Kapitel dreißig

LANGLEY, VIRGINIA, USA

21. November, 16:02 Uhr GMT-5

 

 

»Was ist denn so wichtig, dass es nicht warten kann?«

Dave Collen schloss die Tür hinter sich und vergewisserte sich, dass sie auch wirklich zu war. »Wir haben ein Problem mit Brandon, Larry.«

»Was für ein Problem?«

Collen stellte seinen Laptop auf Drakes Schreibtisch und startete ein Sicherheitsvideo, das einen Aufzug voller Leute zeigte. »Achte genau auf ihn.«

Drake beugte sich vor und verfolgte, wie die Tür aufging und sich noch fünf Leute in die enge Kabine zwängten, darunter auch Gazenga.

Er arbeitete sich nach hinten durch und stellte sich neben eine schöne Blondine.

Der Fahrstuhl fuhr drei Stockwerke hinunter, und Gazenga kämpfte sich wieder nach vorne. Nachdem er ausgestiegen war, endete das Video.

»Okay, er mag Treppensteigen nicht so gern«, sagte Drake. »Das kommt mir jetzt nicht wahnsinnig wichtig vor.«

»Sieh genauer hin«, erwiderte Collen und startete das Video noch einmal von vorn. Er hielt es an der Stelle an, wo sich Gazenga neben die Frau stellte, und ließ es Bild für Bild weiterlaufen. »Achte auf seinen rechten Arm.«

Alles unterhalb des Ellbogens war verdeckt, doch Drake sah, wie sich Gazengas Schulter ein wenig hob und wieder senkte, als der Aufzug stoppte. Die Frau blickte zu ihm auf und sah ihm mit ausdrucksloser Miene nach, als er nach vorne zur Tür ging.

»Der Fahrstuhl hat einen Ruck gemacht, er ist gegen die Frau neben ihm gestoßen und ausgestiegen. Worauf willst du hinaus, Dave?«

»Er hat ihr etwas zugesteckt. Sieh es dir noch einmal an.«

Drake runzelte skeptisch die Stirn, als er die Aufnahme ein drittes Mal sah. Man konnte seine Armbewegung wohl so deuten, dass er die Hand zu ihrer Tasche hob, aber viel naheliegender war, dass es gar nichts zu bedeuten hatte.

»Es ist gut, dass du so gründlich bist, Dave, und eine gewisse Paranoia ist in dieser Situation durchaus angebracht, aber …«

»Weißt du, wer sie ist?«

»Nein.«

»Randi Russell.«

Drake kannte den Namen – jeder mit der entsprechenden Zugangsberechtigung kannte ihn –, aber sie waren sich nie persönlich begegnet. »Zuletzt hat sie angeblich irgendeinen Sprengstoffexperten der Taliban durch den Hindukusch gejagt.«

»Ja. Offenbar hatte er einen kleinen Unfall.«

»Was für einen Unfall?«

»Er ist in eine Kugel gelaufen, die Randi abgefeuert hat, und dann in eine zweihundert Meter tiefe Schlucht gestürzt. Sie ist schon seit zwei Monaten wieder in der Zentrale und wartet ab, bis sich die Lage in Afghanistan beruhigt hat.«

»Okay, aber sie und Brandon kennen sich sicher nicht, außerdem hat sie zwar fast überall auf der Welt gearbeitet, aber nicht in Afrika. Wenn du recht hast und er wirklich kalte Füße bekommen hat – warum sollte er dann ausgerechnet zu ihr gehen?«

Collen ließ sich in einen der Stühle vor Drakes Schreibtisch sinken. »Smith hatte einmal eine Verlobte – sie starb an diesem Hades-Virus.«

»Und?«

»Ihr Name war Sophia Russell.«

Drake spürte, wie sich sein Magen zusammenkrampfte – ein Gefühl, das ihn schon seit dem Beginn dieser Operation verfolgte. »Sind sie verwandt?«

»Schwestern. Und man kann durchaus sagen, dass sich Randi Russel und Smith nahestehen.«

Drake blickte einen Moment lang auf das eingefrorene Bild hinunter. »Es könnte trotzdem Zufall sein.«

»Es gibt auch Sicherheitsaufnahmen, die zeigen, was Brandon getan hat, nachdem er aus dem Fahrstuhl ausstieg. Er hatte in diesem Stockwerk gar nichts zu tun – er ging direkt zur Treppe und zurück in sein Büro.«

Drake spürte, wie sich das krampfartige Gefühl auf die Brust ausbreitete. »Haben wir sie überprüft?«

»Sobald ich das hier bekommen habe, ließ ich sie zu einer Sitzung rufen. Wir drehten die Heizung rauf, und sie zog die Jacke aus. Als sie eine Kaffeepause einlegten, habe ich ihre Taschen überprüft. Nichts.«

»Dann war entweder nie etwas drin …«

»Oder die Botschaft ist angekommen.«

Drake öffnete eine Schublade, nahm sich zwei Schmerztabletten und schluckte sie ohne Wasser, um den Kopfschmerzen vorzubeugen, die sich ankündigten. »Wenn er ihr etwas zugesteckt hat, dann kann es alles Mögliche gewesen sein – eine Einladung zu einem privaten Chatroom oder zu einem E-Mail-Account mit einer verdammten Abhandlung über alles, was wir machen.«

»Ich hab mir angesehen, was er mit seinem Computer angestellt hat«, sagte Collen. »Er ist ein cleverer kleiner Mistkerl, aber ich habe doch Spuren gefunden, die zeigen, dass er jemanden gesucht hat, an den er sich wenden kann. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir alles kontrollieren können, was er von seinem Computer aus macht.«

»Dann hat er ihr eine Zeit und einen Ort vorgeschlagen. Ein Treffen.«

Collen nickte.

»Wenn du dich irrst und sie etwas über uns in der Hand hat …«

»Als ich das Video sah, habe ich sie sofort überwachen lassen. Wenn sie etwas weiß, werden wir’s irgendwann herausfinden.«

»Irgendwann reicht nicht, Dave. Dass Randi Russell anfängt zu schnüffeln, ist so ziemlich das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können. Wenn sie …« Drakes Stimme versagte, als er sich die möglichen Katastrophenszenarien vorstellte. Er stand auf und ging in dem geräumigen Büro auf und ab, ehe er auf einem Teppich mit dem Siegel der CIA stehen blieb. »Sind wir bereit, gegen Gazenga vorzugehen?«

»Wir sind bereit, seit wir ihn an Bord geholt haben. Sollen wir handeln?«

»Können wir’s uns leisten?«

»Die kurze Antwort ist nein«, seufzte Collen. »Wir glauben, dass Omidi in Uganda ist, und Brandon nutzt seine Kontakte, um es zu bestätigen – Kontakte, zu denen ich keine Verbindung habe. Andererseits – können wir’s uns leisten, zu warten?«

»Dieser verdammte Castilla mit seinem Spezialkommando! Die Sache hätte nie so kompliziert werden dürfen. … Okay. Schalte ihn aus.«

»Was ist mit Russell?«

»Genau das Gleiche. Sie zu beseitigen, ist gefährlich. Aber sie am Leben zu lassen, ist möglicherweise Selbstmord.«

»Dann denken wir dran, sie auszuschalten?«

Drake nickte kurz.

»Ich kümmere mich um die Vorbereitung, aber es dauert eine Weile. Diese Randi Russell war schon mehrmals so gut wie tot und ist doch irgendwie davongekommen. Die Sache muss bis ins kleinste Detail geplant werden.«

»Wir haben nicht viel Zeit, Dave. Bis morgen Nachmittag will ich eine Liste mit konkreten Vorschlägen auf dem Tisch haben.«

Die Ares Entscheidung
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