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Hei, sauste Jakob dann in der folgenden Zeit über die verwaisten Autobahnen um München! War das eine Lust! War das eine Freude! Und tief einatmen, und tief ausatmen! Und strampeln, strampeln, strampeln!

Am 25. November 1973, an jenem Sonntag, da er in der Kirche von Hammering bei Passau so fröhlich gesungen hatte, war er anschließend noch ein Stündchen durch den schönen deutschen Wald gefahren, dann hatte er gegessen, dann ein Nachmittagsschläfchen gehalten (dazu war er seit 1946 nicht mehr gekommen!), und des Abends hatte er dann sogar Muße gefunden, mit der Lektüre eines neuen Romans von Klaus Mario Schreiber zu beginnen, den dieser ihm ausdrücklich (Gott, war das lieb von dem alten Saufaus, der nun keiner mehr war) dediziert hatte.

DIE ANTWORT KENNT NUR DER REGENBOGEN war der Titel des Romans, und Jakob las lange und entspannt im Zimmer des Hotels zu Passau, in dem er stets abstieg, denn in Passau stand eines seiner Fertighauswerke. Die ANTWORT gefiel Jakob sehr. Nur, warum mußte der Schreiber immer noch so schweinische Szenen ins Buch einbauen? Der war doch so begabt! Hatte der denn solche billigen Effekte nötig? fragte sich Jakob. Und also fragten viele andere von Schreibers Lesern (denn er hatte jetzt massig Leser), und nicht anders fragten die Kritiker, die ihn verrissen.

Na ja, jeder wie er kann und muß. Man muß tolerant sein, dachte Jakob noch, während er, das dicke Buch auf der Brust, selig entschlummerte. Siebenundzwanzig Jahre Nachmittagsschlaf nachzuholen hatte er! Siebenundzwanzig Jahre, das stelle man sich erst einmal vor! Der Ölboykott brachte Jakob sozusagen die ersten Ferien seines Lebens, zuvor hatte er nie Zeit für Ferien gehabt. Nur einmal zwei Monate mit BAMBI.

Natürlich ließ es sein Temperament einfach nicht zu, daß er überhaupt nicht arbeitete! Er arbeitete – aber sozusagen schaumgebremst. Er kümmerte sich um sein Imperium – aber nach dem Motto ›Eile mit Weile‹, und das mit Schwergewicht auf ›Weile‹. Er konnte nicht klagen, bei ihm ging überall in der Welt alles tadellos, es gab keinen Grund zu irgendwelcher Panik! Das sagte er auch immer dem Wenzel Prill, der ihm mit Unheilsprognosen die Ohren vollsang.

Karl Jaschke war ein fauler Hund, der sich überhaupt nicht für Sport interessierte. Nur für den mit seiner Rothaarigen in Garmisch.

Darum holte Chauffeur Otto an einem Samstagnachmittag, an dem man ja noch fahren durfte, Jaschkes Söhne in das Schloß am Starnberger See. (Komisch, da jammerten sie jetzt alle über die Kälte in den großen Sälen! Als ob frische kalte Luft nicht gesund wäre! Jeden Morgen machte Jakob eine halbe Stunde Gymnastik bei weit offenen Fenstern!) Und da übernachteten die Knaben dann, und am Sonntag radelten sie alle nach München, ins Stadion an der Grünwalder Straße, denn sie waren alle begeisterte Fußballer, und es spielte 1860 München gegen die SpVgg Fürth.

Die Organisatoren dieses Matchs hatten ähnliche Methoden angewendet wie der Geistliche Herr Karl Dussl aus Hammering bei Passau, um zu verhindern, daß keine Zuschauer oder nur ganz wenige kamen und die Veranstaltung eine Pleite wurde: Sie versprachen allen Besuchern Freibier und verbilligte WIENERWALD-Hendln!

Sein Freibier überließ Jakob den stämmigen Knaben, die, in Bayern großgeworden, das edle Getränk sozusagen von Mutterbrust an lieben und schätzen gelernt hatten. Jakob trank ›Überkinger‹. Sein WIENERWALD-Hendl aß er im Stehen. Im Mantel. In der klirrenden Kälte. Wie alle anderen, die gekommen waren.

Und wieder hatte er Grund, in Anlehnung an den Titel des ersten Romans von Klaus Mario Schreiber zu sich selber zu sagen: MICH WUNDERT GAR NICHT, DASS ICH SO FRÖHLICH BIN!

Denn warum?

Weil die WIENERWALD-Hendln allesamt und unterschiedslos mit zwei Schenkeln verkauft wurden, während Jakob – schon seit 1957 und den Erkenntnissen, die er bei der im übrigen eher peinlichen großen Party auf Saint-Jean-Cap-Ferrat bei Lord und Lady Alexander gewonnen hatte – seine Hühner, wenn deren Lege-Hoch-Zeit vorüber war, für die guten Leute mit nur einem Schenkelchen an Großabnehmer verkaufte, nämlich dem linken, weil, wie er seit Saint-Jean-Cap-Ferrat wußte, Hühner beim Schlafen gemeinhin auf dem rechten Bein stehen und deshalb die linken Schenkelchen wesentlich zarter sind als die rechten. Beim WIENERWALD kümmerte man sich nicht um derlei, stellte Jakob triumphierend fest.

Na ja, wenn man’s eben nicht weiß …

In vollem Glücksgefühl radelte er dann mit den beiden Knaben nebst Otto zurück zu seinem Schloß am Starnberger See. Noch nie im Leben war Jakob so optimistisch und so gut gelaunt gewesen wie in diesen Monaten, in denen alle Menschen immer pessimistischer und pessimistischer wurden und immer üblere und üblere Laune hatten …

Hurra, wir leben noch
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