10

Wie gelähmt vor Schreck blickte Alexion zu dem Charonte-Dämon hinauf. Wo zum Teufel kam diese Kreatur auf einmal her? Simi hätte eigentlich die letzte ihrer Gattung sein sollen, doch es gab keinen Zweifel, dass es sich hier um einen Charonte handelte. Dieses Wesen war absolut einzigartig.

»Was ist das?«

Statt ihre Frage zu beantworten, trat er ein Stück beiseite, um das Biest von Danger abzulenken. »Qui’esta rahpah?«, fragte er den Dämon. »Woher kommst du?«

Der Dämon hielt einen Moment inne, verblüfft, dass Alexion seine Muttersprache beherrschte. Es hinderte ihn jedoch nicht daran, ihn sofort wieder anzugreifen.

Ehe Alexion sich bewegen konnte, schoss er herab, packte ihn und riss ihn zu Boden. Alexion schlug mit einer solchen Wucht auf dem Boden auf, dass er sich, wäre er ein Mensch gewesen, jeden Knochen im Leib gebrochen hätte.

Der Dämon hatte seine mit scharfen Krallen besetzten Klauen um seinen Hals gelegt, während Alexion das Bein anhob und ihm einen kräftigen Tritt verpasste.

Leider ohne jede Wirkung.

Alexion gelang es, sich unsichtbar zu machen, doch der Dämon, der den Schachzug bereits geahnt hatte, stürzte sich erneut auf Alexion, sobald er wieder auftauchte, und schleuderte ihn mit dem Gesicht voran auf den Boden, so dass seine Zähne hörbar krachten.

Aus dem Augenwinkel sah er Danger ein Schwert zücken, das sie hinter dem Sofa versteckt hatte.

»Nein!«, schrie er, doch es war zu spät. Der Dämon bekam sie mit dem Schwanz zu fassen und riss sie ebenfalls zu Boden. Es war ein aussichtsloser Kampf. Einen Charonte zu besiegen war völlig unmöglich, es sei denn, man war ein Gott. Alexion konnte zwar auf Acherons Kräfte zählen, besaß sie jedoch nicht im selben Maße.

Das war ein entscheidender Nachteil.

Der Dämon hatte sich auf Alexion gestürzt, der erneut verschwand, doch der Dämon machte keine Anstalten, von ihm abzulassen.

Vergiss es, Lex. Dieses elende Vieh kann dich offenbar sehen. Verdammt.

Er versetzte dem Dämon einen Hieb, doch er zeigte sich völlig unbeeindruckt. Ganz im Gegensatz zu Alexion, dessen Hand schmerzte, als sei sie gebrochen. Der Dämon lachte ihm ins Gesicht, packte ihn erneut und drosch seinen Kopf mit voller Wucht auf den Fußboden. Es fühlte sich an, als pralle seine Gehirnmasse gegen die Schädeldecke. Alexion schmeckte Blut auf seiner Zunge und spürte, wie es ihm aus der Nase lief.

Wenn er sich nicht bald von diesem Dämon befreite, würde er ihn noch umbringen. Und diesmal würde Acheron ihn nicht wieder zurückholen können.

Alexion versuchte, sein Kraftfeld zu aktivieren, um die Schläge abzuwehren, was in etwa so effektiv war, wie eine Fliegenklatsche gegen ein Rhinozeros einzusetzen. Kein Wunder, dass die griechischen Götter in ständiger Furcht vor diesen Kreaturen lebten. Sie verfügten über unbeschreibliche Kräfte. Die einzig wichtige Frage war, wie es den altantäischen Göttern je gelungen war, sich diese Geschöpfe untertan zu machen.

»Geh sofort runter von mir, du stinkendes, widerwärtiges, verlaustes Drecksvieh«, grollte er, was dazu führte, dass der Charonte seinen Kopf erneut auf den Fußboden knallen ließ. Einen Moment lang löste er sich von Alexion und schlang sich gleich darauf wie eine Boa constrictor um ihn. Und ebenso wie der Charonte wusste auch Alexion, dass dies der letzte Schachzug der Kreatur war, ehe sie ihn zerquetschen und seine Existenz damit unwiderruflich auslöschen würde.

Alexion versuchte, seine Arme zu befreien.

Das funktioniert ja ganz hervorragend! Wieso spuckst du ihn bei der Gelegenheit nicht auch noch an?

Er brauchte dringend Simi.

Ohne sie …

War er geliefert.

Entsetzt sah Danger zu, wie der Dämon den hilflosen Alexion zu zermalmen drohte. Bis zu diesem Augenblick war ihr nicht einmal bewusst gewesen, dass er bluten konnte. Es war beängstigend zu sehen, dass jemand einem Mann so zusetzen konnte, von dem sie naiverweise angenommen hatte, er sei unbesiegbar.

Wieder griff sie nach ihrem Schwert.

Der Dämon ließ einen Moment von Alexion ab und stürzte sich auf sie. Sie packte das Schwert und rammte es tief in den Leib des Dämons, während sie Alexion laut »Nein!« schreien hörte.

In der nächsten Sekunde dämmerte ihr, weshalb, denn der Dämon packte das Schwert, riss es heraus und machte Anstalten, es gegen sie zu erheben.

In dem festen Glauben, dies sei ihr Ende, sah sie dem Dämon ins Gesicht, doch gerade als er die Waffe hob, stürzte sich Alexion von hinten auf ihn und riss ihn zurück.

»Protula akri gonatizum, vlaza!«

Danger hatte keine Ahnung, was die Worte bedeuteten, doch der Dämon ließ augenblicklich von ihm ab. Zu ihrer Verblüffung sank er sogar auf ein Knie, kreuzte die Arme vor der Brust und senkte demütig den Kopf.

»Wow«, stieß sie voller Ehrfurcht hervor. »Was haben Sie zu ihm gesagt?«

Statt einer Antwort nahm er ihren Arm und führte sie zur Tür. Mit einer Hand fuhr er sich über seine geplatzte Lippe und seine blutende Nase, während er sie im Laufschritt durchs Haus zog.

»Was haben Sie vor?«, fragte sie.

»Auf der Stelle von hier verschwinden, solange wir es noch können«, flüsterte er.

»Aber das Ding hat doch aufgehört.«

»Ja, ich habe den Dämon mit einem Befehl lahmgelegt, den er bestimmt nicht allzu oft zu hören bekommt. Das Problem ist nur, dass ich nicht der Einzige bin, der die Macht hat, ihn zum Gehorsam zu zwingen, und ich bin nicht sicher, wie lange es dauert, bis er es merkt. Deshalb würde ich vorschlagen, wir kratzen schleunigst die Kurve, bevor uns dieser Dämon in Stücke reißt.«

Die Kurve kratzen – das klang nach einer hervorragenden Idee. Sie blickte über die Schulter, um sicherzugehen, dass das Vieh ihnen nicht gefolgt war. »Was war das überhaupt?«

»Ein Charonte-Dämon.«

»Ein was?«

Er ging voran in die Garage und öffnete die Tür zu ihrem weinroten BMW Z4. »Los, steigen Sie ein.«

Sie erstarrte bei seinem Befehlston. Ihr sagte keiner, was sie zu tun hatte.

Keiner.

»Kommandieren Sie mich gefälligst nicht herum.«

Er sah sie nur an. »Gut. Dann bleiben Sie eben hier und kämpfen allein weiter. Ich verschwinde jedenfalls.«

Sie gehorchte, nicht jedoch, ohne ihm vorher einen vernichtenden Blick zuzuwerfen. Okay, immerhin hatte ihm der Dämon ziemlich zugesetzt … Wenn sie unbedingt ein neues Gesicht haben wollte, würde sie sich lieber einen Schönheitschirurgen nehmen.

Zumindest wäre sie dort die meiste Zeit bewusstlos.

Erst als sie im Wagen saßen, kam ihr ein Gedanke. »Können Sie eigentlich fahren?«

Er beantwortete die Frage, indem er den Motor ohne Zündschlüssel startete und rückwärts aus der Garage fuhr, deren Tor in Rekordzeit aufglitt. Alexion legte eine abenteuerliche Kehrtwende hin, ehe sie hinaus auf die Straße schossen.

»Wie es aussieht, können Sie es«, sagte sie leise. Er fuhr wie ein Profi. »Also, Mr. Formel 1, wohin geht’s jetzt?«

»Keine Ahnung. Ich bin für alles offen, solange wir nur nicht zu Ihnen nach Hause zurückmüssen, wo Warzengesicht auf uns wartet.«

Sie konnte ihm nur zustimmen. »Wie lange wird der Dämon warten, bis er uns folgt, was glauben Sie?«

»Das weiß ich nicht. Es hängt davon ab, in wessen Diensten er steht oder wie sein Auftrag lautete. Hoffen wir, dass Zeit für ihn keine Bedeutung hat und er die nächsten Jahrhunderte bleibt, wo er ist.«

»Ich weiß nicht recht, immerhin ist es mein Haus. Ich würde gern morgen oder übermorgen zurückkehren. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass er die nächsten Tage oder, Gott bewahre, noch länger dort bleibt?«

Alexion seufzte müde. »Ich weiß es nicht. Wirklich nicht.«

Toll. Sie sah bereits vor sich, wie ihr Haus bei ihrer Rückkehr aussehen würde. Wie das von Mrs. Haversham in Charles Dickens’ Große Erwartungen – voller Spinnweben und von Mäusen bevölkert. Sie erschauderte. »Würden Sie mir wenigstens verraten, was Sie zu ihm gesagt haben, damit er aufhört?«

Er verzog das Gesicht zu einem hinterhältigen Grinsen, das ihm ausgezeichnet stand. »Im Grunde nichts anderes als ›Los, geh auf die Knie vor deinem Herrn und Meister, elender Schleimbeutel‹.«

Sie lachte. Typisch Alexion. »Was war das für eine Sprache? Ich habe so etwas noch nie gehört.«

»Es war atlantäisch.«

Wie seltsam. Er hatte doch gesagt, er sei Grieche und kein Atlantäer. »Wie kommt es, dass Sie die Sprache eines Landes sprechen, das längst versunken war, bevor Sie geboren wurden?«

Er lachte leise. »Ich lebe bei Acheron. Er spricht zu Hause immer diese Sprache.«

»Ehrlich?«

Er nickte.

Wow. Sie würde gern einmal eine Unterhaltung auf Atlantäisch hören. Die Worte hatten sich seltsam angehört, doch die Sprache hatte eine sehr melodiöse, wunderbar lyrische Färbung gehabt.

Doch im Moment gab es Wichtigeres, worüber sie sich Gedanken machen musste. Beispielsweise, wie sie den Dämon aus ihrem Haus bekommen sollte. Sie konnte nur hoffen, dass er nicht noch Freunde hatte, die in ihrem Wohnzimmer eine Party feiern und sie und Alexion als Springstock benutzen wollten. »Glauben Sie, es gibt noch mehr von dieser Sorte?«

»Ich weiß es nicht. Ich dachte immer, Simi sei die letzte ihrer Art. Zumindest hat man Acheron das gesagt, und er hat es mir erzählt. Aber offenbar hat jemand Lügen verbreitet.«

»Simi, diese imaginäre Freundin, mit der Sie die ganze Zeit reden, ist also auch eines dieser gemeinen, widerlichen Biester?«

»Nein«, widersprach er gekränkt. »Simi ist ein echter Schatz. Sie ist wunderschön …« Er hielt inne. »Für einen Dämon.«

»So, so«, meinte Danger skeptisch. »Packt sie Sie am Kopf und drischt ihn auf den Boden?«

»Nicht absichtlich … eigentlich. Sie vergisst nur manchmal, wie stark sie ist.«

»Verstehe. Allerdings hat sie dabei wohl leider Ihr Gehirn geschädigt, wenn ich es richtig sehe.«

Er warf ihr einen drohenden Blick zu. »Simi ist wie eine Tochter für mich, deshalb erwarte ich etwas Respekt, wenn Sie von ihr sprechen«, erwiderte er mit einer Mischung aus Trotz und Verärgerung.

Sie hob in gespielter Resignation die Hände. »Schon gut, wenn Sie einen schuppigen Dämon als Ihre Tochter bezeichnen, ist das Ihre Sache. Aber haben Sie in der Zwischenzeit zufällig eine Idee, wie wir einen ihrer Artgenossen töten können?«

Er schüttelte den Kopf. »Die einzige Möglichkeit, die ich kenne, ist die, einen atlantäischen Dolch zu benutzen.«

»Und wo finden wir so ein Ding?«

Seine Finger schlossen sich fester um das Steuer. »Das geht nicht. Acheron hat sie alle zerstört, damit niemand Simi etwas antun kann.«

»Tja, das war ja sehr schlau von ihm. Was ist mit anderen Dämonen, die mit Ihrem Schädel Basketball spielen wollen? Hat er nie daran gedacht, dass es sinnvoll wäre, so einen Dolch griffbereit zu haben? Nur für alle Fälle?«

»Es war ihm das Risiko nicht wert. Außerdem braucht Acheron keinen, wenn er sie töten will.«

Tja, das wäre gewiss hilfreich, wenn Acheron bei ihnen wäre, aber so, wie die Dinge im Moment standen … »Tja, da hat er sich ja einen perfekten Zeitpunkt ausgesucht, durch Abwesenheit zu glänzen.«

Alexion drosselte das Tempo und wandte sich ihr zu. »Ihr Sarkasmus hilft uns jetzt auch nicht weiter.«

»Falsch. Mir hilft er, ruhig zu wirken, auch wenn ich es innerlich definitiv nicht bin.«

»Mir fallen Sie damit aber allmählich auf die Nerven.«

»Oh, jetzt bekomme ich es aber ernsthaft mit der Angst«, stieß sie mit gespielter Atemlosigkeit hervor.

Er warf ihr einen finsteren Blick zu, ehe er auf den Highway in Richtung Aberdeen fuhr.

»Wohin fahren wir?«

»Ich bin hergekommen, um mit Kyros zu sprechen, weshalb also noch länger warten?«

Vermutlich hatte er recht, allerdings übersah er dabei einen wichtigen Punkt. »Kyros flippt ganz bestimmt aus, wenn er Sie sieht.«

»Wahrscheinlich. Ich hoffe, er ist so schockiert über mein Auftauchen, dass ich Gelegenheit habe, ihn zur Vernunft zu bringen.« Er sah zu ihr hinüber. »Sie wollten mir doch von Stryker erzählen, bevor wir so rüde unterbrochen wurden. Wie sieht’s aus? Lust, es jetzt zu tun?«

Danger öffnete das Handschuhfach und nahm eine Packung Papiertaschentücher heraus, aus der sie zwei herauszog und vorsichtig das Blut unter Alexions Nase abtupfte.

Er runzelte die Stirn, ehe er ihr ein Taschentuch aus der Hand nahm und sich das Gesicht abwischte. Seine Bewegungen hatten etwas rührend Jungenhaftes an sich. Sie konnte nur staunen. Obwohl er soeben eine anständige Tracht Prügel bezogen hatte, beklagte er sich mit keiner Silbe.

Und er musste ziemliche Schmerzen haben, so viel stand fest.

Mitfühlend strich sie ihm mit der Hand das Haar aus dem Gesicht. Er sagte nichts, doch seine Miene verriet ihr, dass ihn die Zärtlichkeit ihrer Geste rührte.

Zutiefst verlegen ließ sie die Hand sinken. »Da gibt es nicht viel zu erzählen«, meinte sie und schloss das Handschuhfach wieder. »Er ist nur aufgetaucht und hat behauptet, er sei Acherons Bruder.«

Alexion brach in schallendes Gelächter aus.

»Lachen Sie gefälligst nicht!« Es kränkte sie zutiefst, dass er sie auslachte, weil sie einen Moment lang tatsächlich geglaubt hatte, die beiden könnten Brüder sein. »Er hat dasselbe schwarze Haar und die silbrigen Augen wie Ash. Die Ähnlichkeit zwischen den beiden ist wirklich frappierend.«

»Sie irren sich, glauben Sie mir.«

»Aber wieso haben sie dann dieselben Augen?«

»Das haben sie nicht. Ihre Augen sehen völlig verschieden aus. Acheron hat seine von Geburt an, während Stryker sie erst bekommen hat, nachdem er seinen Vater Apollo hintergangen hat.«

Sie runzelte die Stirn. »Woher wissen Sie das?«

Er zuckte die Achseln. »Ich besitze eine sfora, eine Seherkugel, die mir alles zeigt, was hier im Reich der Menschen vor sich geht. Und Simi weiß bestens über alles Bescheid, was in Kalosis passiert, dem Reich, aus dem …«

»Stryker kommt. Das hat er erwähnt. Also ist Ash nicht sein Bruder?«

»Nein, verdammt. In Strykers Träumen vielleicht. Glauben Sie mir.« Alexion verfiel in nachdenkliches Schweigen und schob das Taschentuch in seine Hosentasche, während er weiter den dunklen Highway entlangfuhr. »Weshalb lügt Stryker Kyros an? Und was hat er überhaupt hier zu suchen? Es sieht ihm nicht ähnlich, sich mit jemandem wie Kyros zu verbrüdern. Normalerweise geht er Acheron direkt an.«

Sie hoffte, dass er das nicht im wortwörtlichen Sinne meinte. »Keine Ahnung. Aber er hat Kyros voll und ganz auf seine Seite gezogen. Und mich kurzfristig auch.«

Angewidert stieß Alexion den Atem aus. »Sie wussten es nicht besser, Kyros allerdings schon.« Ein Muskel zuckte an seinem Kiefer, während er weiter stur auf die Straße starrte. »Was auch immer Stryker im Schilde führt, es kann nichts Gutes sein. Und wenn er derjenige ist, der uns diesen Charonte auf den Hals gehetzt hat, stecken wir in echten Schwierigkeiten.«

»Meinen Sie wirklich?«

Er schüttelte den Kopf. »Ihren Sarkasmus mal beiseitegelassen – Sie haben keine Ahnung, über welche Kräfte Stryker verfügt. Sie glauben, ich sei hergekommen, um euch zu töten? Das mag ja sein, aber mir bereitet diese Aufgabe nicht die geringste Freude. Stryker dagegen genießt es, andere zu quälen. Das letzte Mal, als er aus seinem Loch herausgekrochen ist, hat er dafür gesorgt, dass einer seiner Spathi-Daimons Besitz von einem Dark Hunter ergriffen hat, und gemeinsam haben sie ganz New Orleans in Angst und Schrecken versetzt.«

»Was ist denn ein Spathi?«, fragte sie.

»Sie gehören zu einer alten Kriegerklasse von Daimons, die seit Hunderten, wenn nicht gar Tausenden von Jahren existieren. Und in dieser Zeit haben sie gelernt, ernsthaft sauer zu werden. Im Gegensatz zu den jüngeren Daimons sind sie ans Kämpfen gewöhnt und laufen nicht weg, sondern stürzen sich geradewegs auf ihre Opfer.«

»Meine Güte, das wird ja immer besser. Ein verärgerter Halbgott, ein Dämon und jetzt auch noch Daimons, die von uns Besitz ergreifen und uns töten wollen. Sonst noch etwas, wovor Sie mich warnen sollten?«

»Ja. Gewöhnen Sie sich endlich Ihren Sarkasmus ab, bevor ich zu dem Entschluss komme, dass ich niemanden brauche, der mich zu Kyros begleitet.«

Stryker starrte den Charonte an, der vor ihm stand. Er und Trates hatten in der großen Halle von Kalosis bei einem Becher Apollitenblut gesessen und bereits auf Alexions Tod angestoßen.

Zumindest, bis der Dämon mit Nachrichten zurückgekehrt war, die Stryker ganz und gar nicht gefielen. In der Erwartung von Strykers ungezügeltem Zorn, der bereits unübersehbar zu brodeln begann, zog Trates sich vorsichtshalber zurück.

»Was willst du damit sagen, du hast ihn gehen lassen?«, ging Stryker den Dämon an.

Caradocs Augen wurden schmal. »Nicht in diesem Ton, Daimon«, warnte er mit dem für seine Gattung typischen eigentümlichen Singsang-Tonfall. »Ich an deiner Stelle würde den Mund nicht so voll nehmen. Ich habe mich nur zu alldem bereiterklärt, weil du behauptet hast, du könntest mich aus den Fängen der Göttin befreien. Allerdings hast du mir nicht gesagt, dass du mich einem anderen ihrer Art auf den Hals hetzt.«

Stryker erstarrte. »Was willst du damit sagen – einem anderen ihrer Art?«

»Das war kein Mensch, sondern etwas anderes. Er sprach meine Sprache und atlantäisch. Er kannte den Befehl, den die atlantäischen Götter den meinen gaben, um uns unter Kontrolle zu halten. Kein Mensch kennt diesen Befehl, nur die Götter.«

Stryker schnaubte abfällig. »Alexion ist kein Gott, sondern nur ein Diener, genauso wie du.«

»Er spricht aber nicht wie ein Diener«, wandte Caradoc ein. »Und er ist auch nicht wie ein Mensch zerborsten. Ich habe ihm jede Menge tödlicher Schläge zugefügt, trotzdem hat er weiterhin Widerstand geleistet.«

Stryker bleckte die Zähne und wich zurück, als der Dämon drohend näher kam. Ob es ihm gefiel oder nicht – bei einem Kampf gegen den Charonte konnte er nur verlieren.

»Du hättest ihm nicht gehorchen müssen. Er ist kein Gott und kann dir deshalb auch nichts tun.«

Caradoc legte den Kopf schief und musterte ihn nachdenklich. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Ich werde ihn nicht noch einmal angreifen. Das Risiko übersteigt den Nutzen bei weitem. Die Göttin würde mich töten, wenn ich einem Mitglied ihrer Familie etwas antun würde. Selbst hier würde sie mich jagen und meine Existenz vollständig auslöschen. Such dir einen anderen Dummen.«

Der Dämon schlang seine Flügel um sich und stolzierte davon.

Stryker stieß einen Fluch aus. Er hasste Situationen wie diese. Sie gingen ihm noch mehr gegen den Strich als die Menschen.

Eines Tages würde er beide Rassen erbarmungslos auslöschen.

»Was machen wir jetzt?«, wollte Trates wissen.

»Hol Xirena.«

Trates lachte nervös. »Xirena? Wieso? Sie ist die schlimmste aller Charontes und gehorcht noch nicht einmal Apollymi, geschweige denn uns. Ich weiß beim besten Willen nicht, wie wir sie bändigen könnten.«

Ein Lächeln breitete sich langsam auf Strykers Zügen aus. »Ich weiß. Genau aus diesem Grund will ich sie ja haben. Sie fürchtet sich nicht vor einem Diener. Sie wird mit Alexions Herz zurückkommen und sich nicht darum scheren, was Apollymi dazu sagt.«