25. Kapitel
Eine dunkle Gestalt hockte auf einem Briefkasten in der ruhigen Wohnstraße. Sie trug eine dünne Körperrüstung, die von einer verschlissenen Lederjacke verdeckt wurde. Ihr freundliches, braunes Gesicht war das eines jungen Mannes in den Zwanzigern, aber ihre alterslosen Augen verrieten ihre wahre Natur. Nach den Gesetzen des Blutes gehörte die Kreatur zum Haus Gehenna, einem Vampirclan, aber ihre Berufung war der Bluthund, der beste Fährtensucher in ihren Reihen.
Ein leises Zischen, dem ein kurzes Kreischen folgte, veranlasste den jungen Mann, in seiner Suche innezuhalten und sich umzuwenden. Einer der Nachtwandler, die ihm folgten, hatte sich auf eine Katze gestürzt und war gerade dabei, sie zu verschlingen. Der Bluthund verzog angewidert das Gesicht und schüttelte den Kopf.
»Kannst du diese Kreaturen nicht kontrollieren?«, fragte er Riel.
»Sie sind Raubtiere, mein Freund, genau wie wir.« Riel lächelte, als hätte er etwas besonders Geistreiches gesagt.
»Bilde dir nichts ein«, erwiderte der Bluthund verbittert. »Wir sind keine Freunde. Dein Boss bezahlt mich für meine Dienste, damit wir dieses Ding finden, wegen dem ihr euren Schwänzen nachjagt …«
»Ob es dir gefällt oder nicht, die dämonischen Kräfte, denen ich diene, sind dieselben wie der Fluch, der deinen Leichnam belebt«, konterte Riel.
Der Bluthund ignorierte diesen Kommentar und suchte weiter den Block ab. Er nahm Witterung auf, sprang von dem Briefkasten herunter und trat mitten auf die Straße. »Was ihr sucht, ist hier.« Er deutete auf das Haus, in dem Redfeather wohnte. Dann kniete er sich hin, schnüffelte auf dem Boden herum, filterte die Gerüche der Autoreifen heraus und suchte nach magischen Resten. »Oder jedenfalls war es das kürzlich. Hier ist der Geruch am stärksten.« Er tippte mit einem behandschuhten Finger auf die Straße.
Riel durchsuchte das Haus mit seiner eigenen magischen Sicht, und das Ergebnis bestätigte die Aussage des Fährtensuchers. »Das muss wirklich ein sehr nützlicher Trick sein.«
»Es ist kein Trick, sondern eine Gabe des Blutes«, erwiderte der Bluthund stolz.
»Wenn der Dreizack hier ist, dann werden wir ihn für den Fürsten der Finsternis holen.« Riel machte Anstalten, zu dem Haus zu gehen.
»Eine Sekunde.« Der Bluthund hob die Hand und hielt Riel zurück.
»Aus dem Weg, Blutsauger. Wenn der Dreizack des Himmels in diesem Gebäude ist, werde ich ihn für meinen Meister erbeuten, koste es, was es wolle.«
Der Bluthund fletschte seine rasiermesserscharfen Reißzähne. »Wenn du schon deinen Kopf nicht benutzen willst, dann benutze wenigstens deine Ohren!«
Riel wollte protestieren, doch dann hörte er, worauf der Bluthund angespielt hatte. Es war ein tiefes Grollen, das ständig lauter wurde. Gerade als der Bluthund Riel in die Schatten zurückzog, bog ein Hummer um die Ecke des Blocks. Er war etwas länger als ein normaler Hummer und hatte eine doppelte Hinterachse. Auf den Türen prangte das Symbol eines blutenden Kreuzes.
»Die Inquisition!«, zischte der Bluthund und zog sich noch tiefer in die Schatten zurück. Von seiner Position aus beobachtete er, wie die Inquisitoren aus dem Fahrzeug stiegen und das Gebiet um das Haus herum absicherten. Neben ihnen war ein alter Mann, dem ein Mädchen in viel zu großen Jeans folgte. Der Mann war eindeutig ein Sterblicher, aber in dem Mädchen witterte der Bluthund etwas Finsteres. Der Letzte, der aus dem Wagen stieg, war von Kopf bis Fuß in eine leichte Rüstung gehüllt, ähnlich der des Bluthundes. Aber man sah die Stammestätowierungen auf seinen nackten Armen.
Riel bemerkte sie ebenfalls. »Der Hohe Bruder«, knurrte er.
»Der was?« Der Bluthund verstand ihn nicht ganz.
»Das ist der Hohe Bruder des Allerheiligsten. Weißt du denn gar nichts von unserer Welt?« Riel war eindeutig verärgert.
Der Bluthund dachte kurz über die Natur seiner Existenz nach. »Unsere Welt ist ein sehr relativer Begriff, Dämon.«
Riel wollte wütend hochfahren, beherrschte sich jedoch. Stattdessen beobachtete er aufmerksam, wie ein großer schwarzer Mann die Inquisitoren anwies, für Bruder Angelo eine Gasse zu bilden. Sie platzierten sich vor der Fassade des roten Ziegelhauses, die Waffen gezückt, während Angelo dem alten Mann und dem Mädchen ins Haus folgte.
Der Bluthund wollte gerade etwas näher herangehen, als er auf etwas aufmerksam wurde. Die Bewegung war so unmerklich, dass ein Mensch sie niemals bemerkt hätte. Aber der Bluthund war schon seit langem nicht mehr menschlich. Zuerst glaubte er, jemand bewege sich in den Schatten, doch als er genauer hinsah, erkannte er, dass sich die Schatten selbst bewegten. Er versuchte nach Kräften, die Umrisse zu erkennen, aber es gelang ihm nicht. Bevor er noch darüber nachdenken konnte, ertönten Rufe aus dem Haus.
»Eine Schlacht?« Riel zog sein Schwert Gift aus der Scheide.
»Nein.« Der Bluthund brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. Er spitzte die Ohren und versuchte herauszuhören, was gesprochen wurde. »Panik!«
»Panik ist gut.« Riel hob Gift. »Das sollte es uns erheblich vereinfachen, die Sterblichen abzuschlachten. Wir sollten hineingehen und uns holen, was uns zusteht.«
»Wie du willst, Mann«, sagte der Bluthund und wandte sich zum Gehen.
»Wohin willst du?«, rief Riel ihm nach.
»Ich wurde nur dafür bezahlt, dieses Ding aufzuspüren. Was danach passiert, ist eure Sache. Viel Glück, Jungs.« Das Lachen des Bluthundes war noch zu hören, als er längst in der Nacht verschwunden war.
»Feigling!«, stieß Riel verächtlich hervor. Dann wandte er sich den Nachtwandlern zu und hob seine Klinge zum Himmel. »Möge das Gemetzel beginnen!«