Kapitel zweiundvierzig

TEHERAN, IRAN

25. November, 10:55 Uhr GMT+3:30

 

 

Ayatollah Khamenei saß mit überkreuzten Beinen auf dem Kissen und hörte sich die Abhöraufnahmen an, die ihm die Männer gebracht hatten, die um ihn herum hockten. Er schloss die Augen und bemühte sich, gelassen zu bleiben und auf Gott zu vertrauen, während er die Details des Komplotts hörte, das da gegen ihn geschmiedet wurde. Rahim Nikahds Schwiegertochter war an den Verletzungen gestorben, die ihr einer von Omidis Männern zugefügt hatte, und das konnte ihm der Politiker nicht verzeihen.

Nein, das stimmte nicht ganz, hätte Mehrak zweifellos eingewendet, wäre er nicht so weit weg gewesen. Die Verschwörung von Nikahd und einigen seiner Kollegen im Parlament hatte ihren Ursprung nicht erst in diesem Fehler. Ein so ausgeklügelter Plan konnte nicht in so kurzer Zeit ersonnen werden. Wahrscheinlich arbeiteten sie schon seit Monaten daran, vielleicht sogar seit Jahren.

»Geht jetzt«, winkte er sie hinaus.

Die Männer hier im Raum hatte er selbst ausgewählt, und dennoch traute er ihnen nicht. In diesen gefährlichen Zeiten konnte er sich nur noch auf seine Familie verlassen, und auf Omidi, der für ihn genauso ein Sohn war wie die Söhne, die ihm seine Frau geboren hatte.

Khamenei hörte sich an, wie die Verschwörer nicht nur planten, ihn zu ermorden, sondern auch, den Iran in ein »modernes« Land umzuwandeln und Farrokh eine Zusammenarbeit anzubieten. Als die Aufnahme zu Ende war, nahm er den Kopfhörer ab und legte ihn auf den Boden. Er hatte in seinem Leben so viele Irrtümer begangen, aber der größte war sicherlich, dass er die Macht des Geldes unterschätzt hatte. Die internationalen Sanktionen hatten die iranische Wirtschaft geschwächt und hinderten die Menschen daran, sich all die nutzlosen Dinge anzueignen, die sie im Internet und in der westlichen Werbung sahen. Die Dinge, die ihnen heute wichtiger waren als Gott.

Genauso falsch hatte er die Reaktion der iranischen Jugend auf die Besetzung des Iraks und Afghanistans durch Amerika eingeschätzt. Er selbst sah darin den Vorboten eines neuen Imperialismus, der sie zerstören würde, wenn sie keine Waffen hatten, um sich zu verteidigen. Nachdem sich gezeigt hatte, dass die amerikanischen Streitkräfte diese Länder nicht in den Griff bekamen, dachten viele Iraner in ihrer Leichtgläubigkeit, dass von den Amerikanern keine Gefahr mehr drohte. Vor allem, wenn man sie nicht provozierte.

Und so wurde der iranische Staat, an dessen Aufbau er mitgeholfen hatte, von Leuten verdorben, denen nichts wichtiger war als die Befriedigung ihrer eigenen Gelüste. Der Traum der Islamischen Republik drohte in der Gier nach teuren Autos, unzüchtigen Kleidern und zügellosen Medien unterzugehen.

Er griff nach einem großen Umschlag, zog ein Foto hervor und betrachtete einmal mehr die Gesichter, die darauf zu sehen waren. Jon Smith war Mikrobiologe am amerikanischen Biowaffenzentrum in Maryland. Sarie van Keuren war die weltweit führende Expertin für Parasiten. Und Peter Howell war ein ehemaliger Angehöriger des MI6 und des SAS. Die Amerikaner wussten etwas. Und das bedeutete, die Zeit war knapp.

Omidi verlor zunehmend die Kontrolle über die iranischen Sicherheitskräfte und wagte es nicht mehr, in die Menge feuern zu lassen. Führende Vertreter des Parlaments planten seine Ermordung. Und es gab Gerüchte, wonach Farrokh auf dem besten Weg war, sich die entsprechenden militärischen Mittel zu verschaffen, um seine Ziele umzusetzen.

Khamenei wusste, dass er viel zu lange gewartet hatte. Mittlerweile war seine Macht schon so weit ausgehöhlt, dass er sich auf nichts und niemanden mehr verlassen konnte. Die einzige Möglichkeit war, das Übel an der Wurzel zu packen.

Er sah auf die Uhr. Nicht einmal mehr eine Minute.

Als das Telefon schließlich klingelte, griff er sofort danach. »Gott sei mit dir, Mehrak.«

»Und mit Ihnen, Exzellenz.«

»Es tut gut, deine Stimme zu hören. Ich habe nicht mehr viele Freunde hier. Weniger als du glaubst.«

»Ich habe von den Gesprächen zwischen Nikahd und den anderen gehört. Wir kümmern uns darum, wenn ich wieder da bin, aber wir müssen vorsichtig vorgehen.«

»Dafür ist es zu spät, mein Freund. Ich hätte auf deine Warnungen hören sollen. Manchmal habe ich das Gefühl, ich werde alt und töricht.«

»Sie sehen Frömmigkeit in Menschen, die keine haben, Exzellenz. Das ist nicht Torheit. Ein Mann Gottes muss die Dinge vielleicht so sehen.«

»Du weißt mich immer zu trösten, Mehrak. Und dafür danke ich dir. Jetzt sag mir, was du erfahren hast.«

»Bahames Waffe ist fast perfekt. Ich habe gesehen, wie er sie eingesetzt hat, und seine Beschreibungen waren absolut zutreffend. Es ist wirklich wie der Zorn des Allmächtigen.«

Khamenei schloss die Augen und stellte sich vor, wie Amerika im Chaos versank. Er sah die Toten auf den Straßen liegen, und die Überlebenden, die sich versteckten und ihren falschen Gott vergeblich anflehten, sie zu retten.

»Du hast gesagt, die Waffe ist fast perfekt. Warum nur fast?«

»Es ist nicht so einfach, sie einzusetzen. Wir müssen noch einiges verbessern, damit sie auch dort ihre Wirkung entfaltet, wo wir es wollen.«

»In elf Wochen ist der Jahrestag des Sieges der Revolution. Dann werden wir die Waffe auf Amerika loslassen.«

»Exzellenz, das ist unmöglich. Wir verfügen nicht über die Leute mit dem nötigen Wissen. Es wird …«

»Hab Vertrauen, Mehrak. Gott wird für alles sorgen.«

»Natürlich, Exzellenz. Aber wir müssen auch realistisch sein. Die Schwierigkeiten …«

»Was Bahame will, steht an der sudanesischen Grenze bereit. Ich werde sofort anordnen, dass er es bekommt.«

Die Ares Entscheidung
cover.html
e9783641091972_cov01.html
e9783641091972_fm01.html
e9783641091972_ata01.html
e9783641091972_toc01.html
e9783641091972_c01.html
e9783641091972_c02.html
e9783641091972_c03.html
e9783641091972_c04.html
e9783641091972_c05.html
e9783641091972_c06.html
e9783641091972_c07.html
e9783641091972_c08.html
e9783641091972_c09.html
e9783641091972_c10.html
e9783641091972_c11.html
e9783641091972_c12.html
e9783641091972_c13.html
e9783641091972_c14.html
e9783641091972_c15.html
e9783641091972_c16.html
e9783641091972_c17.html
e9783641091972_c18.html
e9783641091972_c19.html
e9783641091972_c20.html
e9783641091972_c21.html
e9783641091972_c22.html
e9783641091972_c23.html
e9783641091972_c24.html
e9783641091972_c25.html
e9783641091972_c26.html
e9783641091972_c27.html
e9783641091972_c28.html
e9783641091972_c29.html
e9783641091972_c30.html
e9783641091972_c31.html
e9783641091972_c32.html
e9783641091972_c33.html
e9783641091972_c34.html
e9783641091972_c35.html
e9783641091972_c36.html
e9783641091972_c37.html
e9783641091972_c38.html
e9783641091972_c39.html
e9783641091972_c40.html
e9783641091972_c41.html
e9783641091972_c42.html
e9783641091972_c43.html
e9783641091972_c44.html
e9783641091972_c45.html
e9783641091972_c46.html
e9783641091972_c47.html
e9783641091972_c48.html
e9783641091972_c49.html
e9783641091972_c50.html
e9783641091972_c51.html
e9783641091972_c52.html
e9783641091972_c53.html
e9783641091972_c54.html
e9783641091972_c55.html
e9783641091972_c56.html
e9783641091972_c57.html
e9783641091972_c58.html
e9783641091972_c59.html
e9783641091972_c60.html
e9783641091972_c61.html
e9783641091972_c62.html
e9783641091972_c63.html
e9783641091972_c64.html
e9783641091972_c65.html
e9783641091972_c66.html
e9783641091972_c67.html
e9783641091972_c68.html
e9783641091972_c69.html
e9783641091972_c70.html
e9783641091972_c71.html
e9783641091972_c72.html
e9783641091972_c73.html
e9783641091972_c74.html
e9783641091972_c75.html
e9783641091972_c76.html
e9783641091972_c77.html
e9783641091972_c78.html
e9783641091972_c79.html
e9783641091972_c80.html
e9783641091972_c81.html
e9783641091972_c82.html
e9783641091972_c83.html
e9783641091972_c84.html
e9783641091972_c85.html
e9783641091972_c86.html
e9783641091972_c87.html
e9783641091972_c88.html
e9783641091972_c89.html
e9783641091972_c90.html
e9783641091972_c91.html
e9783641091972_c92.html
e9783641091972_bm01.html
e9783641091972_bm02.html
e9783641091972_cop01.html