ZWEIUNDZWANZIG
Eine Woche später gab es noch immer kein Anzeichen dafür, dass Blackburn Wyatt vergeben hätte. Er hinterließ eine knappe Nachricht auf ihrem Infoscreen, in der er ihr einen Raum im Kellergeschoss zuwies, in dem sie allein arbeiten konnte. Zudem überschüttete er sie mit so vielen ermüdenden Neuformatierungen, dass sie jeden Abend ihr Essen herunterschlingen musste, um ihr Pensum zu bewältigen.
Tom wusste, dass er das nächste Opfer von Blackburns Rache sein würde.
Die ersten Tage beim Programmieren waren qualvoll, weil er ja wusste, dass ihm etwas Übles bevorstand. Blackburn bestätigte es ihm, indem er von seiner geplanten Lektüre über Compiler abwich und stattdessen ein Repertoire neuer Virenwaffen vorstellte, die sich Tom mit einem Gefühl wachsenden Unbehagens ansah.
Und dann kam der Tag.
»Heute werden wir im Unterricht das Wissen der vergangenen Woche anwenden.« Sein Blick fiel auf Tom und verhieß das Schlimmste. »Betrachten Sie diese Übung als eine Fuchsjagd. Wenn Sie allerdings einen formellen Namen dafür haben möchten, dann nenne ich sie: Dem falschen Menschen über den Weg laufen, ist schlecht für Ihre Gesundheit.«
Verwirrtes Gemurmel erfüllte den Raum; einer schaute den anderen an, um herauszubekommen, gegen wen sich die Sache richtete. Tom hingegen sackte auf seinem Platz zusammen. Tja, sie würden es noch früh genug spitzkriegen.
»Sie machen allesamt Jagd auf ein Zielobjekt«, fuhr Blackburn fort, »auf einen Fuchs. Benutzen Sie ein Programm Ihrer Wahl, um diesen Fuchs zur Strecke zu bringen. Hoffentlich wird dies dem Fuchs eine wertvolle Lektion sein.«
Mit anderen Worten erklärte Blackburn ihn zu Freiwild.
»Tom Raines«, verkündete er, »Sie haben heute eine sehr spannende Aufgabe. Sie werden der Fuchs sein.«
»Jetzt bin ich aber wirklich überrascht«, sagte Tom sarkastisch.
»Wenn es Ihnen gelingt, Ihren Kameraden bis zum Ende dieses Unterrichts zu entkommen, dann haben Sie gewonnen«, erklärte Blackburn. »Benutzen Sie jedes Fluchtmittel, das Ihnen recht ist. Die anderen treten gegeneinander an; es geht nur darum, wer als Erster den Fuchs erwischt. Der Gewinner bekommt einen Tag unterrichtsfrei.«
Alle richteten sich auf. Sogar Vik, der neben Tom saß.
»Verräter!«, zischte Tom.
»Nenn mich Doktor Benedict Arnold«, erwiderte Vik.
Tom wartete, bis sein Neuronalprozessor diesen Verweis aufgerufen hatte und meldete, dass Benedict Arnold, ein Amerikaner, im Unabhängigkeitskrieg zu den Briten überlief.
»Du bist doch hier der Amerikaner. Was ist los mit dir?«, fragte Vik.
»Hör zu, Vik, du bist mein Kumpel. Du darfst mich vernichten, bevor es ein anderer tut.«
»Dafür sind Freunde schließlich da«, pflichtete Vik ihm bei.
»Also, Mr Raines?«, fragte Blackburn. »Nehmen Sie nun Reißaus? Wenn Sie die Sache zu einfach machen, dann hat hier keiner seinen Spaß.«
Tom zuckte die Schultern und blieb dicht neben Vik, da er sich damit abgefunden hatte, dass sein Freund ihm als Erster ein Virus verpassen würde. »Das bringt nichts, Sir. Ich kann nicht gewinnen. Fast jeder Auszubildende des Turms ist hier. Da brauche ich mir gar nicht erst die Mühe zu machen.«
Blackburn dachte einen Moment darüber nach und nickte schließlich. »Na schön. Dann sollen Sie eine größere Chance bekommen. Einen guten Programmierer an Ihrer Seite. Mr Harrison? Sie sind Fuchs Nummer zwei.«
Nigel Harrison, der weiter vorn saß, setzte sich entsetzt auf. »Das ist total unfair!«
»Tatsächlich?«, erwiderte Blackburn trocken. »Als es gerade noch nur um Raines ging, hörte ich Sie nicht Ungerechtigkeit zum Himmel schreien. Und jetzt ist es unfair?«
Der schwarzhaarige Junge blickte deutlich angewidert zu Blackburn hoch.
»Los jetzt, Sie beide«, sagte Blackburn. »Sie bekommen fünf Minuten Vorsprung.«
Tom regte sich nicht. Nigel auch nicht. Fünf Minuten waren nichts. Gar nichts.
Blackburn schaute nun wieder Tom direkt an. »Oder ist Ihnen die Herausforderung zu groß?«
Blut schoss Tom in den Kopf. Oh, das war es nun.
»Fall nicht darauf rein«, warnte Vik ihn halblaut.
Ja, er wusste, dass Blackburn ihn nur aufstacheln wollte. Doch den Vorwurf – dass er den Kampf aus Angst nicht annahm – konnte Tom nicht auf sich sitzen lassen. Er würde Blackburn das Gegenteil beweisen. Ihnen allen.
Tom sprang auf, Blackburns hämisches Grinsen ignorierend, und stürmte nach vorn. »Komm schon, Nigel. Nichts wie raus hier.«
Nigel Harrisons Gesicht zuckte. »Zehn Minuten, oder wir kommen nicht ins Geschäft. Sir.«
Blackburn winkte mit der Hand. »Sie können sogar fünfzehn haben, wenn Sie wollen.« Das macht keinen Unterschied, besagte sein Ton.
Tom wusste, dass es so war, stürzte aber trotzdem zur Tür.
Tom rannte den Korridor entlang zum Aufzug. »Ich hab mir das wie folgt gedacht, Nigel … Nigel!«
Plötzlich erkannte er, dass er allein war. Der schmächtige schwarzhaarige Junge folgte ihm in einem unerträglich langsamen Tempo. Sein blasses Gesicht war ausdruckslos. Tom eilte zu ihm zurück und passte sich seinem Tempo an.
»Folgendermaßen habe ich mir das gedacht.« Tom hüpfte praktisch auf der Stelle herum, während er das Verlangen unterdrückte loszurennen. Wenn sie dem Kotzbrocken eins auswischen wollten, das wusste er, dann musste der andere Junge mit ihm an einem Strang ziehen. »Wir müssen uns irgendwo in Sicherheit bringen, wo wir kontrollieren können, wer reinkommt, zum Beispiel in der Memografenkammer, und dann leisten wir Widerstand. Wir können es schaffen. Wir können sie alle niedermachen.«
»Nein, können wir nicht«, sagte Nigel.
»Du und ich, wir werden wie diese dreihundert Spartaner sein, okay? Dies ist unser Moment des Ruhms, in dem wir uns einer weit überlegenen feindlichen Streitmacht stellen und sie besiegen. Hast du jemals dieses Spiel gespielt, Sparta 300?« Er unterdrückte seinen Drang, Nigel am Arm zu packen und ihn sich über die Schulter zu legen, damit sie schneller vorankamen.
»Du bist ja so was von naiv«, murmelte Nigel. »Du und dein blöder Freund Vik. Das Leben ist kein dummes Videogame. Begreifst du das nicht? Und jetzt mal im Ernst, wer nennt sich denn die Doktoren des Unheils? Das habt ihr aus Fantastic Four geklaut.«
Tom hämmerte auf den Knopf für den Aufzug. »Erstens sind wir die Doktoren des Unheils – also mit des, und es ist Plural. Und zweitens hat das nichts mit dem Hier und Jetzt zu tun.«
Die Fahrstuhltüren glitten auf. Nigel sackte an der Wand zusammen und vergeudete damit wertvolle Zeit, die sie – das war Tom klar – nicht verlieren durften, wenn sie eine Chance haben wollten, die Unterrichtsstunde zu überleben.
»Komm schon. Komm jetzt, Nigel, wir müssen irgendwohin, wo wir uns verteidigen können.«
Nigel fixierte ihn mit kalten blauen Augen. »Stimmt es, dass du den Beringer Club in die Luft gejagt hast?«
»Du hast davon gehört?«, fragte Tom überrascht.
»Dominion Agra hat auch mir ein Märchen erzählt«, sagte Nigel. »Die haben so getan, als wollten sie mich sponsern, haben mir freien Zugang zu dem Club gewährt. Aber dann haben sie meine Nominierung zur Camelot Company abgelehnt und mir den Zutritt wieder verweigert. Also, wie hast du es geschafft?«
»Ich habe den Beringer Club nicht in die Luft gejagt. Ich habe ihn bloß mit Abwasser geflutet. Während die Dominion Manager drin waren.«
Nigel musterte ihn, dann verzogen sich seine Mundwinkel, und er drückte K für Kellergeschoss. »Ich werde mit dir zusammenarbeiten. Und ich weiß, wie wir gewinnen können.«
»Gehen wir’s an, Mann.« Tom wollte ihn abklatschen, doch Nigel warf Toms erhobener Hand lediglich einen schneidenden Blick zu, woraufhin er sie wieder fallen ließ.
Sie traten aus der Aufzugskabine heraus. Tom ging los in Richtung Memografenkammer, doch Nigel folgte ihm nicht, sondern stand vor dem Hauptrechner des Turms, einem Computer in der Größe eines Kühlschranks, der von Kabeln überhäuft und auf beiden Seiten vollgestopft mit Kühlschläuchen war. »Als Erstes legen wir das Ortungssystem lahm, damit sie unsere GPS-Signale nicht aufspüren können, und dann …«
Tom hatte eine Idee. »Warte mal. Nein, lass es in Betrieb. Das Erste, was sie abrufen, wenn sie die Jagd auf uns eröffnen, ist das interne GPS-System, verstehst du?«
Nigel begriff sofort, was Tom vorhatte. »Also platzieren wir genau dort einen Trojaner.«
»Korrekt.«
Nigel stürmte zu einem an der Wand befestigten Rechner und fing an, Eingaben auf der Tastatur zu machen. »Ich habe da den perfekten Trojaner.« Seine Augen glänzten auf einmal merkwürdig. »Ist mein eigenes Werk. ›Grand-Mal-Anfall‹.«
»Du machst Witze, oder?«, fragte Tom. Doch Nigel tippte nach wie vor. Tom ergriff Nigels dünnen Arm, bevor er den Befehl ausführen konnte. »Dieses Virus darfst du nicht eingeben. Dieser Trojaner würde ein schwerwiegendes medizinisches Problem auslösen.«
»Na und?«
»Die Leute sterben bei Anfällen. Du könntest jemanden umbringen.«
Nigel grinste böse. »Weiß ich.« Er langte erneut nach der Tastatur.
Dieses Mal stieß Tom ihn so kräftig weg, dass Nigel gegen die Wand krachte. Er richtete sich auf und starrte Tom an, als hätte dieser ihn irgendwie verraten.
»Was ist denn los mit dir?«, brüllte Tom. »Meinst du etwa, Marsh würde uns davonkommen lassen, wenn wir so etwas tun?«
»Ich würde ihn nicht gegen die Leute aus der CamCo einsetzen. Alles andere ist Marsh egal.« Nigels blaue Augen funkelten fanatisch. »Ich setze ihn bloß gegen die anderen ein, das tote Kapital, und lasse Blackburn das später regeln. Danach werden er und die anderen sich hüten, sich mit uns anzulegen.« Seine Stimme bebte vor Hass. »Kapierst du es nicht? Keiner von uns beiden hat jetzt mehr eine Chance, in die Camelot Company zu kommen. Dominion Agra wird dich boykottieren nach dem, was du getan hast, und mich haben sie wegen dieses kaputten Neuronalprozessors abgelehnt.«
»Kaputt?«
»Vorher hatte ich dieses Zucken nicht«, schimpfte Nigel. »Es liegt an einem Hardwareproblem in meinem Prozessor. Um ihn zu reparieren, müssten sie mir noch mal den Kopf aufschneiden. General Marsh hat aber einfach für mich entschieden, es wäre ein zu großes Risiko, selbst wenn ich dazu bereit wäre. Das macht alles zunichte! Ich komme nicht in die CamCo, weil die Unternehmen finden, ich gäbe vor der Kamera ein schlechtes Bild ab. Und Marsh findet es einfach prima und toll. Er hat mir sogar gesagt: ›Mein Junge, du kannst etwas anderes für das Militär tun. Nicht jeder hat das Zeug zum Kombattanten.‹ Ich will aber nichts anderes tun. Ich will das hier. Und du bist jetzt in der gleichen Situation, du kommst auch nicht in die CamCo. Also lass es uns auf eine andere Art angehen.«
»Wie denn, indem wir die Konkurrenz auslöschen?«
»Nein, indem wir Marsh beweisen, dass wir rücksichtslos sind.« Nigel reckte die Fäuste und packte damit etwas, das nur er sah. »Begreifst du nicht? Schau dir die russisch-chinesischen Kombattanten an. Medusa hat zwar keinen Unternehmenssponsor, ist aber trotzdem Kombattant, einfach weil er so gut ist. So können wir auch sein. Die suchen Leute, die anders sind, nicht bloß Durchschnitt wie der Rest. Wir beweisen ihnen, dass wir so tödlich sind, dass das Militär uns auch ohne Sponsoren in die CamCo befördern muss!«
»Nicht auf diese Art.« Tom baute sich zwischen Nigel und der Tastatur auf. »Ich habe Freunde hier.«
Nigels Auge zuckte. Er machte ein langes Gesicht. »Wie schön für dich.«
»Damit wollte ich nicht sagen, dass du keine …«
»Habe ich aber nicht«, zischte Nigel. »Ich habe hier keine Freunde.«
Na so was, da frage ich mich doch glatt, warum, dachte Tom, sagte jedoch lediglich: »Okay, mag ja sein, aber das heißt nicht, dass ich zulasse, dass du meinen etwas antust.«
»In welcher Wirklichkeit lebst du?« Speichel troff aus Nigels Mund. »In ein paar Minuten werden deine sogenannten Freunde Jagd auf dich machen. Deine Freunde haben dir dabei geholfen, dich mit dem Vorstand von Dominion Agra anzulegen. Das ist eines der führenden Unternehmen in der Koalition der Multinationalen, kapierst du das? Die gehören zu den mächtigsten Menschen auf der ganzen Welt, und du hast sie mit Jauche überschwemmt! Hättest du echte Freunde, dann hätten sie dir gesagt, dass du ein Idiot bist, auch nur im Traum so etwas zu tun!«
Tom schnaubte entrüstet. »Meine Freunde sagen mir doch ständig, dass ich ein Idiot bin!«
»Na schön, Raines. Mach du es auf deine Tour.«
Tom traute ihm nicht. Er wandte sich seinerseits der Tastatur zu, achtete jedoch darauf, Nigel den Zugriff darauf zu versperren. Zugleich bemühte er sich, »Widerwärtiges Dauerfurzen« aus seiner Erinnerung hervorzukramen. Er würde es in das Ortungssystem einpflanzen. Wenn ein paar ihrer Verfolger an schwerer Flatulenz erkrankten, würden die anderen im Turm vielleicht nicht ganz so schnell nach ihnen suchen.
»Ist ja echt eine beeindruckende Firewall, die du da hast«, bemerkte Nigel hinter ihm. »Hat Enslow die für dich programmiert?«
Tom beachtete ihn nicht weiter, sondern mühte sich damit ab, den korrekten Quellcode einzugeben.
»Beeindruckend«, fuhr Nigel fort, »aber fehlerhaft. Du hättest dich auf meine Seite schlagen sollen. Dann hättest du vielleicht eine Chance gehabt.«
Tom wirbelte herum und sah, dass Nigel seine Unterarmtastatur hob. Er machte noch einen Satz nach vorn, kam jedoch zu spät. Das Virus startete, und Toms Kopf schlug zurück und prallte gegen etwas Hartes. Um ihn herum wurde alles schwarz.
Als Tom erwachte, lag er mit bohrenden Kopfschmerzen auf der Bühne des Lafayette-Raums. Er starrte auf die unbesetzten Bankreihen, die immer wieder vor seinen Augen verschwammen.
Als er sich aufrichten wollte, stellte er fest, dass seine Handgelenke vor die Brust gefesselt worden waren. »Hey!«, brüllte er auf und versuchte verzweifelt, sich zu befreien. Er spürte, dass ihm auch etwas um den Kopf gewickelt worden war, das ihm über das Gesicht hing und ihm die Sicht nahm …
Blackburn riss ihm den Uniformrock vom Kopf. »Beruhigen Sie sich«, befahl er.
»Fassen Sie mich nicht an!«, rief Tom.
»Ich befreie Sie gerade. Bewahren Sie Ruhe.«
Er langte hinter Tom und zog an etwas – und seine Fesseln fielen von ihm ab. Tom sah, dass sie aus Uniformröcken bestanden hatten.
»Sie haben um sich geschlagen«, erklärte Blackburn.
Tom sprang auf die Beine. Die Bewegung führte dazu, dass sich ihm der Magen umdrehte. »Was ist passiert?« Er hatte einen trockenen Hals und musste schlucken. »Wer hat gewonnen?«
»Ich habe Mr Harrisons Programm demontiert. Wie es aussieht, hat er Sie außer Gefecht gesetzt, bevor es irgendwer sonst tun konnte. Sie waren einer der beiden Füchse, also hat er den Wettbewerb gewonnen.«
Dieser hinterhältige … Tom hatte nicht einmal daran gedacht, Nigel anzugreifen und auf diese Weise zu gewinnen.
»Womit hat er mich erwischt?« Tom rieb sich den Kopf. »›Grand-Mal-Anfall‹?«
»Nein. Wer würde denn so etwas programmieren? Er hat Ihnen eine eklige Variante von ›Nigel Harrison‹ verpasst. Ihre Zuckungen haben sich als nicht nachlassendes Herumzappeln manifestiert, und Sie haben sich selbst k.o. geschlagen.«
Tom musste lachen, obwohl sich nach wie vor alles um ihn herum drehte. Seine Beine fühlten sich wackelig an. »Sie machen Witze. Nigel Harrison hat mich genigelharrisont?«
»So ist es.« Blackburn klang verärgert. »Und wenn er einen automatischen Abbruch in den Code geschrieben hätte, hätte ich ihm einen freien Tag gegeben. Aber weil es an mir hängen blieb, den Code auseinanderzunehmen, habe ich seinen Sieg annulliert.«
Toms Blick blieb an einer Blutspur auf der Bühne unterhalb von ihm hängen. Er hob seine zittrige Hand an die Schläfe und drückte sie vorsichtig gegen die brennende Beule.
»Nicht anfassen«, warnte ihn Blackburn und riss Toms Hand weg.
Na klar, als ob der Mann sich Sorgen um ihn machen würde. Tom befreite sich energisch aus seinem Griff und sprang von der Bühne. Prompt gaben seine Beine unter ihm nach, und er fiel auf den Boden.
»Anmutig.« Hinter ihm war das dumpfe Geräusch von Stiefeln zu vernehmen, dann packte eine große Hand die Rückseite seines Uniformrocks und zog ihn wieder auf die Beine.
»Lassen Sie mich los. Bleiben Sie weg von mir!«
Blackburn manövrierte ihn stoßweise den Mittelgang entlang. »Sie haben eine Kopfverletzung, Raines. Sie gehen jetzt zur Krankenstation.«
»Es geht mit gut. Alles super. Lassen Sie los!«
Er drehte Tom um und hielt ihn an den Schultern fest. »Sie waren eine Viertelstunde lang bewusstlos, Raines. Ihre Pupillen sind geweitet. Sie müssen zum Arzt.«
Es war Tom unangenehm, ihn so nahe vor sich zu sehen und ihn mitfühlend sprechen zu hören. Er zog den Kopf zurück. »Also haben Sie bekommen, was Sie wollten, was? Es war schlecht für meine Gesundheit.«
Blackburn schaute ihn prüfend an. »Nein. Das hier ist zu weit gegangen. Kommen Sie schon.«
Tom gab seinen Versuch auf, sich von ihm loszureißen. Den Rest ihres Wegs zur Krankenstation blieb Blackburn stumm.
Tom schwankte benommen, als Blackburn ihn dem Pfleger Chang übergab. Dieser beförderte ihn sofort in eines der Betten und leuchtete ihm mit einer Stiftlampe in die Augen. Tom presste den Kopf auf die Matratze. Sie fühlte sich solide und beruhigend an, während es in seinem Kopf wirr zuging. Plötzlich war er froh, hier zu sein. Er hatte keine Lust, Karl in Begeisterungsstürme ausbrechen zu sehen, während er, Tom, sich mitten in der Kantine vollkotzte.
»Wach bleiben, Mr Raines«, ordnete Pfleger Chang an.
Tom zwang sich dazu, die Augen wieder zu öffnen und sah, wie der Nachttisch vor seinen Augen verschwamm und dann wieder scharf wurde. Ihm war speiübel. Das Licht war zu hell. Dass Blackburn immer noch da war, gefiel ihm nicht. Er versuchte, den Klang seiner Stimme zu ignorieren, als Blackburn fragte: »Wie lange wird er nach Ihrer Einschätzung hierbleiben? Ich sollte General Marsh informieren.«
»Ich sage Ihnen nach seiner CT Bescheid, aber er ist ja noch jung. Was Sie oder ich für ein paar Wochen auf die Bretter schicken würde, können Jungspunde in wenigen Tagen abschütteln.«
»Das brauchen Sie mir nicht zu sagen. Zwei Jungen, ein Jahr auseinander … Es gab mehr als genug Trips zum …« Eine ganze Weile lang schwieg er. »Halten Sie mich einfach auf dem Laufenden.«
Schwere Schritte waren zu vernehmen, und erst als die Tür wieder zuglitt, konnte Tom sich endlich entspannen, sicher, dass Blackburn endlich weg war.