentierte Meister Thondarils Worte mit der Gedankenbotschaft: »Ar-Don ist eigener Herr!«
Auf einmal schien sein Körper zu glühen und wurde dunkelrot. Er breitete die Flügel aus und stieg empor, verharrte dann über der Gondel und fegte mit schnellem Flügelschlag den Schnee von ihr hinunter.
Zog Yaal hatte Torbas’ eher provisorische und wenig fachgerechte Anordnung der Seilschlangen korrigiert und die vier weiteren Exemplare, die Gorian und er erworben hatten, bereits eingesetzt.
Gorian lief in die Gondel, gefolgt von Meister Thondaril und dem Maskierten.
Dann hoben sie ab.
»Gut, dass die Glasermeister fertig geworden sind, bevor es hier ungemütlich wurde«, meinte Torbas. »Und Vorräte haben wir ebenfalls genug an Bord.«
»Dann steht dem Flug zu den Inseln der Caladran ja nichts mehr im Weg«, meinte Thondaril. »Abgesehen vielleicht von schlechtem Wetter und Gegenwind. Aber damit sollten wir fertig werden.«
»Ar-Don weiß den Weg«, meldete sich der Gargoyle mit einem sehr intensiven Gedanken bei Gorian, »und hat Kraft genug für Flug bei jedem Wetter!«
Gorian blickte aus dem Fenster in die sturmumtoste Nacht, während Zog Yaal eine Öllampe entzündete, damit es im Inneren der Gondel etwas heller wurde.
»Macht das nicht unsere Feinde unnötig auf uns aufmerksam, wenn wir als riesige Laterne durch die Nacht fliegen?«, fragte Torbas. »Nachdem wir wieder komplett verglast sind, dürfte die Gondel so richtig schön leuchten.«
»Keiner von denen, die uns im Moment noch auf den Fersen sein könnten, ist auf Licht angewiesen, um uns zu finden«, erklärte Meister Thondaril. »Es gibt keinen Grund für uns, hier im Dunkeln zu sitzen.«
»Wie lange werden wir brauchen, bis wir die Inseln erreichen?«, erkundigte sich Gorian.
»Ein gut geschulter Greif wäre spätestens morgen Mittag an der Küste Caladraniens«, meinte Zog Yaal, während Sheera seine Wunden behandelte, die sich relativ gut wieder schlossen. Die Blutungen waren längst gestillt, aber eigentlich hätte Zog Yaal noch geschwächt sein müssen. Doch das Gegenteil war der Fall.
Sheera erschien das merkwürdig, doch Gorian erklärte es ihr mit einer Gedankenbotschaft. »Er konnte Morygors Macht widerstehen. Manche ziehen aus solch einem Sieg ungeheuere Kräfte.«
Sie sah ihn nur an, ihre Gedanken blieben stumm.
Nachdem er verarztet worden war, suchte sich Zog Yaal unter den Sachen des toten Centros Bal etwas Frisches zum Anziehen aus. Ihm Verbände anzulegen hielt Sheera nicht nur für unnötig, sondern sogar für schädlich.
»Wir sind ja alle etwas lädiert«, meinte Torbas mit einer Leichtigkeit, die er nicht wirklich empfand, wie Gorian sofort erkannte. »Aber wenn wir die Caladran-Inseln erreichen, haben wir das Schlimmste erst mal überstanden, schätze ich.« Während er dies sagte, betastete er seine eigene Wunde an der Schulter, die ihm wohl mehr zu schaffen machte, als er es zeigen wollte.
In diesem Moment schmerzte eigenartigerweise auch Gorians nie ganz verheilte Schulterverletzung, und Torbas sah ihn plötzlich an, so als würde er es spüren. Sie tauschten einen Blick, aber keinen Gedanken.
»Glaubt bloß nicht, alle Schwierigkeiten lägen hinter uns, wenn wir die Inseln der Caladran erreichen«, meldete sich der Namenlose Renegat wieder zu Wort. »Sie fangen dann erst an.«
»Wisst Ihr von einer Gefahr, der wir bald gegenüberstehen könnten?«, wollte Thondaril wissen. »Wenn dem so ist, solltet Ihr etwas deutlicher werden.«
Der uralte Caladran sah den zweifachen Ordensmeister nicht einmal an. Er hatte die Augen geschlossen und hockte im Lotussitz neben der Metalltruhe mit den Caladran-Schriften. Seine Hände hielt er so, dass sich die Kuppen der Finger beinahe berührten. Kleine rötliche Lichtblitze tanzten völlig geräuschlos zwischen ihnen. Offenbar handelte es sich um eine Art geistiger Übung, mit der sich der Namenlose auf die Rückkehr zu seinem Volk vorbereitete.
»Keiner von euch würde auch nur ansatzweise verstehen, was ich sage«, wehrte er Thondarils Aufforderung ab. »Und auch, wenn ich im Gegensatz zu euch genug davon habe, so hasse ich es, meine Zeit zu verschwenden.«
 
Draußen wurde es eisig kalt. Schneidender Gegenwind traf die Gondel und drang durch alle Ritzen und selbst durch kleinste Öffnungen ins Innere. Alles, was sich an Decken und Kleidern in der Gondel finden ließ, wurde verteilt. Manchmal war der Wind so stark, dass die Gondel schräg hinter dem unbeirrbar vorwärtsstrebenden Greifengargoyle hergezogen wurde, dessen mal fauchende, mal krächzende Laute sich mit dem Tosen des Eiswindes mischten.
Zog Yaal hatte sogar seine Greifenreiter-Handschuhe übergezogen und schlug seine Fäuste gegeneinander. »Jetzt rächt es sich, dass Centros Bal immer am Bitumen gespart hat. Kein Wunder. Wenn er dort oben auf dem Greifen saß, hat er ja nicht gespürt, dass es hier unten zieht wie in der windigen Kathedrale von Tulia.«
Die Kathedrale von Tulia galt als das größte Gebäude, das die Baumeister von Mitulien je errichtet hatten. Es lag auf einem hohen Felsen über dem Meer, und wenn die vielen Außenklappen geöffnet wurden, wehte der Wind hinein und wurde in Tausende von Pfeifen geleitet, sodass Musik zu Ehren des Verborgenen Gottes entstand. Niemand wusste, wie lange es noch dauern würde, bis der Eispanzer des Frostreichs auch dieses erhabene Wunder mitulischer Baukunst niederwalzen würde.
Meister Thondaril wandte einen herkömmlichen Wärmezauber an, der allerdings keine Wirkung zeigte. Fast konnte man den Eindruck haben, dass der kalte Wind diese Art von Magie außer Kraft setzte.
Für Gorian war das nur ein weiterer Hinweis darauf, dass das Wetter, mit dem sie es zu tun hatten, keineswegs nur von ungünstigen Luftströmungen hervorgerufen wurde.
»Kennt Ihr nicht zufällig einen tauglichen Wärmezauber?«, fragte Meister Thondaril den Namenlosen Renegaten. »Oder ist so etwas unter den Caladran unbekannt?«
»Wir sind nicht sehr kälteempfindlich«, antwortete ihm der Namenlose. »Ihr Menschen würdet die Wirkung eines Wärmezaubers, den ein Caladran webt, wahrscheinlich gar nicht bemerken.«
Gorian registrierte, dass er wir sagte, als er von den Caladran sprach. Er schien sich innerlich mehr und mehr auf seine Rückkehr zu seinem Volk vorzubereiten und seine bisherige Distanziertheit zu überwinden.
Die Stunden zogen dahin, doch das Wetter besserte sich nicht. An Schlaf war nicht zu denken, zu sehr wurde die Gondel immer wieder vom Wind umhergeschaukelt. Eisblumen bildeten sich an den Scheiben.
Gorian nahm mehrmals mit Ar-Don Verbindung auf, und die Gedanken des Greifengargoyles wurden ihm immer rätselhafter. Aber Gorian war sich sicher, dass Ar-Don immer noch genau vor Augen hatte, wohin er fliegen musste, und seine Kräfte waren auch noch längst nicht aufgebraucht. Zudem spürte Gorian den überaus starken Willen, der Ar-Don beseelte. Ein Wille, der sich nicht in klar formulierten Gedanken äußerte, sondern auf diffuse Weise in seiner geistigen Kraft. Die Seele von Meister Domrich war zwar längst nicht die stärkste Entität in diesem Wesen, aber im Moment schien es diejenige zu sein, die bestimmend war und dafür sorgte, dass Ar-Don weiterhin verbissen gegen den Wind ankämpfte.
Nur kurz nickte Gorian ein.
Er schreckte auf, als der Maskierte plötzlich hochsprang und zur Gondeltür stürzte. Blitzschnell riss er sie auf und trat hinaus auf den kleinen Balkon davor.
Eine eisige Brise blies herein, und sofern überhaupt jemand unter den Gondelinsassen etwas Schlaf gefunden hatte, waren nun zweifellos alle hellwach.
Eine gewaltige Hand schien die Gondel zu packen und sie gegen ihre Flugrichtung zu reißen. Gorian musste sich festhalten, Ar-Don stieß ein durchdringendes Kreischen aus.
Währenddessen richtete der Maskierte sein Schwert in die Nacht, und abermals verwandelte sich die Klinge in eine Flamme, die einen Augenblick später weit hinaus in die Dunkelheit zuckte, wobei sie diesmal allerdings mit dem Schwertgriff verbunden blieb. Der Maskierte schwang die Waffe ein paar Mal hin und her, sodass der Flammenstrahl durch die dichten Wolken schnitt, und gellende Schreie mischten sich in das Tosen des Winds.
Dann zog sich der Flammenstrahl zurück, verwandelte sich wieder in eine Schwertklinge, und der Maskierte schloss die Gondeltür.
»Ein paar Schattenreiter«, offenbarte er lakonisch. »Wie es aussieht, reichen ihren Pferden ein paar dunkle Wolken unter den acht Hufen.«
Die Gondel schaukelte heftig, da die Kraft, die sie zuvor gepackt hatte, sie wieder freigegeben hatte, und Ar-Don bemühte sich, sie wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Dem Maskierten machte das Geschaukel nichts aus, er stand sicher auf beiden Beinen, während alle anderen entweder hilflos durchs Gondelinnere rutschten oder sich irgendwo festklammern mussten.
Er ging zu einem der Fenster, kratzte mit dem Handschuh die Eisblumen weg und blickte hinaus.