Kapitel 1: Warum überhaupt Kalender und Wetteraufzeichnungen?
In den überlieferten Mythen fast aller Völker findet sich die
natürliche Ordnung des Weltalls wieder: Auf- und Untergang der
Sonne und vor allem des Monds wurden beobachtet und man versuchte
ihre Zyklen zu deuten. Das war im Grunde der Ursprung unseres
heutigen Kalenders. Viele der alten Legenden erzählen, dass auf dem
Mond Götter wohnten. Man hielt den Mond selbst sogar für eine
Gottheit, und das heißt in den meisten Fällen: für eine Göttin. Der
Mond – also maskulin – ist nämlich in vielen Sprachen weiblich –
also eine Mondin.
Ein Kalender ist im Grunde nichts anderes als ein Maß für die
Zeit. Die ersten Kalender entstanden durch die genaue Beobachtung
des Himmels, und sie waren – selbst wenn uns das heute kaum fassbar
erscheint – schon ziemlich exakte Zeitmesser. In den alten Kulturen
Babylons und Ägyptens, aber auch in China und Südamerika hatte man
den Lauf von Sonne und Mond, von Planeten und Sternen so genau
beobachtet, dass nur wenige Tage zu unseren modernsten Messungen
fehlen.
Die ersten Kalender
Aus prähistorischer Zeit (etwa 40.000 Jahre vor unserer
Zeitrechnung) stammen die ersten Mondkalender unserer Vorfahren.
Auf Steinen oder Knochen war eingeritzt, wann Voll- und Neumond am
Himmel erschienen. Als die Menschen langsam sesshaft wurden und
nach der Ära der Jäger und Sammler begannen, Ackerbau und Viehzucht
zu betreiben, wurde der Lauf von Sonne und Mond und im Zusammenhang
damit das Wetter erneut und genauer betrachtet. Diese Beobachtungen
gewannen neue Bedeutung: Die Menschen leiteten erste Regeln daraus
ab, stellten Wiederholungen und Gesetzmäßigkeiten fest. So erkannte
man, dass der Mond für das alltägliche Leben wichtig ist, dass
seine Rhythmen in einem direkten Zusammenhang mit den Jahreszeiten
und dem Wetter stehen. Und dass in diesen Zusammenhang
Naturkatastrophen, Erntesegen und Erntepech, Hungersnöte und damit
letzten Endes Gesundheit und Krankheit gehören. Die überlieferten
Aufzeichnungen der Ahnen wurden speziell für den Ackerbau und die
Viehzucht, aber auch für Saat und Ernte wichtig. Nachfolgende
Generationen konnten von diesem Wissen profitieren. Und sie wandten
das alte Wissen auch an – bis in unsere Zeit hinein. Nach einer
Phase des Vergessens und der allzu großen Gläubigkeit an
wissenschaftliche Beweise und Forschungen spielt der Mond heute
wieder – wie schon vor Jahrtausenden – eine wichtige Rolle im Leben
der Menschen.
Der Mondzyklus – Symbol für Mensch und Natur
Für unsere Vorfahren war der Mond ein „natürliches Messinstrument“: Sein Zyklus dauert immer etwa 28 Tage. Die alten Mondkalender kannten deshalb 13 Monate mit jeweils 28 Tagen; diese stimmen genau mit dem Zyklus des Mondes und seinen Phasen überein. Und sie waren meist sogar in Einklang mit dem Jahreslauf des zweiten wichtigen „Planeten“, der Sonne, zu bringen (dass die Sonne kein Planet ist, spielt für diese Deutung keine Rolle. Doch dazu später mehr.) Die Phasen des Mondes waren für unsere Ahnen das Symbol für einen ewigen Kreislauf:
- Zeugung und Geburt zeigte die zunehmende Sichel an.
- Für das Wachstum stand der zunehmende Mond bis zum Vollmond.
- Das Sterben der Natur bedeutete der abnehmende Mond bis hin zum Neumond.
- Den Tod stellten die drei Nächte des Neumondes dar.
- Die erneute Wiedergeburt zeigte die schmale Sichel des zunehmenden Mondes an.
Der jeweils siebte Tag einer Mondphase galt in alter Zeit
überall als heilig: Man glaubte, der Mond und seine Gottheit gingen
jetzt in eine andere Phase über. Arbeit an diesem Tag brachte
Unglück, viele Tätigkeiten in Haus und Hof waren verboten, um den
Übergang des Mondes und seiner Göttin nicht zu stören. Aus diesem
Mythos entstand bei uns der Sonntag, an dem die Arbeit ruhen soll.
Bei den Moslems ist es der heilige Tag der Freitag und bei den
Juden nach der Schöpfungsgeschichte von Moses der Samstag: der
siebte Tag, an dem Gott ruhte. In den orientalischen und östlichen
Religionen wurde übrigens stets der Nachtplanet Mond mehr verehrt
als der Tagplanet Sonne. Auch die „normalen“ Kalender dieser
Kulturkreise richten sich nach dem Mond. Das hat sich bis heute bei
den Juden, den Moslems, im asiatischen Raum und einigen
Naturvölkern nicht geändert.
Mond- und Sonnenjahr
Man braucht eine relativ lange Zeit, um den Lauf der Sonne
innerhalb eines Jahres genau zu bestimmen. Die ersten und
einfachsten Kalender definierten deshalb ein Mondjahr, bestehend
aus in der Regel zwölf Mondmonaten; jeder Monat wurde durch die
Zeitspanne bestimmt, die der Mond von Neumond zu Neumond benötigt –
in der Regel etwa 28 Tage. Das Mondjahr (mit den „üblichen“ zwölf
Monaten, die wir heute kennen) beträgt also 336 Tage. Das
Sonnenjahr dagegen ist der Zeitraum, bis Tag und Nacht im Frühjahr
wieder gleich lange dauern, und es ist bekanntlich etwa 365 Tage
lang. Deshalb ist es schwierig, Sonnen- und Mondjahr genau in
Übereinstimmung zu bringen: Bei der Anpassung – selbst wenn man mit
dreizehn Mondmonaten rechnet – bleiben ein paar Stunden „übrig“.
Auch wenn ein Sonnenjahr vergeht – das heißt, der Zeitraum, bis Tag
und Nacht im Frühjahr wieder gleich lange dauern –, entsteht ein
„Rest“. Dazu kommt, dass auch der Mondzyklus eben nicht genau 28
Tage andauert, sondern gut einen halben Tag mehr hat. Diese
fehlenden Übereinstimmungen versuchte man ganz einfach zu lösen:
Sobald das zwölfmonatige Mond- und das Sonnenjahr nicht mehr
übereinstimmten, wurde einfach ein 13. Monat eingeschoben. Damit
kam man immerhin auf 364 Tage. Diese Kalender galten bereits im
römischen Reich. Man kann also sagen: in der ganzen damals
bekannten Welt.
Julius Cäsar ist „schuld“ daran, dass es bei uns heute anders
ist und ein reiner Sonnenkalender gilt: nämlich der Nilkalender
Ägyptens. Die Ägypter waren eine große Ausnahme: Sie rechneten in
ihrem Kalender nach dem Steigen und Fallen des Nils. Sie kannten
zwölf Monate mit je 30 Tagen und auch bei ihnen „fehlten“ nach
diesen zwölf Monaten fünf Tage aufs volle Sonnenjahr. Die wurden
einfach am Ende dran gehängt. So kam man in Ägypten damals schon
auf ein Jahr von 365 Tagen – wie es unserem „normalen“ Jahr
entspricht, wie wir es heute noch kennen. Der Nilkalender
funktionierte so gut, dass Cäsar ihn für das römische Reich und
damit die gesamte Welt übernahm. Diese Regelung hatte dann immerhin
über eineinhalb Jahrtausende Gültigkeit.
Die Kalenderreform von Papst Gregor XIII.
Auch der Julianische Kalender war nicht perfekt – es „fehlten“
Jahr für Jahr ein paar Minuten. Nach 1.500 Jahren hatte sich dies
auf fast zehn Tage summiert. Eine Kalenderreform war fällig.
Bereits im Jahre 1474 beauftragte Papst Sixtus IV. den Astronomen
und Mathematiker Regiomontanus mit einer Verbesserung des
Kalenders. Der plötzliche Tod des Gelehrten ließ diesen Auftrag
aber wieder in Vergessenheit geraten. Erst gut 100 Jahre später
berief Papst Gregor XIII. eine Kommission ein, die sich erneut mit
dieser Aufgabe befassen sollte. Im Jahre 1582 war es endlich
soweit: Papst Gregor XIII. passte den bis dahin gültigen Kalender
endlich den tatsächlichen Gegebenheiten an. Laut päpstlicher
Anordnung in der Bulle Inter
gravissimas folgt auf den 4. Oktober unmittelbar der 15.
Oktober – zehn Tage werden einfach übersprungen. Damit fiel der
Frühlingsanfang seit 1583 wieder auf den 21. März, das Datum der
Tagundnachtgleiche im Frühling.
Gleichzeitig wurde alle vier Jahre ein Schaltjahr eingeführt, bei dem wir heute noch statt 365 Tage 366 haben. Dieses Schaltjahr fällt nur dann aus, wenn ein Jahrhundert vollendet wird – und dies auch dann nicht, wenn die neue Jahreszahl durch 400 teilbar ist. Der Kalender Papst Gregors XIII: stimmt übrigens so exakt, dass die verbleibenden Abweichungen gegenüber dem tropischen Jahr (so nennen Astronomen die Zeitspanne eines ganzen Jahres, das genau genommen nicht „nur 365 Tage, sondern exakt 365,242199 Tage dauert) erst in mehreren Jahrtausenden zu korrigieren ist.
Doch es gab Probleme: Der Vatikan hatte zu diesem Zeitpunkt
keine unumschränkte Macht mehr.
Alte und neue Zeitrechnung existierten nebeneinander
Nur die katholischen Länder richteten sich zunächst nach dem
neuen Kalender. Italien, Spanien und Portugal kamen dem Willen des
Papstes sofort nach, Frankreich zwei Monate später, ebenso die
katholischen Niederlande. Das hatte Folgen: Im flämischen,
katholisch geführten Brügge fiel 1582 Weihnachten einfach aus. Auf
den 21. Dezember folgte unmittelbar der 1. Januar, um die zehn Tage
einzuholen, die der alte Kalender „falsch“ ging.
Nach dringlicher Ermahnung des Papstes übernahmen 1583 einige
katholische Städte in Deutschland den neuen Kalender. Ebenso wie
Bayern, Österreich, Böhmen und Mähren, die katholischen Kantone der
Schweiz und vier Jahre später Ungarn und Polen. Im katholischen
Köln galt der Gregorianische Kalender sofort, allerdings spielte er
fürs Volk kaum eine Rolle. Denn nur ein paar Kirchenfeste und
Heiligentage änderten sich, ansonsten brauchte man die neue
Zeitrechnung wenig. Im 1.700 Kilometer entfernten litauischen
Vilnius dagegen herrschte derweil noch die alte Zeit.
Nicht nur die Protestanten, auch die orthodoxen Kirchen Osteuropas verweigerten sich dem neuen Kalender des römischen Papstes – bis ins 20. Jahrhundert hinein. Die deutsche Reformation kämpfte besonders erbittert gegen die neue Zeitrechnung aus dem Vatikan: Sie sei Teufelswerk und Papst Gregor XIII., der römische Antichrist, gleiche einem geifernden Wolf, der die christliche Schafherde angreife. So glich Deutschland einem Flickenteppich: Hier gab es die neue, dort die alte Zeit – ein kompliziertes Leben für alle Händler. Zum Beispiel auf einer Reise vom katholischen Regensburg ins protestantische Nürnberg. Damals war das kaum eine Tagesreise, heute ist es vielleicht eine gute Stunde auf der Autobahn:
- Wer Regensburg am 3. Januar verließ, kam in Nürnberg
kalendarisch gesehen zehn Tage früher an; also noch im alten Jahr
und konnte Weihnachten gleich ein zweites Mal feiern.
Erst 1700, mehr als 100 Jahre nach dem päpstlichen Erlass, gab die deutsche Reformation den Widerstand auf und übernahm den „verbesserten“ Kalender. Im protestantischen Deutschland folgte auf den 18. Februar 1700 gleich der 1. März. Dennoch war Europa nach lange nicht einheitlich:
- In England gingen die Uhren immer noch anders. Die anglikanische Kirche nahm sich weitere 52 Jahre Zeit, den neuen Kalender einzuführen.
- Schweden folgte der neuen Zeitrechnung 1753,
- einige Kantone der Schweiz erst 1798,
- Russland sogar erst nach der Revolution 1917.
- Am längsten sträubten sich die orthodoxen Kirchen. Erst 1923 übernahmen auch sie den Gregorianischen Kalender.
Ganz einheitlich ist die christliche Kalenderwelt allerdings auch heute noch nicht. Die orthodoxen Mönche auf dem Berg Athos zum Beispiel folgen noch immer der Zeitrechnung von Julius Cäsar. Ihr Abstand zu uns beträgt mittlerweile mehr zwei Wochen.
Revolution in Frankreich – und ein neuer Kalender
In Frankreich wurde 1793 ein „Republikanischer Kalender“ eingeführt. Das Jahr wurde in zwölf Monate mit je 30 Tagen aufgeteilt, diese wiederum in zehntägige Zeitabschnitte, die als décades (Dekaden) bezeichnet wurden. Der letzte Tag jeder Dekade wurde zu einem Ruhetag erklärt. Die am Ende des Jahres übrig bleibenden Tage (im gregorianischen Kalender der 17. bis 21. September) wurden zu Nationalfeiertagen bestimmt.
Jeder Jahreszeit wurden drei Monate zugeordnet:
- Die Herbstmonate erhielten die Namen Vendémiaire („Monat der Weinlese“), Brumaire („Monat des Nebels“) und Frimaire („Monat des Frostes“)
- die Wintermonate Nivôse („Monat des Schnees“), Pluviôse („Monat des Regens“) und Ventôse („Monat des Windes“).
- Die Frühlingsmonate hießen Germinal („Monat der Saat“), Floréal („Monat der Blüten") und Prairial („Monat der Wiesen“) und
- die Sommermonate Messidor („Monat der Ernte“) Thermidor („Monat der Hitze“) und Fructidor („Monat der Früchte“).
Napoleon ließ 1805 den republikanischen Kalender wieder abschaffen.