16. Kapitel
Der Triple-Six-Nachtclub lag mitten im Village, direkt neben dem West Side Highway. Der Club machte zwar keine besondere Werbung, aber es stand immer eine lange Schlange von Leuten vor der Tür. Das Triple Six war auf exotische Vergnügungen spezialisiert, könnte man sagen. Sex, Ecstasy, Koks … nichts war innerhalb der Wände des Triple Six verboten.
Dementsprechend war der Club brechend voll. Goths, Gangster und Geschäftsleute feierten zusammen eine Riesenparty, während DJ Hex eine Mischung aus House, Hip-Hop und alternativer Musik spielte. Ihre Fähigkeit, jede Party zu einer Sensation werden zu lassen, machte Hex zu einem der meistgefragten DJs der Stadt. Die Clubs bezahlten ihr ein Vermögen, damit sie bei ihren Events auflegte. Vermutlich wären die Besitzer ziemlich verärgert gewesen, wenn sie erfahren hätten, dass nicht die Musik, die sie spielte, die Leute begeisterte, sondern der magische Unterton, mit dem sie sie ausschmückte. DJ Hex war eine der wenigen Musen in den Vereinigten Staaten.
Auf der Tanzfläche drängten sich die Leute. Sie tanzten, tranken und machten alles Mögliche, was die Dunkelheit ihnen erlaubte. In einer dunklen Ecke bemerkte Rogue ein Pärchen, das sich fest umschlungen hielt. Der Mann presste sein Gesicht an den Hals der Frau, während sie die Augen vor Ekstase verdrehte, als hätte sie den Orgasmus ihres Lebens. Nur wenn der Mann den Kopf hob, sah man ihr Blut auf seinen Lippen. Solche Fütterungen waren im Triple Six nichts Ungewöhnliches. Sie waren ein Teil des Waffenstillstands zwischen Dutch und dem Haus Lamia, dem herrschenden Vampirgeschlecht in New York City. Sie durften nur von den Gästen Fütterung verlangen, die damit einverstanden waren, und das auch nur, solange niemand starb; dafür garantieren sie dem Club Sicherheit vor den anderen Übernatürlichen, vor allem vor den Zauberern. Das Innere des Triple Six war ein Refugium, doch außerhalb seiner Mauern tobte der Krieg weiter.
Rogue hasste Clubs. Nicht weil sie heiß und überfüllt waren und widerlich stanken, sondern wegen der unterschiedlichen Pulse, die sie unkontrolliert erfüllten. Jeder hatte einen Puls, Übernatürliche genauso wie Sterbliche. Die Pulse der Übernatürlichen waren deutlich und unverkennbar wie Körpergeruch, doch die Pulse der Sterblichen waren viel subtiler, weil sie sich der Macht nicht bewusst waren, die sie ausstrahlten. Aber wenn sich die beiden Pulse überlagerten und dann noch Alkohol und eine ordentliche Portion Drogen dazukamen, konnte das bei jemandem, der für diese Dinge empfänglich war, eine sinnliche Überfrachtung auslösen. Und genau dagegen versuchte Rogue sich gerade zu wehren.
In dem Nachtclub wimmelt es von Sterblichen, aber er konnte auch die anderen wahrnehmen, die sich unter die Menge mischten. Bannwirker, Wölfe, Gestaltwandler, er registrierte all ihre magischen Pulse. Selbst uneingeweihte Anwender von Magie konnten die Gegenwart dieser anderen spüren, auch wenn sie nicht wussten, was sie da empfanden. Doch Rogues einzigartiges magisches Band zu der anderen Domäne machte ihn überempfindlich dafür. Wann immer er jemanden streifte, und das schien wegen des Gedränges ständig zu passieren, drohte er, sein Gleichgewicht zu verlieren.
Er schob den linken Ärmel seines Jacketts etwas hoch, so dass das Armband an seinem Handgelenk sichtbar wurde. Es war ein einfaches goldenes Kettchen, in dessen Mitte so etwas wie eine Münze zu sein schien. Auf diesem Anhänger waren die magischen Runen von Konzentration und Klarheit eingeätzt, die ihm einst in Florida verliehen worden waren. Er rieb mit seinem verschwitzten Daumen über die Münze, um dem Zauber etwas von sich selbst hinzuzufügen, und murmelte leise Worte. Kaum hatte das letzte Wort seinen Mund verlassen, fühlte er sich fokussierter. Die Pulse bedrängten ihn zwar noch immer, aber nicht mehr so stark. Die Macht des Armbands umhüllte ihn mit einer dicken Schicht von Magie und trieb die Temperatur in dem ohnehin schon überhitzten Club noch ein wenig in die Höhe, aber das würde er überleben. Zu schwitzen war ein kleiner Preis an einem Ort wie dem Triple Six, wo Unkonzentriertheit einen langsamen, schmerzvollen Tod bedeuten konnte.
Normalerweise hätte Rogue die Ermittlungen über diesen Aufstand der Nachtwandler aufgeschoben, bis er den Fall abgeschlossen hatte, an dem er gerade arbeitete, aber die Tatsache, dass er beinahe seinen Wagen um eine Straßenlaterne gewickelt hätte, schien diese Untersuchung wirklich dringend zu machen. Er war auf dem Rückweg zu seinem Büro den Broadway hochgefahren, als ein stechender Schmerz durch seinen Schädel zuckte. Es kam ihm vor, als versuche jemand, seine Augen aus ihren Höhlen zu reißen. Selbst ihr dämonischer Spender schien bei diesem Gefühl zusammenzuzucken. Welche Kraft auch immer den Dämon erschreckt hatte, sie musste in irgendeiner Beziehung zu den Nachtwandlern stehen, davon war Rogue überzeugt.
Er hätte etliche Leute in dieser Angelegenheit um Rat fragen können, aber die meisten waren entweder unterwegs oder wollten seinen Kopf, was seine Möglichkeiten erheblich einschränkte. Letztlich blieb ihm nur noch eine Person, die ihm die Antworten geben konnte, die er brauchte, aber um zu ihr zu gelangen, musste Rogue in die Höhle des Löwen, das Triple Six.
Er war bereits ein- oder zweimal in dem Club gewesen, aber nur, weil es sich nicht vermeiden ließ, und außerdem war er eingeladen worden. Der König der Hexenmeister verabscheute Magier, wie die meisten Hexen und Hexenmeister es taten, und das aus gutem Grund. Obwohl die Magier niemals offiziell in dem Großen Krieg zwischen den Zauberern und ihren Dienern Partei ergriffen hatten, hatten die Ehrgeizigeren ihres Ordens als Sklavenjäger und manchmal auch als Henker von aufsässigen Bannwirkern gedient. Es herrschte reichlich böses Blut zwischen Magiern und Hexenmeistern, jedenfalls genug, dass man Rogue töten würde, wenn seine wahre Natur entdeckt würde, während er sich im Triple Six befand.
Die Hände tief in den Taschen seiner Lederjacke vergraben, bahnte er sich einen Weg durch die Menge und versuchte jeden Hautkontakt mit den Feiernden zu vermeiden. Es wäre ihm vielleicht gelungen, einige der jüngeren Übernatürlichen zu täuschen, aber die Älteren und Erfahreneren würden ihn erkennen. Und es gab einige wirklich uralte Kreaturen im Triple Six. Rogue ließ seinen Blick hinter der Sonnenbrille über die Menge gleiten und versuchte, den vertrauten Puls in dem dunklen Club aufzuspüren, doch auf der Hauptebene konnte er ihn nicht wahrnehmen. Das bedeutete, er musste in den VIP-Bereich hinunter, was er eigentlich zu vermeiden gehofft hatte.
Er hielt den Kopf gesenkt, als er den langen Korridor betrat, der in die Untergeschosse führte. Auf dieser Ebene befanden sich hauptsächlich Sterbliche, obwohl sich auch einige Übernatürliche in der Menge verteilten. In Rogues Augen sahen sie aus wie ein Kaleidoskop von magischen Pulsen in allen möglichen Farbtönen. Er war so mit den wirbelnden Farben der Pulse beschäftigt, dass er direkt in eine mit Leder verkleidete Ziegelmauer marschierte. Rogue blickte von den glühend roten Augen des Mannes auf den Drink, der sich auf seiner Lederweste verteilt hatte, und wusste, dass er in Schwierigkeiten steckte.
Hätte er den Mann vor sich mit einem Wort beschreiben müssen, hätte er ihn Scheusal genannt. Er war über eins neunzig, hatte ein kantiges Kinn und langes braunes Haar. Seine Schultern wirkten wie zwei Melonen, an denen Arme befestigt waren, die kurz vor dem Knie endeten. Selbst wenn diese Arme nicht behaart gewesen wären, hätte Rogue gewusst, dass er hier ein Werwesen vor sich hatte.
»Tut mir leid, Mann. Ich spendiere dir einen neuen Drink«, bot Rogue ihm an.
»Zum Teufel mit dem Drink! Diese Weste hat mich zweihundert Mäuse gekostet!«, knurrte das Scheusal und zeigte Rogue zwei beachtliche Reißzähne.
Eindeutig ein Werwesen.
»Hör zu, Mann, es tut mir wirklich leid …«
»Was bist du?« Das Scheusal schnüffelte in der Luft vor Rogue. »Du riechst wie einer von uns, aber aus irgendeinem Grund kann ich nicht erkennen, was genau du bist. Sag mir«, er beugte sich vor, »was versuchst du zu verbergen?«
»Hör mal, ich will hier kein Problem bekommen; ich will nur einen Drink«, erwiderte Rogue beiläufig und versuchte um das Scheusal herumzugehen. Aber der Kerl versperrte ihm den Weg.
»Das alles hab ich dich nicht gefragt, Fleischsack. Ich habe dich gefragt, was du bist.« Er bohrte Rogue den Finger in die Brust.
Rogue betrachtete seine Brust, als wäre etwas daraus hervorgewachsen. Dann schaute er dem Scheusal ins Gesicht. »Wenn du mich noch einmal anfasst«, sagte er betont gelassen, »dann werde ich dich anfassen.«
Das Scheusal schnaubte verächtlich. »Ach wirklich, Kleiner?« Er bohrte seinen Finger erneut in Rogues Brust. »Ich reiße dir dein verdammtes …« Weiter kam er nicht.
Rogue packte das Handgelenk des Scheusals mit der rechten Hand und drehte es nach links. Das genügte zwar nicht, um einem Werwolf die Knochen zu brechen, aber es reichte, um ihn abzulenken, während Rogue die linke Hand hob. Er versteifte seinen Zeige- und Mittelfinger, rammte sie dem Scheusal in die Brust und stieß dabei eine gehauchte Silbe seiner Macht aus. Die Energie schlang sich um das Herz des Scheusals, zog sich zusammen und brachte es zum Halten. Bevor der Werwolf zu Boden sacken konnte, packte Rogue ihn unter den Armen und setzte ihn auf einen Barhocker. Das Herz der Bestie würde in einigen Sekunden wieder schlagen, und sie würde mit Sicherheit fuchsteufelswild sein, aber Rogue hatte nicht die Absicht, dabei zu sein, wenn das passierte. Einen Werwolf zu überrumpeln war eine Sache, aber eine direkte Konfrontation würde zu jeder Menge ausgerissener Gliedmaßen führen. Als er sicher war, dass niemand ihn beobachtete, ließ sich Rogue von den Schatten im Club umhüllen. Die einzige Spur, die er an der Bar hinterließ, war der 20-Dollar-Schein, den er unter ein Glas legte.
Rogue gelang es, weitere lebensbedrohliche Zusammenstöße zu vermeiden, während er durch die Schatten manövrierte und zu den unteren Ebenen des Clubs vorstieß. Die Hauptebene stand allen offen, aber die unteren Etagen waren den Angehörigen des Königshofs vorbehalten. War man weder eine Hexe noch ein Hexenmeister des Covens, ging man auf eigene Gefahr hinunter. Allerdings verdiente Rogue sein Geld damit, seinen Hals zu riskieren.
»Angel«, begrüßte Rogue den Vampir, der am Eingang zum Schwarzen Hof Wache hielt.
Angel warf nervös einen Blick über seine Schulter. »Rogue, was machst du denn hier? Du weißt doch genau, dass Dutch stinksauer wird, wenn er herausfindet, dass du uneingeladen an seinem Hof auftauchst.«
»Und wie kommst du darauf, dass ich nicht eingeladen bin?«, konterte Rogue.
»Weil ich am Eingang arbeite und es wüsste, wenn ein mörderischer, heimlichtuerischer, erpresserischer Hurensohn auf der Gästeliste steht. Was er nicht tut!«
»Hey, meine Mutter hat nichts damit zu tun, Laufbursche, also bleiben wir bitte bei persönlichen Beleidigungen. Mach dir keine Sorgen um seinen hübschen untoten Hintern, Süßer. Ich bin wieder draußen, bevor Dutch auch nur ahnt, dass ich hier gewesen bin.« Rogue versuchte, an Angel vorbeizugehen, aber der Vampir versperrte ihm den Weg.
»Komm schon, Rogue. Du weißt genau, dass ich es ausbaden muss, wenn ich dich reinlasse und du Mist baust.«
»Angel, würde ich dich jemals in eine solche Klemme bringen?«
»Allerdings.«
Rogue lächelte. »Hör mal, ich will nur nachsehen, ob ein Kumpel von mir da drin ist. Wenn ich ihn finde, frage ich ihn etwas und bin sofort wieder weg.«
»Rogue, du weißt so gut wie ich, dass du keinen einzigen Freund auf der Welt hast, und schon gar nicht in Dutchs Club. Verdammt, ich kann an einer Hand abzählen, wie viele Leute in dieser Stadt dich wirklich mögen, und hätte immer noch Finger übrig. Warum tust du uns beiden nicht einen Gefallen und verschwindest, hm?«
»Angel.« Rogue legte dem Vampir eine Hand auf die Schulter. »Warum verletzt du meine Gefühle so?«
Angel schlug die Hand weg. »Du hast keine Gefühle, Rogue. Wenn ich du wäre, würde ich mich dünnmachen, bevor mich jemand sieht und in einen Ziegenbock verwandelt.«
Rogue verschränkte die Arme. »Angel, du weißt, wie sehr ich es hasse, Gefallen einzufordern, aber muss ich dich wirklich daran erinnern, wer es gewesen ist, der Mesh und seine Jungs daran gehindert hat, ihre Namen in dein hübsches Gesicht zu schnitzen?«
Angel erschauerte. Vor einem Jahr hatte er sich in eine üble Lage manövriert. Die Tochter eines angesehenen Mafiaanwalts war ermordet worden, und Angel war als ihr Killer aufgegriffen worden. Er beschwor seine Unschuld, aber dann stellte sich heraus, dass er und das Mädchen ein Liebespaar gewesen waren und dass er seit mehreren Monaten von dem Mädchen gefüttert wurde. Weil Angel eine übernatürliche Kreatur war, versuchte sich der Anwalt Gerechtigkeit durch einen seiner besonderen Klienten zu verschaffen, Rupert Croft. Croft war der Chef eines Syndikats, das zwar vom FBI nicht akzeptiert wurde, aber sowohl von der Unterwelt der Übernatürlichen als auch der Sterblichen respektiert wurde. Crofts liebste Mordwaffe war sein Neffe Gilgamesh.
Gilgamesh war ein Dunkelelf, der mehr Menschen getötet hatte als der West-Nil-Virus. Seine Bande, die Schwarze Hand, war noch schlimmer. Angel wusste, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis sie ihn erwischten, deshalb heuerte er Rogue an, der ermitteln sollte, wer ihn hereingelegt hatte. Doch dann hatte die Schwarze Hand Angel erwischt und ihn an ein Kreuz im Gewächshaus des Anwalts genagelt, damit er einen hübschen Blick auf den Sonnenaufgang hatte. Gerade als die ersten Strahlen begannen, Angels Haut zu verbrennen, tauchte Rogue mit dem wirklichen Killer auf. Wie sich herausstellte, war es der Exfreund der Tochter, der es nicht hatte ertragen können, dass sie mit einem Vampir schlief.
Angel wollte Rogue für seine Dienste bezahlen, aber der Kopfgeldjäger lehnte ab. Er ließ sich seine Arbeit lieber in Form eines Gefallens vergüten. Was Rogue in all den Jahren seiner Arbeit mit dem Unbekannten gelernt hatte, war, dass hier ein Gefallen weit nützlicher war als Geld.
»Rogue, tu mir das nicht an.« Angel hob verzweifelt die Hände.
»Ich tue dir gar nichts an, Angel. Ich will nur in den Hof und mich nach meinem Kumpel umsehen. Ich verspreche dir sogar, dass ich mit niemandem rede, solange ich drin bin.« Er hob die Hand zum Pfadfinderschwur.
Angel starrte den Mann eine Minute finster an, dann trat er zur Seite, um ihn passieren zu lassen.
»Danke, Mann.« Rogue wollte an dem Vampir vorbeigehen, doch Angel hielt ihn am Arm fest.
»Rogue, wenn du mir Ärger machst, werde ich dich jagen und persönlich zur Strecke bringen«, sagte er nachdrücklich.
»Das kannst du gern versuchen«, erwiderte Rogue. Sein Schatten an der Wand schien zu wachsen, als sich Tentakel aus Finsternis um seine Hände schlangen. »Aber es würde mir nicht sonderlich gefallen.«
»Hauptsache, wir verstehen uns«, sagte Angel.
Rogue ersparte sich eine Antwort und ging durch den Flur. Ein paar Sekunden später hatte sein Schatten ihn eingeholt und umhüllte ihn.
Innerhalb der Mauern des Schwarzen Hofs pulsierte die magische Energie weit stärker als auf der Hauptebene des Clubs, aber sie war auch kontrollierter. Den Hof besuchten nur Angehörige des Zirkels, und zwar von der höchsten bis zur niedrigsten Stufe. Sie alle wussten sich zu beherrschen, wenn sie in der Domäne des Königs waren, um sich nicht zur Zielscheibe seines Ärgers zu machen. Es war nicht ungewöhnlich, dass Dutch auf der Stelle denjenigen bestrafte, der seine Regeln brach, und genau das war Rogue im Begriff zu tun.
Er versuchte sich so unauffällig wie möglich zu verhalten, als er an die Bar trat. Das junge Mädchen hinter dem Tresen trug eine hautenge Lederhose und eine durchsichtige Bluse, die nichts der Fantasie überließ. Rogue bewunderte sie so vertieft, dass sie ihn zweimal nach seiner Bestellung fragen musste, bevor er endlich antwortete. »Corona.« Einige Barhocker weiter standen zwei attraktive junge Hexen. Die Blonde hatte eine starke Aura, doch die der Brünetten brannte noch heller. Er lächelte sie an, und während die Brünette das Lächeln erwiderte, ignorierte ihn die Blonde. »Scheiß Snob«, murmelte er und widmete sich seinem Bier.
Er musterte den Raum durch den Spiegel über der Bar. Er trennte die verschiedenen magischen Auren, eine nach der anderen, und suchte nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen. Jeder in diesem Raum hatte eine Aura, aber diejenige, nach der er suchte, würde selbst in dieser Umgebung auffallen. Rogues sternendurchsetzte Augen hatten die Aura, nach der er suchte, beim ersten Mal übersehen, aber als sein Blick zum zweiten Mal darauf fiel, nahm er sie wahr wie ein Dreieck in einem Raum voller Quadrate.
Es war eine drahtige junge Frau mit purpurrotem Haar und zerrissenen Netzstrümpfen. Alle anderen hielten sie für eine untergeordnete Hexe, die sich unter die übrigen Anarchisten gemischt hatte, aber Rogue durchschaute ihre Maske. Als die Sterne in seinen Augen zu tanzen begannen, fielen die Schichten der Magie wie trockene Blätter von dem Mädchen ab. Das Bild hielt nur eine Sekunde an, aber das gab Rogue mehr als genug Zeit, die junge Frau eindeutig zu identifizieren. Er nahm sein Bier vom Tresen und schlenderte zu der jungen Lady hinüber.
Als sie bemerkte, dass Rogue auf sie zukam, versuchte sie, in der Menge unterzutauchen. Sie machte sich kleiner und huschte zu der Tür auf der anderen Seite des Raums, während sie einen Blick über die Schulter warf. Sie hätte es fast geschafft, doch plötzlich versperrte Rogues Gestalt ihr den Weg.
Er warf ihr sein verführerischstes Lächeln zu. »Du willst doch nicht etwa verschwinden, Baby. Ich hatte ja nicht mal Gelegenheit, dir einen Drink zu spendieren.«
»Nein danke.« Sie drehte sich um und ging den Weg zurück, den sie gekommen war. Sie hatte nicht gesehen, dass er sich bewegte, aber im nächsten Moment versperrte der Magus ihr erneut den Weg.
»Komm schon, Baby. Ich bin bestimmt eine interessantere Gesellschaft als diese Toten da.« Er deutete auf die anderen Gäste, die sie aus irgendeinem Grund nicht zu bemerken schienen.
»Ich sagte, nein danke«, erwiderte sie etwas nachdrücklicher. Als sie wegzugehen versuchte, hielt Rogue sie am Arm fest.
Er schob seine Sonnenbrille ein Stück herunter, damit sie die Sterne sehen konnte, die sich in seinen Augen bewegten. Die Energie, die er ihr einflößte, war so berauschend, dass ihre Gestalt zu flackern begann. Es war, als würde die Realität um sie herum verzerrt und in ihrer Person würde eine andere Person enthüllt. Hastig errichtete sie die Illusion wieder neu und zischte Rogue an.
»Spar dir die harte Nummer, das beeindruckt mich nicht«, flüsterte er. »Entweder redest du mit mir, oder ich zeige diesen netten Leuten hier, wie du wirklich bist. Wie hättest du es gern?«
Sie kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Dann steckst du hier genauso in der Klemme wie ich.«
Rogue tippte sich mit dem Finger ans Kinn, als würde er darüber nachdenken, und lächelte dann. »Allerdings. Dutch wäre sicher sauer darüber, dass ich einfach ohne Einladung hier aufgetaucht bin, weil ich ein Magus bin, und so weiter. Aber«, er fuhr mit der Hand vor ihr durch die Luft und ließ ihre Illusionen erneut wabern, »was, glaubst du, wird er erst mit einem Dämon veranstalten, der in sein innerstes Heiligtum eingedrungen ist?«
»Widerlicher Schoßhund der Finsternis, das würdest du nicht wagen!«, konterte sie.
Er hob eine Braue. »Nein?«
Die junge Frau wog ihre Optionen ab. Sie wusste aus früherer Erfahrung, dass Rogue nur nach seinen eigenen Regeln spielte, deshalb konnte man nie sicher sein, wie weit er gehen würde. Sie könnte natürlich versuchen wegzulaufen, aber dank seiner verfluchten Augen würde sie sich nicht lange verstecken können, bis er sie wieder aufgespürt hatte. Sie seufzte, ging zum Ausgang und bedeutete ihm, ihr zu folgen.
Rogue hatte sich gerade in Bewegung gesetzt, als er einen ihm vertrauten, magischen Puls wahrnahm. Ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken packte er die junge Frau und zog sie an sich, als wollte er sie küssen. Sie versuchte zu protestieren, aber er legte ihr seine Hand auf den Mund. Sie spürte, wie er eine Magie wirkte, und noch bevor sie eine Möglichkeit hatte, herauszufinden, was er vorhatte, wurde es genau an der Stelle, an der sie standen, dunkel. Rogue hatte sie in Schatten gehüllt, aber bevor sie ihn deswegen zur Rede stellen konnte, ging Dutch unmittelbar an ihnen vorbei.