SIEBZEHN
Um 11:00 am Samstagmorgen kam der Chauffeur mit der privaten Limousine und fuhr Tom zum Beringer Club. Auf dem Schild stand heute »Sicherheitsüberwacht«. Tom ging die Stufen hinunter, presste seine Challenge Coin gegen den Netzhautscanner und trat ein.
Der Riese, Hayden, empfing ihn. Er führte Tom zu einem Tisch, an dem Dal … Mr Prestwick saß und sich bereits einen Scotch genehmigte. Der Mann musterte ihn und bedeutete ihm, sich zu setzen. »Bestell dir was zu essen, Tom. Wir werden hier noch ein paar Leute aus der Firma treffen.«
Die Speisekarte verschwamm vor Toms Augen. Er konnte sich nicht darauf konzentrieren.
»Hat Karl dir das Update gegeben?«, wollte Mr Prestwick wissen.
»Oh, aber sicher habe ich ihm seine Ladung verpasst.« Karl fläzte sich auf den Stuhl Tom gegenüber und pflanzte seine Ellbogen auf das Tischtuch. »Spendieren Sie uns beiden ein Mittagessen, Dalton? Ich war überrascht, dass Sie mich nicht auch haben abholen lassen. Ich musste selbst für mein Taxi bezahlen. Ich finde, Sie schulden mir was.«
Mr Prestwick betrachte den Neuankömmling mit einem Ausdruck, in dem nach Toms fester Überzeugung Abscheu lag. »Ich werde Tom ein paar unserer Leute vorstellen. Ich glaube, unsere neu eingespeisten Verhaltensänderungen haben wirklich etwas bewirkt.«
»Das will ich doch meinen!« Karl lachte und schnipste mit seinen fleischigen Fingern vor Toms Gesicht. Tom zuckte zusammen, doch ihm kam nichts über die Lippen. »Hast keinen schlauen Spruch auf Lager, was, Rin Tin Tin?«
»Karl, bitte.« Verärgerung schwang in Mr Prestwicks Stimme mit.
»Ja, tut mir leid.« Karl grinste Mr Prestwick böse an. »Ich will bloß sagen: Was immer es ist, was Sie ihm da reinstopfen, mir gefällt es.«
»Wir bemühen uns, eine geeignete Persönlichkeit für die Öffentlichkeit aufzubauen, aus der einmal ein von uns gesponserter Kombattant werden soll. Achtung gebietend, respektvoll, höflich.« Mr Prestwick betonte diese Worte eindringlich, doch das unbeirrt höhnische Grinsen auf Karls Gesicht ließ vermuten, dass der große Junge nicht begriff, dass Mr Prestwick auch ihn damit gemeint hatte. »Tom scheint sehr gut auf die Neuprogrammierung anzusprechen.«
Neuprogrammierung. Sie hatten ihn neu programmiert. Das vage, dunkle Gefühl, dass in den letzten Tagen etwas falsch gelaufen war, nahm nun in seinem Kopf Gestalt an, ergab allmählich Sinn. Plötzlich begriff Tom, was hier vor sich ging, war jedoch irgendwie nicht in der Lage, darauf zu reagieren. Er starrte lediglich die Fallgitter an, die stählernen Gitterstäbe, die wie ein Käfig in den Boden gerammt werden konnten. Er konnte aufstehen und hinausgehen, das Ding hinter sich zumachen. Dann könnten sie ihn nicht erwischen. Er musste seine Arme und seine Beine dafür einsetzen. Und sein Gehirn musste einverstanden damit sein, dass er es tat. Er konnte entkommen und jemandem erzählen, dass …
Sein Gehirn ließ ihn durch einen absolut fremdartigen Gedanken innehalten: Das ist keine gute Idee. Mr Prestwick widmet mir großzügigerweise seine Zeit und seine Aufmerksamkeit. Warum sollte ich hier weggehen wollen?
Tom konnte nicht entkommen, vermochte sich nicht vom Fleck zu rühren. Mr Prestwick lächelte ihn an, und er erwiderte sein Lächeln. Doch die beiden Impulse – Flucht und Anpassung – rangen weiter in seinem Gehirn miteinander. Als der Kellner kam, war es Tom immer noch nicht gelungen, seine Gedanken so weit zu sortieren, dass er in der Lage gewesen wäre, die Speisekarte zu lesen. Deshalb bestellte Mr Prestwick für ihn. Lachs.
Karl zeigte mit dem Finger in Toms Richtung. »Er hat ein Riesenproblem mit Autorität. Deshalb hat er auch nichts bestellt, obwohl Sie es ihm angeboten hatten.«
»Ist schon gut, Karl«, ließ Mr Prestwick ihn abblitzen. »Wir haben die Sache unter Kontrolle.«
Nach dem Mittagessen führte Mr Prestwick Tom im Club herum und stellte ihn dabei diversen Führungskräften von Dominion Agra und deren Partnerunternehmen als »unsere neueste Akquisition« vor. Tom schüttelte ihre Hände und redete mit ihnen, wenn er angesprochen wurde. Er konnte dem starken Drang einfach nicht widerstehen, die Leute bauchzupinseln, die sich die Zeit genommen hatten, in ihn zu investieren.
Einen der Männer erkannte Tom als Yuris Besucher im Turm wieder. Mr Prestwick legte ihm die Hand auf die Schulter, um ihn zu veranlassen, stehen zu bleiben. Dann flüsterte er ihm hastig ins Ohr: »Das ist Joseph Vengerov. Er ist Gründer und Mehrheitsaktionär von Obsidian Corp. Er ist ein sehr wichtiger Mann. Erweise ihm größten Respekt.«
Wäre er in der Lage gewesen, frei zu entscheiden, hätte er nun alles unternommen, um Vengerov unhöflich zu behandeln – bloß um Dal … Mr Prestwick eins auszuwischen. Stattdessen jedoch blieb er stumm stehen, während ihn der hellhaarige Mann mit den blassen Brauen musterte. Dieser fragte mit einem Dialekt, der sich nach britischer Oberschicht, gemischt mit noch etwas anderem, anhörte: »Und wie kommt das Projekt voran?«
»Ausgezeichnet«, versicherte ihm Mr Prestwick. »Die Software macht sich gut. Genau, wie Sie es vorausgesagt hatten. Ich denke, wir werden schon bald weitere Geschäfte mit Ihnen abwickeln. Bestimmt werden wir noch mehr Auszubildende finden, die sich für uns eignen.«
»Solange Sie die Recherche übernehmen. Was ist mit dem hier? Sind Sie sicher, dass Sie vor der Installation seine gesamte Vorgeschichte durchkämmt haben? Ich sagte Ihnen ja, es wird eine ausgeprägte Persönlichkeitsveränderung stattfinden, und ich möchte vermeiden, dass es zu einer öffentlichen Klage kommt.«
Mr Prestwick zuckte lässig mit den Schultern. »Karl versicherte mir, dass Raines kaum bis gar keinen Kontakt zu den Offizieren pflegt. Keiner wird Verdacht schöpfen. Und was den Mann betrifft, der dort an ihrer Software arbeitet …«
»James Blackburn, ja.«
»Er steht ihm absolut feindlich gegenüber.«
Vengerov schüttelte den Kopf. »Blackburn war nie mein Problem. Er lässt sich ganz einfach kaltstellen, wenn man die richtigen Knöpfchen drückt – und der Junge ist darauf programmiert, genau das zu tun, wenn es nötig sein sollte. Worüber ich Bescheid wissen möchte, ist seine familiäre Situation. Über die Mutter weiß ich natürlich etwas. Aber was ist mit dem Vater? Wird er uns Schwierigkeiten bereiten?«
Mr Prestwick lachte. »Wie spät ist es jetzt an der Westküste, früher Nachmittag? Sein alter Herr liegt noch immer in einer Lache seines Erbrochenen von gestern Abend. Ist es nicht so, mein Junge?« Er schlug Tom auf die Schulter.
Tom schaute ihn an. Er malte sich in seiner Fantasie in allen Farben aus, Mr Prestwick die Augen auszustechen. Doch dann ertönte in seinem Kopf eine Stimme, die keinen Widerspruch duldete: Mr Prestwick ist mein Freund. Mr Prestwick hat immer recht. Öffentliche Temperamentsausbrüche sind mir nicht erlaubt.
Mr Prestwicks Hand presste seine Schulter. »Nicht wahr?«
Stimme Mr Prestwick zu.
Tom unterdrückte die Worte, die in ihm aufkommen wollten. Nie. Er würde sie niemals aussprechen.
»Na ja, also vorher war er …«, begann Mr Prestwick.
Vengerov hielt einen Finger hoch und schaute Tom durchdringend an. »Das ist jetzt ein entscheidender Softwaretest. Sorgen Sie dafür, dass er Ihnen zustimmt.«
Mr Prestwick wandte sich wieder Tom zu und packte ihn an der Schulter. »Ist es nicht so, Tom?«
Tom biss die Zähne so fest zusammen, dass ihm der Kiefer schmerzte. Vengerov und Mr Prestwick betrachteten ihn eingehend, und diese Stimme in seinem Kopf befahl: Stimme Mr Prestwick zu. Ihm war, als würde etwas seinen Schädel regelrecht zerdrücken.
»Ist es nicht so?«, fragte Mr Prestwick mit harter Stimme.
STIMME MR PRESTWICK ZU.
»Ja, tut er wahrscheinlich«, sagte Tom und empfand sofort eine jähe, wahnsinnige Erleichterung, so als hätte sich ein Schraubstock um seinen Kopf gelockert.
Vengerov nickte knapp und schüttelte Mr Prestwick die Hand. »Meine Leute melden sich bei den Ihnen wegen der Rechnung.«
»Ist mir immer ein Vergnügen, mit Ihnen Geschäfte zu machen.«
Wenig später wurde Tom erneut zur privaten neuronalen Schnittstelle geschickt, um das nächste Softwarepaket zu empfangen. Er kam dabei dicht am Fallgitter vorbei und konnte seinen Blick kaum von diesem lösen, während er den Raum betrat. Dort klinkte er sich ein, um noch mehr Programme in seinem Gehirn zu empfangen.
Als Tom die nächsten Male Medusa begegnete, tat er dies in den Freistunden und ging dafür in eine VR-Halle in der Pentagon City Mall. Er konnte sich nicht dazu aufraffen, sich erneut in Blackburns Büro oder die Offizierslounge zu schleichen, weil ihn eine Stimme im Hinterkopf warnte: Errege keine Aufmerksamkeit. Errege nicht Blackburns Aufmerksamkeit. Verstoße nicht gegen Vorschriften.
Das war ihm fremd, und wenn er diese Stimme hörte, fühlte er sich manchmal irgendwie krank, aber er konnte sie nicht ignorieren, ohne das Gefühl zu bekommen, sein Kopf würde zerquetscht. Und sobald er dann an etwas anderes dachte, konnte er sich nicht einmal mehr daran erinnern, dass es die Stimme gegeben hatte.
Daher klinkte er sich nicht ein. Er loggte sich lediglich von einer VR-Halle aus ein und stellte sich ihr in regulären Videogames gegenüber. Zwar entging ihm so die intensivere Kampferfahrung. Aber das interessierte ihn nicht mehr, wenn sie beide in einer Simulation nach der anderen gegeneinander antraten. Sie besiegte ihn jedes Mal. Es war jedes Mal knapp, aber da war immer diese eine Bewegung, die sie machte und er nicht, dieser eine Moment, in dem sie schneller war als er.
Medusa war nicht die große Rednerin, und Tom kämpfte lieber, als dass er redete. Daher nutzten sie zu Anfang ihre computerisierten Stimmen kaum. Doch irgendwann setzten die Sticheleien ein. Da Tom die eigentlichen Spiele nie gewann, rieb er ihr seine kleinen Erfolge unter die Nase. – »Puh, jetzt sieh dir das an, da hast du wohl geglaubt, du würdest mich abknallen. Aber hey, immerhin hast du dafür diesen verschreckten Dörfler ins Jenseits befördert.« – Sie dagegen fing damit an, ihm ihre großen Erfolge unter die Nase zu reiben. – »Oje, wo ist denn dein Kopf plötzlich hin? Na, vielleicht war er es satt, nicht mehr benutzt zu werden?« – Manchmal verweilten sie nach ihren Schlachten noch und sprachen darüber, was geschehen war. – »Wenn ich mich einfach nur geduckt hätte, dann hätte ich dich gehabt. Ich hatte nämlich eine Drachentöteraxt.« »Nee, ich habe ja gerade darauf gewartet, dass du dich duckst, und ich hatte einen Dolch in der Hand.« – Manchmal schweifte das Gespräch auch zu den Kämpfen ab, die Medusa im richtigen Leben austrug.
Einmal, als Tom ausschweifend damit begann, über Medusas Erfolg auf Titan zu schwärmen, fragte Medusa ihn, ob er sie stalkte.
»Tue ich«, gab Tom zu. Er gestand sogar ein, ihre Schlachten 394-mal angeschaut zu haben.
Seltsamerweise führte sein ehrliches Eingeständnis, dass er krankhaft von ihr besessen war, dazu, dass sie ihn noch mehr mochte und weniger vorsichtig wurde. Sie sprach nun mit ihrer richtigen Stimme, sodass er ihr ebenfalls mit seiner richtigen Stimme antwortete.
Und Medusa? Ja, sie war definitiv ein Mädchen.
»Wie spät ist es bei euch?«, fragte er sie eines Samstagmorgens, nur damit er wieder ihre Stimme hören konnte.
»Fünf Uhr morgens, offenkundig.«
Tom wusste, dass es eine dumme Frage gewesen war. Sie kannten die Zeitzone, in der der jeweils andere lebte. Es war ihm egal. »Wann schläfst du eigentlich?«
»Wenn ich dich und dein Land gerade mal nicht niedermache.«
Tom lachte. Auf einmal war sie für ihn der absolute Hammer. »Ich war sechs Jahre lang unbesiegt, bis ich dir begegnet bin.« Er richtete das Mikrofon so aus, dass sie ihn über das Stimmengewirr in der öffentlichen VR-Halle hinweg hören konnte. Sein Avatar war ein Muskelmonster mit einem Samuraischwert, das auch als Phaserpistole diente.
Medusas Avatar war eine ägyptische Göttin mit fledermausartigen Flügeln und Augen, die Feuer versprühten. »Ich war acht Jahre lang unbesiegt, bis ich dir begegnet bin. Und ich bin immer noch unbesiegt!«
Ihre Figuren waren während der Anfangsphase ihres Rollenspiels noch untätig. Sie hatte ihn damit genervt, sich ein Rufzeichen auszudenken. Denn ihr gefiel weder der Name seines Avatars, Murgatroid, noch der Spitzname, den er vorschlug, nämlich »der Dingsbums.«
»Ich habe eins«, beschied Tom ihr. »Merlin.«
Den mochte Medusa nicht. Ihre ägyptische Königin verwandelte sich in eine große Fledermaus, die durch den Raum flatterte, als wolle sie fort. Toms Ungeheuer sprang auf, um sich vor das Fenster zu stellen und ihre Flucht zu vereiteln. Sie sendete eine Schallwelle aus lautstarken Buhrufen und versprühte Feuer aus ihren Augen.
Toms Ungeheuer riss seine riesigen Hände hoch, um sein Gesicht zu schützen. »Was ist denn verkehrt an Merlin?«
»Das klingt zu sehr nach Camelot Company. Du hast gesagt, du bist nicht in der Camelot Company.«
»Was denn, du willst, dass ich mir einen Namen ausdenke, der Anti-Camelot ist? Das ist Hochverrat, nicht wahr? Anti-Camelot zu sein, hieße, mein Land zu verraten.«
Die Fledermaus flatterte ihm um den Kopf. »Ist das jetzt nicht auch schon Verrat? Du triffst dich mit dem Feind.«
»Es ist ja nicht so, dass ich dir geheime Informationen zukommen ließe. Außerdem treffen wir uns hier gerade beide mit dem Feind.«
»Hör zu, so schlimm ist das nicht. Es ist ja nicht so, als würden wir uns morgen im richtigen Leben bekämpfen.«
»Warum sagst du mir dann nicht, wie mein gespieltes Rufzeichen heißen sollte? Es hat doch gar nichts zu bedeuten.«
Medusa sendete erneut Buhrufe. »Du musst dir dein Rufzeichen selbst ausdenken.«
»Ich weiß ein tolles. Lord JOOSTMEISTER«, scherzte Tom. »Alles in Großbuchstaben.«
Feuer schoss aus den Augen von Medusas Avatar. Das hatte ihr nicht gefallen.
Tom lehnte sich in seinem Stuhl zurück, um den Flammen zu entgehen. »Wie wäre es mit Sir Roostag, der Mächtige und Freie?«
Darüber dachte sie einen Moment nach. Dann ertönten Buhrufe.
»Okay, okay. Jetzt ein ernst gemeinter. Exabelldon.«
Medusa bestrafte sein Ungeheuer mit Feuer aus den Augen ihrer Figur. Toms Ungeheuer brüllte auf, und Tom lachte.
»Jetzt versuchst du, dir die schlimmsten nur vorstellbaren Namen auszudenken«, sagte Medusa.
»Na gut, na gut.« Tom hatte genau das versucht. »Wie ist es mit … Mordred? Er hat das echte Camelot zerstört.«
Damit erntete er Applaus. Medusa verwandelte sich zurück in eine ägyptische Königin.
»Gut«, sagte Tom. »Mordred also.«
Die langen, schwarzen Lider der ägyptischen Königin zuckten. »Der Name Mordred ist sexy.«
Toms Wangen wurden heiß, so als wäre wirklich ein Mädchen im Raum, das ihn neckte. »Findest du?«
»Ich bin mir sicher.«
Als er abends in den Turm zurückkehrte, dachte Tom immer noch an diese Begegnung. Sie hatte ihn sexy genannt. Er kam sich wie ein Idiot vor, wie er da nun mitten in der Kantine stand und über etwas lächelte, was ein Mädchen gesagt hatte, deren Namen er noch nicht einmal kannte. Plötzlich begegnete er Karls Blick in dem gut besetzten Raum, und der massige Dschingis bedeutete ihm mit einer Kopfbewegung, zum Aufzug zu gehen.
Karl verschwand im Aufzug, streckte aber die Hand aus, damit die Türen offen blieben. Tom folgte ihm unwillkürlich. Während dieser wenigen, quälenden Schritte zum Aufzug legte sich wie eine Decke ein Gefühl des Unheils über ihn. Obwohl er wusste, dass hier etwas ganz und gar nicht richtiglief, konnte er sich nicht gegen den inneren Zwang wehren, Karl in eine unbelegte Stube in der Dschingis Division zu folgen.
»Das haben wir schon einmal getan«, erkannte Tom, als die Tür hinter ihnen zuglitt.
»Und ob. Mehr als einmal schon. Und was ist das?« Spöttisch winkte Karl mit einem Neuralchip. »Ist dein letztes Persönlichkeits-Update, Fiffi.«
»Und dann?«
»Dann wird eine Software, die bereits installiert ist, gestartet, und bumm, weg bist du, Lassie. Der kleine Dreckskerl, den ich kenne und verabscheue, ist ausgelöscht. Das Schönste daran ist, dass ich es sein werde, der es tut. Dafür bin ich Dalton eine Menge schuldig.«
Tom sah zu, wie Karl eine Videokamera aufbaute. Ihm war, als müsse er sich gleich übergeben. Plötzlich wünschte er, Vik oder Wyatt oder Yuri wären in der Nähe, irgendwer, der das hier hätte verhindern können. Sogar Blackburn wäre ihm recht.
Karl schaltete die Kamera ein, richtete sie auf Tom und lehnte sich dann gemütlich auf einem Stuhl zurück. »Willst du noch ein paar Worte zum Abschied sagen, Bello?«
Toms Blut pulsierte in seinen Ohren. »Scher dich zum Teufel, Karl.«
»Das ist aber gar nicht nett. Das verletzt irgendwie meine Gefühle, Raines. Wie wäre es, wenn du es wiedergutmachst? Ach, und ich weiß auch schon, wie. Geh wie ein gutes, braves Hündchen auf allen vieren und bell.«
Tom schloss die Augen. Hör auf Karl und lass dir dein Update geben rang mit Schlitz ihm sofort den Bauch auf. Mit einem Mal war der Schraubstock um seinen Kopf wieder da, weil Karl ihm etwas befahl und er sich diesem Befehl nach Kräften widersetzte.
»Scher dich. Zum Teufel. Karl«, brachte Tom mit Mühe heraus, kämpfte gegen alles, was ihn in die Knie zwingen wollte.
»Nein, geh jetzt auf allen vieren und bell. Tu es, Raines. Tu es sofort, damit ich es filmen kann.« Karl schaute über die Kamera hinweg höhnisch zu ihm. Sein Schweinebackengesicht wurde vom Lampenlicht beschattet. »Meinst du, ich kriege dich nicht? Du willst hier der große Macker sein, der was zu sagen hat. Du hältst dich für das Alphatier. Aber das bist du nicht. Ich bin es. Deswegen wirst du das jetzt sofort tun, bevor ich dich auslösche.«
»Ich hasse dich.« Toms Glieder zitterten von der doppelten Anstrengung, sich in Richtung Tür zu bewegen, während etwas anderes zugleich versuchte, ihn auf alle viere zu zwingen.
»Ich hasse dich auch«, erwiderte Karl. »Und jetzt auf die Hände. Auf die Knie. Und dann bellen. Betrachte es als Befehl.«
Etwas, das mit der Reihenfolge der Worte zu tun hatte, gab den Ausschlag. Tom kniete sich auf den Boden und bellte, während Karls Gelächter den Raum erfüllte. Als das Kabel in den Port an seinem Stammhirn klickte, hatte das blanke Entsetzen über das Vorgefallene die zweite Stimme in seinem Kopf bereits verstummen lassen.