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Und im nächsten Moment setzte wüste Musik ein!
Und im übernächsten kam die Plattform des mittleren Podiums schnell emporgefahren. Scheinwerfer, angebracht auf dem Dach des CHÂTEAU NATASCHA, flammten auf, ihre Strahlen irrten durch die Dunkelheit, sammelten sich schließlich allesamt auf dem hochgefahrenen Podium.
Ein wilder Schrei aus fünfzehn Mädchenstimmen erscholl. Die Mädchen hatten schwarzes, blondes und rotes Haar. Es wäre falsch, zu sagen, daß sie splitternackt waren. Das ›splitter‹ gehört weg. Sie hatten an einer bestimmten Stelle Herzchen angeklebt. Und sie begannen sich in atemberaubender, unfaßbar erotischer Weise zu winden, zu krümmen, zu drehen.
Es war ganz still geworden unter Jakobs Gästen.
Verflucht, dachte unser Freund. Stundenlang habe ich mit Claudia gestritten. Sie hat mir eine Tempeltänzerinnentruppe aus Bali samt der Hohepriesterin angeboten, ich habe unbedingt die ›Crazy Horse‹-Girls haben wollen. Ich habe mich durchgesetzt. Da sind nun meine Girls. Nein, das habe ich aber nicht gewußt, daß die sich so aufführen werden! Das ist ja entsetzlich! Das ist ja eine Katastrophe! Hätte ich doch bloß auf die liebe Claudia gehört und die Tempeltänzerinnen aus Bali samt Hohepriesterin genommen!
An einem der Tische war die Edle aufgesprungen.
»Das ist obszön!« schrie sie.
Kaum jemand hörte es, die Musik war zu laut. Jemand zog die Edle auf ihren Sessel zurück. Wenige Augenblicke danach starrte sie plötzlich fasziniert zum Podium hin, auf dem fünfzehn Girls, eines schöner als das andere, tanzten, allein, miteinander, sich räkelten, streckten, einander liebkosten, umarmten.
Maria Terulli, einstmals das Woditschka Reserl aus Wien-Ottakring und späterhin Belgiens Stripperin Nr. 1, nunmehr Religionslehrerin, die ihren Frieden in Gott gefunden hatte, saß mit offenem Mund da. Sie sagte, und nacktes Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben, zu Jakob: »Sind Sie denn wahnsinnig geworden, Herr Formann? Das ist ja ekelerregend! Das ist ja die reine Pornographie! Und so etwas wagen Sie in Anwesenheit Seiner Hochwürdigsten Exzellenz …«
Jakob zitterte in den Schuhen.
»Kommen Sie, Hochwürdigste Exzellenz, ich bitte Sie für Herrn Formann um Verzeihung. Vergeben Sie ihm, wenn Sie können. Und möge auch der Allmächtige ihm vergeben.« Das Reserl erhob sich und nahm eine Hand des Violetten. »Ich führe Sie zum Hubschrauber, Hochwür …«
Aus. Alles aus, dachte Jakob wieder einmal, und spürte angenehme Wärme in sich aufsteigen.
Dann erlebte er eine Überraschung.
Der Violette strich sanft über die Hand der frommen Ex-Stripperin, indessen die fünfzehn ›Crazy Horse‹-Girls in einer Reihe, Unterleib vorgestemmt, über die Podiumsfläche auf das Publikum zumarschiert kamen. »Nicht doch, liebe Tochter«, sagte der Violette, sich behaglich in seinen Sessel zurücklehnend. (Schmatzte der? grübelte Jakob fasziniert.) »Setzen Sie sich wieder. Das ist wirklich eine gelungene Überraschung, lieber Sohn.« Und er tätschelte Jakobs Hand. »Sie haben ein großes Herz! Die Villa auf dem Pincio wird Ihnen gefallen. Und was soll Ihre Erregung, liebe Tochter? Dem Reinen ist alles rein!«