Die in Trance beobachtete Beatrice den dunkelhaarigen Sanitäter, der gerade eine Blutdruckmanschette um ihren rechten Oberarm legte. Sie versuchte, sich an seinen Namen zu erinnern, aber er wollte ihr nicht einfallen. Dabei kannte sie ihn und seinen rothaarigen Kollegen recht gut aus dem Krankenhaus. Schon oft hatte sie mit den beiden gesprochen, wenn sie Patienten in die Notaufnahme brachten – Patienten mit Verdacht auf Darmverschluss, Gallenkoliken oder Unfallopfer. Dass sie jetzt selbst eine Patientin war, wollte ihr nicht in den Sinn. Gegen alle Vernunft hoffte sie immer noch auf ein erlösendes Erwachen aus diesem abscheulichen Albtraum.
Der Rothaarige warf die Türen des Krankenwagens zu und kletterte rasch auf den Fahrersitz.
»Alles klar dahinten?«, rief er über die Schulter.
»Ja, es kann losgehen!«
Während sein Kollege den Motor startete und das Martinshorn anschaltete, entnahm der Dunkelhaarige einer Schublade über der Liege ein Stethoskop, um den Blutdruck zu messen. Beatrice kannte die spartanische, aber zweckmäßige Einrichtung der Krankenwagen. Sie selbst hatte eine Zeit lang im Rahmen ihrer chirurgischen Ausbildung im Notarztwagen gearbeitet. Aber es war das erste Mal, dass sie alles aus der Perspektive des Patienten erlebte. Eine Erfahrung, auf die sie liebend gern verzichtet hätte.
»Hundertzehn zu sechzig«, sagte der Sanitäter und klang dabei fast fröhlich.
Es war Beatrice schon oft aufgefallen, dass Sanitäter meistens gut gelaunt waren. Ob es daran lag, dass sie sich einbilden konnten, den ganzen Tag lang Menschenleben zu retten? Sie brachten die Patienten mit ihren Beschwerden ins Krankenhaus, wo ihnen geholfen werden sollte. Wie es dort tatsächlich weiterging, erfuhren sie nie.
»In welcher Woche sind Sie schwanger?«
»Dreißigste«, antwortete Beatrice und spürte, wie eine neue Wehe kam.
Der Dunkelhaarige pfiff durch die Zähne. »Ein bisschen früh. Wissen die schon, dass Sie kommen?«
Beatrice nickte. »Ich habe zuerst im Krankenhaus angerufen. Die Kollegen im Kreißsaal wissen Bescheid.«
»Nun entspannen Sie sich erst mal, Frau Doktor«, sagte der Sanitäter und tätschelte beruhigend ihre Hand. »Wird schon alles werden.«
Entspannen! Wie sollte sie sich entspannen, wenn ihr vor lauter Angst schlecht war? Sie war doch selbst Ärztin, sie wusste, welches Risiko Wehen in diesem Stadium der Schwangerschaft bedeuteten. Die dreißigste Woche. Das war einfach viel zu früh. Das Kind war noch nicht reif genug, um jetzt schon auf die Welt zu kommen.
Beatrice presste die Lippen zusammen und versuchte, die schrecklichen Bilder eines winzigen, an Beatmungsmaschinen angeschlossenen, künstlich ernährten Babys zu verdrängen. Hätte sie doch nur Markus gleich wieder fortgeschickt.
Ob Markus ahnte, was er angerichtet hatte? Wohl kaum. Vermutlich saß er gerade in diesem Augenblick im Flur seiner Wohnung auf dem staubfreien Laminatboden, den Holzkasten mit den teuren englischen Schuhcremes vor sich, und versuchte, die Kratzer und Striemen von seinen Slippern zu beseitigen. Eine neue Wehe, diesmal noch stärker als zuvor, überrollte sie. Beatrice wurde übel. Wenn sie wenigstens kein Sushi gegessen hätte.
»Wir sind gleich da.«
Der Krankenwagen ging so scharf in die Kurve, dass sich der Sanitäter festhalten musste. Dann bremste er mit quietschenden Reifen. Der Rothaarige schaltete das Blaulicht und den Motor ab, sprang aus dem Wagen und öffnete die Tür.
Im grellen Licht der Notaufnahme sah Beatrice schemenhaft einige weiße Gestalten den Flur entlanghuschen. Vermutlich waren es Schwestern, die den Sanitätern entgegeneilten, vielleicht Kollegen, die davon gehört hatten, dass es diesmal einen von ihnen erwischt hatte. Wahrscheinlich aber war es nur die übliche Routine.
»Schwangerschaft, dreißigste Woche, vorzeitige Wehen«, hörte Beatrice den Rothaarigen zu einer der Schwestern sagen.
»Dann hoch in den Kreißsaal«, entgegnete sie. »Wissen die oben Bescheid?«
Die Erleichterung war ihr deutlich anzuhören. Wenigstens dieser Transport galt nicht den Chirurgen.
»Guten Abend«, sagte die Schwester und wandte sich Beatrice zu. »Die Sanitäter werden Sie gleich…« Sie brach ab und riss erschrocken die Augen auf. »Mein Gott, Bea, was ist denn…«
»Du hast es ja gehört, Susanne«, antwortete Beatrice und versuchte zu lächeln. Es misslang ihr gründlich. Stattdessen rollte eine Träne über ihre Wange. Sie biss sich auf die Lippe, um nicht laut zu schluchzen.
»Susanne, komm schon!«, rief Heinrich über den Flur. »Der Transport ist doch für die Gynäkologen. Wir brauchen dich hier!«
»Heute ist wirklich die Hölle los.« Susanne ergriff Beatrices Hand. »Kann ich irgendetwas für dich tun?«
»Halte mir die Daumen, okay?«
Susanne nickte und drückte ihre Hand ganz fest, bevor sie zu Heinrich in den Behandlungsraum eilte.
Die beiden Sanitäter schoben Beatrice den Flur entlang zu den Fahrstühlen. Links und rechts standen Betten und Liegen mit Patienten, die auf Untersuchungen, Ergebnisse, ihre Verlegung oder Entlassung warteten. Einige schliefen, andere wälzten sich unruhig auf den schmalen Liegen und stöhnten leise. Die Kollegen hatten offensichtlich alle Hände voll zu tun. Während sie zur gynäkologischen Abteilung in den zweiten Stock fuhren, ertappte sich Beatrice bei dem Gedanken, dass es besser gewesen wäre, wenn sie heute Abend noch länger geblieben wäre. Sie hätte den Kollegen helfen können, und sie hätte Markus nicht getroffen. Bestimmt hätte er nicht lange vor ihrer Haustür auf sie gewartet. Sie hätte einen verspäteten, aber ruhigen, beschaulichen Abend vor dem Fernseher verbracht und würde jetzt nicht…
Die Fahrstuhltür ging auf, und sie wurde hinausgeschoben. Vor der Glastür des Kreißsaals blieben die Sanitäter stehen. Aber noch bevor sie klingeln konnten, öffnete sich die Tür.
»Sind das die vorzeitigen Wehen?«, erkundigte sich eine tiefe weibliche Stimme.
»Ja, wir…«
»Danke, wir übernehmen.«
Achselzuckend drehten sich die beiden Sanitäter um.
»Alles Gute«, verabschiedeten sie sich von Beatrice und verschwanden.
» Guten Abend, Frau…«
»Helmer«, sagte Beatrice und betrachtete die hochgewachsene, athletische Frau argwöhnisch. Sie wusste bereits in diesem Augenblick, dass sie sie nicht mochte. Ärzte, die ihre Patienten nach ihren Beschwerden oder der Diagnose benannten, noch dazu in deren Anwesenheit, waren ihr ein Gräuel. Diese Leute hätten sich lieber mit Informatik oder Maschinenbau befassen sollen.
»Frau Helmer. Ich bin Dr. Schmidt-Bartelsen. Ich glaube, wir haben vorhin miteinander telefoniert. Wir fahren Sie in einen unserer Überwachungsräume und machen ein paar Untersuchungen. Dann sehen wir weiter.«
Beatrice wollte fragen, welche Untersuchungen geplant waren, doch eine weitere Wehe erstickte jeden Laut in ihrer Kehle. Dr. Schmidt-Bartelsen war eine kompetente Gynäkologin, wenigstens hatte sie diesen Ruf im Krankenhaus. Allerdings strahlte sie ebenso viel Güte und Freundlichkeit aus wie die Schneekönigin. Und gerade in dieser Situation hätte sich Beatrice einen mitfühlenderen Arzt an ihrer Seite gewünscht.
Man kann nicht immer Glück haben, dachte sie. Dann kam wieder eine Wehe, und sie biss die Zähne zusammen, um nicht laut zu schreien.
Frau Dr. Schmidt-Bartelsen arbeitete zügig, gründlich – aber leider stumm. Während der ganzen Untersuchung richtete sie nicht einmal das Wort an Beatrice, und die leisen Anweisungen der Ärztin an die anwesende Schwester konnte sie nicht verstehen. Nebenher lief das CTG – ein Gerät, das mithilfe auf den Bauch geklebter Elektroden die Wehentätigkeit und die kindlichen Herztöne aufzeichnet. Die Herztöne waren deutlich zu hören, dieses laute Fauchen und Klopfen, das in jeder gynäkologischen Praxis zum Alltag gehört. Die Töne waren schnell und schienen einigermaßen regelmäßig zu sein. Aber ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war, konnte Beatrice nicht sagen. Sie war viel zu aufgeregt, um ihr gynäkologisches Wissen aus den Tiefen ihres Gehirns hervorzukramen. Und Dr. Schmidt-Bartelsen gab kein Wort von sich.
Als die Ärztin mit der Untersuchung fertig war, sah sie sich den Ausdruck des Geräts an und runzelte nachdenklich die Stirn. Dann riss sie das Millimeterpapier ab.
»Bin gleich wieder da«, murmelte sie, verschwand mit der Schwester und ließ Beatrice allein.
Diese hätte ihr gern hinterhergerufen, dass sie endlich erfahren wolle, was los sei, doch sie bekam keinen Ton heraus. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu.
Als sich die Tür wieder öffnete, waren vermutlich nur Minuten vergangen, doch Beatrice kam die Zeit wie Stunden vor.
»Guten Abend!«
Die freundliche Stimme gehörte Dr. Wagner, dem Oberarzt der Geburtsabteilung. Er hatte einen ausgezeichneten Ruf und war allgemein beliebt – bei Kollegen, Schwestern und Patientinnen. Er kam zu ihr, setzte sich auf die Bettkante und reichte ihr die Hand.
»Wie geht es Ihnen, Frau Dr. Helmer?«
»Wenn man von den Wehen absieht, gut.«
»Ich muss Ihnen noch ein paar Fragen stellen«, fuhr er fort, und Beatrice spürte, dass er verärgert war, dass seine Kollegin dies nicht getan hatte. »Wie lange haben Sie die Wehen schon?«
»Seit heute Abend halb neun.«
Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Also seit etwa zweieinhalb Stunden. Ist das die erste Komplikation in der Schwangerschaft?«
»Ja.«
»Können Sie sich einen Grund vorstellen? Haben Sie sich zum Beispiel körperlich überanstrengt, oder hatten Sie in der letzten Zeit einen Infekt?«
Beatrice schüttelte den Kopf. »Nichts dergleichen. Ich habe mich lediglich heute Abend ziemlich aufgeregt, und danach…« Wieder kam eine Wehe.
Dr. Wagner warf einen Blick auf das CTG und legte prüfend eine Hand auf ihren Bauch.
»Was ist jetzt?«, fragte Beatrice voller Angst.
»Vorerst brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, Frau Kollegin. Der Muttermund ist fest geschlossen – ein gutes Zeichen nach zweieinhalb Stunden Wehen. Außerdem ist die Fruchtblase intakt, und die Herztöne des Kindes sind völlig in Ordnung. Wir werden Sie an einen Partusisten-Perfusor anschließen, um die Wehentätigkeit zu hemmen, und außerdem erhalten Sie hochdosiertes Magnesium. Zur Vorsicht geben wir Ihnen auch noch eine Cortisonspritze, um die Lungenreife des Kindes zu fördern. Natürlich müssen Sie strenge Bettruhe einhalten. Das bedeutet Waschen und Toilettengang im Bett.«
Beatrice stöhnte auf. Welch ein Albtraum! Und doch war dies ein geringer Preis verglichen mit einer drohenden Frühgeburt.
»Und wenn doch etwas schief geht?«
»Zur Zeit glaube ich das nicht«, antwortete Dr. Wagner. »Aber zu Ihrer Beruhigung sollten Sie wissen, dass sowohl ein OP-Team als auch ein Neonatologe mit Brutkasten bereitstehen. Sollte das Partusisten wider Erwarten nicht den gewünschten Erfolg haben, können wir innerhalb weniger Minuten alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen.« Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Aber machen Sie sich keine großen Hoffnungen, Frau Kollegin. Ich weiß zwar, dass ihr Chirurgen es immer besonders eilig habt, aber so geht das nicht. Sie werden sich schon noch ein wenig gedulden müssen, bis das Kind zur Welt kommt.«
Die Tür ging auf, und eine Schwester erschien mit einem Gestell, an dem ein klobiger grüner Kasten hing. Eine mit klarer Flüssigkeit gefüllte 50-ml-Spritze war in den oberen Teil eingespannt, dünne Plastikschläuche durchliefen den Tropfenzähler.
»Sie können sich jetzt umziehen, wenn Sie mögen«, sagte Dr. Wagner. »Wenn Sie erst an dem Perfusor angeschlossen sind, ist das ziemlich kompliziert. Ich bin gleich wieder bei Ihnen.«
Das Umziehen dauerte so lange, dass Beatrice sich vorkam wie eine Neunzigjährige, und es war ihr peinlich, dass die Schwester ihr dabei helfen musste. Doch sie war heilfroh, als sie endlich wieder im Bett lag.
»Sie werden ein paar Stunden zur Beobachtung hier im Kreißsaal bleiben«, sagte die Schwester und legte Beatrices Kleidungsstücke sorgfältig zusammen. »Erst dann werden Sie auf die Station… hoppla!«
Ein Poltern unterbrach sie. Die Schwester bückte sich und hob etwas vom Boden auf.
»Das ist aus Ihrer Hosentasche gefallen«, sagte sie und reichte Beatrice einen leuchtend blauen Stein von der Größe einer Walnuss. »Tut mir leid, ich fürchte, er ist zerbrochen.«
Beatrice nahm den Stein. »Ja«, sagte sie und fuhr mit dem Finger über die raue Bruchkante. »Aber nicht jetzt. Das ist schon sehr lange her.«
»Ein Talisman?«, fragte die Schwester.
»So etwas in der Art.«
Beatrice betrachtete nachdenklich den Stein. Wie war er nur in ihre Hosentasche geraten? Nachdem sie im Krankenhaus angerufen hatte, hatte sie in aller Eile eine Reisetasche mit dem Notwendigsten zusammengepackt. Aber dass sie dabei auch den Saphir mit eingesteckt hatte, daran konnte sie sich gar nicht mehr erinnern. Sie musste trotz der Wehen einen Stuhl zum Kleiderschrank gezerrt haben, dort hinaufgestiegen sein und aus der hintersten Ecke das Frotteehandtuch hervorgeholt haben, in dem sie den Stein versteckt hatte. Aber warum erinnerte sie sich dann nicht mehr daran?
Etwa eine halbe Stunde später lag Beatrice allein im Überwachungsraum. Dr. Wagner hatte ihr einen venösen Zugang gelegt, den Perfusor angeschlossen und ihr die möglichen Nebenwirkungen geschildert. Er hatte von Tachykardie, Blutdruckanstieg, Tremor und Kopfschmerzen gesprochen. Und bereits nach wenigen Minuten hatten diese Symptome eingesetzt. Alle. Ihr Herz raste. Jeden einzelnen dieser Herzschläge spürte sie im ganzen Körper, als hätte sich ihr Herz in einen Presslufthammer oder eine Hochdruckpumpe verwandelt. Alles um sie herum schien sich im Rhythmus ihrer viel zu schnellen Herzschläge auf und ab zu bewegen, sogar das Bett bebte. Ihre Hände zitterten so stark, dass sie kaum in der Lage war, ein Glas Wasser zu halten, und sie hatte das Gefühl, dass ihr Kopf spätestens in wenigen Minuten platzen würde.
Sie versuchte, die Nebenwirkungen des wehenhemmenden Medikaments als harmlos abzutun und sich einzureden, dass sie sich schon noch daran gewöhnen würde. Um sich abzulenken, grübelte sie darüber nach, wie der Stein der Fatima in ihre Hosentasche gekommen war. Sie hatte keine Erklärung dafür, höchstens eine Amnesie, eine akute Bewusstseinsstörung, die sie unbedingt den behandelnden Kollegen melden musste. Ein überaus unangenehmer Gedanke. Sie wollte auf keinen Fall in die »Psycho-Ecke« gesteckt werden. Da war die andere Möglichkeit schon viel besser, selbst wenn sie noch so abwegig war. Vielleicht war das Auftauchen des Steins in ihrer Hosentasche wieder eines seiner Rätsel. Vielleicht hatte der Stein der Fatima erneut etwas mit ihr vor…
Argwöhnisch betrachtete Beatrice den Saphir in ihren zitternden Händen. Das Neonlicht über ihrem Bett brach sich in ihm und versprühte blaue Funken, die an den Zimmerwänden hin und her tanzten. Er war schön. Wunderschön. Sie schloss ihre Hand um den Stein. Er fühlte sich seltsam vertraut an – warm und kühl und beruhigend zugleich. Warum nur hatte sie bisher so eine Angst vor ihm gehabt? Er tat ihr doch nichts. Im Gegenteil. In dieser Situation beruhigte er sie mehr als Dr. Wagners Versprechen, dass sie per Monitor überwacht werde und alle fünfzehn Minuten eine Schwester oder ein Arzt zu ihr komme.
Beatrice öffnete ihre Faust wieder. Leuchtend und strahlend, als hätte eine unsichtbare Hand in ihm ein Licht angezündet, lag der Stein mitten auf ihrer Handfläche. Er sah aus wie ein ruhiges, freundliches Auge. Dabei handelte es sich lediglich um das Bruchstück eines Auges, wenn man jener alten Legende überhaupt Glauben schenken wollte. Es wurde erzählt, dass es ein Stück jenes Auges von Fatima, der Lieblingstochter des Propheten Mohammed, war, das sie geopfert hatte, um die zerstrittenen Söhne Allahs wieder zu vereinen.
Beatrice sank erschöpft zurück. Das Beben des Bettes wurde immer stärker, es fühlte sich an, als würde sie auf Katzenkopf-Pflaster Fahrrad fahren. Ihr Herzschlag dröhnte in ihren Ohren und ihr Kopf… Ihr Schädel fühlte sich an wie ein Luftballon, der zu stark aufgeblasen worden war und jeden Moment zu platzen drohte.
Und dann fing es an. Ganz langsam begann sich alles um sie herum zu drehen. Der Perfusor, der Beistelltisch, sogar die Wände und die Tür bewegten sich immer schneller, als hätte sich der Überwachungsraum im Kreißsaal plötzlich in ein Karussell verwandelt.
Es geht tatsächlich wieder los!, dachte Beatrice. Sie merkte zu ihrer eigenen Überraschung, dass sie, obwohl sie sich die ganze Zeit über eingeredet hatte, nicht an die geheimnisvollen Kräfte des Steins zu glauben, fest mit ihnen gerechnet hatte. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass Buchara nicht das Ende war. Aber was wollte der Stein jetzt von ihr? Würde er sie wieder in eine andere Zeit bringen? Wenn ja, wohin würde die Reise diesmal gehen?
Das ist ein ziemlich ungewöhnliches Urlaubsroulette, dachte Beatrice und biss sich auf die Lippe, um nicht unpassenderweise zu kichern. Vielleicht war sie ja doch ein Fall für die Psychiatrie.
Das Zimmer drehte sich immer schneller, bis alle Gegenstände ihre Konturen verloren und miteinander zu einem rasenden Wirbel verschmolzen. Nach einer Weile öffnete sich in der Mitte dieses Strudels ein gähnendes schwarzes Loch.
Es ist so weit, dachte Beatrice und schloss vertrauensvoll ihre Augen. Und in diesem Moment wusste sie, dass sie nicht verrückt war. Das hier geschah wirklich, und es war gut so. Wo auch immer der Stein der Fatima sie hinführen würde, es würde nicht zu ihrem Schaden sein.
Sie spürte, wie ein starker Sog sie erfasste und aus dem Bett hob. Immer schneller drehte sie sich um ihre eigene Achse. Ihr wurde übel. Und bevor sie es sich anders überlegen konnte und doch Angst bekam, verlor sie das Bewusstsein.