Kapitel neunundachtzig

ÜBER FREDERICK COUNTY, MARYLAND

5. Dezember, 07:01 Uhr GMT-5

 

 

Sie hatten die Lichter der Stadt bereits hinter sich gelassen, und Larry Drake blickte in die Dunkelheit hinunter, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder Dave Collen zuwandte, der neben ihm in der Kabine des Hubschraubers saß.

»Die Informationen über die Verbindung zwischen dem Iran und Uganda waren spärlich genug, um argumentieren zu können, dass es zu wenig war, um der Sache nachzugehen«, sagte Collen über ein Headset, das der Pilot nicht mithören konnte.

»Und wie erklären wir, dass wir’s uns doch anders überlegt und das alles hier gesammelt haben?«

»Da kommt uns Brandons Tod zugute. Wir sagen, er hätte uns, kurz bevor er starb, von unbestätigten Berichten erzählt, dass sich hochrangige Vertreter des Iran mit Präsident Sembutu getroffen hätten. Wir wollten der Sache nachgehen, aber ohne Brandon bekamen wir vorübergehend keine Informationen mehr aus Kampala.«

Die besten Lügen waren meistens nicht weit von der Wahrheit entfernt – das war auch in diesem Fall so.

»Haben wir irgendwas, das darauf hindeutet, dass der iranische Widerstand hinter dem Angriff auf die Anlage steckt?«

»Nichts.«

»Können wir etwas aus dem Hut zaubern?«

»Farrokh achtet darauf, dass aus seiner Organisation nichts nach außen dringt, und der Präsident weiß, dass wir über keine glaubhaften Quellen verfügen. Das wäre riskant.«

»Dann müssen wir uns darauf verlassen, dass es sowieso keine andere Gruppierung im Iran gibt, die eine so stark bewachte Anlage angreifen könnte. Es kommt darauf an, auf die Gefahr hinzuweisen – dass der Iran den Parasiten hat und dass das mit der Anlage zu tun hat. Wir müssen ihm klarmachen, dass der Iran den Parasiten als Waffe gegen uns einsetzen könnte und dass ihn auch Farrokh in seine Hände bekommen möchte, um seine Position zu stärken.«

»Das Letzte ist ein bisschen weit hergeholt.«

»Wirklich? Wir haben den Widerstand bisher als relativ friedliche Bewegung gesehen, aber jetzt wird klar, dass das eine hierarchische Organisation mit paramilitärischen Truppen sein muss. Unser Material zwingt Castilla, alles zu hinterfragen, was er bisher über Farrokh dachte. Wenn wir aufpassen und keine Fehler machen, können wir ihn immer noch so weit bekommen, dass er grünes Licht für einen Angriff gibt, bev…«

Ein lautes Summen übertönte ihn, und ein rotes Warnlicht begann in der Kabine zu blinken. Drake drückte den Schalter, um die Verbindung zum Headset des Piloten herzustellen, als er plötzlich das beunruhigende Geräusch von Triebwerksaussetzern hörte.

»Was zum Teufel ist da los? Was gibt es für ein Problem?«

»Ich glaube, die Treibstoffzufuhr ist blockiert!«, meldete der Pilot, als der Hubschrauber abrupt absackte, ehe er sich wieder fing. »Ich muss landen. Sofort!«

Collen schnallte den Gurt enger, und seine Brust hob und senkte sich in schnellen, keuchenden Atemzügen.

»Was soll das, verdammt! Wir sind über einem Wald!«, rief Drake in sein Mikrofon.

»Da!«, antwortete der Pilot. »In Richtung Osten ist eine Lichtung.«

Die Nase senkte sich, und sie hielten mit stotterndem Triebwerk auf die Lichtung zu.

Drake spürte das Blut in seinen Schläfen pochen, er riss sich das Headset herunter und unterdrückte den Zorn, der in ihm hochkam. Ein lang gezogener Schrei übertönte den Alarm, und erst als die Kufen auf der Erde waren, wurde ihm klar, dass er selbst es war, der geschrien hatte. Der Gurt schnürte ihm die Brust zu, und das Kreischen von berstendem Metall dröhnte ihm in den Ohren.

Dann war es still. Der Pilot stellte das Triebwerk ab und schaltete die Instrumentenbeleuchtung aus. Drake war bei der Notlandung mit dem Kopf gegen das Fenster geschlagen und blutete etwas, doch ansonsten war er unverletzt. Er war davongekommen.

Der Pilot sagte nichts, er trat die Tür auf und sprang in die Dunkelheit hinaus. Einige Sekunden hörte man noch seine Schritte draußen, dann verschwand er im düsteren Licht der Morgendämmerung.

»Hey! Wo gehen Sie hin?«

Keine Antwort.

Er wandte sich Collen zu und fasste ihn an der Schulter. »Dave. Bist du okay?«

Collen rang immer noch nach Luft, doch er brachte ein kurzes Nicken zustande.

»Die Unterlagen«, sagte Drake und zeigte auf die streng geheimen Papiere, die auf dem Boden verstreut waren. »Heb sie auf und steck sie in deine Tasche.«

Er blieb noch sitzen, bis er sich sicher war, dass Collen ihn verstanden hatte, dann stand er auf und zwängte sich durch die beschädigte Tür. Sein Gesicht spannte sich an, als er begriff, dass der Pilot, ein hochdekorierter ehemaliger Angehöriger der Coast Guard, verschwunden war.

Drake zog sein Handy hervor und fluchte leise. Kein Empfang. Er konnte sich nicht erinnern, ob der Pilot einen Notruf durchgegeben hatte. Die Leute des Präsidenten würden in Langley anrufen, wenn er nicht kam, aber wie lange würde das dauern? Es hatte Minusgrade, und er trug nur seine Anzugjacke.

»Du Hundesohn!«, rief er, als die Angst und Frustration durch die ruhige Fassade hervorbrach, die er sich über die Jahre zugelegt hatte. Er schlug das Handy gegen den Hubschrauber, wieder und wieder, bis die Teile rund um ihn am Boden verstreut waren. Es hätte alles so glattgehen können. Aber dann musste Castilla dieses verdammte Sondereinsatzteam nach Uganda schicken, und Gazenga wurde plötzlich aufmüpfig. Und jetzt stand er hier irgendwo am Ende der Welt, während der Präsident der Vereinigten Staaten auf ihn wartete, um ihm die Leviten zu lesen. Ein Fehler – eine kleine Unachtsamkeit in dem Lügengebäude, das er so sorgfältig aufgebaut hatte, und alles brach in sich zusammen.

Er atmete einige Male tief durch und sah seinen Atemwolken nach, die sich im trüben Licht der Dämmerung verloren. »Dave! Verdammt, was machst du …«, begann er, doch dann verstummte er. Am Rande der Lichtung hob sich etwas deutlich gegen die Bäume ab.

Sie waren nicht allein.

Die Ares Entscheidung
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