Kapitel siebenundfünfzig

BEI ENTEBBE, UGANDA

28. November, 08:06 Uhr GMT+3

 

 

Die Sonne war über den Horizont gestiegen und knallte nun erbarmungslos auf den chaotischen Morgenverkehr am Stadtrand von Entebbe herunter. Mehrak Omidi scherte aus, um den Pick-up aus den Siebzigerjahren am Überholen zu hindern, doch dann ärgerte er sich über sich selbst. Er durfte sich jetzt nicht von seinem Frust leiten lassen.

Ein kurzer Blick nach hinten bestätigte ihm, dass alles unter Kontrolle war. Van Keuren und De Vries saßen gefesselt und geknebelt auf der Ladefläche, die mit einer Plane bedeckt war, und Dahab hielt Ausschau nach eventuellen Verfolgern. Von dem stolzen Auftreten, das der Sudanese in Bahames Lager gezeigt hatte, war jedoch nicht mehr viel übrig. Er hatte Mühe, in dem schaukelnden Laster das Gleichgewicht zu halten, und sein weißes Gewand war von Schweiß durchtränkt.

Ihm war selbst von Anfang an klar gewesen, dass er nur eine kurze Rolle übernommen hatte: Er diente als Überträger des Parasiten und würde dann sterben. Gott würde ihn als Märtyrer bei sich empfangen.

»Ich sehe sie!«, rief Dahab plötzlich.

»Wovon redest du?« Omidi blickte in einem der Außenspiegel auf den Verkehr hinter ihnen zurück.

Das Englisch des Afrikaners war beschränkt, und er zeigte mit dem Finger auf die nun geschlossene Plane. »Ich sehe die weißen Männer!«

Omidi hielt den Blick auf den Spiegel gerichtet und legte eine Hand auf die Pistole neben ihm. Der Mann hatte bisher keine Anzeichen von Verwirrung gezeigt. Oder war ihm das einfach nur entgangen? Hatte der Sudanese schon Halluzinationen?

Dann sah er ihn auch. Ein offener Jeep ungefähr zehn Autos hinter ihnen, der gefährlich auf die Gegenfahrbahn ausscherte, um zu überholen. Omidi wischte den Staub vom Spiegel und konzentrierte sich auf die beiden Männer in dem Wagen. Es war unmöglich, die Gesichter zu erkennen, doch er spürte das Adrenalin in seinen Adern fließen, als er ihren Körperbau, die Kleider und die Haarfarbe registrierte. Sie waren es tatsächlich. Jon Smith und Peter Howell.

Sie versuchten wieder zu überholen, diesmal links, und mussten sich gleich wieder in den Verkehr einordnen, um nicht im Graben zu landen.

Omidi holte tief Luft und atmete langsam aus, um die Panik zu unterdrücken, die in ihm aufstieg. Er durfte jetzt nicht versagen. Nicht so nah am Ziel.

Ein Flugzeug startete vor seinen Augen und flog über den Victoriasee hinweg. Bis Entebbe waren es höchstens zwanzig Kilometer, doch der Privatflugplatz mit dem für ihn bereitgestellten Jet lag ein gutes Stück weiter entfernt. Irgendwann würden die Männer, die ihn verfolgten, die Autos vor ihnen überholen – ein Manöver, das ihm mit dem schwerfälligen Lastwagen unmöglich war.

Omidi nahm die Hand von der Pistole, griff nach dem Telefon und wählte Charles Sembutus Privatnummer. Der Präsident meldete sich sofort.

»Mr. President. Ich bin auf der Straße nach Entebbe, in der Nähe von Kisubi. Smith und Howell sind hinter mir. Ich …«

»Das ist nicht mein Problem, Mehrak.«

Omidi bemühte sich, ruhig und respektvoll zu klingen. »Sie müssen eingreifen. Sie fahren in einem offenen Jeep. Lassen Sie sie von Ihrer Polizei aufhalten. Fünfzehn Minuten  – mehr brauche ich nicht.«

»Ich habe Smith und Howell für Sie festnehmen lassen und sie Ihnen auch noch im Norden ausgeliefert. Aber das hat immer noch nicht gereicht. Wenn Sie nicht imstande sind, mit ihnen fertigzuwerden …«

»Dafür habe ich Ihnen Bahame und seine Leute in die Hand gegeben. Dadurch konnten Sie einen Aufstand niederwerfen, der Sie vernichtet hätte.«

»Dann haben wir beide unsere Abmachung eingehalten, so wie es ausgemacht war. Ich wünsche Ihnen viel Glück.«

Die Verbindung wurde getrennt, und Omidi warf das Telefon zurück auf den Sitz. Dieser Feigling.

Ein rascher Blick in den Spiegel zeigte ihm, dass aus der Motorhaube des Jeeps zwar inzwischen Rauch quoll und er nicht näher an den Militärlaster herangekommen war. Doch solange er fahrtüchtig war, stellte er eine Bedrohung dar.

»Dahab!«

Der Afrikaner blickte zu ihm nach vorne.

»Wir ändern unseren Plan.« Omidi betonte die Worte sorgfältig, damit ihn der Mann verstand. »Du musst es jetzt gleich tun.«

Dahab packte De Vries und drehte ihn auf den Bauch, ohne sich um die erstickten Schreie des Mannes zu kümmern, als er ihm einen tiefen Schnitt am Rücken zufügte. Van Keuren trat mit dem Fuß nach ihm, als sich der Afrikaner in den Daumen schnitt und ihn in die offene Wunde des alten Arztes drückte.

De Vries brauchte nicht lange, um zu verstehen, was geschehen war – dass es zwecklos war, sich noch zu wehren. Sein Körper zuckte leicht, als er durch seinen Knebel zu schluchzen begann.

Zufrieden wandte Omidi seine ganze Aufmerksamkeit wieder der Straße zu. »Dahab, du steigst am Flughafen Entebbe aus. Hast du verstanden?«

»Ich verstehe. Wie sind meine Anweisungen?«

Die Ares Entscheidung
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