Zwei Tage später war es schließlich so weit. Alles war zusammengepackt, die Räume und Gänge des Palastes sahen aus wie leer gefegt. Die kostbaren Truhen und Schränke, die Statuen und kleinen Figuren, die überall herumgestanden hatten, waren in Decken eingeschlagen und auf Karren verladen. Die Wände waren kahl. Jedes einzelne Bild war zusammengerollt, in Bambusrohre gesteckt und in Kisten gepackt worden. Sogar die eisernen Kohlebecken fehlten. Vereinzelt hasteten noch Diener mit Truhen und Körben durch die Gänge – die letzten Gepäckstücke, vollgestopft mit Geschirr, Bettwäsche, Kleidungsstücken und all den anderen Dingen, die bis zum Schluss noch gebraucht worden waren.
Beatrice ging langsam mit Maffeo den Gang zum Tor entlang, reisefertig in warme, mit Pelz gefütterte Winterkleidung gehüllt. Mit ihrem dicken Bauch kam sie sich in dieser Kleidung vor wie ein unförmiger, unbeweglicher Marshmallow-Mann.
»Es ist seltsam«, sagte sie zu Maffeo. »Ich bin noch nicht lange hier, die meiste Zeit davon habe ich nur in meinem Quartier verbracht, ich kenne diese Stadt eigentlich gar nicht, und trotzdem fällt es mir jetzt schwer, sie zu verlassen.«
Maffeo legte ihr tröstend eine Hand auf den Arm. »Sei nicht traurig. Belaste dein Herz nicht mit dem, was vergangen ist. Dem Alten folgt immer das Neue, so wie dem Winter der Frühling. Shangdou ist schön, aber das ist auch Taitu. Und letztlich wird es dort nicht anders sein als hier. Wir werden essen, schlafen, uns streiten und wieder versöhnen. Die Intrigen werden weitergesponnen, der Kampf um das Reich setzt sich fort. Im Grunde wird sich nichts verändern, nur die äußere Hülle wird eine andere sein. Wie eine Schlange häutet sich Khubilais Hofstaat, wird größer, vielleicht auch mächtiger. Trotzdem bleibt die Schlange immer noch dieselbe.«
Beatrice dachte eine Weile nach. Maffeo hatte recht, im Grunde änderte sich wirklich nicht viel, aber trotzdem…
»Ich habe das Gefühl, dass ich Shangdou nie Wiedersehen werde«, sagte sie leise.
Maffeo nickte. »Ja, das ist sehr gut möglich«, entgegnete er ernst. »Denn vergiss nicht, weshalb du hier bist. Der Stein der Fatima hat dich hierher geführt. Er wird dich auch wieder nach Hause bringen.«
»Und wann?«, fragte Beatrice und wusste in diesem Augenblick wirklich nicht, ob sie diesen Moment herbeisehnte oder ob sie sich davor fürchtete. Es gab Tage, an denen sie unter Heimweh litt, an denen sie sich nach ihrer Familie, ihren Freunden, den Kollegen und der Arbeit sehnte, nach den Errungenschaften der Zivilisation wie Radio und Fernsehen, nach Musik von den Doors und Bon Jovi, nach Pommes und Cola und nach ihren Lieblingszeitschriften. Aber meistens, wenn sie ehrlich war, fürchtete sie sich davor, zurückzukehren. Wenn sie eines Tages wieder in Hamburg war, würde sie bald Mutter werden, und ihr Leben würde sich so nachhaltig ändern, wie es nicht einmal diese Zeitreisen vermochten. Wenn sie daran dachte, bekam sie Angst. Sie hatte Zweifel, ob es ihr gelingen würde, dieser Verantwortung gerecht zu werden.
»Niemand weiß es so genau. Es kommt darauf an, wann du deine Aufgabe erfüllt hast. Doch meistens dauert es weniger als ein Jahr.«
»Woher weißt du das?«, fragte Beatrice. »Wie oft hat dich der Stein bereits…«
»Nicht oft. Zweimal bin ich bisher gereist, und niemals so weit wie du. Aber mein Lehrer, Lama Phagspa, hat sein Wissen an mich weitergegeben. Es war vor ziemlich genau sieben Jahren. Wir waren auf der Reise zu Khubilai Khan und kamen kurz vor Einbruch des Winters in den Bergen an. Lama Phagspa hat uns eingeladen, den Winter im Schutz seines Klosters zu verbringen. Und während dieser Zeit hat er mir den Stein der Fatima anvertraut.« Maffeo lächelte in sich hinein. »Ihn selbst hat der Stein viele Male auf die Reise geschickt, und die Hüter vor ihm ebenso.«
»Die Hüter vor ihm?«, fragte Beatrice. »Was meinst du damit?«
»Seine Vorgänger«, antwortete Maffeo. »Seit mehr als sechshundert Jahren wird der Stein weitergegeben, immer von einem Lama zum nächsten. In jenem versteckt in den Bergen gelegenen Kloster haben sie ihn aufbewahrt. Dort hat er geruht, verborgen vor den Augen der Welt, sicher vor der Habgier, die immer wieder Abenteurer, Schurken und Diebe auf die Suche nach dem Stein der Fatima trieb.«
»Entschuldige bitte, dass ich so unverschämt frage, aber weshalb hast ausgerechnet du den Stein von diesem Lama erhalten? Ich meine, du bist kein Lama, du bist noch nicht einmal Buddhist. Du bist ein Europäer, der einfach nur zufällig auf der Durchreise war.«
»Glaube mir, auch ich habe mich das gefragt. Stunde um Stunde, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Warum ich? Weshalb muss ausgerechnet ich diese Bürde tragen?« Maffeo lächelte. »Anfangs glaubte ich, Phagspa gab mir den Stein, damit ich ihn Khubilai überreiche. Der Khan war einst Phagspas Schüler.
Der Lama muss seine Vision von einem friedlichen, alle Völker umfassenden Reich gekannt haben. Außerdem ist Khubilai seit jeher auf der Suche nach religiösen und magischen Artefakten aller Kulturen. Als wir hierher kamen, brachten wir zum Beispiel Öl vom Grabe unseres Herrn Jesus Christus mit. Ich dachte anfangs, der Stein sollte Khubilais Sammlung vervollständigen. Aber als wir dann Shangdou erreichten, hatte ich einen Traum. Und in diesem Traum wurde mir gesagt, dass ich den Stein verborgen halten solle, versteckt an einem sicheren Ort. Ich habe diesem Traum gehorcht. Und manchmal frage ich mich, ob Phagspa nicht ebenfalls einen Traum hatte. Einen Traum, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass er mir den Stein anvertrauen soll. Mir kam auch schon der Gedanke, ob nicht vielleicht der Stein selbst seine Hüter erwählt.«
Mittlerweile hatten sie das Tor erreicht. Der riesige Platz war angefüllt mit Pferden und zweirädrigen, von Ochsen gezogenen Karren, Menschen liefen und schrien durcheinander, Soldaten ritten umher und kontrollierten, ob alle marschbereit waren. Beatrice zog ihren warmen, mit weichem Fuchspelz gefütterten Mantel enger um sich. Sie wusste nicht, was sie mehr erschauern ließ, die eisige Kälte, die ihr hier auf dem Platz entgegenschlug, oder die Vorstellung von der Macht, die in diesem walnussgroßen Stück Edelstein wohnte, das in einem kleinen Lederbeutel um ihren Hals hing. Sollte die Legende recht haben und tatsächlich viele Bruchstücke des Auges der Fatima existieren, und sollte es wirklich gelingen, diese Teile irgendwann in ferner Zukunft alle wieder zusammenzufügen – was würde dann geschehen? Welche unvorstellbare Macht würde das vollständige Auge besitzen? Und wer würde diese Macht auf welche Art nutzen? Der Traum vom Frieden zwischen den Muslimen und den anderen Parteien im Nahen Osten war schön. Aber die Erfahrung zeigte, dass die Menschen dazu nicht fähig waren. Und daran konnte sicherlich auch der Stein der Fatima nichts ändern.
»Dort drüben stehen unsere Pferde«, sagte Maffeo und riss Beatrice aus ihren Gedanken. »Kannst du reiten, oder möchtest du lieber in einem der Wagen mit Ming oder den anderen Frauen mitfahren? Oder soll ich dir eine Sänfte besorgen?«
Die Vorstellung, mit vielen anderen zusammengepfercht auf einem holprigen Karren zu sitzen – womöglich noch Ming direkt neben sich –, war Beatrice ein Gräuel. Sie wollte allein sein und nachdenken. Stoff genug hatte sie dafür. In einer Sänfte wäre sie zwar allein, aber schon der Gedanke an das sanfte, nie enden wollende Geschaukel verursachte ihr Übelkeit.
»Ich möchte reiten«, antwortete sie. »Und sollte es mich zu sehr anstrengen, habe ich ja immer noch die Möglichkeit, auf einen der Wagen umzusteigen.«
Maffeo nickte, führte Beatrice zu einer kleinen lebhaften Fuchsstute und half ihr in den Sattel. Dieser hatte eine erstaunlich hohe Lehne und machte nicht nur einen ungewohnten, fremdartigen, sondern auch unbequemen Eindruck.
Da werde ich heute Abend wohl heftige Rückenschmerzen haben, dachte Beatrice und rutschte auf dem Pferderücken hin und her, um eine Position zu finden, in der sie die Sattellehne nicht so deutlich im Kreuz spürte.
Sie hatte gerade eine einigermaßen bequeme Sitzhaltung eingenommen, als ein durchdringender Pfiff ertönte. Wie ein Staffelholz wurde er von Soldat zu Soldat weitergegeben. Es war das Zeichen zum Aufbruch. Pferde und Wagen setzten sich in Bewegung, ein gewaltiger, unüberschaubarer Zug von mindestens einem Kilometer Länge. Und Beatrice fragte sich, wer den Überblick darüber behielt, dass dies wirklich alle Untertanen und Besitztümer des großen Khans waren und nicht noch der eine oder andere verloren und vergessen in den leeren Gängen des Kristallpalastes umherirrte.
Als sie nur wenig später durch das breite Tor von Shangdou ritten, ging gerade die Sonne auf. Sie erhob sich über den Horizont als blutroter Ball und übergoss den Himmel mit Purpur, während über ihren Köpfen noch die Sterne funkelten. Beatrice suchte den Himmel ab, in der Hoffnung, etwas zu entdecken, das sie als gutes Omen werten könnte. Aber das Auge, jenes seltsame und doch so tröstliche Sternbild, war nirgendwo zu sehen.
Der eisig kalte Wind wehte Beatrice ins Gesicht und ließ sie trotz des warmen Fellmantels und der Pelzmütze frösteln.
Ich wusste gar nicht, wie sehr ich das vermisst habe, dachte Beatrice. Sie klopfte der zierlichen Fuchsstute den glatten Hals und atmete mit geschlossenen Augen den Duft des Tiers ein. Sie genoss es, nach langer Zeit wieder einmal auf einem Pferderücken zu sitzen.
Es war ein seltsames, ungewohntes und zugleich vertrautes Gefühl. Früher, während ihrer Schulzeit, war Beatrice leidenschaftliche Reiterin gewesen. Jede freie Minute, jedes Wochenende und einen Großteil der Ferien hatte sie im Pferdestall verbracht. Mittlerweile war ihr letzter Ritt jedoch mindestens sechs Jahre her – eben genauso lang, wie sie als Chirurgin arbeitete. Aber woran lag das? Daran, dass ihr das Reiten keinen Spaß mehr machte, bestimmt nicht, das merkte sie jetzt. Ihre Lebensumstände waren schuld daran. An normalen Arbeitstagen fehlte ihr einfach die Zeit und die Kraft. Und an den freien Tagen und Wochenenden zwischen den Diensten war sie meistens damit beschäftigt, ihren Haushalt wieder auf Vordermann zu bringen, Kontakte zu Freunden zu pflegen oder einfach nur versäumten Schlaf nachzuholen.
»Die Chirurgie ist eine überaus eifersüchtige Geliebte«, hatte ihr ehemaliger Chef anlässlich seiner Pensionierung in seiner Abschiedsrede gesagt. »Sie duldet neben sich keine Konkurrenz.«
Über den Wahrheitsgehalt dieser Worte hatte sie noch nie zuvor nachgedacht, aber es stimmte. Auf die meisten angehenden Mediziner wirkte die Chirurgie abstoßend. Wer sich jedoch auf sie einließ und empfänglich für ihren Zauber war, der bekam ihr wahres Gesicht zu sehen. Den nahm sie in Beschlag, verschlang ihn mit Haut und Haar – und am Ende war man sogar noch dankbar dafür.
Beatrice seufzte, als sie merkte, dass sie sich nach dem OP zurücksehnte, dem Geruch der Desinfektionsmittel, dem Geräusch von Beatmungsmaschine und EKG, dem grellen, blendfreien Licht. Sie wollte endlich wieder operieren. Aber wie sollte das werden, wenn das Kind erst einmal auf der Welt war? Mit Baby würde sie kaum in der Lage sein, so zu arbeiten wie bisher. Doch sollte sie wirklich drei Jahre lang pausieren, sich nur noch um Kind, Windeln, Babyschwimmen und Breikost kümmern? Andererseits, wie sah die Alternative aus? Ihr eigenes Kind morgens kurz vor sieben Uhr in einer Krippe abgeben und den Rest des Tages von den Großeltern erziehen lassen? Halbtagsstellen für Chirurgen gab es im Krankenhaus nicht. Die Möglichkeit, nur Nachtdienste zu machen, vielleicht zwei pro Woche, war auf Druck der Gewerkschaften abgeschafft worden. Natürlich konnte sie versuchen, eine Halbtagsstelle in einer chirurgischen Praxis zu finden. Doch hatte sie wirklich eine harte, lange Ausbildung hinter sich gebracht, um nur noch eingewachsene Zehennägel und Lipome zu operieren? Nein, das konnte nicht ihr Ziel sein. Aber was sollte sie dann tun?
Mach dir doch jetzt keine Gedanken darüber, meldete sich eine innere Stimme. Du lebst jetzt im Mittelalter. Die Probleme des Arbeitsmarkts für eine alleinerziehende Chirurgin existieren hier nicht. Maffeo sprach doch davon, dass der Stein nichts ohne Absicht zulässt. Vielleicht hat er dich hierher gebracht, damit du dir keine Sorgen mehr zu machen brauchst.
Aber, ließ sich da eine andere Stimme vernehmen, Maffeo hat auch gesagt, dass diese »Reisen« selten länger als ein Jahr dauern. Und ein Jahr ist verdammt kurz.
Trotzdem, jetzt bist du erst einmal hier, schaltete sich wieder die erste Stimme ein. Genieße diese Zeit. Und mittlerweile können sich die Verhältnisse bei dir zu Hause zu deinen Gunsten ändern. Man sollte die Hoffnung nie aufgeben.
Das war ein tröstlicher Gedanke, irgendwie ermutigend. Beatrice wollte sich gerade wieder den gleichmäßigen Bewegungen ihres Pferdes überlassen, als sie jäh aufschreckte. Das war also der Grund, weshalb sie sich bisher über ihre »Reise« nicht aufgeregt hatte, weshalb sie sich keine Gedanken darüber gemacht hatte, wie sie nach Hause kommen würde oder weshalb sie überhaupt hier gelandet war. Weshalb sie die Gespräche mit Maffeo immer vor sich hergeschoben und ihn nicht mehr bedrängt hatte, noch mehr von seinem Wissen über den Stein der Fatima zu verraten. Dieses Ereignis war eine willkommene Gelegenheit, vor den Fragen und Problemen, die zu Hause auf sie warteten, zu flüchten. Statt sich zu kümmern und ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, hatte sie die ganze Zeit über den Kopf in den Sand gesteckt, voller Dankbarkeit für die Ablenkung. Sie wusste ja noch nicht einmal genau, wie lange sie schon hier war. Ein paar Wochen waren es mindestens. Und während dieser ganzen Zeit hatte sie nichts dazu beigetragen, um das Geheimnis des Steins zu enträtseln. Gar nichts!
Sie war so entsetzt über diese plötzliche Erkenntnis, dass sie beinahe mit Dschinkim zusammengestoßen wäre, der unbeweglich wie eine Statue auf seinem herrlichen schwarzen Hengst saß und in die Richtung starrte, aus der sie gekommen waren.
»Verzeihung!«, rief Beatrice aus, als sie ihre Stute im letzten Moment zügelte. »Ich war so in Gedanken…«
Dschinkim blickte sie an, als ob auch er sie erst in diesem Moment bemerkt hätte. Er schien so abwesend zu sein, dass er offensichtlich sogar vergessen hatte, grimmig auszusehen. Ohne die zornigen Falten zwischen den Augenbrauen schaute er sogar recht gut aus, wie Beatrice überrascht feststellte.
»Sieh nur, da vorne«, sagte er und deutete nach Westen, wo die Kuppeln der Türme und die Mauern in der Morgensonne glänzten, als wären sie mit Gold eingefasste Juwelen. »Dort am Horizont kannst du die Türme von Shangdou sehen.«
Sie waren höchstens eine Stunde unterwegs und hatten doch schon eine weite Strecke zurückgelegt. Lediglich der Lage Shangdous in einem breiten Tal war es zu verdanken, dass sie die Stadt überhaupt noch sahen. Eine halbe Wegstunde weiter, und von Shangdou wäre nichts mehr auszumachen. Völlig verzaubert von dem Anblick, der sich ihr bot, betrachtete Beatrice die unter ihnen im Tal liegende Stadt stumm vor Staunen.
Durch eine Laune des Lichts wirkten die Mauern, die Türme und Kuppeln fast durchsichtig. Aber vielleicht war dieser Effekt von den Baumeistern beabsichtigt. Die Stadt glitzerte und funkelte in der Sonne, als wäre sie nicht aus weißem Marmor und hellem Sandstein, sondern aus kostbarem geschliffenen Kristall gefertigt worden, nicht von gewöhnlichen Menschen, sondern von Feen, Geistern und Elfen, deren Zauber die Gebäude zusammenhielt. Endlich verstand Beatrice, weshalb Shangdou den Beinamen »Kristallpalast« trug. Und weshalb in späteren Jahrhunderten daraus das sagenumwobene »Xanadu« werden würde. Wenn es auf dieser Welt einen Ort gab, an dem Träume und Märchen wahr werden könnten, so war das hier.
»Und das alles will Khubilai aufgeben«, sagte Dschinkim leise.
»Aufgeben?«, fragte Beatrice, der nicht ganz klar war, ob Dschinkim mit ihr oder mit sich selbst sprach. »Was meinst du damit? Was wird mit Shangdou geschehen?«
»Das wissen wohl nur die Götter allein«, antwortete er und seufzte. »Khubilai sagt, er wird im Sommer zurückkehren, um die warme Jahreszeit hier zu genießen, aber ich glaube es nicht.«
Natürlich nicht, dachte Beatrice. Dschinkim war schließlich durch und durch Pessimist.
»Und wieso nicht?«
»Ich fühle es.« Er seufzte wieder. »Shangdou wird sterben.«
Und plötzlich, für einen kurzen Moment, sah Beatrice mit Dschinkims Augen. Sie sah, wie die Gänge und Flure, die Plätze und Häuser verwaist dalagen, ungeschützt dem Wind und dem Wandel der Jahreszeiten ausgeliefert. Mit der Zeit würden die Fenster zerbrechen, das Mauerwerk würde bröckeln, der Wind würde durch die leeren Räume wehen, und nur Kaninchen, Mäuse und Füchse würden im Schutz der Mauern Unterschlupf suchen. Mehr und mehr würde die Pracht und Schönheit des Kristallpalastes verfallen, bis nichts von alldem übrig blieb außer Staub und ein paar Marmorblöcke, die verloren und einsam in der Weite der Steppe verstreut waren. Beatrice zog fröstelnd den Kragen ihres Mantels enger um den Hals.
»Sieh noch einmal genau hin und präge es dir ein«, sagte Dschinkim. Seine Stimme klang seltsam heiser, und Beatrice glaubte, in seinen grünen Augen Tränen schimmern zu sehen. »Bewahre diesen Anblick in deinem Herzen, damit du deinen Kindern und Enkelkindern davon erzählen kannst. Denn wir sind die letzten Menschen, die Shangdou in all seiner Pracht und Schönheit sehen.«
Beatrice kämpfte mit den Tränen. Sie saß regungslos auf ihrem Pferd und starrte wie gebannt auf die sterbende Stadt, die zu ihren Füßen lag. Sie merkte nicht einmal, dass Dschinkim irgendwann weiterritt. Erst Marcos Stimme riss sie wieder aus ihren Gedanken.
»Beatrice, da seid Ihr ja!«, rief er und ritt im Galopp auf sie zu. »Mein Onkel schickt mich. Er macht sich Sorgen um Euch und lässt nach Euch suchen. Die ganze Karawane ist bereits in Aufruhr. Was macht Ihr hier?«
Beatrice blickte ihn an. Sie sah sein hübsches Gesicht, das charmante, etwas verwegene Lächeln, doch sie sah auch seine Augen – schöne, aber kalte Augen. Und in diesem Moment wusste sie, dass sie ihm nichts von ihrer Trauer um eine sterbende Stadt erzählen konnte. Marco würde sie nicht verstehen.
»Nichts«, sagte sie. »Ich habe wohl vor mich hin geträumt und darüber alles andere vergessen. Verzeiht, ich wollte Euch keinen Ärger bereiten.«
»Nach Euch zu suchen wird mir stets eine Freude sein«, erwiderte Marco und deutete auf seinem Pferd eine Verbeugung an. »Aber nun werde ich Euch zu meinem Onkel zurückbringen, bevor er die ganze Karawane aus lauter Angst um Euch umkehren lässt.«
Beatrice schnalzte mit der Zunge und gab ihrer Stute einen leichten Tritt in die Flanken. Hinter ihr im Tal lag Shangdou. Doch Beatrice hatte das Gefühl, dass sie zwischen den Marmorsäulen auch einen Teil ihres eigenen Lebens zurückließ.
Am Abend, kurz bevor die Sonne unterging, machten sie Rast. Sie hatten gerade ein breites, von sanften Hügeln umgebenes Tal erreicht, das für alle genügend Platz bot. Es gab ausreichend Gras für die Tiere, und ein lebhafter Bach spendete klares, kühles Wasser. Innerhalb kurzer Zeit waren Hunderte von Zelten am Rande des Ufers aufgebaut. Überall brannten Feuer, über denen riesige Kessel mit Suppe hingen. Beatrice war überrascht, mit welcher Ordnung und Disziplin die als wild und chaotisch verschrienen Mongolen das Lager innerhalb kürzester Zeit aufgebaut hatten. Immerhin waren mehrere hundert Menschen mit Pferden und Wagen unterwegs.
Beatrice saß mit Maffeo in einem Zelt und löffelte den heißen, köstlich schmeckenden Eintopf, den Maffeo von einem der Gemeinschaftsfeuer für sie geholt hatte. Sie versuchte, Ming zu ignorieren, die mit verächtlich herabgezogenen Mundwinkeln ihr direkt gegenübersaß und keinen Zweifel daran ließ, dass sowohl diese Unterkunft als auch das einfache Essen ganz und gar unter ihrer Würde als Chinesin waren. Beatrice ärgerte sich über die Alte. Das runde, kuppelartige Zelt war zwar schlicht, keine Teppiche schmückten die Wände, und nirgendwo gab es überflüssigen oder gar luxuriösen Zierrat, aber die aus Leder gefertigte Außenwand war so wind- und kältegeschützt, wie man es sich bei den Temperaturen dort draußen nur wünschen konnte. Und auf dem Boden lagen mit weichen Fellen und warmen Decken umhüllte Polster. Gut, es war keine Fünf-Sterne-Unterkunft, doch dies auf einer Reise im Mittelalter zu erwarten war wohl mehr als vermessen.
Ming murmelte leise vor sich hin. Es war Chinesisch, doch brauchte Beatrice keine Übersetzung. Dass die Alte über die ungebildeten Mongolen schimpfte, verstand sie auch so. Sie warf Maffeo einen Seitenblick zu. Er saß über seine Schüssel gebeugt und löffelte die Suppe, als würde er die Worte seiner Dienerin nicht hören. Vielleicht hörte er sie tatsächlich nicht. Oder er war mittlerweile so abgestumpft und unempfindlich gegen die Bosheiten der Alten geworden, dass sie einfach an ihm abprallten. Beatrice war noch nicht so weit. Und schließlich konnte sie es nicht länger ertragen.
»Halt endlich deinen Mund, Ming!«, sagte sie. »Die wahre Bildung eines Volkes besteht in der Toleranz und Offenheit gegenüber anderen Völkern und ihrer Kultur. Darüber solltest du vielleicht nachdenken, bevor du das nächste Mal über die Mongolen herziehst. Denn sollten alle Chinesen so arrogant und sturköpfig sein wie du, seid ihr nach dieser Definition hoffnungslos rückständig.«
Mings Augen wurden zu schmalen Schlitzen, und für einen kurzen Moment fürchtete Beatrice, die Alte würde ihr gleich ins Gesicht springen, um ihr die Augen auszukratzen. Doch die Chinesin blieb sitzen.
»Bald werdet Ihr sehen!«, zischte sie. »Bald sind wir in Taitu. Dort werdet Ihr sehen, wer das stärkere Volk ist. Und dann werden die Mongolen wieder das sein, was sie schon immer waren, mittellose Viehtreiber!« Ming stand auf. »Entschuldigt, Herr, wenn Ihr mich nicht mehr braucht, lege ich mich schlafen. Ich bin müde.«
Sie verbeugte sich kurz vor Maffeo und trippelte mit hoch erhobenem Kopf zu ihrem Schlafplatz.
»Du solltest etwas vorsichtiger sein, Beatrice«, sagte Maffeo leise und wischte sich den Mund mit einem Tuch ab. »Ming gehört zu den Menschen, die man sich besser nicht zu Feinden macht.«
Deine Warnung kommt eindeutig zu spät, dachte Beatrice. Das habe ich schon längst getan.
»Ich werde mich ebenfalls hinlegen«, sagte sie zu Maffeo. »Ich bin doch ziemlich müde. Weißt du, wie lange die Reise nach Taitu dauern wird?«
»Ich nehme an, etwa acht Tage«, antwortete Maffeo und half ihr beim Aufstehen.
Nur mühsam kam Beatrice vom Boden hoch. Sie hatte zwar keine Rückenschmerzen, der Sattel hatte sich im Laufe des Tages als wesentlich bequemer entpuppt, als sie angenommen hatte, aber stattdessen hatte sie bereits jetzt heftigen Muskelkater. Am schlimmsten waren die Waden und die Innenseiten der Oberschenkel betroffen. Während sie mit Maffeos Hilfe zu ihrem Schlafplatz wankte, fragte sie sich, wie sie mit diesem Muskelkater den morgigen Tag auf dem Pferderücken überstehen sollte.
Morgen Abend wird es bestimmt schon besser sein, dachte sie und drehte sich langsam auf die Seite.
Von ihrem Schlafplatz aus konnte sie Ming sehen. Das Lagerfeuer in der Mitte des Zelts beschien das runzlige Gesicht der Chinesin. Was Ming wohl mit ihrer Bemerkung über Taitu gemeint hatte? Was erwartete die Mongolen, wenn sie die Stadt erreicht hatten? Ein Hinterhalt? Oder gab es doch die »bösen Geister«, von denen Marco gesprochen hatte? Hatten die chinesischen Baumeister den Palast etwa so errichtet, dass er innerhalb kurzer Zeit über dem Khan zusammenstürzen würde? Was auch immer es war, es war jedenfalls nichts Gutes, denn sogar im Schlaf sah Ming verbissen, verbittert und hasserfüllt aus. Was hatte Maffeo gesagt? Ming sollte man sich nicht zur Feindin machen? Aber was konnte die Alte ihr denn schon anhaben?
Sie kann dich vergiften, schoss es Beatrice durch den Kopf.
Die Gelegenheit hat sie jeden Tag, schließlich ist sie diejenige, die dir das Essen bringt.
Eine überaus beunruhigende Vorstellung. Von diesem Augenblick an würde sie sich nie wieder wirklich sicher fühlen. Es sei denn, sie würde dafür sorgen, dass Ming aus ihrer Nähe verschwand. Gleich morgen früh werde ich Maffeo bitten, mir eine andere Dienerin zuzuweisen, dachte sie. Und über diesem Vorsatz schlief sie ein.
Nur noch vereinzelt brannten die Gemeinschaftsfeuer im Lager. Sie warfen ihren schwachen, zuckenden Schein auf die Zelte, in denen Khubilais Untertanen dem morgigen Tag entgegenschlummerten. Bald würden auch die letzten Feuer verlöschen, und dann würde es dunkel sein. Nur noch das Licht der Sterne würde über ihnen scheinen als Zeichen für die allgegenwärtige Größe und Güte Allahs.
Ahmad blieb kurz stehen und sah hinauf in die Unendlichkeit des Himmels, dieses Wunder der Schöpfung. Er war ergriffen von der Schönheit und dem Frieden, die ihn umgaben. Und plötzlich fragte er sich, weshalb er überhaupt hier war. Warum er nicht auch wie alle anderen in seinem Zelt lag und schlief. Er war müde. Und er war alt. Zu alt, um diese Aufgabe noch zu bewältigen, diese selbst auferlegte Mission. Tat er das Richtige? War es wirklich Allahs Wille, dass er die Rache vollzog? Wie konnte er einerseits Allahs unendliche Güte preisen und andererseits fest daran glauben, dass er dazu auserwählt war, in Seinem Namen Leben auszulöschen. Leben, das Allah selbst erschaffen hatte. Wie konnte er…
»Endlich!«, hörte er plötzlich eine Stimme aus dem Dunkeln. »Wir dachten schon, du kommst nicht mehr.«
Die spöttische Stimme des Venezianers riss ihn aus seinen Gedanken und holte ihn in die Wirklichkeit zurück. Ahmad wischte sich über die Stirn. Er fühlte sich wie jemand, der aus einem Traum erwacht, einem seltsamen, verrückten Traum. War das wirklich er? Hatte tatsächlich er eben gerade gezweifelt? Ahmad schüttelte den Kopf. Vielleicht war es eine Prüfung seiner Standhaftigkeit und seiner Bereitschaft, für Allah und die Reinheit des Glaubens zu streiten. Zum Glück war es jetzt vorbei. Er wusste wieder, weshalb er hier war, und er war fest entschlossen, seine Aufgabe durchzuführen. Er war der Letzte der Bruderschaft, der einzige Überlebende eines von Mongolen veranlassten Gemetzels. Hülegü. Das war der Name des Verabscheuungswürdigen, der dem Dienst der Bruderschaft für Allah ein für allemal ein Ende bereitet hatte. Dieser Frevel musste gerächt werden. Hundertfach.
Ahmad sog die kühle, klare Luft ein. Der Augenblick der Schwäche war vergangen. Er ging auf den Venezianer zu, umarmte ihn und küsste ihn auf beide Wangen, als wäre dieser ebenfalls ein Gläubiger.
»Verzeiht meine Verspätung, aber ich konnte nicht eher fort.« Er warf einen Blick auf den Wachposten, der mit auf die Brust gesunkenem Kinn auf der Erde hockte. Er hielt Krummsäbel und Schwert im Arm, als wären sie seine Kinder, die er in den Schlaf wiegen wollte. »Was ist mit ihm?«
»Das war Senge«, antwortete der junge Venezianer. »Ich weiß nicht, wie er es angestellt hat, aber der Wachposten schläft.«
»Jeder hat seine Geheimnisse, nicht wahr?«
Aus dem Dunkel trat eine Gestalt. Es war Senge. Der Mongole war hochgewachsen und so mager, dass sein langer schwarzer Mantel um ihn herumflatterte wie die Federn einer dürren, halb verhungerten Krähe. Er war eine unheimliche Erscheinung. Am Hof des Khans wurde gemunkelt, dass er ein Meister der schwarzen Künste sei und mit Geistern und Dämonen verkehre. Und in Augenblicken wie diesem glaubte selbst Ahmad daran.
»Nun, was ist? Was starrt ihr mich an?«
»Wir hatten angenommen, dass du uns deinen Plan erklären willst«, sagte der Venezianer. »Deshalb sind wir schließlich hier.«
»Meinen Plan?«, fragte Senge und lachte. Dieses Lachen löste bei Ahmad eine Gänsehaut aus, die wie ein kalter Geisterhauch langsam über seinen Körper kroch. »Ihr meint wohl, dass ich eurem Plan ein wenig auf die Sprünge helfen soll.«
»Nenn es, wie du willst«, erwiderte der Venezianer ärgerlich. »Hauptsache, du beginnst endlich und…«
»Langsam, langsam, junger Polo!«, unterbrach ihn Senge, und trotz der Dunkelheit konnte Ahmad deutlich sein Lächeln sehen. Es war das Lächeln eines Wolfs, der bereit ist, seine hilflose Beute mit einem Bissen zu verschlingen. »Du wirst gleich alles erfahren, was du wissen musst.«
Mit einer langsamen Bewegung holte der Mongole aus den Falten seines Mantels einen kleinen Beutel aus dunklem Leder hervor und gab ihn Marco.
Der junge Venezianer wog ihn prüfend in der Hand, schüttete den Inhalt auf seine Handfläche und runzelte sichtlich irritiert die Stirn.
»Was soll das sein?«, fragte er.
Neugierig beugte sich Ahmad vor und sah eine große Zahl kleiner getrockneter Früchte. Im Licht der Sterne schimmerte ihre Oberfläche, als wären sie mit jener glänzenden schwarzen Farbe überzogen, welche die Chinesen so liebten.
»Das, mein Freund, ist die Lösung eures Problems«, sagte Senge. »Mischt es ihm in eine Speise, die er oft zu sich nimmt, und in ein paar Tagen ist er nicht viel mehr als der Staub unter euren Füßen.«
»Gift?«
Der Venezianer starrte wieder auf seine Hand, als könnte er nicht glauben, dass in diesen unschuldig wie Kirschen aussehenden Früchten der Tod lauerte.
»Ja«, antwortete Senge und grinste breit. »Willst du kosten?«
Trotz des schwachen Lichts konnte Ahmad sehen, wie der Venezianer erbleichte. Hastig schüttete Marco die Früchte wieder in den Beutel zurück.
»Ich glaube dir. Nur, auf welche Weise sollen wir…«
»Nichts einfacher als das, junger Polo«, unterbrach ihn Senge. »Du hast Glück, denn ein erfahrener Mann steht dir zur Seite. Überlass getrost Ahmad diese Aufgabe. Er kennt sich in solchen Dingen bestens aus.«
Ahmad zuckte zusammen. Hunderte Gedanken jagten durch seinen Kopf. Was meinte Senge mit seinen Worten? Was wusste der Mongole über ihn? Und warum… Er schluckte. Gift? Er war in der Lage, einen Menschen zu töten – mit einem Dolch, mit einem Schwert, sogar mit seinen bloßen Händen, wenn es sein musste. Er konnte es heimlich oder in aller Offenheit, im Kampf, tun. Er war sogar bereit, selbst dabei zu sterben, wenn es Allahs Wille war. Aber Gift? Nein, mit Gift wollte er nichts zu tun haben. Gift war unehrenhaft. Es war die Waffe der Meuchler, der Feiglinge, der Ungläubigen. Die Waffe all jener Menschen, die nicht für die gute und gerechte Sache stritten, sondern nur ihren eigenen, selbstsüchtigen dunklen Pfaden folgten.
»Ich weiß nicht«, sagte er und zuckte hilflos mit den Schultern. »Ich…«
»O Ahmad, hast du etwa Gewissensbisse? Du findest meine Art unehrenhaft und feige?«, fragte Senge. Der Spott und der Hohn in seiner Stimme bissen in Ahmads Ohren. »Verzeih, aber darauf können wir jetzt keine Rücksicht nehmen. Ich weiß, dass es dir nicht gefällt. Trotzdem wirst du dich fügen müssen, solltest du jemals ernsthaft die Absicht haben, dein Ziel zu erreichen.« Er trat so nahe an Ahmad heran, dass dieser den Atem des Mongolen in seinem Gesicht spürte. Einen Atem, der den Geruch des Todes in sich barg. »Gift ist dafür ein geringer Preis. Ich bin sicher, dein Allah wird dir verzeihen.«
Die Art, wie Senge den heiligen Namen Allahs aussprach, war widerwärtig. Voller Abscheu starrte Ahmad in die dunklen, fast schwarzen Augen des Mongolen. Ihn packte die Wut, und er musste sich beherrschen, um sich nicht sofort auf ihn zu stürzen und ihm die Kehle durchzuschneiden. Dieser Mann war noch weniger als ein Ungläubiger. Er war ein Gottloser, ein Lästerer. Eines Tages würde er ihn für seinen Frevel bestrafen, ihn zur Rechenschaft ziehen und ihn von seinem jämmerlichen gottlosen Dasein befreien. Doch zuerst musste er sich um das direkt vor ihnen liegende Problem kümmern. Wenn das gelöst war, dann konnte er Senge töten. Ahmad nickte.
»Gut, ich werde es tun«, sagte er und nahm Marco den Beutel ab. Der Venezianer wirkte sichtlich erleichtert. »Ihr könnt euch auf mich verlassen.«
Er steckte den Beutel unter seinen Mantel in eine Tasche. Besonders wohl fühlte er sich dabei trotzdem nicht. Der Beutel mit den giftigen Früchten schien ihm ein Loch durch den Mantel hindurch in die Haut zu brennen.
»Wir sollten jetzt gehen«, sagte Marco.
Ahmad hasste ihn für seine fröhliche Unbeschwertheit. Natürlich, der Venezianer konnte gut lachen. Er war es schließlich nicht, der seine Seele den Feuern der Hölle preisgab. Doch ganz gleich, wie er es auch drehte und wendete, ihm fiel keine andere Lösung ein. Es hatte den Anschein, als ob Senge recht hätte und es nur diesen einen Weg gäbe, Allah zu dienen.