»Nein, sondern für mich, ganz verkehrter Weise.«

»O weh. Und das haben Sie sich gefallen lassen?«

»Ganz und gar nicht.«

»Sondern – –?«

»Sondern ich habe mich dann zur Treppe herunterwerfen lassen, sonst wäre das Schock voll geworden.«

»Und was that denn Ihre Braut dabei?«

»Die haute eben zu!«

»Und der Nachbar?«

»Der hielt mich dabei fest. Herunter warfen sie mich dann gemeinschaftlich.«

»Und aus der Hochzeit wurde natürlich nichts?«

»O doch!«

»Was? Sie haben sie dennoch geheirathet?«

»Ich? Nein, sondern er.«

»Ach so!«

»Seit jener Zeit habe ich nicht wieder daran gedacht, mir eine Frau zu nehmen. Aber man ist Mensch, und in der Bibel steht: Liebet euch! So oft ich ein hübsches Mädchen sehe, denke ich an diese Stelle; stets aber ist’s ein Anderer, der mir den Bissen vor dem Munde wegschnappt.«

»Wer?«

»Der Chef.«

»Was Sie sagen!«

»Die Wahrheit!«

»Sie meinen doch nicht, daß er in der Redaction –?« –?«

»Was denn sonst?«

»Das wäre!«

»Was wäre es denn? Verflucht? Ja! Sobald ich ihm eine Dame melde, fragt er, ob sie hübsch ist.«

»Kann er sich denn auf Ihr Urtheil verlassen?«

»Das versteht sich! Da kommen Künstlerinnen, Malerinnen, Schauspielerinnen, Tänzerinnen und Andere, welche lobend erwähnt sein wollen, nämlich im Blatte. Dieses Lob müssen sie natürlich bezahlen.«

»Womit? Wie theuer?«

»Je nach dem Course, nach ihrer Schönheit oder nach der Laune, in der er sich befindet. Daß die Amerikanerin getadelt werden würde, das wußte ich bereits gestern.«

»Das wundert mich.«

»Warum?«

»Sie wird als eine Künstlerin geschildert, welche keinen Schritt thut, um sich einen Redacteur geneigt zu machen.«

»Sie hat das vielleicht ursprünglich gar nicht beabsichtigt. Sie ist unten in der Expedition gewesen, wie ich dann erfuhr, und da ist es ihr wohl nur so in den Sinn gekommen, auch einmal in die Redaction zu steigen.«

»War sie lange da?«

»Nein. Sie können kaum zehn Worte gewechselt haben.«

»Feindselig?«

»Ja. Als er hörte, daß sie ihn sprechen wolle, glänzte sein Gesicht vor Entzücken; als es aber so schnell aus war, da zitterte er vor Grimm.«

»Und sie?«

»Na, die hätten Sie sehen sollen! Die rauschte hinaus wie eine Kaiserin, die von einer Höckersfrau gefragt wird, ob sie ihr einmal ihr seidenes Kleid borgen will.«

»Ihre Vergleiche sind vortrefflich!«

»Nicht wahr? Das macht, weil ich zur Redaction gehöre.«

»Worüber mögen sich die Beiden wohl erzürnt haben?«

»Jedenfalls über die Liebe.«

»Wieso?«

»Er hat es natürlich mit ihr ebenso machen wollen, wie mit der Anderen, und da hat sie ihn gehörig angebellt. Es kann ihm nichts schaden! Ich aber dachte sofort, daß er sich tüchtig rächen werde. Sie scheint eben keine Leda zu sein.«

»War diese auch dort?«

»Gleich gestern früh.«

»Sie haben sie gesehen?«

»Ja.«

»Wie ist sie denn?«

»Na, nicht übel. Jung ist sie nicht mehr, aber fleischig. Wenn sie noch fünf Jahre lang so fortmacht, kann man einige Tonnen Fischthran aus ihr pressen. Aber das thut nichts. Es giebt ja Männer genug, welche das Ueppige, das Uebervolle lieben.«

»Zum Beispiel Sie! Nicht wahr?«

»Möglich. Uebrigens hatte sie einige Pfund Puder im Gesicht und einige Centner falsches Haar auf dem Kopfe.«

»Sie übertreiben!«

»Auf ein Pfund mehr oder weniger kommt es bei dieser Sorte nicht an. Die Schuhe hatte sie schief getreten.«

»Sie scheinen sie sehr genau betrachtet zu haben?«

»Warum nicht? Bei einer Tänzerin sind doch die Füße das Erste, was man sich ansieht.«

»Wie war sie? Stolz oder freundlich?«

»Freundlich.«

»Gegen Sie?«

»Ja.«

»Also jedenfalls noch viel freundlicher gegen den Chef.«

»Das versteht sich ganz von selbst!«

»War sie lange bei ihm?«

»Ja. Und heute kam sie wieder.«

»Das ist auffällig.«

»O, nicht im Geringsten. Es versteht sich ganz von selbst, daß Sie sich hat dafür bedanken wollen, daß er ihre Gegnerin abgekanzelt hat.«

»War sie auch da lange Zeit bei ihm?«

»Ja. Dann kamen doch Sie dazu. Als ich Sie anmeldete, hatten sich die Beiden beim Kopfe und küßten sich nach Noten.«

»Das ist toll!«

»Freilich, zumal wenn Unsereiner das Zusehen hat. Es läuft Einem dabei das Wasser im Munde zusammen; aber es bringt doch nicht mehr ein als sechs Silberkreuzer.«

»Wieso? Haben Sie ein so hohes Trinkgeld erhalten?«

»Ja,« lachte der Redactionsdiener. »Der Chef hatte nämlich zu der Leda gesagt, daß die Amerikanerin nicht bei ihm gewesen sei, und das glaubte sie nicht.«

»Da erkundigte sie sich bei Ihnen?«

»Ja. Ich sagte ihr die Wahrheit, und dafür gab sie mir – sechs Kreuzer. Ja, diese Künstlerinnen sind wohl höchst splendit mit ihrer Gunst, nicht aber mit ihrem Gelde. Ah, da kommt mein Special! Willkommen, Monsieur Jean! Wie geht es Ihnen?«

Der Neueingetretene war nämlich kein Anderer als der Diener des Intendanten des Residenztheaters. Er trat herbei, reichte dem Kleinen die Hand und sagte: »Danke! Bei Unsereinem geht es immer gut. Wer ist denn dieser Herr?«

»Ein sehr guter Freund von mir, fast möchte ich sagen, ein College, da sich unsere Thätigkeit beiderseits auf die Redaction des Residenzblattes bezieht. Herr Holm, Reporter, und Herr Jean, Kammerdiener des Intendanten der Residenzbühne!«

Holm verbeugte sich höflich. Jean aber nickte ihm nur herablassend zu und sagte:

»Ein saures Brod, Reporter zu sein! Ich darf doch bei den Herrschaften Platz nehmen?«

»Mit dem größten Vergnügen!« antwortete der Kleine in sehr verkehrter Weise.

Jean setzte sich nieder, ergriff Holms Kaffeetasse, beschnüffelte deren Inhalt und meinte in wegwerfendem Tone: »Schneidermokka! Das ist für Unsereinen nichts! Darf ich die Herren bitten, mit mir eine Flasche Wein zu trinken?«

»Sehr obligirt!« meinte der Kleine.

»Und Sie, Herr Holm?«

Der Gefragte belachte innerlich das gespreizte Wesen des Kammerdieners, da er aber wünschte, ihn auszuhorchen, so antwortete er in devotem Tone: »Sie erzeigen mir eine große Ehre, Monsieur Jean.«

»Bitte, bitte! Sie als Reporter werden selten zu einem Glase Wein kommen. Da macht es mir Vergnügen, Ihnen diesen Genuß zu verschaffen.«

Und als der Wein servirt worden war und er eingeschänkt hatte, fuhr er fort:

»Hoffentlich erfährt man dafür von Ihnen einige Neuigkeiten. Es ist ja Ihr Amt, nach solchen zu suchen. Prosit!«

Holm nippte, machte eine Miene, als ob er dabei den bisher größten Genuß seines Lebens habe, und antwortete: »Leider kann ich für dieses Mal nicht dienen!«

»Nicht? Es muß doch täglich Etwas geschehen!«

»Gewiß; aber das Geschehene muß interessant genug sein, um es erzählen zu können. Es ist gerade jetzt für Unsereinen eine sehr faule Zeit.«

»Nun, morgen werden Sie eine desto reichere und interessantere Ausbeute haben.«

»Wo?«

»Im Residenztheater.«

»Sie meinen das Ballet?«

»Ja. Wenn sich zwei solche Rivalinnen messen, so giebt es auf alle Fälle eine Ernte für sie.«

»Wir sprachen soeben von den beiden Tänzerinnen,« bemerkte jetzt der Kleine.

»Kennen Sie sie denn?«

»Freilich. Beide meldeten sich selbstverständlich gestern auf unserer Redaction.«

»Welche gefällt Ihnen besser?«

»Hm! Schöner ist die Amerikanerin, aber –!«

»Was aber –?«

»Ob auch interessanter und liebenswürdiger, das möchte ich nicht behaupten.«

»Ganz so, wie auch ich denke.«

»Sie haben dieselbe Erfahrung gemacht?«

»Gewiß. Erst kam die Miß. Ich kann wohl sagen, daß ihre Schönheit auf mich einen sehr günstigen Eindruck machte. Ich habe noch kein solches Mädchen gesehen, und das ist sehr viel gesagt bei den Erfahrungen, welche Unsereiner gesammelt hat.«

»Da haben Sie Recht. Sie ist eine Venus.«

»Das möchte ich nicht behaupten. Sie ist halb Juno und halb Diana, nämlich echt jungfräulich und doch dabei bereits üppig genug, um Herzen zu erobern.«

»Hm! Sie lieben also auch das Ueppige!«

»Eine fette Ente ist mir stets lieber, als eine magere Gans oder Henne. Freilich wird dieser günstige Eindruck, welchen die Amerikanerin macht, nie lange von Dauer sein. Sie ist ohne Geist.«

»Ohne Seele und Gemüth.«

»Ja, sie hat keine Gefühle, sie ist Eis. Der Herr Intendant war sehr wißbegierig, sie kennen zu lernen, hat sich aber schließlich sehr enttäuscht gefühlt.«

»Ihr Äußeres hat ihm nicht gefallen?« fragte Holm.

»O, das muß einem Jeden gefallen. Ich bin zwar nicht mehr der Allerjüngste, möchte aber doch ein Schäferstündchen mit ihr auf’s Feinste honoriren; aber sie ist, wie gesagt – Eis. Ich habe Wort für Wort der Unterhaltung belauscht, welche mein Herr mit ihr führte. Er hat Alles gethan, um dieses Eis aufzuthauen, doch vergebens. Wissen Sie, was sie ihm antwortete, als er sie um einen Kuß bat?«

»Nun?«

»Er sei zu alt.«

»Das ist stark!« meinte der Kleine.

»Sie nannte ihn Großvater und Urgroßvater.«

»Das ist noch stärker; das ist fast frech!«

»Und sodann warf sie ihm vor, daß er falsches Haar trage. Denken Sie sich!«

»Da weiß man wirklich nicht, was man dazu sagen soll! Trägt denn der Herr Intendant wirklich eine Perrücke?«

»Hm! Sie wissen, daß Unsereiner discret sein muß. Aber sie hat sogar die Verwegenheit gehabt, sein Toupet zu berühren, um es, da es sich verschoben hatte, in die richtige Lage zurückzubringen.«

»Echt amerikanisch, bei Gott!«

»Und dann, als sie ging, da leuchteten ihre Augen nur so vor Vergnügen über die Dummheiten, welche sie begangen hatte.«

»Eine Tänzerin sollte klüger sein!«

»Und zutraulicher!«

»Aufmerksamer und hingebender! Die Leda hat sich dagegen ganz anders benommen.«

»War sie nach oder vor der Amerikanerin bei Ihnen?«

»Gleich nach ihr.«

»Wie gefiel sie Ihnen?«

»Hm! Sie ist bereits etwas abgestanden. Sie hat Erfahrungen; aber das schadet ja nichts. Ihr kommt es auf einige Dutzend Küsse ganz und gar nicht an.«

»Sie übertreiben!« meinte Holm, in der Absicht, ihn zu näherer Mittheilung zu reizen.

»Oho! Wenn Sie wüßten, was im Cabinet des Herrn Intendanten passirt ist!«

»Können denn Sie es wissen?«

»Warum nicht? Hat denn ein Reporter keine Ahnung, daß es Schlüssellöcher giebt?«

»Ach so! Sie haben gelauscht?«

»Gelauscht und gesehen.«

»So ist der Herr Intendant also wohl sehr zufrieden mit der Leda gewesen?«

»Er war höchst befriedigt von ihr, grad ebenso wie ich.«

»Auch Sie! Hm!«

Holm machte bei diesen Worten eine Miene, als ob er Zweifel hege.

»Was meinen Sie mit diesem Hm, Herr Holm?« fragte der Diener in strengem Tone.

»Ich denke vergeblich darüber nach, in welcher Weise auch Sie befriedigt sein könnten.«

»Nun, in ganz derselben Weise wie der Herr Intendant. Das versteht sich ganz von selbst.«

»Sie wollen damit sagen, daß die Leda auch gegen Sie liebenswürdig gewesen sei?«

»Ja, gewiß.«

»Das soll natürlich heißen, freundlich.«

»Nein, sondern zärtlich.«

»Oho!«

Monsieur Jean strich sich die glatt rasirten Wangen und fragte in selbstgefälligem Tone:

»Sie wollen zweifeln?«

»Vielleicht doch wohl.«

»Unsinn! Sie scheinen die Verhältnisse, welche man in vornehmen Häusern findet, nicht zu kennen!«

»Ich glaube, gerade in dieser Beziehung nicht ununterrichtet und unerfahren zu sein.«

»Dann aber müßten Sie wissen, daß der Kammerdiener meist mehr zu sagen hat, als der Herr.«

»Das soll allerdings vorkommen.«

»Wer sich die Gunst des Herrn erringen will, muß sich erst die Sympathie des Kammerdieners erwerben.«

»Und das hat die Leda gethan?«

»Sie glücklicher Mann!«

»O, sie hat mich sogar freiwillig geküßt!«

»Sapperment!«

»Und mir für die Zukunft noch weitere Zärtlichkeiten versprochen, Herr Holm!«

»Das soll ich glauben?«

»Ich kann es beschwören. Sie ist eben Tänzerin, voll Feuer und Gluth. Sie erweckt nicht bloß Gefühle, sondern sie stillt und befriedigt sie auch. Ich verspreche mir köstliche Augenblicke von ihr.«

»Dann bin ich wirklich begierig, sie zu sehen.«

»Gehen Sie morgen in’s Theater. Wie ich sie kennen gelernt habe, wird sie während des Tanzes mit ihren Reizen und Schönheiten nicht geizen.«

»Von der Amerikanerin aber erwarten Sie das wohl nicht?«

»Wie sie mir vorgekommen ist, bin ich wirklich begierig, von dem Kostüm zu hören, in welchem sie auftreten wird. Es ist mir fast unmöglich, sie mir in Tricots, kurzem Balletröckchen und tiefausgeschnittener Taille zu denken.«

Ueber Holms ernstes Gesicht flog ein stilles Lächeln. Er zuckte die Achsel und sagte:

»Wenn sie etwa als Nonne auftritt, so mag sie ihr Debüt lieber ganz unterlassen.«

»Sie mag auftreten wie sie will, der Ausgang dieser Concurrenz ist nicht zweifelhaft.«

»Wirklich? Bereits jetzt?«

»Bereits jetzt!« nickte Jean mit wichtiger Miene.

»Nun, wie denken Sie sich diesen Ausgang?«

»Die Leda wird siegen.«

»Ist das wirklich so unzweifelhaft?«

»Ganz und gar unzweifelhaft.«

»Ich denke, man wird abzuwarten haben, für wen sich das Publicum entscheidet.«

»Das Publicum?« fragte der Kammerdiener in höhnischem Tone. »Wen oder was denken Sie sich denn unter diesem berühmten Publikum, mein verehrtester Herr Holm?«

»Nun, die Gesammtheit der Zuschauer.«

»Schön! Und Sie meinen wohl, daß diese Gesammtheit ein Urtheil, eine Stimme habe?«

»Natürlich.«

»Da irren Sie sich sehr, junger Mann. Man hört, daß Sie noch jung sind und sich erst Erfahrung zu sammeln haben.«

»Aber man spricht und schreibt doch von der Stimme des Publikums!«

»Das ist Larifari; glauben Sie es mir. Das Publikum ist ein willenloses, urtheilsloses – Ungeziefer!«

»Hm! Drücken Sie sich da nicht ein wenig zu kräftig aus, geehrter Herr?«

»Nein. Die Stimme des Publikums ist stets eine gemachte. Der Pöbel ist stets unselbständig; er wird geleitet. Ein einziger kluger und willensstarker Character zwingt der ganzen Menge seine Meinung auf, ohne daß diese Menge es nur bemerkt. Das Publicum schwatzt nach, was ihm dictirt oder soufflirt wird.«

»Und aus diesem Grunde meinen Sie, daß die Leda morgen siegen werde?«

»Ja, das meine ich.«

»Dann muß ich folglich annehmen, daß es einen Mann oder gar einige Männer giebt, deren Urtheil und Wille sich hier als maßgebend erweist?«

»Natürlich.«

»Ich wäre wohl wißbegierig, diese Männer kennen zu lernen. Ich weiß Keinen.«

»Herr Holm, Sie sind wirklich spaßhaft. Sie arbeiten für die Oeffentlichkeit; Sie selbst sollen zu Denjenigen gehören, welche das Urtheil des Publicums – fabriciren, und nun zeigen Sie sich so unwissend! Nehmen Sie es mir nicht übel, daß ich mich dieses Ausdruckes bediene! Es giebt keinen treffenderen.«

»Uebel nehmen? Ganz und gar nicht! Ich bin, wie Sie ganz richtig sagen, noch jung und unerfahren. Ich muß also dankbar sein, wenn ich von irgendeiner Seite her Belehrung finde.«

»Das ist sehr verständig von Ihnen, und so will ich Ihnen gleich einige Fingerzeige geben. Haben Sie im heutigen Residenzblatte den Aufsatz gelesen, welcher von den beiden Tänzerinnen handelt?«

»Vorhin erst.«

»Kennen Sie den Verfasser?«

»Jedenfalls ist’s unser Chefredacteur.«

»Natürlich! Glauben Sie, daß dieser Aufsatz ohne Wirkung bleiben werde?«

»Wohl nicht, obgleich ich mich fragen möchte, ob der Verfasser sich genau an die Wahrheit gehalten hat.«

»Selbst wenn er geflunkert haben sollte, wird die Wirkung nicht auf sich warten lassen. Wissen Sie, was das beste Mittel ist, einen Menschen öffentlich todt zu machen?«

»Seine Moralität in Zweifel ziehen.«

»O nein! Wer verlangt zum Beispiele von einer Tänzerin Moralität? Es giebt auch auf anderem Felde höchst unmoralische Menschen, welche dennoch ein hohes Ansehen genießen. Nein; die beste, fürchterlichste Waffe ist die Lächerlichkeit. Sie siegt über Alles, selbst über die Wissenschaft, die Schönheit, den Ruhm. Wer die Liebe eines Weibes gewinnen will, kann Alles wagen, alles thun; aber er muß sich sehr hüten, sich lächerlich zu machen. Das Publicum nun ist ein Weib; es kann Alles verzeihen und vergessen, nur nicht die Lächerlichkeit. Verstehen Sie mich?«

»Ich beginne allerdings, Sie zu begreifen.«

»Ihr Chefredacteur ist ganz meiner Meinung, und er handelt darnach. Er hat die Absicht, die Amerikanerin lächerlich zu machen, und diese Absicht wird er erreichen. Sie mag ihre Pas noch so schön tanzen, man wird doch an die Bauernmagd und an das Butterfaß denken, von denen der Artikel erzählt. Der Verfasser ist also einer von Denjenigen, welche die Stimme des Publicums fabriciren. Das sehen Sie doch ein.«

»Ich muß Ihnen Recht geben.«

»Denken Sie sodann an meinen Herrn, den Intendanten. Die Amerikanerin hat ihn beleidigt, mit Geringschätzung behandelt; Mademoiselle Leda aber ist im höchsten Grade liebenswürdig gegen ihn gewesen. Welche wird er also vorziehen?«

»Die Letztere.«

»Allerdings. Nun geben Sie vielleicht zu, daß der Intendant den höchsten Einfluß besitzt, nicht nur im Allgemeinen, sondern auch in Beziehung auf jede einzelne Vorstellung. Er vermag es, einem Künstler, einer Künstlerin tausend Hindernisse in den Weg zu legen. Der Herr Intendant ist seiner Sache so sicher, daß er der Leda bereits das Engagement fest zugesagt hat.«

»Es werden also solche Hindernisse, wie Sie erwähnten, vorhanden sein?«

»Wollen Sie es ihm verdenken?«

»Von seinem Standpuncte aus nicht. Strafe muß sein.«

»Also ist auch der Herr Intendant ein Fabrikant der öffentlichen Meinung. Ferner, denken Sie doch an die Claque. Herr Léon Staudigel, der Chef des bezahlten Beifalles, hat es ganz in der Hand, einen Künstler zu halten oder fallen zu lassen.«

»Natürlich ist die Leda bei ihm gewesen?«

»Ja.«

»Hat sie ihm gefallen?«

»Außerordentlich.«

»Hat er das vielleicht Ihnen gesagt?«

»Nein. Er war vorhin bei meinem Herrn, und ich wurde Zeuge der Unterredung.«

»Natürlich wieder durch das Schlüsselloch?«

»Spaßen Sie immerhin! Es ist das eine meiner kleinen Schwächen. Man muß doch wissen, wie man in dem Kreise hält, in welchem man thätig ist.«

»So scheint die Leda also auch mit Herrn Léon Staudigel liebenswürdig gewesen zu sein?«

»Natürlich! Der Herr konnte es gar nicht genug beschreiben. Es soll ein wahres Kußfeuerwerk gewesen sein. Und er beschrieb alle Formen und Heimlichkeiten ihres Körpers so genau, daß Beide wirklich ganz intim mit einander gewesen sein müssen.«

»Ich beneide Sie, Monsieur Jean!«

»Warum?«

»Es muß ein Hochgenuß sein, zwei so alte Herren über ein so zartes Thema verhandeln zu hören.«

»Allerdings. Das Ergebniß war natürlich, daß die Leda festgehalten werden soll. Herr Léon Staudigel wollte sich auch zum Director, zum Dirigenten und sodann endlich zum Balletmeister begeben, um sie auch für seine Meinung zu gewinnen. Ich zweifle keinen Augenblick daran, daß es ihm gelingen werde.«

»Ist denn Miß Starton nicht auch bei ihm gewesen?«

»Nein, denken Sie sich!«

»Wie dumm!«

»O, nicht nur dumm ist das. Sie hat sich gegen ihn so hochmüthig und geringschätzend benommen, daß die Absicht, seine Feindschaft herauszufordern, gar nicht zu verkennen gewesen ist.«

»Also in eine gewisse Beziehung ist sie doch zu ihm getreten?«

»Nicht sie zu ihm, sondern er zu ihr.«

»Wieso?«

»Er hat ihr seine Hilfe und Unterstützung brieflich angeboten.«

»Und sie hat wohl verzichtet?«

»Ja. Sollte man das für möglich halten?«

»Allerdings kaum glaublich!« sagte Holm, indem er sich vom Stuhle erhob und das Geld für den Kaffee auf den Tisch legte. »Ich kann mich über eine solche Dummheit so sehr ärgern, daß ich gar nichts Weiteres hören mag, ich gehe also. Besten Dank für den Wein, Monsieur Jean. Leben Sie wohl, meine Herren!«

Er ging. Draußen unter der Thür blieb er stehen und holte tief, tief Athem.

»Pack, Pack und zum dritten Male Pack!« seufzte er. »Die Luft erscheint Einem förmlich von Gemeinheit geschwängert! Ja, so ist sie, diese herrliche Ellen, stolz, keusch, rein und erhaben über alle Niedrigkeit! Also ein förmliches Complott bildet sich gegen sie! Was thue ich dagegen? Soll ich sie warnen, oder soll ich heimlich über sie wachen und im Stillen gegen diese Herren zu Felde ziehen? Ich werde es mir überlegen!«

Er schritt gedankenvoll dem Altmarkte zu, in dessen Hinterhäusern ja seine Wohnung lag. Er mußte dabei am Hotel zum Kronprinz vorüber. Er hatte dasselbe noch nicht ganz erreicht, so kam ihm ein Mann entgegen, welcher eine Art von Livrée trug, alt und abgetragen zwar, aber dennoch sehr reinlich gehalten. Seine Züge waren gedrückt und wehmüthig, sein glatt rasirtes Gesicht hager und bleich. Man sah es ihm an, daß er mit der Noth und den Sorgen des Lebens auf einem vertrauteren Fuße stand, als es ihm eigentlich lieb sein konnte.

Max Holm blieb, als er diesen Mann erblickte, stehen.

»Guten Tag, Papa Werner!« sagte er in freundlichem Tone. »Wie geht es?«

»Danke!« antwortete der Gefragte. »Gut leider nicht!«

»O weh! Immer noch das alte Lied?«

»Ja, immer noch! Es wird wohl auch nicht anders werden, mein lieber Herr Holm!«

Dabei schüttelte er sich und blies sich in die Hände, indem er hinzufügte: »Heute ist’s wieder kalt, bitter kalt!«

»Einfeuern, einfeuern! Innerlich und äußerlich!« meinte Max in aufmunternder Weise.

»Womit denn?«

»Äußerlich mit Kohlen und Holz, innerlich aber mit Kaffee, Thee oder Grog, was gerade zur Hand ist!«

»Potztausend, sprechen Sie aus einem vollen Geldbeutel!«

»O, ich bin reich,« lachte der Violinist. »Sie nicht?«

»Ich?« fragte der Andere wehmüthig. »Bei einem Theaterdienergehalt von zwanzig Gulden monatlich, Vater, Mutter, Frau und fünf Kindern?«

»Da ist zwanzig zu wenig. Sind Sie denn nicht wieder einmal um Zulage eingekommen?«

»Ja, aber umsonst. Der Intendant will mir nicht wohl, weil der Director mir freundlich gesinnt ist. Dieser Letztere befürwortet mein Gesuch, und darum wird dasselbe von dem Ersteren stets abgeschlagen.«

»Das ist freilich höchst bedauerlich, mein lieber Papa Werner!«

»Bedauerlich bloß? Oh, es ist sogar schlimm, sehr schlimm! Ich sage Ihnen, daß meine Kinder Hunger haben, Hunger, o Gott! Emilie hat bis übermorgen zu stricken; da lösen wir erst Geld, aber auch wenig genug.«

»Was? Ihre Kinder haben Hunger? Da läßt sich denken, daß Sie als Vater noch länger gehungert haben als sie?«

»Da haben Sie freilich nicht unrecht, Herr Holm. Wenn man nur ein paar Kohlen hätte, um feuern zu können.«

»Kohlen sollen sie haben; ich denke, daß –«

»Kohlen? Von wem denn?«

»Von mir.«

»Von Ihnen? Ich weiß, daß Sie gut sind, aber Sie machen doch nur Spaß. Sie sind ja gerade so arm wie ich.«

»Aber einige Kreuzer für Kohlen habe ich für Sie.«

»Nein, nein! Das könnte ich von einem Jeden annehmen, nur von Ihnen nicht. Sie haben es wohl vergessen, daß ich Ihnen noch Geld schuldig bin?«

»Schuldig? Mir?« fragte Max, scheinbar erstaunt. Er wußte aber gar wohl, daß Werner Recht hatte.

»Ja. Wissen Sie, damals, als ich kein Geld zur städtischen Steuer hatte! Ich traf Sie auf der Straße und klagte Ihnen meine Noth. Sie nahmen mich mit in’s Kaffeehaus, ließen mir warmen Kaffee und Buttersemmeln geben und borgten mir vier Gulden, obgleich Sie nur sechs hatten. Den Kaffee habe ich getrunken, die Semmeln aber mit nach Hause genommen. Und die vier Gulden? Tausendmal habe ich an sie gedacht, aber bezahlt sind sie leider noch nicht. Sie werden sehr böse sein, aber ich gebe Ihnen die heilige Versicherung, daß es mir bis jetzt ganz unmöglich gewesen ist, sie zu erübrigen!«

»Machen Sie sich keine Sorge! Ich brauche sie jetzt nicht.«

»Das sagen Sie auch nur, um mich zu beruhigen. Ich weiß ja, daß Sie zu kämpfen haben.«

»Das ist wahr. Aber der liebe Gott hilft doch immer wieder. Wollen Sie ein Gläschen Grog mit trinken?«

Das matte Auge des Mannes belebte sich.

»Grog?« sagte er. »Sie scherzen!«

»Nein. Es ist mein Ernst!«

»Grog habe ich seit Jahren nicht gerochen, viel weniger getrunken!«

»Nun, so kommen Sie! Wir gehen auf einige Minuten hinein in den Kronprinzen.«

»Wirklich? Ist’s Ihr Ernst?«

»Natürlich!«

»Gerade wie damals, als Sie mir Kaffee und Semmeln geben ließen, Herr Holm, Sie haben ein gutes Herz!«

»Und Sie sind ein braver Mann, dem man schon eine kleine Erquickung gönnen kann. Kommen Sie!«

Sie gingen in das Restaurationszimmer des Hotels, und Holm bestellte zwei Glas Grog. Dann nahm er die Speisenkarte, schlug sie auf, legte sie dem Theaterdiener hin und sagte: »Da, Papa Werner, suchen Sie sich etwas aus!«

Der Genannte machte ganz erschrockene Augen und fragte:

»Aussuchen?«

»Natürlich.«

»Von diesen Speisen?«

»Was denn sonst?« lachte Holm.

»Herr, sind Sie des Teufels?«

»Wie kommen Sie zu dieser Frage?«

»Da steht: Gänsebraten achtzig Kreuzer, Hasenbraten einen Gulden, Rehrücken, Wildschweinskeule, auch zu einem Gulden. Dann Schnitzel, Rumpfsteak, Coteletts, Goulasch und Paprikafleisch, jedes zu siebzig Kreuzer! So etwas kann nur Einer essen, dem das Geld aus der Tasche purzelt!«

»Nun, mir purzelt es heraus!«

»Wie, was, wirklich? Haben Sie im Lotto gewonnen?«

»Das nicht; aber ich habe mich engagiren lassen und ein gutes Draufgeld erhalten.«

»So, so! Das freut mich um Ihretwillen von ganzem Herzen. Aber Sie dürfen sich meinetwegen nicht berauben!«

»Haben Sie keine Sorge, Papa Werner. Es reicht zu. Also, suchen Sie sich etwas aus.«

»Na, wenn Sie durchaus wollen! Hunger habe ich wie ein Nußknacker. Da unten steht: Hamburger Butterbrod, dreißig Kreuzer. Darf ich mir das geben lassen?«

»Nein. Warum suchen Sie sich das Billigste heraus? Wenn Sie so lange gehungert haben, werden Sie von einer Hamburger Stolle nicht satt. Nehmen Sie Etwas von da oben!«

»Das ist zu theuer!«

»Das geht Sie nichts an!«

»Hm! Soll ich so eine Delicatesse nehmen, und die Meinen sitzen zu Hause und hungern!«

»Still! Ihre Familie soll nicht hungern. Sehen Sie hier diese zehn Gulden! Ich borge sie Ihnen.«

Er nahm die angegebene Summe heraus und schob sie dem Theaterdiener hin; dieser aber fuhr zurück, streckte die Arme wie abwehrend aus und sagte: »Gott soll mich behüten, Sie um ein solches Geld zu bringen! Sie brauchen es selbst!«

»Nein, ich brauche es jetzt nicht.«

»O doch! Ich weiß es!«

»Nichts wissen Sie!«

»Alles, Alles weiß ich!«

»So? Wirklich? Wissen Sie etwa auch, daß ich jetzt über hundert Gulden einstecken habe?«

»Hun – hun – hundert Gul – gul – gul – den?!« stieß der Mann vor Erstaunen stotternd hervor.

»Ja. Sie sehen also, daß ich Ihnen ganz gut und gern zehn Gulden leihen kann. Sie sollen Holz und Kohlen kaufen und auch Essen für Ihre Familie.«

»Ist das die Wahrheit? Oder sagen Sie das nur, damit ich die zehn Gulden annehmen soll?«

»Es ist die Wahrheit. Da, sehen Sie!«

Er öffnete das Portemonnai und hielt es ihm hin.

»Wirklich, wirklich! Herrgott, welch ein Geld! Ja, ich möchte das Darlehn recht gerne annehmen; aber ich bin Ihnen doch bereits vier Gulden schuldig!«

»Das thut nichts!«

»Dann sind es vierzehn!«

»Sie werden sie mir ja wieder geben!«

»Ich sage es Ihnen aufrichtig, daß dies nicht so sehr bald geschehen wird!«

»Nun, so zahlen Sie dann, wenn Sie können. Also bitte, stecken Sie das Geld ein!«

Dem Theaterdiener standen die Thränen der Freude im Auge. Er hielt dem Reporter die Hand hin und sagte: »Herr Holm, ich weiß nicht, was ich sagen soll; darum will ich lieber gar nichts sagen. Ja, ich will das Geld annehmen. Sobald ich kann, gebe ich es Ihnen wieder, und unser Herrgott, der es sieht, welche Hilfe Sie mir bringen, mag tausendfältige Zinsen zahlen.«

Auch Max war gerührt. Er schüttelte dem braven Manne die Hand und sagte:

»Nun suchen Sie sich aber auch ein Essen aus.«

»Auch das noch! Aber – essen Sie nicht auch?«

»Hm! Sie denken wohl, es schmeckt Ihnen nicht, wenn Sie allein essen sollen?«

»Ja, so ist es. Es würde mir so schmecken, als ob ich ein Almosen hinunterschlucke. Essen Sie aber mit, dann ist’s ja eine Freundesgabe.«

»Nun gut, ich esse mit.«

Das Auge des Theaterdieners war mit Begierde auf den oberen Theil der Speisenkarte gerichtet. Doch wagte er nicht, sich von da Etwas zu wählen. Daher fragte er lieber: »Was werden Sie sich bestellen?«

Max errieth ihn und antwortete daher lächelnd:

»Werden Sie essen, was ich auch esse?«

»Soll ich denn?«

»Ja.«

»Gut! Ich darf doch nicht Nein sagen, mein lieber Herr Holm.«

»Schön! Ich werde mir also erst Gänsebraten und dann Rehrücken geben lassen.«

»Sapristi!« rief Werner indem er halb von seinem Stuhle emporfuhr. »Und das soll ich auch bekommen?«

»Natürlich!«

»Gänsebraten habe ich vor acht Jahren einmal gegessen, nämlich auf einer Hochzeit, Rehrücken aber in meinem ganzen Leben noch nicht. So Etwas kann Unsereiner sich nicht bieten!«

»Nun, so sollen Sie es heute haben!«

Er bestellte das Genannte. Als es servirt wurde, sog der Theaterdiener den Duft des Bratens gierig ein und sagte: »Schon der bloße Geruch ist einen Gulden werth. Herr Holm, Sie bauen sich heute nicht nur eine Stufe, sondern eine ganze Treppe zum Himmel empor!«

»So steigen Sie hinter mir her! Es ist besser, wir kommen mit einander hinauf.«

»Ja. Und oben will ich es dem Herrgott erzählen, was für ein guter Kerl Sie sind.«

Er machte sich an den Braten, und bei jedem Bissen, den er in den Mund steckte, sah man es ihm an, welch eine außerordentliche Güte er sich daran that.

Auch Holm hatte seit langer Zeit so Etwas nicht gegessen. Vier Gulden für ein Mittagsessen, das hatte er sich in letzter Zeit nicht bieten können. Dennoch hatte er auf seinen Gast mehr Acht, als auf den Braten. Er freute sich königlich, dem braven Manne diesen seltenen Genuß bieten zu können. Er störte ihn nicht während des Essens. Dann aber, als der Theaterdiener, nachdem der Rehrücken verschwunden war, sich mit der Serviette den Mund wischte und mit der Zunge schnalzte, fragte er: »Habe ich Sie mit meiner Einladung vielleicht in der Ausübung Ihres Berufes gestört?«

»O nein! Es ist nicht nothwendig. Ich sollte nach dem Theaterarchiv, von wegen der Königin der Nacht.«

»Ah, das Ballet, welches gegeben werden soll?«

»Ja. Ich soll die Partitur holen und dann dem Herrn Capellmeister hintragen.«

»Wozu?«

»Ich glaube, daß er Etwas zu ändern hat.«

»Wer sagte das?«

»Der Herr Intendant.«

»Soll denn vor der Aufführung geprobt werden?«

»Nein. Die Capelle ist eingeübt, und die beiden Tänzerinnen sind es auch. Wozu also die Probe?«

»Wozu da aber auch die Veränderung der Musik?«

»Das weiß ich nicht.«

»Und ich begreife es nicht. Haben Sie die Tänzerinnen vielleicht schon gesehen?«

»Nein. Mir kann es sehr gleichgültig sein, welche von den beiden Frauenzimmern engagirt wird. Die Stelle bringt zehntausend Gulden ein, und ich bleibe doch bei meiner armseligen Gage. Mein Gott, wenn man da so in Gedanken einen Vergleich anstellt! So eine einzelne, ledige Person zehntausend Gulden, ohne die Spielgelder und die Summen, welche die Gastreisen ergeben. Und ich mit meiner Familie – da möchte man mit beiden Fäusten dreinschlagen! Sie sind arm, Herr Holm; aber kommen Sie einmal erst zu mir! Es ist ein Elend, wie es kein größeres geben kann! Sie haben keinen Begriff davon! Nicht wahr, Sie sind drei Personen?«

»Vier, der Vater, die Schwester, ich und ein Bruder, welcher sich auf dem Gymnasium befindet.«

»Da will allerdings gesorgt und gearbeitet sein! Sagten Sie nicht, daß Ihren Vater der Schlag getroffen habe?«

»Leider! Er ist gelähmt!«

»Das ist schlimm, sehr schlimm, aber geht doch noch!«

»Es geht noch? Wie kommen Sie zu dieser verwunderlichen Rede? Gelähmt sein ist doch ein großes Unglück!«

»Das wohl; aber es ist doch keine widerwärtige, ekelhafte, sondern eine reine Krankheit. Aber bei mir! Du lieber Heiland! Sie sollten einmal bei mir nur die Stubenthüre aufmachen!«

»Was wäre da?«

»Sie würden sofort wieder davon laufen.«

»Warum?«

»Habe ich es Ihnen noch nicht gesagt?«

»Nein.«

»Ja, von solchen Sachen spricht man nicht. Ich halte es soviel wie möglich geheim; aber zu Ihnen kann ich davon sprechen. Sie werden es nicht ausreden. Wenn der Intendant es erführe, wäre es um uns geschehen. Ich würde sofort meine Stelle verlieren.«

»Ist es denn etwas so sehr Böses?«

»Leider ja! Es ist das Böseste, was es giebt. Meine Frau hat den Krebs.«

»O weh! Wo denn?«

»Im Gesichte. Er ist unheilbar.«

»So ist er bereits alt?«

»Mehrere Jahre. Kein Arzt kann helfen. Das Gesicht ist vollständig zerstört. Wir müssen ihr den Kopf und das Gesicht mit vier, fünf Tüchern umwickeln, und dennoch ist es vor – verzeihen Sie – vor Gestank kaum auszuhalten. Und zwanzig Gulden monatlich! Denken Sie!«

»Armer, armer Teufel!«

»Und meinen Vater und meine Mutter dazu, die so alt sind, daß sie keinen Kreuzer verdienen können.«

»Kann denn nicht eins von Ihren fünf Kindern wenigstens eine Kleinigkeit verdienen? Sie sprachen vorhin von einer Emilie, welche strickt?«

»Ja. Das ist nämlich so: Ich hatte sechs Kinder. Der Älteste war Steinmetz. Er wurde von einem Sandsteinblocke erschlagen. Er war bereits verheirathet. Seine Frau mit ihren zwei kleinen Kindern habe ich auch noch bei mir.«

»Also fünf Kinder und zwei Enkel?«

»Ja.«

»Dann sind Sie allerdings nicht zu beneiden.«

»Wo wollte die Wittwe hin? Sie war von Auswärts und noch nicht ganz zwei Jahre hier wohnhaft. Hätte ich sie nicht zu mir genommen, so hätte sie fort gemußt. Sie ist eine fleißige, ordentliche Person. Sie hat gelernt, Seelenwärmer zu stricken, wissen Sie, das sind wollene Tücher, welche die Frauen um die Schultern und den Leib binden. Das hat sie Emilie, meiner zweiten Tochter, gelernt. Und nun arbeiten diese Beiden Tag und Nacht, um mir unter die Arme zu greifen. Aber leider ist der Lohn so gering, daß er nicht zum trockenen Brode reicht.«

»Und die anderen Kinder verdienen nichts?«

»Nein.«

»Aber Sie sagten doch, daß Emilie Ihre zweite Tochter sei?«

»Allerdings!«

»Also haben Sie noch eine ältere Tochter?«

»Ja,« antwortete Werner zögernd, indem sich sein Gesicht augenblicklich verdüsterte.

»Ich meine, daß diese Tochter noch lebt?«

»Sie lebt noch.«

»Nun, so kann sie doch auch mit arbeiten und etwas verdienen helfen.«

Werner blickte einige Augenblicke lang vor sich nieder; dann sagte er, indem er schmerzlich aufseufzte: »Das thut sie auch. Sie hat uns vor zwei Jahren einen Gulden geschickt und vor einem Jahre zwei Gulden. Vielleicht bekommen wir wieder Etwas!«

»Drei Gulden in zwei Jahren? Das ist wenig. Was arbeitet sie denn da?«

»Sie näht Gorl.«

»Das ist Perlenzeug.«

»Ja.«

»Aber da muß sie doch mehr verdienen?«

»Nein, mein bester Herr Holm. Sie verdient so wenig, daß es mir trotz der Noth, in welcher ich stecke, lieber wäre, wenn sie mir nichts, gar nichts schickte. Aber die gute Seele will doch auch zeigen, daß sie unser Kind ist.«

»Ist sie denn nicht bei Ihnen?«

»Nein.«

»Also auswärts?«

»Ja. Wissen Sie denn nicht, wo sie ist?«

»Nein, gar nichts weiß ich.«

»Ich glaubte, es Ihnen bereits gesagt zu haben!«

»Kein Wort!«

»Ja, man spricht natürlich nicht davon. Aber es sollte mich doch wundern, wenn Sie nichts davon gehört oder gelesen hätten. Damals waren ja alle Zeitungen von diesem traurigen Ereignisse voll.«

»Sie müssen sich erinnern, daß ich Jahre lang nicht in der Heimath gewesen bin.«

»Aber dann, dann kann man davon gesprochen haben.«

»Auch nicht. Ich habe überhaupt mit Niemandem von Ihnen oder den Ihrigen gesprochen. Was Ihnen als Einzelperson höchst wichtig sein kann, das verschwindet ja im Leben einer so großen Stadt.«

»Ja, ja. Und das ist ein großes Glück. Ich konnte ja nichts, gar nichts dafür, aber dennoch hätte es mich beinahe um meine Stelle gebracht. Der Intendant wollte mich entlassen, ohne Gnade und Barmherzigkeit, aber der Director, der überhaupt der einzige Brave der ganzen Residenztheaterverwaltung ist, brachte es so weit, daß ich doch noch bleiben durfte.«

»So war es also etwas – etwas Ungutes, was sich damals ereignete?«

»Ungut, sagen Sie? Es war mehr, viel mehr. Es war so traurig, daß ich beinahe vor Herzeleid gestorben wäre.«

Vorhin hatte er vor Freude geweint; jetzt wischte er sich die Tropfen weg, welche ihm der Schmerz der Erinnerung auspreßte. Das that Holm wehe. Er sagte in theilnehmendem Tone: »Lassen wir das! Brechen wir von diesen Gegenstande ab! Bitte, denken Sie nicht daran! Es stimmt Sie traurig, und das können wir vermeiden!«

»Recht haben Sie!« seufzte der Theaterdiener. »Es ist besser, man versucht es zu vergessen; aber leider vergißt es sich nicht. Man wird tausend-und tausendmal daran erinnert; es läßt Einem keine Ruhe; es geht mit Einem schlafen, es steht mit Einem auf, es setzt sich mit Einem zu Tische und vergällt Einem das trockene Brod, mit welchem man den Hunger stillt. Und doch thut es Einem wohl, zu einem mitleidigen Menschen davon zu sprechen. Ein theilnehmendes Wort ist wie Balsam auf die Wunde. Und die Laura hat dieses Schicksal doch nicht verdient. Ich gebe meinen Kopf zum Pfande, daß sie es nicht gethan hat!«

»Was?«

»Ach so, Sie wissen es nicht! Nun, erschrecken Sie nicht, mein guter Herr Holm – meine Tochter ist in Rollenburg.«

»In Rollenburg? Herrgott! In der Irrenanstalt?«

»Nein, sondern, sondern –«

Er stockte. Es fiel ihm so sehr schwer, das böse Wort auszusprechen.

»Nicht im Irrenhause, also im – im – – Sie wollen doch nicht sagen, daß sie gefangen ist?«

»Leider, leider! Das ist es gerade, was ich sagen will. Sie ist im – im – Zuchthause.«

»Schrecklich!«

»Ja. Ich wundere mich, daß ich damals nicht gestorben bin; aber, es ist ein Nagel zu meinem Sarge; ich gehe dennoch daran zu Grunde!«

»Und Sie sagten, daß sie es nicht gethan habe?«

»Ja. Ich stehe für mein Kind.«

»Sie ist unschuldig?«

»Wie die liebe Sonne am Himmel!«

»Was hat man ihr denn zur Last gelegt?«

»Man hat sie verurtheilt als – als Kindesmörderin.«

»Du lieber Heiland!«

Werner weinte still vor sich hin. Glücklicher Weise saß er so, daß er von den anderen anwesenden Gästen nicht beobachtet werden konnte.

»Nicht wahr,« sagte er unter Thränen, »man sagt, daß es im Himmel Engel gäbe, welche die Thränen zählen und in ihren Krügen sammeln. Wieviel hundert, hundert Krüge müssen sie da haben, welche voll von unseren Thränen sind! Wäre meine Tochter schuldig, so könnte man sich trösten; man könnte sich sagen, daß sie es verdient habe. Aber sie ist unschuldig, es war nicht ihr Kind.«

»Nicht ihr Kind? Wie meinen Sie das? Soll sie das Kind einer anderen ermordet haben?«

»Nein, sondern ihr eigenes.«

»Aber Sie sagen, daß es nicht ihr Kind gewesen sei!«

»Nein, es war ein fremdes Kind.«

»Ich verstehe Sie nicht. Wenn sie ihr Kind getödtet haben soll, so muß sie doch eins gehabt haben; sie muß Mutter gewesen sein.«

»Ja, das war sie; das hat sie auch eingestanden, und auch wir haben es nicht geleugnet.«

»So war sie wohl nicht verheirathet?«

»Nein. Sie stand bei der Baronin von Helfenstein im Dienste. Sie wurde ganz plötzlich entlassen, und als wir sie nach dem Grunde fragten, gestand sie uns nach langem Zögern, daß sie sich Mutter fühle und ihre Stunde erwarte.«

»O weh!«

»Ja. Sie können nicht wissen, was Eltern bei so einer Kunde fühlen! Man hat die Tochter brav erzogen, und dann kommt sie nach Hause und –«

Er hielt inne. Dann ballte er die Faust und knirschte:

»Könnte ich es ihm heimzahlen! Aber das Mädchen durfte ja nichts sagen; er hatte ihr goldene Berge vorgemalt!«

»Von wem sprechen Sie?«

»Von ihrem Herrn, dem Baron von Helfenstein!«

»Ah! Er war der Vater?«

»Ja. Er war Laura immer in den Weg getreten, sie aber hatte ihn abgewiesen. Dann aber war es ihr einmal nach einer Tasse Thee unwohl geworden. Sie hatte sich niederlegen müssen. Es war ihr ganz so gewesen, als ob sie betrunken sei. In der Nacht dann war sie erwacht, und da hatte sie bemerkt, daß sie nicht allein sei. Der Baron hatte sich bei ihr befunden.«

»Schuft!«

»O, tausendfacher Schurke!«

»War Ihre Tochter denn hübsch?«

»Ja; sie war fast so schön wie die Emilie, die jetzt noch zu Hause ist. Das einzige Glück nämlich, welches ich besitze, ist, daß ich gesunde und wohlgestaltete Kinder habe. Bei Laura aber war die Schönheit kein Glück, sondern sie wurde ihr Verderben.«

»Sie haben natürlich den Baron als Vater genannt?«

»Nein.«

»Warum denn nicht?«

»Ich wußte es nicht. Er hatte meiner Tochter gesagt, daß sie ihn nicht nennen solle; in diesem Falle wolle er fürstlich für sie sorgen. Damit hatte er ihr den Kopf verdreht. Wir waren arm, und sie glaubte, daß er Wort halten werde. Sie sagte zu uns, daß sie nicht wisse, wer sie in ihrer Kammer überfallen habe; sie sagte, sie hätte den Menschen nicht erkannt. Dabei blieb sie auch später. Erst als ich sie in Rollenburg besuchte, nachdem sie sich bereits ein Jahr lang dort befunden hatte, erzählte sie mir aufrichtig, wie es sich zugetragen hatte.«

»Und das Kind –? Sie soll es getödtet haben?«

»Ja. Aber Gott im Himmel weiß es, daß sie es nicht gethan hat!«

»Sie machen mich wißbegierig. Ist sie denn auf bloße Indizien hin verurtheilt worden?«

»Freilich, freilich! Sie konnte ja nichts, gar nichts eingestehen!«

»Wie ist das gekommen?«

»Die eigentliche, unglückliche Ursache war, daß ich nicht daheim gewesen bin. Hätte ich mich zu Hause befunden, so wäre es nicht geschehen, so wäre es ganz anders geworden. Ich hätte die Geburt unbedingt angemeldet.«

»Das ist wohl unterlassen worden?«

»Leider Gottes, ja!«

»Welch eine Unvorsichtigkeit!«

»Ja, eine große Unvorsichtigkeit ist es gewesen. Das ist aber auch das Einzige, was man den beiden Mädchen vorwerfen konnte.«

»Den beiden Mädchen? Wen meinen Sie noch?«

»Ihre Schwester, die Emilie. Das arme Mädchen hat ja auch monatelang mit in Untersuchung gesessen!«

»Das wird immer trauriger.«

»Es war zum Sterben, wie gesagt. Das Personal des Residenztheaters ging auf Gastreisen, und ich als Diener mußte mit. Während meiner Abwesenheit kam Laura’s Stunde. Sie gebar einen Knaben. Sie fühlte sich von der Geburt fast gar nicht angegriffen; sie war stark und kräftig; aber das Kind war desto schwächlicher, wohl deswegen, weil sie sich bis zum letzten Augenblicke, um ihren Zustand nicht merken zu lassen, sehr fest geschnürt hatte. Der Knabe war so schwach, daß er gar nicht schrie. Die Mitbewohner des Hauses merkten also nicht, daß ein neuer Erdenbürger angekommen war.«

»Und die Hebamme?«

»Man hatte keine geholt.«

»Aber warum nicht?«

»Aus falscher Scham. Die Geburt war so schnell und so glücklich von Statten gegangen, daß keine Hilfe nothwendig gewesen war, und dann, als Laura sah, daß das Kind wohl nicht fortleben werde, kam sie auf den unglücklichen Gedanken, gar Niemandem Etwas zu sagen.«

»Aber Ihre Frau mußte doch wissen, was das Gesetz in diesem Falle vorschreibt?«

»Meine Frau? Sie wußte ja gar nicht einmal, daß das Kind geboren war!«

»Wie ist das möglich?«

»Ach so! Sie wissen nicht, daß meine Frau nicht hört. Der Krebs hat ihre Ohren angegriffen. Vom Sehen war schon längst auch keine Rede mehr.«

»Das ist Unglück über Unglück!«

»Die Kleinen verstanden nichts, und Emilie, die Ältere von ihnen, ließ sich von den Bitten der Schwester bethören. Sie sagte sich, daß das Elend in unserer Familie groß genug sei. Sie schwieg mit.«

»Aber Ihre Schwiegertochter, die doch bei Ihnen wohnt?«

»Die war damals noch nicht bei uns. Kurz und gut, das Kind starb nach einigen Tagen. Laura bettete es in eine alte Schachtel und schlich sich damit des Nachts nach dem Kirchhofe. Dort wollte sie es begraben.«

»Welch unüberlegtes Beginnen!«

»Sie haben Recht. Die Strafe folgte auch sofort. Es war ein Mann am Tage begraben worden, dessen Grab man noch nicht ganz zugeworfen hatte. Die Erde war locker. Laura grub ein Loch –«

»Mit den Händen?«

»Sie hatte die Kohlenschaufel mitgenommen. Sie grub also ein Loch in das neue Grab und legte die Schachtel hinein. Als sie es zumachen wollte, wurde sie angeredet –«

»Himmel! Von wem?«

»Sie wäre vor Schreck beinahe des Todes gewesen. Ein anderes Frauenzimmer stand hinter ihr. Was nun zwischen den Beiden vorgekommen ist, muß für Laura schrecklich gewesen sein. Sie hat gestehen müssen, was sie hier beabsichtigte; sie hat ihren Namen nennen müssen; sie hat die Andere um Gottes und des Himmels willen auf den Knieen gebeten, sie nicht zu verrathen, und Diese hat es ihr endlich auch versprochen.«

»Wer ist diese Andere denn gewesen?«

»Ja, wer das wüßte!«

»Nicht vielleicht die Todtengräberin?«

»Nein.«

»Aber Ihre Tochter wird doch gefragt haben?«

»Leider nicht. In ihrer Seelenangst ist sie gar nicht auf diesen Gedanken gekommen. Sie ist dann fortgegangen und über die Kirchhofsmauer gestiegen.«

»Die Andere mit?«

»Nein; diese ist in dem nächtlichen Dunkel verschwunden gewesen.«

»Wunderlich!«

»Am anderen Morgen hat die Polizei einen Brief erhalten, in welchem gestanden hat, daß die Laura Werner ein heimlich geborenes Kind ebenso heimlich an dem und dem Orte vergraben habe. Man hat nachgesucht und das Kind gefunden. Laura wurde verhaftet.«

»Das Kind ist doch jedenfalls untersucht worden?«

»Natürlich!«

»So haben die Ärzte doch finden müssen, daß es eines natürlichen Todes gestorben sei.«

»Nein, es war erwürgt worden.«

»Wieso denn?« fragte Holm erstaunt. »Sie sagten doch, daß es an Schwäche gestorben sei?«

»Ja. Aber dieses Kind war erwürgt worden. Es hatte sogar noch die rothe Gardinenschnur um den Hals.«

»Das begreife ein Anderer, aber ich nicht!«

»Ich auch nicht. Und das Wunderbarste, nämlich das Kind war kein Junge, sondern ein Mädchen.«

»Unsinn!«

»O doch! Ein hübsches, allerliebstes, kräftiges Mädchen.«

»Wie könnte das möglich sein!«

»Sehr einfach, lieber Herr Holm: Es ist ja gar nicht das Kind meiner Tochter gewesen!«

»Hat man es denn an derselben Stelle gefunden?«

»An ganz derselben.«

»Wohl gar auch in derselben Schachtel?«

»Unglücklicher Weise, ja.«

»Und Ihre Tochter hat zugeben müssen, daß sie diese Schachtel kenne?«

»Sie hat es nicht leugnen können und auch gar nicht leugnen wollen. Das aber hat ihr den Hals gebrochen.«

»Man muß aber doch ihren Knaben gefunden haben?«

»Nein. Man hat vergeblich gesucht und in Folge dessen ihre Angaben für erfunden halten müssen.«

»Aber das Zeugniß Ihrer Schwester?«

»Pah! Das hat gar nichts gegolten. Laura ist zu acht Jahren Zuchthaus verurtheilt worden. Dabei hat man ihr noch mildernde Umstände zuerkannt, sonst wäre die Strafe eine weit härtere geworden.«

»Und Emilie?«

»Die hat man entlassen, weil man nicht vermocht hat, ihr eine Mitschuld nachzuweisen.«

»Wann ist das gewesen?«

»Vor vier Jahren.«

»So ist also die Hälfte der Strafzeit vorüber. Wollen Sie nicht ein Gnadengesuch anfertigen lassen?«

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Ich bin da ganz der Ansicht meiner Tochter. Der Director des Zuchthauses hat ihr denselben Rath gegeben; sie aber mag von einem Gesuche nichts wissen.«

»Das ist ebenso bedauerlich wie unbegreiflich. Wenn der Director selbst ihr diesen Rath ertheilt, so läßt sich mit Sicherheit annehmen, daß dieses Gesuch Erfolg haben werde. Er würde es befürworten.«

»Aber Laura würde damit ihre Schuld eingestehen.«

»Doch nicht.«

»O gewiß! Wer um Gnade fleht, der ist schuldig. Der Unschuldige braucht Gerechtigkeit, aber keine Gnade.«

»Ist denn nicht nach jenem Frauenzimmer geforscht worden, welches so gespensterähnlich auf dem Kirchhofe erschienen ist?«

»Man muß es wohl gethan haben, aber lässig genug, da man Das, was Laura erzählte, für eine Fabel gehalten hat. Das war eine traurige, traurige Zeit! Der liebe Herrgott behüte Jeden vor solchen Erfahrungen! Ich gönne selbst meinem ärgsten Feinde diese – ah, aber doch, Einen giebt es, dem ich Das und noch viel, viel Schlimmeres gönne!«

»Wem?«

»Dem Baron von Helfenstein. Ich erfuhr, wie ich bereits erzählte, erst später, daß er der Vater sei, und so ging ich zu ihm, um mit ihm darüber zu verhandeln.«

»Ich habe von diesem Manne gehört. Was sagte er?«

»Nichts, gar nichts.«

»Aber er muß doch einen Ausspruch gethan haben?«

»Ja, einen Ausspruch that er freilich!«

»Welchen?«

»Er gab den Befehl, mich hinaus zu werfen.«

»Doch wohl nicht?«

»Ja freilich!«

»That man es denn?«

»Ja. Er ging zu der einen Thür hinaus, und ich wurde durch die andere mit Glanz und Ruhm abgeführt.«

»Schändlich! Hatte er sich denn vorher um Ihre Tochter bekümmert?«

»Er ist während meiner Abwesenheit einige Male heimlich bei Laura gewesen, um Sie zur Verschwiegenheit zu bereden. Sogar gerade als das Kind eben gestorben war, ist er gekommen.«

»Hat er das Kind gesehen?«

»Ja.«

»So muß er doch wissen, daß es ein Knabe war!«

»Natürlich.«

»Warum hat Ihre Tochter ihn nicht als Entlastungszeugen angegeben?«

»Weil sie ihm ihr Wort halten wollte.«

»Diese Gewissenhaftigkeit ist aber doch mehr als Unsinn gewesen. Sie hätte frei gesprochen werden müssen.«

»Meinen Sie? Ich denke, Sie irren sich.«

»Er hätte ja beeiden müssen, daß das Kind ein Knabe war!«

»Nein; er hätte Laura ausgelacht.«

»Unmöglich!«

»O doch! Das hat er übrigens bewiesen. Laura hat nämlich gedacht, daß er sich unserer annehmen werde. Sie erkundigte sich bei mir, als ich sie in der Strafanstalt besuchte. Und erst, als sie erfuhr, wie es stand, sagte sie mir, daß er der Vater sei. Sie erzählte mir Alles, und ich ging zum Director des Zuchthauses, um ihn um einen guten Rath zu bitten. Er erklärte die Sache zwar nicht geradezu für einen Schwindel, aber er ließ merken, daß er Zweifel hege. Doch versprach er mir, sich zu überlegen, was in der Sache zu thun sei.«

»Und was war der Erfolg?«

»Einige Zeit später wurde ich hier in das Gerichtsamt bestellt. Ich freute mich, denn ich war überzeugt, etwas Hoffnung Erweckendes zu hören – aber prosit die Mahlzeit!«

»Wohl das gerade Gegentheil?«

»Ja. Es wurde mir bedeutet, nie wieder eine solche wahnsinnige Anschuldigung zu wagen, widrigenfalls man nicht blos mich gefänglich einziehen, sondern auch meine Tochter exemplarisch bestrafen werde.«

»Und so haben sie geschwiegen?«

»Natürlich! Was kann ich sonst thun?«

»Leider nichts, gar nichts! Ich möchte behaupten, daß Laura – ah, wer ist denn das?«

Es war ein Kellner eingetreten, nicht derjenige, welcher sie bedient hatte, und als er Max Holm erblickte, auf diesen zugekommen.

»Herr Holm,« sagte er, ihm die Hand zum Gruße bietend. »Es freut mich, Sie einmal zu sehen!«

»Serviren Sie denn jetzt hier im Kronprinzen?«

»Bereits seit einigen Wochen?«

»Aber wohl nicht hier in der Restauration?«

»Nein, sondern nur für die Fremden; ich bin Zimmerkellner.«

Dieser Mann war nämlich vorher in demjenigen Etablissement, in welchem Holm sich an der Tanzmusik betheiligte, Kellner gewesen. Daher kannten sich diese Beiden. Holm hatte, trotz seiner Armuth, ihm zuweilen ein Trinkgeld gegeben, und dies ist ein Umstand, welcher auf die Anhänglichkeit dienstbarer Geister einen sehr großen Einfluß äußert.

»Zimmerkellner für die Fremden?« fragte der Theaterdiener. »Da kennen Sie wohl auch die Leda?«

»Natürlich!«

»Wohnt die Leda etwa hier?« fragte Holm schnell.

»Ja,« antwortete der Kellner.

Augenblicklich schoß durch den Kopf des Reporters ein Gedanke, dem er sofort Folge gab, indem er fragte: »Wer bedient sie?«

»Ich selbst,« antwortete der Kellner. »Natürlich steht ihr außerdem auch weibliche Hilfe zur Verfügung.«

»Hm! Würden Sie mir vielleicht einen Gefallen thun?«

»Gern, sehr gern, wie Sie wissen! Was wünschen Sie?«

»Nachher, nachher; jetzt noch nicht.«

Er wollte in Gegenwart des Theaterdieners lieber vorsichtig sein. Werner bemerkte, daß er an dieser Zurückhaltung schuld sei, und erhob sich von seinem Stuhle.

»Meine Zeit ist abgelaufen, Herr Holm,« sagte er. »Ich bitte also, mich verabschieden zu dürfen.«

»Nicht doch! Trinken wir noch ein Glas Grog!«

»Danke! Sie wissen, daß ich noch in’s Archiv muß, und eigentlich habe ich mich bereits zu lange aufgehalten.«

Nach einigen Redensarten und nachdem er sich dann auf das Herzlichste bedankt hatte, entfernte er sich. Nun trat der Kellner, welcher sich einstweilen zurückgezogen hatte, wieder zu Holm und fragte: »Er ist fort. Sie wollten in seiner Gegenwart nichts sagen?«

»Allerdings! Er ist zwar ein Ehrenmann, aber Das, um was ich Sie bitten möchte, muß unbedingt vor ihm Geheimniß bleiben.«

»Vor Anderen auch vielleicht?«

»Ja. Kann ich auf Sie rechnen?«

»Das versteht sich ganz von selbst. Sagen Sie nur, was ich für Sie thun kann!«

»Ob Sie es überhaupt thun können, das hängt noch von dem Umstande ab, wie die Wohnung der Leda beschaffen ist. Ich möchte sie nämlich einmal belauschen.«

»Sapperment! Das ist eine kitzliche Sache!«

»Wohl zu gefährlich für Sie?«

»Hm! Weiß nicht!«

»Wenn ich Etwas verlange, was Sie mir nicht gewähren können, so sagen Sie es mir aufrichtig. Ich nehme es Ihnen gar nicht übel.«

»Ich möchte freilich wissen, um was es sich handelt.«

»Nun, Sie sagen nichts wieder, und da will ich aufrichtig sein. Die Leda soll morgen mit ihrer Rivalin in die Schranken treten, und da möchte ich sehr gern wissen, wie sie über dieselbe denkt.«

»Es wird am Besten sein, Sie fragen sie direct.«

»Das kann nicht in meinem Plane liegen. Wie sind die Zimmer beschaffen, welche sie bewohnt?«

Der Kellner beschrieb die Oertlichkeit.

»Ist das hintere Zimmer mit dem Nebenzimmer vielleicht durch eine Thür verbunden?«

»Ja. Diese Thür ist von beiden Seiten verriegelt.«

»Ist das Zimmer bewohnt?«

»Nein. Die Tänzerin erwartet natürlich, daß wir es leer lassen. Es wäre ja ein jedes Wort, welches sie mit ihrer Mutter spricht, zu vernehmen.«

»Das ist schön, sehr schön! Würden Sie mir dieses Nebenzimmer einmal öffnen, wenn ich Ihnen dafür ein gutes Trinkgeld gebe?«

»Es ist gegen meine Pflicht, mein bester Herr Holm!«

»Gut! Sprechen wir nicht weiter davon!«

Er lehnte sich mit einer Miene, als halte er die Angelegenheit für vollständig beseitigt, in seinen Stuhl zurück. Dem Kellner jedoch gingen die Worte »gutes Trinkgeld« im Kopfe herum. Er hatte sich nur scheinbar geweigert; daher sagte er.

»Zwar Ihnen möchte ich gern gefällig sein –«

»Ich möchte Sie nicht zu einer Pflichtverletzung verleiten.«

»Vielleicht ist es mit dieser Pflichtverletzung nicht so sehr schlimm. Sie wollen nur hören, was die Tänzerin von ihrer Rivalin denkt?«

»Ja.«

»Nun, das ist doch nichts Schlimmes. Wieviel würden Sie daran wenden, Herr Holm?«

»Ich denke, Sie wollen es aus Gefälligkeit thun?«

»Gewiß; aber sprachen Sie nicht von einem Trinkgelde?«

»Na, meinetwegen! Wieviel verlangen Sie?«

»Wie viel geben Sie?«

»Ich biete nichts. Sagen Sie, wieviel Sie verlangen!«

»Ist drei Gulden zuviel?«

»Ich gebe sie. Wann kann ich hinauf?«

»Sofort, wenn Sie es wünschen.«

»Ist die Leda daheim?«

»Ja.«

»Und ihre Mutter?«

»Auch. Aber wie lange wollen Sie oben bleiben?«

»Bis ich erfahren habe, was ich wissen will.«

»O weh!«

Der Kellner kratzte sich verlegen hinter dem Ohre.

»Was bedauern Sie denn?« fragte Holm.

»Wenn Sie warten wollen, bis die Beiden von der amerikanischen Tänzerin zu sprechen anfangen, so können Sie vielleicht noch morgen oben stecken!«

»Das denke ich nicht.«

»Es kann doch der Fall sein, daß sie sich über diese Dame vollständig ausgesprochen haben und nun gar nicht wieder auf das Thema kommen.«

»Ich sorge dafür, daß sie darauf kommen.«

»Wie wollen Sie das anfangen?«

»Ich schreibe hier einige Zeilen, welche sie der Leda geben, sobald ich mich im Nebenzimmer befinde.«

»Darf ich lesen, was Sie schreiben?«

»Ja.«

»Und wenn die Leda mich fragt, von wem der Brief ist?«

»Von einem Herrn, den Sie nicht kennen. Er ist hier gewesen und natürlich wieder fort. Für die Besorgung des Briefes zahle ich Ihnen noch zwei Gulden.«

»Also fünf in Summa?«

»Ja. Wie komme ich unbemerkt hinauf.?«

»Das lassen Sie mich machen. Ich passe den Augenblick ab und bringe Sie hinauf. Bezahlen Sie Ihre Zeche, und lassen Sie sich Schreibmaterialien geben, daß Sie dann bereit sind, wenn ich Ihnen winke.«

Er ging. Holm ließ sich von dem ihn bedienenden Kellner Papier, Couvert, Tinte und Feder geben und schrieb folgende Zeilen:

»Meine angebetete Venus.

 

Wie ich höre, haben Sie eine kleine Verschwörung gegen die Amerikanerin Ellen Starton zu Stande gebracht. Man legt Ihnen im Geheimen Gegenminen. Nehmen Sie sich sehr in Acht, daß Sie nicht unterliegen, gerade dann, wenn Sie des Sieges sicher sind!

Ein treuer Bewunderer.«

 

Er verschloß diesen Brief, bezahlte seine Zeche und wartete. Nach ungefähr einer Viertelstunde wurde die Thür heimlich um eine Lücke geöffnet. Er sah seinen Verbündeten, welcher ihm winkte und dann die Thür wieder zumachte.

Nun griff er zum Hute und grüßte in unbefangener Weise, ganz so, als ob er wirklich zu gehen beabsichtige. Draußen im Hausflur angekommen, sah er den Kellner auf der unteren Treppenstufe stehen. Er eilte hin.

»Ist der Weg frei?« fragte er.

»Ja.«

»Der Portier?«

»Den habe ich zum Hausknecht geschickt.«

»Und oben?«

»Das Zimmermädchen habe ich in die Küche beordert. Kommen Sie; aber leise!«

Sie stiegen die Treppe empor. Der Corridor war mit einem dicken Läufer belegt, welcher die Schritte fast ganz unhörbar machte. Hinten erblickte Holm eine Thür, welche nur angelehnt war. Dorthin wurde er von dem Kellner geführt.

»Haben Sie den Brief?« fragte dieser.

»Ja. Hier ist er.«

»Schön. Ich werde ihn sogleich besorgen. Treten Sie hier ein!«

»Kreischt die Thür?«

»Nein. Aber geben auch Sie keinen Laut von sich! Die Thür schließen Sie natürlich zu.«

»Wo ist der Schlüssel?«

»Er steckt drin. Wenn Sie fertig sind, lassen Sie ihn da stecken. Sie gehen fort, als ob Sie das Recht gehabt hätten, hier oben zu sein. Gute Geschäfte!«

Dabei streckte er ihm die geöffnete Hand hin.

»Ah, richtig! Das hätte ich fast vergessen,« flüsterte Holm, leise lachend. »Hier!«

Er zog fünf Gulden hervor und gab sie dem Kellner.

»Danke!« sagte dieser und schlich sich davon.

Holm trat ein, zog die Thür leise hinter sich zu und verschloß sie von innen. Hart an der Thür, weiche in das Nebenzimmer führte, stand ein Stuhl, den jedenfalls der Kellner hingestellt hatte. Holm schlich sich unhörbar hin und setzte sich nieder.

Drüben war es so still, als ob kein Mensch anwesend sei; aber nach einer kleinen Weile hörte der Lauscher ein lautes Klopfen.

»Herein!« sagte eine weibliche Stimme.

Holm hörte eine Thür öffnen, und dann vernahm er die Stimme des Kellners:

»Erlauben Sie, gnädiges Fräulein, diesen Brief!«

»Von wem?«

»Von einem Herrn, welcher unten im Gastzimmer war.«

»Wer ist er?«

»Ich weiß es nicht. Ich kannte ihn nicht.«

»Ist er noch da?«

»Er ist bereits fort. Ergab mir den Brief im Fortgehen.«

»Warten Sie!«

Sie schien den Brief zu lesen. Dann hörte Holm sie fragen:

»Haben Sie diesen Herrn auch nicht vorher gesehen?«

»Nein, nie.«

»Beschreiben Sie ihn!«

»Hoch und stark gewachsen, schwarzer Vollbart, dunkle Augen, langer Pelz und hoher Filzhut.«

»Hm! Daraus kann man sich nichts nehmen. Wie alt war er ungefähr?«

»Vierzig.«

»Hatte er ein distinguirtes Äußere?«

»Er schien vornehm zu sein.«

»Also kein Bedienter?«

»Auf keinen Fall.«

»Schön. Ich danke. Sie können gehen.«

Holm hörte, daß der Kellner sich entfernte. Dann vernahm er eine andere weibliche Stimme, welche fragte: »Jedenfalls ein Liebesbrief?«

»Nein.«

»Aufforderung zu einem Rendez-vous?«

»Auch nicht, Mutter.«

»Was denn?«

»Eine Warnung.«

»Vor was denn?«

»Vor der Amerikanerin.«

»Das wäre doch höchst sonderbar!«

»Ja. Höre einmal!«

Sie las den Brief vor und fragte dann:

»Was sagst Du dazu?«

»Gar nichts.«

»Aber Du mußt Dir doch unter den Gegenminen, welche man mir legt, irgend Etwas denken?«

»Gar nichts denke ich.«

»Ja, so bist Du! Gar nichts sagst Du, und gar nichts denkst Du! Alles soll ich allein denken, sagen und thun!«

»Das kannst Du auch; das ist Deine Pflicht. Du bist jung, ich aber bin alt. Ich habe genug gethan und will nun meine Ruhe haben.«

»Ruhe!« erklang es in ärgerlichem Tone. »Ruhe, nur immer Ruhe! Ruhe und Geld, weiter verlangst Du nichts.«

»Weil ich auch weiter nichts brauche.«

»Das ist aber eben gerade genug. Habe denn ich Ruhe?«

»Eine Tänzerin braucht keine Ruhe!«

»Oder habe ich Geld?«

»Eine Tänzerin verdient Geld.«

»Du bringst mich noch zur Verzweiflung! Sogar diesen Petermann habe ich allein auf mich nehmen müssen.«

»Ich hatte nichts mit ihm zu schaffen. Uebrigens hast Du ihn so bedient, daß er sicherlich nicht wiederkommen wird.«

»Ich hoffe das. Freilich entfernte er sich mit einer Drohung, welche ernstlich gemeint zu sein schien.«

»Pah! Er kommt aus dem Zuchthause. Die geringste Veranlassung genügt, ihn in den Rückfall zu werfen.«

»Wie aber kommt er dazu, zu behaupten, daß ich die Schuld an seinem Unglück trage?«

»Er hat auf den Busch geschlagen.«

»Hm! Da kommt mir ein Gedanke. Sollte das vielleicht die Mine sein, von welcher hier in diesem Briefe die Rede ist!«

»Was?«

»Eben dieser Petermann.«

»Der? Eine Mine? Lächerlich!«

»Warum nicht? Kann er nicht zufälliger Weise mit dieser Amerikanerin zusammengetroffen sein?«

»Dieser Zufall wäre doch sonderbar, und mehr als das; er wäre förmlich an den Haaren herbeigezogen.«

»Warum das nicht auch? Petermann kann leicht erfahren, daß diese Starton meine Gegnerin ist. Er kann sie aufgesucht haben, um ihr mitzutheilen, was er von mir weiß.«

»Was weiß er denn? Daß Du ein Kind gehabt hast und die Geliebte des Lieutenants von Scharfenberg gewesen bist. Was ist das weiter? Jede Tänzerin hat Liebhaber, und jede Tänzerin bekommt Kinder. Das mag er immer wissen.«

»Aber wenn er nun das Andere vermuthet?«

»Was denn?«

»Frage nicht so dumm! Die fünftausend Gulden, welche Bruno auf sich nehmen mußte!«

»Was weiter, wenn er es ahnt? Beweisen muß er es können.«

»Und dann der unglückselige Wurm –«

»Sei still! Wie kann er das wissen? Das sind vergangene Sachen, und an solchen Dingen darf man nicht rütteln. Sinne lieber nach, wer diesen Brief geschrieben haben mag.«

»Ich kenne nur Zwei, auf die ich da rathen könnte.«

»Wen?«

»Eben Bruno!«

»Ich denke, er ist verreist?«

»Er kann wieder zurück sein.«

»Du sagtest doch, daß er nichts mehr von Dir wissen mag. Wie käme er dazu, Dich zu warnen?«

»Es braucht doch nicht gerade sein Wunsch zu sein, daß ich besiegt werde.«

»Ist es seine Handschrift?«

»Nein.«

»Das konnte ich mir denken. Er kann es nicht sein.«

»Warum denn so absolut nicht?«

»Er würde eher daran arbeiten, daß Du unterliegst.«

»Nein, nein. Alte Liebe rostet nicht.«

»Richtig, sie rostet nicht, sondern sie wird ganz und gar alle! Ueberlege es Dir! Es kann ihm nichts daran liegen, Dich als Tänzerin hier in Engagement zu sehen. Er würde Dich am Allerwenigsten warnen. Wer ist der Andere, den Du meinst?«

»Der Baron.«

»Das ist auch mir eher wahrscheinlich. Ist’s seine Schrift?«

»Ziemlich. Es hat den Anschein, als ob er es mit verstellter Hand geschrieben habe.«

»Nun, so dürfen wir also annehmen, daß er es ist. Er ist von jeher ein feiner Intriguant gewesen. Er hat einen schlauen Kopf. Er ist ganz der Mann, zu erfahren, was gegen Dich im Werke ist, und aus alter Anhänglichkeit warnt er Dich.«

»Was nützt mir das?«

»Viel, sehr viel! Es ist immer besser, man weiß, daß man Feinde hat, als man ahnt es nicht.«

»Aber er konnte sich bestimmter ausdrücken.«

»Vielleicht thut er es noch. Er wird Dich überhaupt in nächster Zeit besuchen. Er hat die Pflegegelder zu bezahlen. Oder hat er es bereits gethan, und Du hast’s verschwiegen?«

»Wo denkst Du hin? Ich selbst lauere mit Schmerzen auf dieses Geld. Das hiesige Pflaster ist theurer als ich dachte.«

»Nun, er ist stets pünctlich gewesen und wird es wohl auch dieses Mal sein. Eigentlich köstlich, köstlich!«

»Was?«

»Pflegegelder zahlen für ein Kind, welches gar nicht mehr vorhanden ist.«

»Ja, dieser Gedanke war wirklich einzig.«

»Er stammte von mir. Und zwar doppelte Ziehgelder. Von dem Baron und von diesem albernen Bruno. Kind, Du glaubst nicht, wie dumm diese Männer sind. Ein schönes Gesicht, ein üppiger Bau, ein Wenig geheuchelte Liebe – dann sind sie weg! Hätte dieser Bruno nachzurechnen vermocht, so hätte er einsehen müssen, daß das Mädchen nicht sein Kind sein könne. Er kannte Dich ja nicht ganz acht Monate. Ich möchte wirklich wissen, ob Petermann damals aus freiem Antriebe gehandelt hat.«

»Ich glaube es ihm. Er hielt große Stücke auf seinen jungen Herrn. Zeit aber war es, daß ich verschwand.«

»Und das Kind dazu. Es war überhaupt damals fast wunderbar, wie Alles so vortheilhaft in einander griff. Denke Dir nur die Kirchhofscene!«

»Die war allerdings einzig!« lachte Leda. »Ich war am Tage bei dem Begräbnisse gegenwärtig gewesen und hatte mir das Grab gemerkt.«

»Abends begleitete ich Dich bis an die Mauer. Brrr! Ich fürchtete mich doch. Kirchhof bleibt Kirchhof. Als ich Dich hinaufgehoben hatte, duckte ich mich nieder und zog den Mantel über mich weg. Ich wollte gar nichts sehen. Denke Dir dann meinen Schreck, als ich Dich sprechen hörte!«

»Auch ich erschrak nicht garstig, als ich, in der Nähe des Grabes angekommen, dort eine Gestalt sah, welche sich emsig zu schaffen machte.«

»Hahahaha! Du hieltest sie für ein Gespenst!«

»Beinahe. Ich bemerkte aber sehr bald, daß ich es mit einem Mädchen zu thun hatte. Ich legte den Wurm bei Seite und schlich mich hin.«

»Den Schreck, o, den Schreck hätte ich sehen mögen!«

»Sie brach förmlich zusammen. Und die guten Worte, welche sie dann geben konnte! Pah! Mir war es gerade recht, daß ich sie traf. Sie mußte es auf sich nehmen.«

»Ja, das war ein feiner Gedanke von Dir. Damals sah ich, daß ich an Dir keine schlechte Schülerin gehabt hatte.«

»Ich ließ sie fort, grub dann die Schachtel wieder aus und legte unseren Wurm hinein. Den ihrigen aber nahm ich mit. Es war kein Wurm, sondern ein Würmchen, ganz dürr, dünn und armselig. Heute frage ich mich oft, ob der Baron vielleicht gewußt hat, daß –«

»Was?«

»Daß dieses Mädchen auf dem Kirchhofe sein wird.«

»Wie soll er das gewußt haben?«

»Weil er mir den Rath gab, die Leiche nach dem Kirchhofe zu schaffen.«

»Wie, er war es, der Dich auf diesen Gedanken brachte?«

»Ja. Er machte mich auf das halb zugeworfene Grab aufmerksam.«

»Davon weiß ich doch gar nichts!«

»Es ist die Rede noch nicht darauf gekommen. Er sagte mir sogar die Zeit, zu welcher ich gehen sollte.«

»Sonderbar!«

»Und sodann fügte er hinzu, daß ich vielleicht etwas finden könne, was des Umtausches werth sei.«

»Sollte er jene Kindesleiche gemeint haben?«

»Ich weiß es nicht, möchte es aber fast vermuthen. Natürlich hat er da gedacht, daß das Mädchen fertig sei und sich nicht mehr auf dem Kirchhofe befinde.«

»Das ist ein Gedanke, der allerdings nicht aus der Luft gegriffen zu sein scheint. Aber, wenn Du das Richtige ahnst, konnte er dann auch das von der Scheune wissen?«

»Ja.«

»Wieso?«

»Er sagte mir ja, daß ich das, was ich umtausche, unter diese Scheune verbergen könne.«

»Wie? Das hat er gesagt?«

»Ja.«

»Und das erfahre ich erst jetzt!«

»Er verbot mir, Dir davon zu sagen.«

»Warum?«

»Vielleicht traute er Dir nicht!«

»Hm! Getraut hat er mir stets. Jedenfalls hat er irgend eine Absicht gehabt. Er ist ein unergründlicher Mensch. Er weiß stets, was er thut, selbst wenn es Anderen ganz unerklärlich erscheint. Also deshalb mußte ich mit zu der Scheune! Aber dennoch wären wir fast in das Verderben gerannt. Wenn uns nun anstatt dieser riesigen Aurora ein anderer Mensch erwischt hätte!«

»Dann freilich wäre es um uns geschehen gewesen. Uebrigens war es doch gut, daß ich mich einschüchtern ließ und den Namen des Mädchens nannte, welchen ich kurz vorher auf dem Kirchhofe erfahren hatte. Sobald die Aurora diesen gehört hatte, stimmte sie augenblicklich um. Es schien fast, als ob sie auf diese Familie eine große Rache habe. Sie half das Kind verstecken, schob selbst die Steine vor und gab mir dann den Rath, am andern Tag den Brief an die Polizei zu schreiben.«

»Gut, daß es so abgelaufen ist! Dieser Rath war ein schlechter.«

»Wieso?«

»Wie leicht konnte entdeckt werden, wer den Brief geschrieben hatte. Du kannst Deine Hand nicht verstellen.«

»Wer aber kannte meine Schrift?«

»Niemand, das ist wahr. Aber Du hattest einige Male an Bruno geschrieben. Vielleicht hatte er die Briefe aufgehoben, und man kann nie wissen, wie der Teufel sein Spiel kartet.«

»Pah! Ich brauchte keine Angst zu haben.«

»Noch größer aber war die Unvorsichtigkeit mit der Gardinenschnur. Du hattest sie abgerissen. Wie nun, wenn man die Hälfte von dem Halse des Kindes nahm und sie mit der anderen Hälfte, welche noch in Deiner Stube hing, verglich?«

»Daran war nicht zu denken.«

»Es ist an Alles zu denken!«

»Um das zu thun, hätte man mich in Verdacht haben müssen!«

»Irgend ein Zufall konnte den Verdacht auf Dich lenken!«

»Man hätte auch wissen müssen, daß ich bei Petermann gewohnt habe. Man kannte mich überhaupt gar nicht. Lassen wir lieber diese alten Sachen. Die Andere sitzt im Zuchthause, und ich werde Primaballerina und werfe meine Netze nach irgend einem Geburts-oder Geldaristokraten aus.«

»Etwa wieder nach dem Barone?«

»Nein. Ich will nicht Geliebte sein; ich will Frau werden, und er ist verheirathet.«

»Seine Frau ist aber wahnsinnig. Er kann geschieden werden, und zwar sehr bald.«

»Hast Du nicht gehört, daß sie aus der Irrenanstalt verschwunden ist. Sie kann baldigst wieder auftauchen. Nein, der Baron geht mich nichts mehr an. Ich angle mir einen Andern und Besseren.«

»Dann rathe ich Dir den Fürsten von Befour.«

»Der ist mir zu sauer, das heißt, er hängt mir viel zu hoch. Ehe ich an eine bestimmte Persönlichkeit denke, muß ich Engagement haben. Und um dies zu finden, muß ich Diejenigen poussiren, welche dabei maßgebend sind. Dabei fällt mir ein, daß ich noch einmal zum Capellmeister muß. Er wird die Partitur bekommen haben.«

»Du meinst, daß er seine Sache machen wird?«

»Jedenfalls. Er ist geizig, und ich habe ihm Orchestertantième versprochen. Ich habe sie Alle im Sacke, außer dem Director, der ein Dummkopf und Ignorant ist. Monsieur Léon Staudigel wird sein Möglichstes thun. Ich wollte, er hätte seinen Lohn bereits!«

»Fürchtest Du Dich vor ihm?«

»Fürchten? Unsinn! Aber er ist ein altes Gerippe, und es ist gewiß kein Vergnügen, nach der Vorstellung sich von ihm nach dem Bellevue entführen zu lassen, um in seinen Armen zu liegen. Damit will er sich bezahlt machen. Er hat es sehr eilig, daß er mir bereits jetzt mittheilt, wohin er mich führen will. Dieses eine Mal muß ich mich fügen. Später führe ich ihn an der Nase irre. Jetzt gehe ich. Adieu!«

»Adieu! Wirst Du lange fort bleiben?«

»Ich weiß es noch nicht.«

»Kürze die Liebenswürdigkeiten mit dem alten Capellmeister ab.«

»Liebenswürdigkeiten? Wo denkst Du hin! Geld will Der haben. Ein einziger Kreuzer ist ihm lieber, als tausend Küsse von den schönsten Lippen. Ich bin neugierig, wieviel Procent er verlangen wird, nachdem ich dem Oberclaqueur bereits für ein Jahr zehn vom Hundert versprechen mußte.«

»Ein reicher Liebhaber bringt das wieder ein!«

»So hilf mir suchen, daß ich baldigst einen finde, denn unsere Casse reicht nicht weit mehr aus!«

Holm hörte die Thür öffnen und schließen; dann wurde es drüben still.

Was hatte er Alles vernommen! Es war ihm, als ob er träume. Stand das, was er erlauscht hatte, vielleicht in Beziehung zu dem, was ihm von dem Theaterdiener erzählt worden war? Es kam dies als höchst wahrscheinlich vor. Wer war jener Petermann, jener Bruno, jener Baron und jene riesige Aurora? In Beziehung auf Petermann und den Baron gab es Anhaltspuncte: Der Erstere war auf dem Zuchthause gewesen, und der Letztere hatte eine Frau, welcher es gelungen war, aus der Irrenanstalt zu verschwinden. Daraufhin war es vielleicht möglich, diese beiden Personen zu erfragen.

Von Dem, was er eigentlich erlauschen wollte, hatte er nur wenig gehört, desto mehr aber Anderes. Und dieses Andere war im höchsten Grade wichtig. Gelang es ihm, den Faden zu finden, dann war es um diese Leda geschehen. Ein Lieutenant von Scharfenberg war genannt worden, dessen Geliebte sie gewesen war. Nun, man konnte sich ja nach diesem Namen erkundigen.

Jetzt nun war nichts mehr zu erlauschen. Holm hielt es für gerathen, sein Versteck zu verlassen. Er schlich sich hinaus, klinkte die Thür zu und verließ, ohne behelligt zu werden, das Hotel.

Natürlich ging er nun direct nach Hause. Als er die drei Treppen emporgestiegen war und die Thür leise öffnete, sah er den Vater schlafend in dem Polsterstuhle liegen. Auf dem Gesichte des Kranken lag ein Zug lächelnden Glückes, wie es lange, lange nicht mehr zu beobachten gewesen war. Hilda saß am Tisch und nähte. Sie war allein, da sich die Nachbarin nicht mehr hier befand.

Als sie den Bruder erblickte, sprang sie eilig auf und kam ihm freudig entgegen.

»Endlich, endlich!« flüsterte sie, ihm den Mund zum geschwisterlichen Kusse bietend. »Welch eine Angst habe ich um Dich ausgestanden!«

»Wirklich, Hilda?« fragte er leise.

»Jawohl! Du bist ja seit gestern gar nicht nach Hause gekommen!«

»Das geschieht nicht zum ersten Male.«

»Aber gerade dieses Mal habe ich so sehr auf Dich gewartet.«

»Warum?«

»Ich habe Dir viel zu erzählen.«

»Gutes?«

»Ja.«

Sie lächelte ihn so glücklich an, daß er den Kopf schüttelte und dann sich erkundigte:

»Es scheint allerdings hier ein freundlicher Engel eingezogen zu sein. Vater lächelt im Schlafe, und auch Du machst ein Gesicht, als ob Du einen großen Fund gethan hättest.«

»Das ist auch wirklich der Fall.«

»So erzähle!«

»Nicht jetzt. Erst mußt Du natürlich essen.«

»Ich habe bereits gegessen.«

»O, o, das glaube ich Dir nicht!« sagte sie, ihm mit dem Finger drohend.

»Warum nicht?«

»Weil Du stets behauptest, gegessen zu haben. Das thust Du aber nur, damit Vater und ich Alles bekommen sollen.«

»Dieses Mal aber ist es wirklich so.«

»Das wird sich zeigen. Riechst Du nichts?«

Erst diese Frage machte ihn auf den Bratengeruch aufmerksam, welcher die Stube durchduftete.

»Sauerbraten!« sagte er. »Hilda, welche Verschwendung!«

»O,« lächelte sie, »wir können fein leben, denn wir haben die Mittel dazu!«

»Du hast gestern Arbeit fortgetragen?«

»Ja.«

»Nun, was Du da erhalten hast, wird nicht lange reichen. Aber ich habe Geld, ich! Hörst Du es?«

Sie machte ein scherzhaft überraschtes Gesicht und fragte:

»Du? Du hast Geld?«

»Ja, ich.«

»Das wird auch viel sein!«

»O, es ist wirklich viel, außerordentlich viel.«

»Multiplicire nicht! So viel Geld, wie ich habe, hast Du aber auf keinen Fall!«

Er hielt das für einen Scherz, daher antwortete er:

»Das will ich glauben. Zähle doch einmal auf!«

»Jetzt nicht. Erst mußt Du essen. Komm heraus, damit wir den Vater nicht stören!«

Sie öffnete die Schlafstube. Auch diese war geheizt. Und das kleine, dort stehende Tischchen war gedeckt.

»Hilda! Sapperlot! Ist denn Feiertag?« scherzte er.

»Ja, heute ist Feiertag,« antwortete sie. »Setze Dich! Ich hole das Essen!«

»Aber Kind, ich sage Dir, daß ich wirklich nicht essen kann. Ich habe bereits gegessen!«

Sein Gesicht war dabei so ernst, daß sie sich versucht fühlte, ihm für dieses Mal Glauben zu schenken.

»Wirklich?« fragte sie.

»Ja.«

»Wo denn?«

»Im Hotel zum Kronprinzen.«

»Aber dort soll es so theuer sein!«

»Ja. Ich habe vier Gulden bezahlt.«

»Herjesses!«

»Siehst Du, wie Du staunst. Und rathe einmal, was ich mir habe auftragen lassen!«

»Sage es lieber gleich!«

»Nun, Gänsebraten und Rehrücken.«

»Gänsebraten und Rehrücken? Fast hätte ich geglaubt, daß Du gegessen hast, nun aber ist es gewiß, daß Du wieder nur so sagst. Du denkst, wir haben nicht viel, und willst uns Alles lassen. Aber warte nur, Du sollst merken, daß Deine Rechnung falsch ist!«

»Sie ist richtig. Schau einmal her!«

Er öffnete das Portemonnai und legte sein Geld auf den Tisch. Als sie diese Summe erblickte, schlug sie die Hände zusammen und sagte: »Welch ein Geld! Welch eine Summe! Ist das Dein, wirklich Dein!«

»Ja, freilich!«

»Das kann man ja kaum fassen und begreifen! Woher hast Du es denn erhalten?«

»Von meinem neuen Chef.«

»Einen neuen Chef hast Du?«

»Ja.«

»Du sprichst in Räthseln!«

»Nun, ich bin nicht mehr bei dem Residenzblatte, sondern bei dem Regierungs-Journale angestellt.«

»O, das wäre ein Glück!«

»Es wäre nicht nur, sondern es ist ein Glück. Und zwar bin ich nicht Reporter, sondern wirklich Mitarbeiter. Ich habe Artikel zu schreiben.«

Sie legte in tiefer, freudiger Bewunderung die Hände zusammen und sagte zu ihm:

»Max, es wäre gar nicht hübsch von Dir, wenn Du Spaß machtest!«

»Hilda, es ist Ernst.«

»O Gott, dann haben wir das Glück ja in aller, aller Wirklichkeit!«

»Gewiß, meine liebe Schwester. Der Commissionsrath selbst hat mich engagirt und mir hundert Gulden vorausbezahlt.«

»Hundert Gulden!«

»Ja. Und mit dem Fürsten von Befour habe ich auch gesprochen. Denke Dir!«

»Mit diesem hohen, berühmten Herrn? Wo trafst Du ihn?«

»Gestern abend bei Geheimraths, wo ich zu spielen hatte. Man war so zufrieden, daß ich noch zehn Gulden erhielt, und der Fürst hat mich sogar erkannt!«

»Erkannt? Wieso?«

»Er hat mich drüben in den Vereinigten Staaten gesehen und gehört und sich sofort an mich erinnert. Ich konnte nicht leugnen, und wurde von ihm eingeladen.«

»Zu diesem Herrn eingeladen? Max, weißt Du, was das heißt?«

»O gewiß, Hilda.«

»Wann sollst Du kommen?«

»Heute früh neun Uhr.«

»Heute – früh! Das ist ja vorüber!«

»Freilich!«

»Warst Du denn dort?«

»Natürlich!«

»Das mußt Du mir erzählen! Was wollte er? Was hatte er mit Dir zu sprechen?«

»Ueber Dieses.«

Hatte er den Arm mit Absicht so gehalten, oder war sie mit ihren eigenen Gedanken so beschäftigt gewesen, daß sie nichts bemerkt hatte, kurz, als er ihr jetzt seine Hand zeigte, fuhr sie erschrocken zurück.

»Herrgott!« sagte sie. »Du bist verbunden! Sag, was ist’s mit der Hand? Was ist geschehen?«

»Nichts Böses! Sei ohne Besorgniß, liebe Hilda! Ich bin operirt worden.«

»Operirt! Und das sagst Du so lächelnd!«

»Ja. Ich werde nämlich in ganz kurzer Zeit diese Hand gerade so gebrauchen können wie vorher.«

»Du meinst, daß Du mit der linken Hand wieder die Saiten greifen kannst?«

»Ja.«

Er erzählte ihr Alles, was er seit gestern erlebt hatte, nur Ellen Starton erwähnte er nicht. Sie hörte ihm aufmerksam zu. Ihr schönes Gesichtchen wurde immer röther und röther, von seltener Freude gefärbt. Und als er endlich geendet hatte, glänzten die Thränen des Entzückens in ihren Augen.

»Welch ein Glück, welch ein großes, großes Glück!« sagte sie. »Max, bist Du auch dankbar gewesen?«

»Dankbar? O, wie sehr.«

»Du meinst, dem Fürsten und dem Commissionsrath?«

»Ja.«

»Ich meine einen Andern.«

»Wen?«

»Den lieben Gott. Hast Du bereits gebetet?«

Er senkte den Blick. Ueber seine Schläfen zog sich eine leise Röthe. Er antwortete nicht.

Da wendete sie sich gegen das Fenster, durch welches die Strahlen der winterlichen Sonne hereinbrachen, faltete die Hände und sagte mit halblauter Stimme:

»Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut,

Dem Vater aller Güte,

Dem Gott, der alle Wunder thut,

Dem Gott, der mein Gemüthe

Mit seinem reichen Trost erfüllt,

Dem Gott, der allen Jammer stillt.

Gebt unserm Gott die Ehre!«

 

Und hingerissen von dem frommen Bilde, welches ihm die Schwester bot, trat er zu ihr, legte den linken Arm um sie, zog sie an sich, ergriff mit seiner Rechten ihre beiden Hände und sagte:

»Ich rief den Herrn in meiner Noth:

Ach Gott, erhör’ mein Schreien!

Da half mein Helfer mir vom Tod

Und ließ mir Trost gedeihen.

Drum dank, ach Gott, drum dank ich Dir

Ach danket, danket Gott mit mir;

Gebt unserm Gott die Ehre!«

 

Und beide vereint fuhren dann fort:

 

»So kommet vor sein Angesicht

Mit jauchzenvollen Sprüngen.

Bezahlet die gelobte Pflicht,

Und laßt uns fröhlich singen:

Der Herr hat Alles wohl bedacht

Und alles, alles recht gemacht;

Gebt unserm Gott die Ehre!«

 

Sie standen noch eine Weile in einander verschlungen, still und in Dankbarkeit versunken. Dann machte Hilda sich leise von dem Bruder los und zog ihr Portemonnai hervor. Ihr Gesichtchen erglühte, als sie stockend sagte: »Lieber Max, blicke einmal da hinein!«

Er blickte sie erst forschend an; dann öffnete er das Geldtäschchen, um zu sehen, was es enthalte.

»Was ist das, Hilda?« fragte er erstaunt, fast bestürzt. »Gold! Wie kommt das zu Dir?«

»Soll ich es Dir erzählen?«

»Ja! Freilich!«

»Aber wenn es mir nun schwer fällt, sehr schwer?«

»So schaffe es so schnell wie möglich wieder fort. Das, wovon man nicht mit leichtem, ruhigem Herzen sprechen kann, das ist ein Unrecht oder gar Sünde!«

»Ich werde es doch wohl behalten müssen!«

»Erzähle!«

»Versprichst Du, mich nicht auszuzanken?«

»Komme erst einmal her!«

Er nahm ihre beiden Hände, zog sie näher an sich heran und blickte ihr ernst und forschend in die Augen. Sie war verlegen und ängstlich, das sah er; ihr Gesichtchen erglühte, aber sie hielt seinen Blick doch aus.

»Nein, Hilda,« sagte er. »Auszanken werde ich Dich nicht. Du kannst einen Irrthum begehen, ein Unrecht aber nimmermehr. Nicht wahr?«

»Ja, es war ein Irrthum; aber ich konnte doch nicht ahnen, daß Du soviel Geld bringen würdest. Und schwer ist es mir gefallen, unendlich schwer, das darfst Du mir getrost glauben.«

»Was? Was ist Dir schwer gefallen?«

»Das, was ich dann dennoch nicht that. Ich hatte es mir freilich sehr fest vorgenommen, denn der Bruder braucht fünfzehn Gulden, und dieser Jude Salomon Levi wird sehr bald kommen, um« – fügte sie stockend hinzu – »um den Wechsel zu präsentiren.«

Er erschrak auf das Heftigste.

»Einen Wechsel zu präsentiren? Habe ich recht gehört?«

»Ja, lieber Max.«

»Hat er denn ein Accept in der Hand?«

»Ja.«

»Aber ich weiß ja kein Wort davon!«

»Sei ruhig, mein lieber Bruder! Die Gefahr ist ja vorüber. Höre mir lieber zu!«

Sie erzählte, wie sie und der kranke Vater sich genöthigt gesehen hatten, sich dem Wucherer zu verschreiben. Als sie geendet hatte, sagte er: »Welch eine Unvorsichtigkeit! Um mich nicht zu beunruhigen, steckt Ihr euch in zehnfache Sorge. Ich –«

»Still!« bat sie, ihm die Hand auf den Mund legend. »Du weckst sonst den Vater auf. Und übrigens hast Du mir versprochen, mich nicht auszuzanken!«

»Nun gut, ich muß leider Wort halten! Aber noch weiß ich nicht, wie Du zu dem vielen Gelde kommst.«

»Das wirst Du hören. Ich wollte Geld verdienen, schnell und genug. Ich zermarterte mir den Kopf, auf welche Weise dies am Besten geschehen könnte, aber es kam mir kein erlösender Gedanke. Da sah mich der Balletmeister, als ich seiner Frau Arbeit brachte. Weißt Du, er ist auch Kunstmaler!«

»Ich weiß es.«

»Er sollte eine Psyche malen. Er brauchte ein Modell.«

Max horchte auf.

»Er hatte kein brauchbares gefunden. Als er mich sah, meinte er, daß es kein passenderes Modell geben könne, und bot mir einen Gulden für die Sitzung.«

Da fuhr der Bruder blitzschnell von seinem Sitze empor und rief, trotz des schlafenden Vaters mit überlauter Stimme: »Hölle und Teufel! Hilda, Mädchen! Bist Du bei Sinnen?«

»Ich wollte nicht. Aber so oft ich kam,« fuhr die Schwester fort, »gab er sich Mühe, mich zu überreden. Und endlich, gestern, willigte ich ein.«

Da ließ er die Arme sinken; sein Auge verlor den Glanz, und seine Lippen wurden blaß.

»Du hast – Modell gesessen?« stieß er hervor.

»Nein.«

»Aber Du erzählst ja, daß Du eingewilligt hast!«

»Aber gethan habe ich es doch nicht. Höre weiter!«

Sie erzählte das Erlebniß wahrheitsgetreu. Als sie bis dahin gekommen war, wo sie angekleidet aus dem Cabinet getreten war, sagte er tief aufathmend: »Dem Himmel sei Dank! Ich hätte diesen Balletmeister und Kunstmaler umgebracht! Was sagte er?«

Sie fuhr in ihrem Berichte fort. Jetzt, wo ihr das Herz wieder leicht geworden war, fand sie die geeigneten Ausdrücke, die komische Kampfesscene auf das Humoristischste zu schildern, so daß auch Max laut auflachen mußte. Dann erwähnte sie die fremde Dame, von welcher sie in Schutz genommen worden war.

»Wer war sie?« fragte er.

»Das wirst Du sogleich erfahren. Ich glaubte, es sei ein Engel oder eine Fee eingetreten. Ich habe nicht geahnt, daß eine Dame so schön, so unendlich schön sein kann. Könnte ich sie Dir doch nur beschreiben. Sie führte mich fort und nahm mich mit in ihre Wohnung, nämlich in das Hotel Union –«

»Dort wohnen nur Fremde.«

»Sie ist auch fremd. Sie hat eine Negerin bei sich.«

Er horchte auf.

»Wie alt ist diese Negerin?« fragte er rasch.

»Vielleicht vierzehn Jahre.«

»Hast Du ihren Namen gehört?«

»Ja.«

»Wie heißt sie?«

Sie sagte es ihm und hielt es für sehr verwunderlich, daß er dann mit einem raschen Schritte zum Fenster trat. Er wollte die Gluth verbergen, welche sein Gesicht bedeckte. Endlich drehte er sich um und fragte: »Warum nahm sie Dich mit zu sich?«

»Um mir Arbeit zu geben.«

»Hast Du Aufträge erhalten?«

»Ich soll nur für sie arbeiten, und die hundert Gulden hat sie mir vorausbezahlt.«

Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als ob da etwas wegzuwischen sei. Dann fragte er: »Wie heißt sie?«

»Hier ist ihre Karte, welche sie mir mitgab.«

Er warf einen Blick darauf und sah den Namen, der ihm der allertheuerste war. Dann sagte er im Tone tiefster Traurigkeit: »Hilda, o Hilda, hättest Du das doch nicht gemacht!«

»Was denn? Sie nahm mich ja mit! Konnte ich anders?«

»Das Geld solltest Du nicht nehmen.«

»Warum nicht? Ich hatte solche Freude. Wir befanden uns in so tiefer Bedrängniß.«

»Und dennoch hättest Du es zurückweisen sollen!«

Sie blickte ihn mit stummem Vorwurfe an; dann versuchte sie sich zu entschuldigen:

»Ich wußte nicht, daß Du heute Geld erhalten würdest!«

»Aber, was sie nun von uns denkt!«

»Daß wir arm sind!«

»Das ist keine Schande; aber daß wir einen Vorschuß annehmen müssen! Hat sie denn nach unsern Verhältnissen gefragt?«

»Ja.«

»Auch nach den Personen?«

»Ja, nach Dir auch.«

»Hast Du gesagt, was ich bin und was ich war?«

»Gewiß. Hätte ich das nicht thun sollen?«

»Nein. Weißt Du, was diese Dame ist?«

»Nun, was?«

»Eine amerikanische Tänzerin. Sie soll morgen Abend mit einer Rivalin in die Schranken treten.«

Erst jetzt begann es in Hilda zu dämmern. Warum war der Bruder gestern so glücklich gewesen? Warum war er heute so traurig darüber, daß sie den Vorschuß angenommen hatte? Sollte Miß Ellen Starton jene Tänzerin sein, von welcher sie in seinem Tagebuche gelesen hatte?

Wenn sie es war, so konnte Hilda begreifen, wie er es nicht vermocht hatte, ihr Bild aus seiner Seele zu reißen. Sie sah aber auch ein, wie der Vorschuß seinen Mannesstolz verletzen müsse. Sie wollte eben ein Wort der Entschuldigung sagen; da hörte man draußen an die Stubenthür klopfen. Hilda ging, um zu öffnen, und ließ die Verbindungsthür um eine Lücke offen.

»Grüß Gott, liebes Kind! Ich komme, um Wort zu halten!« sagte eine gedämpfte, aber außerordentlich wohlklingende Stimme.

»Willkommen, gnädiges Fräulein!« antwortete Hilda. »Wie beschämen Sie mich durch diesen Besuch!«

»Beschämen? O nein, o nein! Wer ist dieser alte, ehrwürdige Herr?«

»Mein armer Vater.«

»Von welchem Sie erzählten? Er schläft. Stören wir ihn ja nicht. Bitte, lassen Sie uns in das Nebenzimmer treten, damit er uns hier nicht sprechen hört!«

Sie öffnete die Thür. Da lag die kleine, ärmliche Stube; da standen die mit billigem, bunten Kattun überzogenen Betten, und – da lehnte Max an der Wand, bleich wie der Tod und mit gesenktem Auge.

Der Blick der Amerikanerin leuchtete auf. Doch in ruhigem Tone fragte sie:

»Ah, ich störe vielleicht. Wer ist dieser Herr?«

»Mein Bruder, Max Holm, Miß Starton.«

Ellen verbeugte sich. Max versuchte, diese Verbeugung zu erwidern, konnte aber nicht sagen, ob oder wie ihm dies gelungen sei. Ihr Auge fiel auf seine Hand. Es war, als ob sie zusammenzuckte. Ihrer Stimme aber war nichts anzumerken, als sie fragte: »Sind Sie blessirt, Herr Holm?«

»Nein,« antwortete er.

Und an seiner Stelle fuhr Hilda, welche die ganze Situation begriffen hatte, fort:

»Eine frühere Wunde wurde falsch geheilt; jetzt ist die Stelle operirt worden.«

»Sagten Sie nicht, daß Ihr Herr Bruder Reporter sei?«

»Gestern sagte ich es.«

»Eine mühevolle Beschäftigung, nicht, Herr Holm?«

»Das darf ich wohl bestätigen,« antwortete er. »Auch jetzt ruft mich meine Pflicht, so daß ich mich gezwungen sehe, mich Ihnen zu empfehlen.«

Er griff nach seinem Hute. Hätte er gesehen, mit welcher Theilnahme ihr Blick ihm folgte, so wäre er wohl nicht mit der Bitterkeit fortgegangen, welche jetzt sein Herz vergällte.

»Verloren, verloren!« murmelte er, als er langsam die Treppe hinabstieg. »Hilda hat keine Ahnung, was für ein Herzeleid sie mir angethan hat.«

Er schritt hinaus auf die Straße, wohin, das war ihm gleich. Er hatte weder Acht auf rechts noch auf links, bis er fast mit einem Passanten zusammenrannte, welcher, ihn beim Arme packend, anredete: »Sapperlot, Herr Holm, träumen oder dichten Sie?«

Er blickte erschrocken auf.

»Herr Commissionsrath! Verzeihung!«

»Sie müssen denn doch, ganz gegen meine Meinung, ein schlechter Reporter gewesen sein. Suchen Sie die Neuigkeiten auf Ihren Fußspitzen?«

»Doch nicht. Ein jeder Mensch hat einmal einen Augenblick, an welchem er nicht zu Hause ist.«

»Und diesen Augenblick haben Sie jetzt? Schön! Worüber dachten Sie nach?«

»Ueber die Aufgabe, welche Sie mir gestellt haben.«

»Prächtig! Werden Sie sie lösen?«

»Zur Zufriedenheit.«

»Nicht zu sanguinisch, mein Lieber!«

»Ich überschätze mich nie, Herr Commissionsrath; aber der Stoff, den ich mir gesammelt habe, verbürgt mir den Erfolg.«

»Ist er interessant?«

»Noch viel mehr!«

»Also hochinteressant?«

»Selbst noch mehr als das. Er ist geradezu zündend. Mein Artikel wird in die Gesellschaft platzen wie eine Granate.«

»Halten Sie Wort! Ihr Schaden wird es nicht sein! Darf ich vielleicht bereits jetzt Etwas erfahren?«

»Ich möchte Sie ersuchen, mich von einer Mittheilung jetzt zu dispensiren.«

»Ganz wie Sie wollen. Aber wann erhalte ich die Arbeit?«

»Sobald sie beendet ist.«

»Hm! Das ist höchst unbestimmt. Ich hatte gerechnet, bereits für die morgige Nummer Etwas zu bekommen.«

»Unmöglich!«

»Warum?«

»Ich darf Ihnen nichts Unreifes geben, und ebenso müssen die Ereignisse erst zur Reife gelangen.«

»Vielleicht ist’s dann zu spät, diesem Residenzblatte eine Schlappe zu bereiten.«

»O nein! Die Schlappe wird beispiellos sein.«

»Nun gut, so will ich Ihnen vertrauen. Sie besuchen doch morgen die Vorstellung?«

»Ja. Ich werde mir bereits heute ein Billett besorgen.«

»Ist nicht nothwendig. Hier haben Sie ein Passepartout. Behalten sie es. Es öffnet Ihnen alle Thüren.«

Er ging weiter. Holm steckte das Billett ein und begann nun erst, sich zu orientiren. Er befand sich auf der Palaststraße.

»Ich habe wahrhaftig geträumt,« murmelte er. »Ich weiß nicht, wie ich hierher gekommen bin. Doch halt, es ist ja gut, daß ich mich in dieser Gegend befinde. Gehe ich immer geradeaus, so komme ich nach dem Bellevue, wo morgen der Oberstclaqueur mit der Leda Hochzeit hält. Ich werde mich doch einmal erkundigen, ob er sich bereits das Logis reservirt hat.«

Als er am Palais des Fürsten von Befour vorüberschritt, trat dieser soeben aus dem Portal. Holm zog ehrerbietig den Hut, und der Fürst dankte sehr leutselig.

»Wie steht es mit der Hand?« fragte der Letztere. »Haben sich Schmerzen eingestellt?«

»Nein, Durchlaucht. Es scheint Alles gut.«

»Wollen es wünschen. Gehen Sie spazieren oder in Geschäften?«

»Beides. Ich spaziere und denke dabei an das Geschäft.«

»Auch ich wollte ein wenig Schneeluft schöpfen. Wohin wenden sie sich jetzt?«

»Nach dem Bellevue.«

»Nehmen Sie mich mit?«

Holm war ganz entzückt, mit diesem Manne gehen zu können, und drückte das in Worten aus.

»Bitte, keine Ueberschwänglichkeiten,« sagte der Fürst. »Wir Menschen sind gleichwerthig, sobald ein Jeder seine Pflicht erfüllt. Wie ich hörte, hat Ihr Engagement eine Änderung erfahren?«

»Wie? Durchlaucht wissen das bereits?«

Der Fürst lächelte leise vor sich hin und antwortete:

»So Etwas spricht sich schnell herum. Ist Ihnen vielleicht eine Probeaufgabe geworden?«

»So etwas Ähnliches. Wenigstens möchte ich es so nennen.«

»Darf man es wissen?«

»Gewiß! Es betrifft den für morgen zu erwartenden Wettstreit zwischen den beiden Tänzerinnen. Durchlaucht haben, wie ich gestern zu hören die Ehre hatte, die Amerikanerin gesehen?«

»Einige Male. Sie wird siegen.«

»Ich möchte es bezweifeln.«

»Und ich behaupte es.«

»Sie hat es mit Gegnern zu thun, denen selbst das unehrlichste Mittel gut genug ist, wenn es nur dazu dient, den Zweck zu erreichen.«

»Sie wird dennoch siegen, wenn auch nicht morgen.«

»Ja, wenn Durchlaucht so meinen, dann bin ich freilich ganz derselben Meinung. Aber wehe diesen Intriguanten, wenn sie es zu toll treiben! Sie bekommen es mit mir zu thun!«

»Ah! Sind Sie so fürchterlich?«

»Wenigstens hoffe ich, meinen Mann zu stellen.«

»Sie werden Ihre Lanze der Amerikanerin zu Ehren einsetzen, wie ich vermuthe?«

»Sicher! Und wen diese Lanze trifft, der ist verloren.«

»Diese Worte lassen vermuthen, daß Sie sich bereits in den Besitz guter Waffen gesetzt haben?«

»Ja; ich bin so glücklich gewesen, Dinge zu erfahren, welche mich an meinem Siege nicht zweifeln lassen. Die Gegner unserer Miß Ellen haben sich Blößen gegeben, welche nicht mehr zu verhüllen sind.«

»Darf man vielleicht diese Blößen kennen lernen?«

»Da müßte man erst die Gegner kennen.«

»Nun, wer sind sie?«

»Zunächst dieser Herr Intendant des Residenztheaters.«

»Was ist er für ein Mann?«

»Dumm, stolz und eingebildet, und dabei ein großer Bewunderer der Schönheit.«

»Ah! Die Amerikanerin ist schön; also sollte er eigentlich nicht zu ihren Gegnern zählen.«

»Sie ist schön, sehr schön, das ist wahr. Aber ihre Schönheit ist eine dianenhafte; sie ist keusch, rein, unberührbar. Der Intendant hat einen vergeblichen Angriff unternommen und ist auf eine geradezu demüthigende Weise abgewiesen worden. Leda dagegen hat ihn erhört.«

»Dann läßt sich allerdings die Gegnerschaft begreifen. Die übrigen Widersacher? Wer sind sie?«

»Der Capellmeister, der Balletmeister, der Chef der Claqueurs und der Chefredacteur des Residenzblattes.«

»Wie hat sie sich diese Herren zu Feinden gemacht?«

»Ganz auf dieselbe Weise und aus demselben Grunde. Man hat ihr zugemuthet, sich ihr Engagement durch Opfer zu erkaufen, welche ein braves Weib unmöglich bringen kann. Sie hat diese Zumuthungen in ihrer vornehmen Weise abgewiesen, während Mademoiselle Leda sich hingegeben hat, wo, wie und wann es verlangt wurde. Alle die genannten Herren sind einig, die Leda zu engagiren.«

»Hm! Vielleicht verrechnen sie sich.«

»Ich möchte den Einfluß, welchen diese Männer besitzen, denn doch nicht unterschätzen.«

»Ich thue das auch nicht; aber ich habe Miß Starton gesehen und weiß, daß sie das Publicum hinreißen wird.«

»Vielleicht läßt man es gar nicht dazu kommen.«

»Wie wollte man dies anfangen?«

»Durch allerhand Intriguen. Es ist zu bedenken, daß fünf einflußreiche Theaterbeamte den Wunsch haben, sie durchfallen zu lassen. Diese Herren stehen an der Spitze der Theaterverwaltung und befinden sich im Besitze so vieler Mittel, ihren Zweck zu erreichen, daß es ihnen wohl gar nicht einfallen wird, an dem Erfolge ihrer Bemühungen zu zweifeln.«

»Ich kann Ihnen freilich nicht Unrecht geben. Mein Interesse für diese außerordentliche Dame ist ein sehr großes; ich möchte sie gern in meinen Schutz nehmen; aber während ich in den Kreisen des Hoftheaters en vogue bin, kenne ich die Verhältnisse und Persönlichkeiten des Residenztheaters leider zu wenig, als daß ich mir irgend einen Einfluß zutrauen dürfte.«

»Vielleicht gelingt es mir, diesen Herren ein Paroli zu bieten, obgleich ich nur ein armer Reporter bin.«

»Was wollen Sie thun? Wie wollen Sie in der Weise hinter ihre Machinationen kommen, daß Sie dieselben zu Schanden machen können? Sie haben ja nur bis morgen Zeit, ihre Intriguen zu hintertreiben?«

»Dies zu können, maße ich mir gar nicht an. Mein Wirken kann nicht ein präservatives sein; das heißt, ich kann nichts verhüten. Aber ich kann etwas noch viel Besseres: Nämlich ich kann mit Keulen drein schlagen, wenn ich erkenne, daß man sich morgen irgend einer Ungerechtigkeit schuldig macht.«

»Sie scheinen überzeugt, daß dies der Fall sein wird.«

»Allerdings. Man ist so sehr überzeugt, die Amerikanerin durchfallen lassen zu können, daß der Chef der Claqueurs sich bereits seine Prämie ausbedungen hat.«

»Von der Leda?«

»Ja.«

»Worin soll diese Prämie bestehen?«

»In einer Schäferstunde.«

»Ah! Wissen Sie das genau?«

»Ich habe es aus sicherem Munde.«

»Wann soll diese Schäferstunde gewährt werden?«

»Morgen Abend nach der Vorstellung.«

»So bald? Wo?«

»Auf dem Bellevue.«

»Sehr hübsch! Das könnte Ihnen Gelegenheit geben, sich einen Spaß zu machen.«

»Gewiß! Ich habe ganz dasselbe gedacht, und es fällt mir gar nicht ein, diese Gelegenheit zu versäumen.«

»Was haben Sie sich ausgesonnen?«

»Noch nichts.«

»Dann denken sie nach.«

»Ich will eben jetzt nach dem Bellevue. Der Wirth ist ein sehr guter Bekannter von mir, der mir den Spaß wohl nicht verderben wird.«

»Ich gehe mit.«

»Kennt der Wirth Sie, Durchlaucht?«

»Ja. Sollte er irgend welche Bedenken hegen, Ihnen zu Willen zu sein, so werde ich dieselben zerstreuen.«

»Ich will nämlich zunächst erfahren, ob er bereits weiß, daß Herr Léon Staudigel morgen Abend kommen wird.«

»So heißt dieser Chef der Claqueurs?«

»Ja.«

»Wunderbarer Name! Wenn der Mann so ist wie sein Name, dann ist er jedenfalls ein sonderlicher Kauz. Doch, da ist das Bellevue. Gehen wir hinein!«

Das genannte Etablissement lag auf einer vor der Hauptstadt befindlichen Anhöhe, von welcher sich eine sehr hübsche Aussicht über die Residenz bot. Daher der Name Bellevue. Es gab hier Restaurant, Tanzsaal und Fremdenzimmer. In das Erstere traten die Beiden.

Sie befanden sich noch nicht lange da, so kam der Wirth in die Restauration, in welcher sie von einem Kellner bedient worden waren. Er erblickte die zwei Gäste und stutzte. Der arme Reporter und Bierfiedler neben dem Fürsten von Befour an einem und demselben Tische, das war ihm unerklärlich. Max Holm winkte ihm, und er folgte dieser Aufforderung. Er machte dem Fürsten eine außerordentliche tiefe Verbeugung.

»Haben Sie für einige Augenblicke Zeit?« fragte Holm.

»Ja, für Sie stets, wie Sie wissen.«

»Wollen Sie sich einmal zu uns setzen?«

»Zu Ihnen?« fragte er erstaunt. »Kennen sich die Herren denn?«

»Ja,« antwortete der Fürst. »Setzen Sie sich immerhin zu uns. Auch ich ersuche Sie darum.«

»Nun, wenn Durchlaucht befehlen, muß ich gehorchen.«

Er ließ sich auf einen Stuhl nieder.

»Kennen Sie Herrn Staudigel?« fragte Holm.

»Den Chef der Claqueurs?«

»Ja.«

»Den kenne ich.«

»Ist Ihnen auch eine Mademoiselle Leda bekannt?«

»Die Tänzerin, welche morgen Abend in der Königin der Nacht auftreten wird?«

»Dieselbe.«

»Gehört habe ich von ihr. Aber gesehen habe ich sie noch nicht.«

»Ich denke, daß Sie sie morgen sehen werden?«

»Leider nicht!«

»Wirklich nicht?«

»Nein. Ich möchte diese interessante Vorstellung sehr gern besuchen, aber ich muß leider daheim bleiben. Ich darf meine Gäste nicht vernachlässigen.«

»Das meinte ich nicht.«

»Was denn, Herr Holm?«

»Ich glaubte, Sie würden die Tänzerin hier bei sich sehen?«

»Als Gast etwa?«

»Ja.«

»Davon weiß ich kein Wort! Will sie denn herkommen?«

»Ja.«

»Das freut mich. Ich möchte sie gern sehen. Da kommt sie wohl am Nachmittage?«

»Nein, sondern des Abends.«

»Da muß sie doch auftreten?«

»Ich meine nach der Vorstellung.«

Der Wirth schüttelte den Kopf.

»Sie sind Reporter, Herr Holm,« sagte er; »Sie wissen also wohl Manches, was Unsereiner nicht erfährt. Aber die Vorstellung wird morgen jedenfalls erst gegen elf Uhr geschlossen sein, und daß dann die genannte Dame noch meine so entlegene Restauration aufsuchen werde, das möchte ich wenigstens bezweifeln.«

»Schlauberger!«

»Was?« fragte der Wirth, über dieses Wort verwundert.

»Sie sind um Verschwiegenheit angegangen worden!«

»Ich?«

»Ja. Sie haben versprechen müssen, nichts zu verrathen.«

»Ich weiß nicht, was Sie meinen!«

»Pah! Verstellen Sie sich nicht!«

»Aber, Herr Holm, ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich keine Ahnung von einem Besuche dieser Leda habe!«

»Wirklich?«

»Auf Ehre!«

»Und von Herrn Léon Staudigel wissen Sie auch nichts?«

»Kein Wort! Was ist es denn mit diesem?«

»Er kommt auch.«

»Mit der Leda?«

»Ja.«

»Ah! Sapperment!«

Der Wirth schnippste mit den Fingern und stieß dann einen leisen, scharfen Pfiff aus.

»Nun, Sie besinnen sich wohl?« fragte Holm.

»Hm! Ich weiß nicht, ob das im Zusammenhange steht.«

»Was?«

»Ich soll nicht davon sprechen.«

»Sie haben doch nicht etwa einen Eid abgelegt, daß Sie schweigen werden?«

»Das allerdings nicht.«

»Nun, so denke ich, daß Sie sich wohl nicht um Ihre Seligkeit bringen werden, wenn Sie uns eine kleine Andeutung geben, was das ist, woran Sie jetzt dachten.«

»Ich habe allerdings einen Besuch angemeldet erhalten.«

»Zwei Personen?«

»Ja.«

»Ein Herr und eine Dame?«

»Ja.«

»Für wann?«

»Für morgen Abend zwischen elf und zwölf Uhr.«

»Wer machte die Meldung?«

»Ein Mann, den ich nicht kannte. Es wurde ein feines Souper für unter Zweien bestellt.«

»Separates Zimmer?«

»Ja.«

»Wenn keine Namen genannt worden sind, so haben Sie doch gewissermaßen ein Risico übernommen.«

»Wieso?«

»So ein Souper kostet Geld.«

»Billig freilich ist es nicht.«

»Sie haben sich auf die beiden Angemeldeten vorzubereiten. Wie aber, wenn sie nicht kommen?«

»O, ich habe mich vorgesehen?«

»In wiefern?«

»Ich habe Garantie verlangt.«

»Hat man sie geleistet?«

»Ja. Der Mann, welcher die Bestellung machte, hatte für mich zwanzig Gulden eingehändigt bekommen.«

»Das ist etwas Anderes.«

»Sie meinen also, daß es Staudigel mit der Leda ist?«

»Ja.«

»Hm! Ich dachte mir so etwas Ähnliches. Geheimnißvoll war es, da sie nicht erkannt sein wollen.«

»Sie werden sie doch sehen!«

»Nein.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Es wurde mir gesagt, ich solle mich nicht wundern, wenn die Herrschaften eine Maske vor dem Gesichte tragen würden. Sie würden sich sofort auf ihr Zimmer begeben, und sie wünschten, von mir bedient zu werden. Nach dem Souper hätte ich mich zu entfernen. Die zwanzig Gulden seien zu meiner Sicherheit. Es verstehe sich aber ganz von selbst, daß das Souper nicht für diesen Preis verlangt werde.«

»Dann macht sich dieser Herr Staudigel einmal nobel. Würden Sie mir einen Gefallen thun?«

»Welchen?«

»Ich möchte die Beiden belauschen.«

»Ist das nicht zu viel verlangt?«

»Wohl nicht.«

»Ich habe auf meine Gäste zu sehen.«

»Auch ich bin Ihr Gast.«

»Sie verlangen einen Vertrauensbruch.«

»Besitzen etwa Sie das Vertrauen dieser Beiden, welche Ihnen nicht einmal wissen lassen, wer sie sind?«

»Hm!«

»Ist es nicht auch für Sie besser, wenn ich sie belausche? Was können die Beiden im Schilde führen? Vielleicht ist das Souper nur ein Vorwand. Uebrigens wissen Sie, daß wir Reporter so halb und halb als Polizisten betrachtet werden müssen.«

»Ich weiß sehr wohl, daß Sie mit der Polizei in fleißiger Beziehung stehen.«

»Wie nun, wenn ich gerade in diesem Falle einen höchst triftigen Grund hätte, zu erfahren, wer die Beiden sind und was sie sprechen.«

»Ja, wenn ich wüßte, daß sie nichts davon erfahren, daß sie belauscht werden.«

»Dafür zu sorgen, das ist Ihre Sache.«

»Sie selbst werden nichts verrathen?«

»Nein.«

»Nun gut, ich will Ihnen zu Willen sein. Bitte, bemühen Sie sich mit herauf nach dem Zimmer, in welchem die Beiden speisen werden. Wenn Sie die Localität kennen, werden sie leichter sagen können, in welcher Weise wir uns zu arrangiren haben.« – –

Der verlorne Sohn
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