»Denen ich jetzt begegnete?«

»Ja.«

»Die Eine ist ein Monstrum. Ich erschrak förmlich, als ich sie erblickte.«

»Sie stammt aus einem Riesengeschlecht.«

»Ah, Sie kennen sie?«

»Sie heißt Bormann.«

»Sapperment!« rief der Fürst. »Das ist mir höchst interessant! Ob sie vielleicht eine Schwester der beiden berüchtigten Bormänner ist?«

»Es scheint so. Sie heißt Aurora und ist jedenfalls in Beziehung auf ihren moralischen Werth den beiden Brüdern vollständig ebenbürtig.«

»Woher kennen Sie sie denn?«

»Ich sah sie soeben zum ersten Male.«

»Und beurtheilen sie bereits mit solcher Sicherheit?«

»Ich war so glücklich, sie zu belauschen. Die Andere ist ihre Mutter. Sie saßen mit einander da nebenan und hatten keine Ahnung, daß ich anwesend sei.«

»Das ist interessant!«

»Sogar im höchsten Grade. Ich habe Dinge erfahren, welche Licht auf zwei schwere Verbrechen werfen.«

»Was Sie sagen!«

»Ja. Die Tochter eines meiner Bekannten wurde wegen Kindesmord unschuldig verurtheilt. Jetzt kann ich beweisen, daß sie unschuldig ist.«

»Ich gratulire Ihnen.«

»Und denken Sie sich, wer die Mörderin ist?«

»Nun, wer?«

»Die Leda.«

»Alle guten Geister! Die Leda?«

»Ja.«

»Sie spinnen einen Roman!«

»Ganz und gar nicht! Und sodann ist ein gewisser Herr von Scharfenberg von seinem Verwalter oder Inspector bestohlen worden. Die Riesin hat tausend Gulden von dem betreffenden Gelde erhalten.«

»Sie sind des Teufels!« rief der Fürst, im höchsten Grade überrascht.

»Durchlaucht scheinen diesen Fall zu kennen?«

»Ja, sehr gut. Ich halte Den, welcher bestraft worden ist, für unschuldig.«

»Einen gewissen Petermann?«

»Ja. Sprachen diese Beiden von ihm?«

»Ja. Diese beiden Verbrechen scheinen im Zusammenhange zu stehen.«

»Wieso?«

»Nun, die Leda hat früher Editha von Wartensleben geheißen und –«

»Immer interessanter und spannender!« fiel der Fürst ein.

»Sie hat ein Kind gehabt und es ermordet. Sie hat es auf dem Friedhofe begraben wollen, des Nachts, und die Leiche mit einer anderen Kindesleiche vertauscht.«

»Weiter, weiter! Erzählen Sie ausführlicher.«

»Später, Durchlaucht. Ich muß auf die Riesin merken. Ich darf sie nicht aus den Augen lassen.«

»Ich passe schon auf. Erzählen Sie nur.«

»Nun, ich sagte Ihnen heute, daß ich Waffen in der Hand, habe, die Gegner der Amerikanerin zu besiegen –«

»Das sagten Sie allerdings.«

»Ich dachte da nicht, daß sich diese Waffenrüstung so sehr bald vervollständigen würde. Hören Sie!«

Er erzählte von dem Theaterdiener Werner und davon, daß er die Leda belauscht hatte. Der Fürst hörte höchst aufmerksam zu und sagte, als Holm geendet hatte: »Das ist allerdings geradezu niederschmetternd für diejenigen Herren, welche beabsichtigen, die Leda zu protegiren. Sie haben Recht, die Riesin darf nicht aus dem Auge gelassen werden. Sie verfolgt die Leda, und wir Beide verfolgen sie.«

»Wie? Durchlaucht wollen sich betheiligen?«

»Gewiß! Sie werden später hören, daß ich allen Grund habe, mich für diese Angelegenheit auf das Höchste zu interessiren. Also der Baron Franz von Helfenstein ist der Vater des Kindes jener Theaterdienerstochter gewesen?«

»Ja. Er hat ihr Gewalt angethan, nachdem er sie durch irgend ein narkotisches Mittel betäubt hatte.«

»Das zu hören, ist mir von großem Vortheile. Aber sehen Sie, da versteckt sich die Riesin hinter jenem Baum!«

»Sie hat bemerkt, daß die Leda aufbrechen will. Diese schnallt soeben ihre Schlittschuhe ab.«

»Ah, das ist sie! Nun, passen wir auf.«

Die Leda kam zu ihrer auf sie wartenden Mutter und entfernte sich mit ihr. Die Riesin folgte ihr in Begleitung ihrer Mutter, und in angemessener Entfernung hinter ihnen kamen dann der Fürst und Max Holm.

Die Tänzerin ging direct nach dem Hotel Kronprinz. Als sie dort eingetreten war, sagte die Riesin zu ihrer Mutter: »Gehe zum Portier und frage, ob sie da logirt.«

»Warum willst Du Dich nicht selbst erkundigen?«

»Weil meine Person zu auffällig ist. Ich warte hier an diesem Schaufenster, indem ich so thue, als betrachte ich mir die ausgestellten Gegenstände.«

Die Mutter ging und kam bald zurück.

»Sie wohnt da,« berichtete sie. »Eine Treppe hoch!«

»Gut! Jetzt nun nach der Scheune!«

Sie gingen durch einige Straßen, bis sie an einen der Friedhöfe der Residenz gelangten. An der Mauer desselben entlang gehend, hatten sie nun die Stadt hinter sich und kamen an eine Stelle, wo mehrere Scheunen standen.

»Weißt Du noch, welche es war?« fragte die Mutter.

»Ja, die zweite da. Komm!«

Sie umgingen die erste der Scheunen und blickten sich dabei vorsichtig um, ob vielleicht Jemand vorhanden sei. Sie überzeugten sich, daß sich Niemand in der Nähe befand, und nun bückte die Riesin sich an der hinteren Seite der Scheune nieder.

Da, wo das Gemäuer den Erdboden berührte, hatte der Baumeister offene Durchzüge gelassen, welche von einer Seite nach der anderen gingen und den Zweck hatten, der Luft den Zutritt zu gestatten und so das Ansammeln von Feuchtigkeit und das Gedeihen des Hausschwammes zu verhüten.

Diese Durchgänge waren vielleicht zehn Zoll in’s Gevierte; da aber die Scheune alt war, so hatte sich Kalk und Mauerwerk losgebröckelt und die Oeffnungen fast vollständig verstopft.

An einer dieser Oeffnungen war es, wo die Riesin sich niederkauerte. Sie begann nun, den Schutt mit den Händen wegzuräumen. Ihre Mutter warnte: »Nimm Dich in acht. Streue nicht zu viel umher, sonst könnte man bemerken, daß hier etwas geschehen ist.«

»Habe keine Sorge. Ich werde schon vorsichtig sein!«

Als die Oeffnung groß genug geworden war, langte sie mit dem Arme hinein.

»Nun, ist’s noch da?« fragte ihre Mutter, weiche ihre Neugierde nicht zu beherrschen vermochte.

»Ja. Oder – hm, oder ist’s nur ein Stein.«

»Das wäre dumm, sehr dumm!«

»Es ist hart, wirklich steinhart.«

»Ziehe es heraus!«

Die Riesin zog den Gegenstand heraus und konnte dann einen halblauten Ausruf nicht unterdrücken.

»Alle Teufel! Mutter, schau her!«

»Das Kind, wirklich das Kind!« sagte diese.

»Aber so wohl erhalten!«

»Nicht verfault.«

»Gerade so, als ob es erst jetzt gestorben sei, aber so hart wie Fels und Eisen.«

»Es ist versteinert. Es soll ja zuweilen vorkommen, daß Leichen zu Stein werden.«

»Ja. Es kommt darauf an, in welcher Erde so eine Leiche liegt. Na, jetzt wissen wir, woran wir sind!«

»Die Leda wird uns gegenüber nicht leugnen können. Thue es wieder hinein und mache dann das Loch zu!«

Und als die Tochter dieser Aufforderung nachkam, fuhr die Mutter fort:

»Aber dennoch ist es möglich, daß sie uns die Thür zeigt.«

»Das wird sie nicht wagen!«

»Was wollen wir dagegen machen?«

»Sie anzeigen.«

»So gerathen wir selbst in die Tinte. Wir sind Mitschuldige. Wir hätten Anzeige erstatten müssen.«

»Unsinn! Denkst Du etwa, ich würde persönlich nach der Polizei gehen?«

»Du meinst einen Brief, aber nicht unterschreiben?«

»Ja.«

»Das würde nichts helfen. Man könnte der Leda doch nichts beweisen. Um sie zu überzeugen, ist unbedingt unser Zeugniß nöthig.«

»Dafür würde ich mich schön bedanken! Uebrigens zweifle ich gar nicht daran, daß es mir gelingen wird, die Leda so einzuschüchtern, daß sie tief in die Tasche greift. So, da bin ich fertig. Komm!«

»Wohin nun?«

»Zunächst müssen wir uns nach einem Gasthofe umsehen, wo wir für heute bleiben.«

Der Fürst und Max Holm waren ihnen bis an den Friedhof gefolgt. Dieser stand offen, und der Fürst schritt geraden Weges zum Eingange hinein.

»Hier hinein?« fragte Holm erstaunt.

»Ja.«

»Aber warum?«

»Um unbemerkt zu bleiben.«

»Aber wir verlieren sie aus den Augen.«

»Wohl kaum. Nach Ihrem Berichte ist die Leda des Nachts von hier weg nach der Scheune gegangen. Es läßt sich also vermuthen, daß diese Letztere nicht sehr weit entfernt von hier sein wird. Kommen Sie nur!«

Sie schritten über den ganzen Kirchhof hinweg bis zur entgegengesetzten Mauer. Dort angelangt, deutete der Fürst nach außen und sagte: »Da, sehen Sie! Dort gehen sie, und dort sind auch die Scheunen.«

»Ja, wirklich! Aber welche wird es sein?«

»Das werden wir erfahren.«

»Wenn wir es aber nicht sehen? Da, jetzt verschwinden sie hinter der ersten Scheune.«

»Wir hätten ihnen auf keinen Fall soweit folgen können, daß es möglich gewesen wäre, sie ganz genau zu beobachten. Wir müssen vorsichtig sein. Es liegt ja Schnee, und wir werden die Spuren dieser beiden liebenswürdigen Damen sehr leicht finden.«

Hinter einem großen Lebensbaume versteckt, so daß sie von außen auf keinen Fall bemerkt werden konnten, warteten sie, bis endlich Mutter und Tochter wieder erschienen.

»Lassen wir sie vorüber?« fragte Holm.

»Das versteht sich. Sie sind entschlossen, nicht nach Rollenburg zu fahren. Sie wollen hier bleiben, um von der Leda Geld zu erpressen; ich vermuthe also, daß sie sich zunächst um ein Logis bekümmern werden.«

»Das läßt sich allerdings erwarten.«

»Mag das nun ein Privatlogis oder ein Fremdenzimmer im Gasthofe sein, wir müssen es auf jeden Fall kennen lernen. Kommen Sie; sie sind jetzt vorüber.«

Sie folgten den Frauen von Neuem, bis dieselben in einem Gasthofe dritten oder gar vierten Ranges verschwanden. Max Holm fragte: »Gehen wir auch hinein?«

»Beide nicht. Warten Sie, ich werde mich erkundigen.«

Als er in die räucherige Gaststube trat, saßen die beiden Gesuchten an einem Tische. Er nahm in einer dunklen Ecke Platz und ließ sich ein Glas Bier geben.

Die Riesin hatte sich Kaffee bestellt. Als der Wirth denselben brachte, fragte sie:

»Sie haben Fremdenzimmer?«

»Ja.«

»Können wir ein solches für heute und wohl auch noch für morgen bekommen?«

»Ja, gern!«

»So lassen Sie Feuer machen.«

»Es steht gerade jetzt ein warmes zur Verfügung.«

»Recht so. Wir gehen sogleich hinauf. Besorgen Sie uns auch die Speisenkarte!«

Sie tranken ihren Kaffee schnell aus und ließen sich dann nach oben führen. Jetzt bezahlte der Fürst sein Bier und zog seine Brieftasche hervor. Er schrieb einige Zeilen, welche seinem Diener Adolf galten, und steckte sie in ein Couvert, deren er stets welche bei sich führte.

Nun suchte er zunächst Max Holm auf und dann einen Dienstmann, welchem er die Zeilen zur Besorgung gab.

»Jetzt nun gehen wir nach der Scheune,« sagte er dann.

»Aber wenn uns nun einstweilen die Riesin entwischt?«

»Sie entkommt uns nicht; sie bleibt hier über Nacht. Uebrigens wird binnen jetzt und einer halben Stunde ein sicherer Mann hier sein, der sie nicht aus den Augen läßt.«

Als sie wieder an den Kirchhof gelangten, war es nicht schwer, die Fußspuren der beiden Frauenzimmer zu verfolgen. Sie führten nach der Scheune. Und obgleich die Sonne in der Nähe des Gemäuers den Schnee hinweggelockt hatte, deutete der Fürst doch mit großer Sicherheit nach der Stelle, an welcher die Riesin sich niedergekauert hatte.

»Hier sind sie gewesen,« sagte er. »Sehen Sie den Schutt. Sie haben die Spur doch nicht ganz verwischen können. Hier haben sie das Loch aufgescharrt gehabt. Sehen wir einmal nach, was da zu finden ist!«

Er öffnete von Neuem und hatte sehr bald das Kind hervorgezogen.

»Da ist es!« sagte er. »Und verkalkt, zu Stein geworden. Alles so deutlich, wie bei einer frischen Leiche. Ja, dieses arme kleine Wesen ist an Schwäche gestorben.«

»Es ist das Kind von Laura Werner. Aber wie kann das bewiesen werden?«

»Das lassen Sie meine Sorge sein! Es ist nicht so schwer, wie Sie vielleicht denken.«

»Nehmen wir es mit?«

»Nein. Diese Leiche muß von der Polizei aufgehoben werden, und ich werde es so einzurichten suchen, daß man die Leda dabei ertappt.«

»Wie wollen Sie das anfangen?«

»Ich bringe sie auf den Gedanken, das Kind hier zu entfernen, um der Riesin den Beweis zu entziehen.«

»Dieser Gedanke ist ganz vortrefflich. Ich hoffe, daß sie auf denselben eingehen wird!«

»Ich bin davon überzeugt.«

»Was thun wir nun weiter?«

Während nun der Fürst das Kind wieder an Ort und Stelle brachte, antwortete er:

»War nicht, als Sie im Hotel Kronprinz die Leda belauschten, von einer rothen Gardinenschnur die Rede?«

»Ja. Die Mutter sagte zur Tochter, daß es eine große Unvorsichtigkeit gewesen sei, daß Stück Schnur abzureißen, um sich derselben zur Erdrosselung zu bedienen.«

»Schön. Ich habe den Faden in der Hand und werde ihm folgen, so weit es mir möglich ist. So, da sind wir fertig. Jetzt nun zur nächsten Droschkenstation.«

»Wohin fahren wir?«

»In das Bezirksgericht.«

Holm fragte nicht, was der Fürst dort beabsichtigte. Er war überzeugt, daß dieser gerade nur das Richtige thun werde. Im Bezirksgerichte angekommen, ließ der Fürst sich bei dem Director desselben melden und wurde sofort vorgelassen. Der Beamte empfing ihn mit ausgesuchter Höflichkeit und erkundigte sich nach der Ursache dieses für ihn so ehrenvollen Besuches. Der Fürst zog die schon so oft erwähnte Karte hervor, zeigte sie ihm und sagte: »Ich bitte zunächst, von dieser Legitimation gefälligst Notiz zu nehmen, Herr Gerichtsrath.«

Der Angeredete nickte lächelnd und antwortete:

»Weiß es schon. Excellenz der Herr Minister haben die Güte gehabt, die Oberbeamten von dem Dasein dieser so außerordentlich seltenen Bevollmächtigung unter der Hand und im Vertrauen zu benachrichtigen.«

»So hoffe ich, daß der Bitte, welche ich Ihnen vorzutragen beabsichtige, keine Hindernisse in den Weg gelegt werden.«

»Ich stehe gern zur Verfügung.«

»Wie lange sind Sie schon im Amte, Herr Gerichtsrath?«

»In meiner gegenwärtigen Stellung bereits über fünf Jahre.«

»So werden Sie sich vielleicht noch des Falles ›Laura Werner‹ erinnern?«

»Laura Werner?« wiederholte der Beamte nachdenklich.

»Kindesmord.«

»Ah, ja, ich besinne mich. Das Mädchen war nicht geständig. Die Angeklagte wurde auf den Indicienbeweis hin zu acht Jahren Zuchthaus verurtheilt.«

»Und ist dennoch unschuldig.«

»Was Sie sagen!« rief der Justizrath, sich entfärbend.

»Ich behaupte es!«

»Sie versetzen mich in das höchste Erstaunen. Ich selbst war es, der bei der Verhandlung den Vorsitz führte.«

»Und dennoch muß ich bei meiner Behauptung bleiben.«

»Auch der Richter kann irren. So außerordentlich peinlich es mir sein müßte, zu erfahren, daß unter meinem Präsidium ein so beklagenswerther Irrthum vorgekommen sei, so würde ich mich doch auch freuen, ihn wieder gut machen zu können.«

»Er ist nicht wieder gut zu machen. Vier Jahre Zuchthaus sind bereits vorüber. Welches Äquivalent giebt es für diese Zeit, für die Schande, die Sorge, den Gram? Wir haben, um nur von einer materiellen Genugthuung zu sprechen, leider die Sachsenbuße nicht mehr.«

»Sollte Ihre Behauptung sich beweisen lassen, Durchlaucht?«

»Ich hoffe, den Beweis führen zu können. Sind die Acten noch vorhanden?«

»Gewiß.«

»Würden Sie mir gestatten, für einen kurzen Augenblick Einsicht zu nehmen?«

»Sofort! Erlauben Sie, daß ich Sie nach dem Repositionssaale begleite!«

Er führte ihn nach dem ziemlich großen Raume, in welchem bis auf eine gewisse, gesetzlich vorgeschriebene Zeit hinaus die Actenvolumen aufbewahrt wurden, und suchte dann das betreffende Heft eigenhändig heraus.

»Hier ist es,« sagte er. »Darf ich fragen, wonach Durchlaucht suchen?«

»Das Kind war mit einem Ende rother Gardinenschnur erwürgt worden –«

»Ja, ja, ich entsinne mich. Dieses Corpus delicti ist noch vorhanden. Hier, sehen Sie!«

Er schlug die Stelle auf, in welcher die Schnur an ein Blatt Actendeckel geheftet war. Der Fürst betrachtete sie aufmerksam und fragte dann: »Könnten Sie mir vielleicht eine Stunde ihrer allerdings kostbaren Zeit widmen?«

»Gewiß.«

»Ich brauche auch einen Obergensd’arm, einen Vertreter der Staatsanwaltschaft und den Gerichtsarzt. Sie würden die Güte haben, mich nach einem Hause der inneren Stadt zu begleiten, während die genannten Herren auf dem Petrikirchhofe auf uns zu warten hätten, aber, wie ich dringend ersuchen muß, in möglichst unauffälliger Weise.«

»Ich darf doch annehmen, daß genügender Grund zu einem solchen Arrangement vorhanden ist?«

»Gewiß. Ich habe nicht Zeit, mich in Weitläufigkeiten einzulassen, aber es wird Ihnen noch gegenwärtig sein, daß die angeklagte Werner behauptete, ihr Kind sei ein Knabe gewesen und an Entkräftung gestorben?«

»So war es allerdings.«

»Die betreffende Leiche aber war ein kräftiges Mädchen, welches von der Werner nicht als ihr natürlich gestorbenes Kind anerkannt wurde.«

»Diese Aussage war zu fabelhaft.«

»Hat aber trotzdem auf Wahrheit beruht. Ich werde Ihnen das richtige Kind der Werner nachher zeigen.«

»Wie? Wie? Durchlaucht, man hat damals viel und ganz vergeblich nach demselben gesucht. Sie dürfen nicht denken, daß wir es an großer Sorgfalt fehlen ließen.«

»Ich bin überzeugt davon. Also bitte, die Herren sofort zu benachrichtigen. Aber heimlich, sehr heimlich! Und, nehmen Sie diese rothe Schnur zu sich. Wir werden sie brauchen, wenn meine Voraussetzungen richtig sind.«

Der Gerichtsrath traf die nöthigen Vorbereitungen und begab sich sodann mit dem Fürsten nach der Droschke, in welcher Holm wartete.

»Herr Doctor Max Holm,« stellte der Fürst vor, »den Sie noch kennen lernen werden und dessen Scharfsinn es zu verdanken sein wird, wenn es uns gelingt, eine Unschuldige zu rehabilitiren.«

Der Fürst dirigirte die Droschke nach dem alten Patrizierhause des Herrn von Scharfenberg. Der Hausmann Kreller sah drei Herren aussteigen und eilte sofort herbei, um nach ihrem Begehr zu fragen.

»Kommen Sie herein in die Stube!« gebot der Fürst.

Drinnen nun, von dem Droschkenkutscher ungehört, fragte er den Hausmann:

»Dieses Haus gehört dem Herrn Baron von Scharfenberg?«

»Ja, Herr.«

»Hier hat der Inspector desselben, ein gewisser Herr Petermann, gewohnt?«

»Ja.«

»Hatte dieser Herr nicht vor ungefähr etwas über vier Jahren eine Dame bei sich aufgenommen?«

»Fräulein von Wartensleben? Sie wohnte bei ihm.«

»Waren auch Sie damals anwesend?«

»Ich wohne seit langer, langer Zeit hier.«

»Sie haben also die Dame gekannt?«

»Ja.«

»Ich bin der Fürst von Befour, und dieser Herr ist Gerichtsrath und Director des Bezirksgerichtes. Sie haben also unsere Fragen –«

»Herrgott!« entfuhr es dem Hausmanne.

»Sie haben also unsere Fragen der Wahrheit gemäß zu beantworten,« fuhr der Fürst fort. »Hat die erwähnte Dame sich stets bei ungestörter Gesundheit befunden?«

Der Gefragte wurde verlegen, doch antwortete er:

»Ihr Wohlsein erlitt allerdings eine mehrtägige Unterbrechung, Durchlaucht!«

»Was war der Grund dieser Unterbrechung?«

»Die Geburt eines Kindes.«

»Wer war der Vater?«

»Niemand weiß es.«

»Welchen Geschlechtes war das Kind?«

»Es war ein Mädchen.«

»Wurde diese Geburt angemeldet?«

»Ja; ich selbst mußte die Anmeldung übernehmen.«

»War das Kind kräftig oder nicht?«

»Es war ein ungewöhnlich kräftiges Mädchen.«

»Wie lange blieb es bei der Mutter?«

»So lange, bis diese plötzlich eines Morgens verschwunden war.«

»Wohin?«

»Niemand weiß es.«

»Wo wohnte dieses Fräulein von Wartensleben?«

»Sie hatte im Bereiche des Inspectors Petermann zwei kleine Zimmerchen angewiesen erhalten.«

»Diese Zimmer sind noch vorhanden?«

»Ja.«

»Aber vielleicht anders möblirt, anders eingerichtet?«

»Nein. Es ist Alles so geblieben. Nicht einmal die Decken, Teppiche oder Gardinen sind gewechselt worden.«

»Aus welchem Grunde?«

»Das weiß ich nicht. Der junge Herr hatte es so befohlen.«

»Haben Sie den Schlüssel zu diesen Zimmern?«

»Ja.«

»Führen Sie uns hinauf!«

Der Hausmann gehorchte diesem Befehle. Der Gerichtsrath befand sich in einer außerordentlichen Spannung. Was er jetzt bereits hier gehört hatte, ließ ihn vermuthen, daß der Fürst nach ganz genauen Informationen handele.

Die angedeutete Wohnung bestand aus einem zweifenstrigen Wohn-und einem einfenstrigen Schlafzimmer. Gleich direct beim Eintritte eilte der Fürst nach den beiden Fenstern, um die Rouleauxschnuren in Augenschein zu nehmen.

»Hier ist es nicht,« sagte er. »Oeffnen Sie die Schlafstube!«

Als dies geschehen war, trat er zum Fenster.

»Ah! Hier, Herr Gerichtsrath! Sehen Sie!«

Er zeigte auf die rothe, posamentirte Schnure, von welcher ein Stück fehlte, welches augenscheinlich abgerissen worden war.

»Durchlaucht,« meinte der Beamte ganz betreten. »Wie haben Sie hiervon wissen können?«

»Davon später. Bitte um das fragliche Schnurende. Es muß ganz augenscheinlich sein, daß es von hier abgerissen worden ist.«

»Hier. Vergleichen wir. Bei Gott, es stimmt! Sogar die Fasern passen zusammen und greifen in einander.«

»Das war es, wovon ich mich überzeugen wollte. Es genügt für jetzt.«

Und sich an den Hausmann wendend, fuhr er fort:

»Der Herr Gerichtsrath wird die Schlüssel dieser beiden Zimmer an sich nehmen. Sie haben keinen Menschen, selbst Ihrem Herrn nicht, zu sagen, daß wir hier gewesen sind. Eine Uebertretung dieses Gebotes würde von sehr ernsten Folgen für Sie sein. Verstanden?«

»Ich werde gehorchen, Durchlaucht. Aber meine Frau –«

»Ich habe sie nicht gesehen.«

»Sie ist ausgegangen.«

»So braucht auch sie nichts zu wissen. Haben Sie dieses Fräulein von Wartensleben vielleicht seit jener Zeit einmal wiedergesehen?«

»Nein.«

»Würden Sie diese Dame wieder erkennen?«

»Sofort! Ganz gewiß!«

»Gut! Also schweigen Sie! Wir gehen! Adieu!«

Der Gerichtsrath verschloß die Thüren und steckte die Schlüssel ein. Als sie wieder in der Droschke saßen, nannte der Fürst eine nahe am Petrikirchhofe gelegene Straße, in welcher sie ausstiegen, um dem Kutscher nicht merken zu lassen, welches ihr Ziel sei. Dann begaben sie sich zu Fuß nach dem Kirchhof. Der Gerichtsrath war unterwegs schweigsam gewesen. Jetzt sagte er: »Durchlaucht, halten Sie diese Wartensleben für die Mutter jenes Kindes, welches uns als dasjenige der Laura Werner vorlag?«

»Ja. Die abgerissene Rouleauxschnure ist das erste Glied in dem Beweise, welchen ich erbringen werde. Da steht ein Herr, und dort auch einer.«

Sie waren in den Kirchhof getreten. In einer Ecke desselben stand ein Mann, am entgegengesetzten Ende ein zweiter und ein dritter kam soeben aus der Todtenhalle hervor.

»Der Staatsanwalt, der Obergensd’arm und der Gerichtsarzt,« sagte der Gerichtsdirector.

»Schön! Die Herren thun, als ob sie nicht zu einander gehörten. Das ist mir lieb. Bitte, unterrichten Sie sie unauffällig, nach und nach und möglichst heimlich, sich zu den Scheunen zu begeben, welche hinter dem Kirchhofe liegen. Ich werde Sie mit Herrn Doctor Holm dort erwarten.«

Er begab sich mit Holm nach dem angegebenen Orte. Die anderen kamen auf verschiedenen Umwegen, welche sie gemacht hatten, nach, und Alle waren überzeugt, von Niemand bemerkt worden zu sein.

»Meine Herren,« sagte der Fürst. »Es gilt, die Unschuld eines Mädchens nachzuweisen, welches als Kindesmörderin verurtheilt worden ist. Herr Gerichtsarzt, ist es möglich, nach vier Jahren an einer Kindesleiche nachzuweisen, daß sie einen natürlichen Tod erlitten hat?«

»Nein. Sie wird verwest sein.«

»Und in dem Falle, daß sie versteinert, verkalkt wäre?«

»Das ist ein außerordentlich seltener Fall. Es läßt sich da nicht eher Etwas sagen, als bis man die Leiche untersucht hat.«

»Nun, wollen sehen. Bitte, Herr Doctor, öffnen Sie!«

Diese Worte galten Holm. Sie befanden sich gerade an der Stelle, wo das Kind versteckt war. Holm kniete nieder, entfernte den Schutt und zog dann die Leiche hervor.

Die Herren waren, besonders der Gerichtsrath, äußerst bestürzt. Der Gerichtsarzt warf einen Blick auf die Leiche, befühlte sie mit der Hand und fragte dann: »Durchlaucht, da fällt mir ein – ist das vielleicht das Kind der Werner, welches wir damals suchten?«

»Ja.«

»Ich besinne mich jenes Falles ganz genau. Ich hatte die Leiche zu untersuchen. Ein interessanter, hochinteressanter Fund, sowohl für den Arzt, als auch für den Richter. Wer aber hat dieses Kind hier versteckt?«

»Die Mutter des anderen Kindes, die eigentliche Mörderin, Herr Doctor.«

»So hätte die Werner also damals doch nicht gelogen?«

»Sie hat die Wahrheit gesagt. Sie ist unschuldig verurtheilt. Sie kann nur bestraft werden wegen unterlassener Personalbeurkundung, weil sie die Geburt und den Tod ihres Kindes aus Schamgefühl nicht meldete.«

Es war mittlerweile dunkel geworden. Man konnte nur noch nahe liegende Gegenstände gut erkennen.

»Was nun?« fragte der Obergensd’arm.

»Wir machen das Loch hier zu,« antwortete der Fürst. »Der Herr Gerichtsrath und der Herr Gerichtsarzt nehmen die Leiche mit sich; Sie aber, Herr Obergensd’arm, haben Sie die Güte, mich zur Vollziehung einer Arretur zu begleiten.«

»Welche mit diesem Leichenfunde in Beziehung steht?«

»Ja.«

»Etwa die Wartensleben?« fragte der Gerichtsrath.

»Nein, sondern zunächst zwei Mitschuldige von ihr. Ich muß Ihnen überlassen, was in Beziehung auf dies Leiche zunächst zu thun ist, habe aber Gründe, um möglichste Heimlichkeit zu bitten, weil mir dies die Habhaftwerdung der Mörderin erleichtert.«

»Ah! Sie wissen, wo die Wartensleben sich befindet?«

»Ich glaube, es zu wissen,« lautete die zurückhaltende Antwort, »möchte aber meiner Sache vorher noch sicherer werden, bevor ich Sie bitte, einen entscheidenden Schritt zu thun.«

Max Holm errieth den Fürsten und sagte zu den Anderen:

»Verzeihung, meine Herren, wenn ich bitte, mit Durchlaucht einige Worte unter vier Augen sprechen zu können. Es betrifft die Angelegenheit, in welcher wir uns hier befinden, und hat den Zweck, uns der Schuldigen so zu versichern, daß ein Leugnen ihrerseits nicht möglich ist.«

Der Fürst trat mit ihm zur Seite, und Holm sagte leise:

»Ich weiß nicht, ob ich Sie recht verstehe, gnädiger Herr. Sie wollen aus Rücksicht auf die Amerikanerin den entscheidenen Schritt gegen die Leda erst morgen thun?«

»Ja.«

»Wann soll Sie arretirt werden?«

»Kurz vor der Vorstellung.«

»Schon?«

»Ja. Auf diese Weise ist sie verhindert, zu tanzen, und Miß Starton steht ohne Concurrenz da. Dann ist die Machination der sauberen Herren vom Residenztheater auf einmal zu nichte gemacht.«

»Und wie soll sie überführt werden?«

»Ich hoffe, zunächst durch die Aussage der Riesin, sodann durch den Beweis der Umstände und Indicien, und endlich will ich sie durch einen Brief oder irgend eine andere Weise verlocken, noch vor der Vorstellung hierher zu gehen, um das Kind zu beseitigen, wobei sie von giltigen Zeugen beobachtet wird. Sind Sie vielleicht anderer Meinung?«

»Ich möchte mir allerdings eine Bemerkung gestatten.«

»Bitte, sprechen Sie!«

»Ich hoffe, daß Sie mir verzeihen, wenn ich eine andere Ansicht hege, als die Ihrige ist.«

»Hier kann von einer Verzeihung gar nicht die Rede sein. Sie sind die Hauptperson in dieser Angelegenheit. Ihnen haben wir die trefflichen Fingerzeige zu verdanken, und wenn Ihre Ansicht eine bessere ist als die meinige, so versteht es sich ganz von selbst, daß sie berücksichtigt wird. Also sagen Sie getrost, was Sie denken!«

»Zunächst bin ich vollständig mit Ihnen einverstanden, daß der Streich, welchen wir gegen die Leda führen, auch ihre Bevorzuger treffen muß.«

»Schön! Weiter!«

»Diese Herren haben eine Zurechtweisung verdient, welche gar nicht kräftig genug sein kann. Welche Zurechtweisung aber erhalten sie, wenn die Leda keine Zeit findet, aufzutreten?«

»Sie haben die Blamage, daß ihr Protegée arretirt wird und gar nicht zum Auftreten kommt.«

»Diese Blamage haben sie unsererseits, aber nicht von seiten des Publikums.«

»Man veröffentlicht nachher, daß sie sich bereits vorher für die Mörderin entschieden hatten.«

»Vielleicht finden sie für uns noch nicht greifbare Unterlagen, diesen Beweis anzufechten. Ich meinerseits halte es für gerathener, sie vorerst nicht zu stören.«

»Sie wollen ihnen Zeit lassen, sich factisch für die Leda zu entscheiden?«

»Ja.«

»Sie wünschen also, daß die Tänzerin auftreten soll?«

»Ja. Bei diesem Auftreten haben wir ja Gelegenheit, die Intriguen und Machinationen, welche gegen die Amerikanerin gespielt werden, zu durchschauen. Dies wäre aber nicht der Fall, wenn die Leda gar nicht auftreten könnte.«

»Hm! Ich gebe zu, daß Sie nicht ganz unrecht haben.«

»Diese Herren würden jubeln. Sie fühlten sich am Siege. Sie würden diesen Sieg in der Presse ausposaunen. Desto fühlbarer würde dann der Schlag sein, welchen wir gegen sie führen wollen.«

»Ich stimme Ihnen bei. Wann aber soll die Leda arretirt werden?«

»Gleich nach der Vorstellung.«

»Vom Theater weg?«

»Nein. Wir müssen es so einzurichten suchen, daß sie sofort nach Schluß der Vorstellung hierher geht, um die kleine Leiche zu beseitigen.«

»Dies würde keine Schwierigkeit bieten. Aber Sie vergessen das interessante Souper auf dem Bellevue.«

»Hm, ja, um das komme ich. Ich wollte den heimlichen Zuschauer oder vielmehr Zuhörer machen.«

»Nun, um diesen Genuß würden Sie ja auch kommen, wenn die Leda bereits vor der Vorstellung arretirt würde.«

»Das ist wahr. Und doch gönne ich diesem Herrn Léon Staudigel eine gehörige Beschämung!«

Der Fürst blickte einige Secunden lang nachdenklich zu Boden, dann lachte er leise vor sich hin und sagte: »Da kommt mir ein Gedanke! Wir können ja diesem ehrenwerthen Herrn sein Souper lassen!«

»Mit der Leda? Diese also erst später arretiren?«

»Nein. Die Herren hier warten auf uns. Sprechen wir später über diesen Gegenstand. Es mag aber bei Ihrem Rathe bleiben, daß wir die Leda auftreten lassen.«

»Und jetzt wollen Sie die Riesin arretiren.«

»Ja.«

»Wie nun, wenn sie nicht gesteht?«

»Wir Beide haben sie ja hier beobachtet. Sie selbst haben sie und ihre Mutter und auch die Leda belauscht. Wir sind also Zeugen und uns wird man glauben.«

»Davon bin auch ich überzeugt, doch halte ich es für vortheilhafter, wenn wir sie in Flagranti ergreifen.«

»Wie soll das geschehen?«

»Wir locken sie noch einmal hierher, grad so, wie Sie es ja auch mit der Leda machen wollen. Sie müssen Grund bekommen, die Leiche zu entfernen, und dabei werden sie ergriffen, die Mutter sowohl, als auch die Tochter.«

»Hm! Sie haben auch hier wieder recht.«

»Wie aber bringen wir sie dazu, zum zweiten Male herzugehen?«

»Das ist nicht schwer. Das werde ich auf mich nehmen. Haben Sie noch eine Bemerkung?«

»Nein.«

»So werde ich jetzt diese Herren informiren.«

Er trat zu den Beamten zurück und sagte:

»Es ist wahr, meine Herren, Herr Doctor Holm hat mir jetzt einige Fingerzeige gegeben, welche so vortrefflich sind, daß ich entschlossen bin, sie zu berücksichtigen. Ich werde demnach den Plan, welchen ich verfolgen wollte, ändern und muß Ihnen einige Bemerkungen machen.«

Die Herren traten erwartungsvoll näher zusammen und der Fürst fuhr fort:

»Ich sagte bereits, daß Laura Werner damals die Wahrheit gesagt habe. Sie wurde Mutter und verheimlichte aus Angst und Scham die Geburt und den Tod des Kindes. Dabei wurde dieser Entschluß durch den schwächlichen Zustand des Kindes, welches auch bald an Schwachheit starb, begünstigt. Es handelte sich darum, die Leiche heimlich zu begraben. Dieselbe wurde von der jungen Mutter in eine Schachtel gelegt und des Nachts nach dem Kirchhofe getragen, wo an demselben Tage das Begräbniß eines Mannes stattgefunden hatte, dessen Grab am Abende noch nicht vollständig zugeschüttet war. In dieses Grab, in die noch lockere Erde desselben, wollte Laura Werner das Kind verbergen.«

»Das war allerdings ihre Aussage,« bestätigte der Gerichtsrath. »Aber sie sprach dann von dem Erscheinen eines zweiten weiblichen Wesens.«

»Und auch hier sagte sie nur die Wahrheit, obgleich man ihre Worte für eine lächerliche Ausrede hielt. Nämlich kurz vorher wurde an dem Orte, an welchem ich mit dem Herrn Gerichtsrath gewesen bin, auch ein Kind, ein Mädchen geboren. Die Mutter erwürgte es mit einer rothen Rouleauxschnure und trug es in Gesellschaft mit ihrer eigenen Mutter nach dem Kirchhofe. Die Alte blieb draußen an der Mauer; die Tochter aber stieg über dieselbe weg. Sie hatte die Absicht, den Leichnam des ermordeten Kindes ganz in demselben Grabe zu verscharren, an welchem in demselben Augenblicke grad die Werner thätig war. Die Mörderin näherte sich dem Grabe. Es war die Wartensleben, welche bereits vorhin erwähnt wurde. Sie erschrak, als sie ein zweites Frauenzimmer bemerkte, welches im Begriffe stand, auch ein Kind heimlich zu begraben. Sie hatte starke Nerven; sie erholte sich schnell von dem gehabten Schreck und faßte den Entschluß, sich diese Begegnung zum Nutzen zu lenken.«

Die anderen Herren hörten mit größter Aufmerksamkeit zu. Der Bericht wurde ja immer interessanter. Der Fürst fuhr fort: »Die Wartensleben dachte daran, daß der Mensch die Fäden, an welchen die Zukunft hängt, nicht in der Hand habe. Sie wußte, daß sehr oft ein geringfügiger, unvorhergesehener oder nicht beachteter Umstand zur Entdeckung eines Verbrechens führt. Dies konnte ja auch bei ihr der Fall sein und dem konnte sie jetzt vorbeugen. Sie näherte sich also, nachdem sie die Kindesleiche einstweilen fortgelegt hatte, um sie nicht bemerken zu lassen, der fremden Person und redete dieselbe an.«

»Wie muß die Werner erschrocken sein!« meinte der Arzt.

»Natürlich auf das Höchste! In ihrem Schrecke ließ sie sich von der Wartensleben leicht ihren Namen, ihre Wohnung und alle anderen Umstände entlocken und entfloh dann, nachdem sie inständigst um Verschwiegenheit gebeten hatte. Die Wartensleben versprach, zu schweigen, dachte aber nicht daran, dieses Versprechen zu halten. Sie nahm, nachdem die Werner sich entfernt hatte, das Kind derselben aus der Schachtel und vertauschte es mit ihrem eigenen. Sogar die Kleider wurden gewechselt. Dann vergrub sie ihr Kind in dem Sarge der Werner und entfernte sich mit dem Kinde der Letzteren.«

»Um dasselbe hier unter der Scheune zu verbergen?« fragte der Staatsanwalt.

»Ja, wie Sie bemerkt haben.«

»Welch eine Raffinirtheit! Und die Mutter der Wartensleben war Gehilfin dabei?«

»Natürlich. Nun befand sich aber in Folge eines noch unaufgeklärten Umstandes, über welchen wir uns aber bald Klarheit verschaffen werden, eine Person bei der Scheune, welche die beiden Frauen beobachtete.«

»Ein Mann?«

»Nein, sondern ein Frauenzimmer. Ich nehme an, daß Ihnen Allen der Riese Bormann bekannt ist?«

»Natürlich! Mehr sogar, als ihm lieb sein kann.«

»Kennen Sie seine Familienverhältnisse?«

»Ja,« antwortete der Staatsanwalt. »Es ist ja die Aufgabe des Richters, sich über die Privatverhältnisse eines jeden Angeklagten möglichst genau zu informiren.«

»So wissen Sie auch, welche Verwandte der Riese hat?«

»Ja. Er hat Weib und ein Kind.«

»Und weiter!«

»Einen Bruder, welcher sich als Akrobat sehen läßt und kürzlich einer fahrlässigen Tödtung und vorher Mißhandlungen wegen flüchtig geworden ist. Es ist noch nicht gelungen, ihn zu ergreifen.«

»Lebt die Mutter dieser beiden Brüder?«

»Ja.«

»Wo?«

»Das ist mir nicht gegenwärtig. Sie zieht mit einer Tochter herum, welche in Beziehung auf ihren Körperbau den beiden Brüdern vollständig ebenbürtig ist und in Folge dessen sich als Kraftturnerin und Riesendame sehen läßt.«

»Kennen Sie vielleicht ihren Namen?«

»Aurora.«

»Das stimmt. Nun, meine Herren, eben diese Aurora, diese Kraftturnerin und Riesendame war es, welche sich an jenem Abende aus irgendeinem Grunde bei dieser Scheune versteckt hatte.«

»Wetter noch einmal!« entfuhr es dem Obergensd’arm. »Das wird hochinteressant!«

»Für die Wartensleben war es aber nichts weniger als interessant, bei ihrer verbrecherischen Arbeit überrascht zu werden.«

»Was? Die Wartensleben wurde von diesen beiden Frauenzimmern, Mutter und Tochter, gestört?«

»Ja.«

»Ohne dann Anzeige zu machen?«

»Sie hat ihr Schweigen verkauft.«

»Ah! Wie hoch?«

»Tausend Gulden.«

»Besaß die Wartensleben so viel Geld?«

»Sie scheint sogar fünftausend Gulden besessen zu haben. Nämlich um dieselbe Zeit waren dem Herrn von Scharfenberg fünftausend Gulden veruntreut worden – –«

»Ich erinnere mich,« sagte der Obergensd’arm. »Ich selbst war es, der den Thäter zu arretiren hatte, einen gewissen Petermann, der Inspector des Herrn von Scharfenberg gewesen war.«

»Kennen Sie sein Schicksal?«

»Ja. Er war geständig und wurde verurtheilt. Kürzlich ist er begnadigt worden und ist nach der Residenz zurückgekehrt, wie ich gehört habe.«

»Wissen Sie, wo er wohnt und was er treibt?«

»Nein. Ich habe mit dem Einwohneramte nichts zu thun.«

»Er wohnt bei mir. Ich habe ihn als Sekretär engagirt.«

»Ah!« erklang es vor Ueberraschung.

»Ja. Ich habe das gethan, weil ich überzeugt bin, daß dieser Mann unschuldig ist.«

»Unmöglich! Er hat gestanden.«

»Aus eigenthümlichen Gründen. Ihnen will ich eine Andeutung nicht vorenthalten. Nämlich die erwähnte Wartensleben war die Geliebte, die Aushälterin des jungen Herrn von Scharfenberg.«

»Sapristi! Jetzt beginnt es zu tagen!« sagte der Staatsanwalt.

»Sie hielt ihre Niederkunft in der Wohnung Petermanns, der sie heimlich zu beherbergen und zu verpflegen hatte. Plötzlich war sie verschwunden.«

»Mit dem Kinde natürlich.«

»Ja.«

»Und wohl auch mit jenen fünftausend Gulden?«

»Wahrscheinlich.«

»Wahrscheinlich, sagen Sie?«

»Weil ich es nicht beweisen kann, obgleich ich es fest behaupten möchte.«

»Ich rieth darauf, weil Sie sagten, daß Petermann unschuldig sei.«

»Ich bin davon überzeugt.«

»Hat er sich Ihnen entdeckt?«

»Nein. Er schweigt über jene Zeiten. Ich aber habe es mir zur Aufgabe gemacht, trotz dieser Zurückhaltung seine Unschuld zu beweisen. Wie gesagt, ich bin überzeugt, daß die Wartensleben das Geld gestohlen hat, welches in seiner Kasse fehlte.«

»Warum hat er das nicht gesagt?«

»Um seinen jungen Herren, den Lieutenant von Scharfenberg zu schonen. Dessen Vater durfte ja von dem Verhältnisse seines Sohnes zu der Wartensleben nichts wissen.«

»Das wäre allerdings ein ganz eclatanter Beweis von Treue und Aufopferung eines Angestellten. Aber wenn Petermann in seinem Schweigen beharrt, wird sich doch nichts thun lassen!«

»Ich gebe die Hoffnung keineswegs auf.«

»Haben Sie Gründe dazu?«

»Ja. Nämlich die tausend Gulden, welche die Riesin als Preis ihrer Verschwiegenheit forderte, wurden ihr in zwei Fünfhundertguldennoten ausgezahlt, deren Nummern mit bei der Veröffentlichung betreffs jener Unterschlagung angegeben waren. Die Riesin las diese Angabe und hat sich seither gescheut, die beiden Noten auszugeben.«

»Sie hat sie noch?«

»Ja.«

»Ah, wenn man wüßte, wo sich diese Aurora befindet.«

»Sie ist hier in der Residenz.«

»Wirklich, wirklich?«

»Ich habe sie heimlich bis in den Gasthof begleitet. Wir werden sie sammt ihrer Mutter arretiren.«

Der Obergensd’arm war ganz begeistert. Er rieb sich die Hände und sagte:

»Das ist wirklich ein glanzvoller, ein ausgezeichneter Criminalfall! Wenn man doch die beiden Scheine finden könnte! Sie werden aber gut versteckt sein!«

»Das sind sie allerdings,« meinte der Fürst.

»Ah! So sagen Sie, Durchlaucht!«

»Wie sie hören!«

»Sie wissen genau, daß sie gut versteckt sind?«

»Sehr genau.«

»So müssen Sie das Versteck kennen?«

»Das ist allerdings der Fall. Die Riesin hat das Geld nämlich zwischen die Seitenwand ihres Portemonnaies eingeklebt.«

»Wie können Sie das wissen?«

»Davon später! Es gilt jetzt, uns ihrer Person und auch derjenigen ihrer Mutter zu versichern.«

»Das muß mit Vorsicht geschehen. Sie ist stark; sie wird sich jedenfalls zur Wehr setzen.«

»Und doch möchte ich gern alles Aufsehen vermeiden.«

»Wo logirt sie?«

»Im Gasthof zum braunen Rosse.«

»Schön! Ich werde sofort die nöthigen Vorkehrungen treffen, sie dingfest zu machen!«

»Bitte, Herr Obergensd’arm, lassen Sie mir noch Zeit!« meinte der Fürst lächelnd. »Ich komme hiermit zu dem Vorschlage, welchen mir Herr Doctor Holm soeben gemacht hat. Es steht nämlich zu erwarten, daß die Riesin, wenn wir sie im Gasthofe arretiren, Alles leugnen werde.«

»Das wird sie sicher thun.«

»Darum räth uns Herr Holm, sie hier an der Scheune auf frischer That zu ergreifen.«

»Wie wollen wir das anfangen?«

»Ich bitte, dies mir zu überlassen. Geben Sie mir eine halbe Stunde Zeit, meine Herren, so garantire ich, daß die Riesin mit ihrer Mutter hier erscheinen wird, um das Kind zu entfernen.«

»Wenn das gewiß wäre!«

»Ich garantire!«

»Das ist genug!«

»So ersuche ich Sie, Herr Obergensd’arm, bis dahin den Gasthof heimlich bewachen zu lassen. Sollte die Riesin ausgehen, so hat einer Ihrer Leute ihr zu folgen. Herr Staatsanwalt, wollen Sie bei der Ergreifung der beiden Frauen hier mit zugegen sein?«

»Natürlich!«

»Wir müssen ihnen Zeit geben, das Loch zu öffnen; denn nur wenn sie das thun, sind sie wirklich überführt. Dabei müssen sie beobachtet werden. Das aber ist schwer, da es auf dieser Seite keine Deckung für uns giebt.«

»Wir haben nur ein einziges Mittel, ohne bemerkt zu werden, so nahe zu kommen, daß wir sie genau beobachten können.«

»Das wäre?«

»Rathen Sie, Herr Obergensd’arm!«

»Ich weiß wirklich nicht, wie wir uns bei diesem Schnee so weit heranzuschleichen vermögen.«

»Nun, der Schnee sieht weiß aus und Betttücher haben ja dieselbe Farbe.«

»So meinen Sie, wir sollen uns unter Betttücher verbergen?«

»Ja. Ich mache diesen Vorschlag.«

»Er ist allerdings der beste. Ich bin doch neugierig, was die beiden Frauenzimmer thun werden, wenn wir so ganz plötzlich bei ihnen stehen. Sie werden fürchterlich erschrecken.«

»Ob die Riesin erschrecken wird, das ist noch zu bezweifeln. Auf eine Gegenwehr müssen wir uns auf jeden Fall gefaßt machen. Also, treffen Sie Ihre Vorbereitungen, Herr Obergensd’arm! Von jetzt an in einer halben Stunde, bin ich bei der Riesin, und es läßt sich annehmen, daß sie dann nicht zögern wird, hierher zu kommen.«

Er wollte sich abwenden, wurde aber von dem Staatsanwalte verhindert.

»Bitte, Durchlaucht,« sagte dieser. »Ich errathe, daß Sie die Wartensleben kennen und nur aus gewissen Gründen zögern, uns das zu sagen.«

Der Fürst nickte nachdenklich mit dem Kopfe und antwortete:

»Ja, Ihre Vermuthung ist richtig.«

»Und ist uns keine Erkundigung erlaubt?«

»Ich wollte eigentlich noch schweigen. Wenn wird die Riesin, wenn sie sich in unserer Gewalt befindet, ihr erstes Verhör bestehen?«

»Das Gesetz bestimmt, daß das erste Verhör vor Ablauf der ersten vierundzwanzig Stunden, von der Zeit der Arretur an gerechnet, vorgenommen werden muß.«

»Also spätestens morgen Nachmittag?«

»Die Sache ist interessant; man wird die Gefangenen also wohl bereits am Vormittage vornehmen. Und da es sich hier darum handelt, eine unschuldig Verurtheilte der Freiheit zurückzugeben, so möchte ich keine Zeit versäumen und am Besten noch heute Abend beginnen.«

»Hm! So ist zu erwarten, daß Sie schon heut von der Riesin hören, wo sich die Wartensleben befindet. Ich werde es Ihnen also lieber sagen, spreche aber vorher einen Wunsch aus, um dessen Erfüllung ich Sie ersuche.«

»Hoffentlich steht diese Erfüllung in meiner Macht!«

»Sie brauche nur zu wollen, so wird es geschehen.«

»Nun, so will ich.«

»Ich danke.«

»Also wo ist die Wartensleben?«

»Hier in der Residenz.«

»Vortrefflich; vortrefflich! Sie und die Riesin, alle Beide hier! Das ist eine willkommene Erleichterung. Wo wohnt oder wo logirt sie?«

»Im Hotel Kronprinz.«

»Sapperment! So fein! Wenn ich nicht irre, logirt die Leda in dem selben Hause.«

»Nicht nur in demselben Hause, sondern sogar in den selben Zimmern, Herr Staatsanwalt.«

»Was Sie sagen! Sollte die Wartensleben bei der Tänzerin in Diensten stehen?«

»Nein.«

»Wie kann sie dann bei ihr wohnen?«

»Sie wohnt in denselben Zimmern und doch nicht bei ihr.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Kennen Sie die Verhältnisse der Leda?«

»Nein. Ich weiß nur, daß sie aus Paris kommt und sich in Begleitung ihrer Mutter befindet.«

»Fällt Ihnen dabei nichts auf?«

»Was sollte mir da auffallen?«

»Nun, die Leda ist mit ihrer Mutter, und auch die Wartensleben war mit ihrer Mutter.«

»Sapperment, Durchlaucht, wollen Sie etwa – – –«

Er sprach den Satz nicht aus. Der Fürst nickte ihm zu und meinte: »Bitte, weiter, weiter!«

»Wollen Sie etwa sagen, daß die Leda mit der Wartensleben identisch sei?«

»Das ist’s, was ich meine.«

»Unmöglich!«

»Warum unmöglich?«

»Die Wartensleben könnte das nicht wagen.«

»Ich ersehe kein Wagniß.«

»Sie ist Mörderin!«

»Sie glaubt sich sicher vor Entdeckung.«

»Es giebt hier Personen, welche sie kennen!«

»Was thut das? Hunderte von Künstlern und Künstlerinnen nehmen ein Pseudonym an und treten darin doch da auf, wo man ihren eigentlichen Namen kennt.«

»Aber eine Verbrecherin muß doch eine solche Oeffentlichkeit scheuen!«

»Die Leda ist frech und verwegen.«

»Aber diese Protektion!«

»Ist eine große, unverzeihliche Unvorsichtigkeit.«

»Die Blamage für die Verwaltung unseres Residenztheaters! Sie ist fürchterlich!«

»Aber sehr verdient. Ich werde Ihnen, Herr Staatsanwalt, morgen meine Gründe vortragen und ersuche Sie heute nur, die Arretur der Leda erst nach der Abendvorstellung vornehmen zu lassen.«

»Das ist höchst außergewöhnlich.«

»Meine Gründe werden genügen.«

»Jedenfalls. Ich bin ja übrigens angewiesen, Ihren Weisungen die möglichste Berücksichtigung entgegenzubringen. Die Wartensleben identisch mit der Tänzerin! Was sagen Sie dazu, meine Herren?«

Die Gefragten, nämlich der Gerichtsrath, der Obergensdarm und der Arzt, waren nicht weniger betroffen wie der Fragende selbst und gaben ihre Ueberraschung in der lebhaftesten Weise zu erkennen. – –Unterdessen hatte die Riesin es sich mit ihrer Mutter im Gasthofe gemüthlich gemacht. Sie hatten gespeist und saßen, von ihren gegen die Leda gerichteten Absichten plaudernd, auf dem Sopha, als an die Thür geklopft wurde.

»Herein!« befahl Aurora.

Der Kellner trat ein.

»Was wünschen Sie?«

»Verzeihung! Es ist ein Mann unten, der Sie zu sprechen wünscht, meine Damen.«

»Uns?« fragte sie erstaunt.

»Ja.«

»Das muß ein Irrthum sein.«

»Wohl schwerlich. Er verlangt nach Ihnen.«

»Aber wir sind hier fremd, und ich wüßte keinen Menschen, welcher nach uns fragen oder verlangen könnte. Sie haben uns das Fremdenbuch noch nicht gebracht und auch nicht nach unserer Legitimation gefragt. Kennen Sie denn meinen Namen?«

»Habe noch nicht die Ehre.«

»Nun, wie können Sie dann wissen, daß der Mann, von welchem Sie sprechen, zu mir will?«

»O, er hat auch keinen Namen genannt.«

»Was denn?«

»Er hat Sie beschrieben, und Sie werden zugeben, daß da wohl kein Zweifel obwalten kann.«

»Wie hat er denn gesagt?«

»Ich soll ihn bei der großen Dame anmelden, welche vor ungefähr zwei Stunden mit einer anderen Dame, die ihre Mutter zu sein scheint, angekommen, unten im Zimmer eingekehrt ist und sich dann ein Fremdenlogis hat geben lassen. Sodann beschrieb er Ihre Kleidung so genau, daß ich mich ganz unmöglich irren kann.«

»Wie heißt er?«

»Das weiß ich leider nicht.«

»Aber er muß sich doch genannt haben!«

»Das that er nicht. Er forderte mich auf, falls Sie nach dem Namen fragen sollten, nur zu sagen, daß er ein alter, guter Bekannter von Ihnen sei.«

»Hm! Wie sah er aus?«

Der Kellner zuckte die Achseln in ziemlich impertinenter Weise.

»Nobel nicht!« erklärte er.

»Wie alt ist er?«

»Er scheint in den mittleren Jahren zu stehen.«

»Unangenehm, sehr unangenehm! Was meinst Du, Mutter? Wollen wir ihn kommen lassen.«

»Ich habe keine Lust! Wer wird er sein, und was wird er wollen? Doch irgend eine Bettellei!«

Da warf der Kellner ein:

»Er sagte, die Angelegenheit sei äußerst wichtig.«

»Ja, für ihn jedenfalls!«

»Nein, sondern für Sie. Falle es Ihnen beliebte, ihn abzuweisen, würden Sie großen Schaden haben. Er sprach von einem Engagement oder Arrangement – ich weiß es nicht genau.«

»Ach so! Nun, ich will es versuchen, obgleich Sie sagen, daß er kein nobles Äußere habe. Ich bin nämlich Künstlerin, und als solche komme ich ja oft mit sogenannten Collegen in Berührung, welche doch nur zum Mob gehören und sich leider klettenhaft an Einen hängen. Sagen Sie ihm, daß er kommen soll!«

Er ging, und bald darauf ertönte ein schüchternes Klopfen.

»Herein!« rief die Riesin mit ihrer Stentorstimme.

Der Fürst trat ein, doch so gut verkleidet, daß sie unmöglich in ihm den Gast erkennen konnten, den sie vor zwei Stunden unten im Gastzimmer gesehen hatten.

Er trug sich künstlerhaft, aber sehr ärmlich, machte eine tiefe Verneigung und grüßte in unterthäniger Weise.

»Wer sind Sie?« fragte die Riesin.

»Ein College,« antwortete er.

»Kennen Sie mich denn?«

»Ja.«

»Und meinen Namen auch?«

»Ich habe die Ehre!«

»Doch zusammen gearbeitet haben wir nicht?«

»Nein.«

»Wann und wo haben Sie mich gesehen?«

»Vor etwas über vier Jahren, hier in der Residenz.«

»Aber ich bin damals hier gar nicht aufgetreten!«

»Ich hatte das Vergnügen, Sie nur en passant zu sehen.«

»Wie können Sie es da wagen, dem Kellner zu sagen, daß Sie ein alter, guter Freund von mir seien.«

»Nun, alt bin ich, ein guter Kerl auch, und Collegen sollen stets Freunde sein. Also bin ich doch auf jeden Fall Ihr alter, guter Freund.«

»Sonderbarer Beweis! Es fragt sich, ob ich Lust habe, Sie so zu nennen. Was wollen Sie?«

»Ich möchte Sie um eine Unterstützung bitten.«

»Dachte es mir, daß der Besuch auf eine Bettelei hinauslaufen werde.«

»Ich bin subsistenzlos, Fräulein Bormann.«

»Das geht mich nichts an! Es ist Abend. Geht man denn sogar des Abends betteln?«

»Man bettelt, wenn man sich in Noth befindet, und die Noth fragt nicht, ob es Morgens oder Abends ist.«

»Was arbeiten Sie eigentlich?«

»Ich bin Jongleur.«

»Sie haben nicht das Aussehen, als ob Sie sehr viel Geschick besäßen. Wie ist Ihr Name?«

»Zwiebel.«

»O weh! Zwiebel, Jongleur Zwiebel! Das ist rein lächerlich. Gehen Sie, gehen Sie! Ich mag nichts von Ihnen wissen.«

»Bitte, meine Damen, weisen Sie mich nicht zurück! Ich bin so ausgebrannt, daß ich nicht einen Kreuzer für Nachtlager und Abendbrod habe.«

Die Riesin stieß ein höhnisches Lachen aus und sagte:

»Gehen Sie hinunter in den Garten; da giebt es Logis für Sie. Stecken Sie den Kopf in’s Mistbeet und recken Sie die Beine in die Luft. Dann sind Sie die richtige Zwiebel und können sich bei der jetzigen Jahreszeit als Rarität sehen lassen. Das bringt Geld ein.«

»Fräulein, Sie spotten!«

»Verlangen Sie mehr? Glauben Sie wirklich, daß ich Ihretwegen in die Tasche greife, Sie frecher Mensch?«

»Frech? Ich glaube, sehr höflich gewesen zu sein!«

»Nein, sondern frech! Nur durch diese Frechheit haben Sie es so weit gebracht, sich bei uns einzudrängen!«

»Sie sehen mich höchst erstaunt! Darf ich bitten, mir zu sagen, was von mir Ihnen frech erschienen ist?«

»Haben Sie uns nicht durch den Kellner sagen lassen, daß wir großen Schaden haben würden, falls es uns in den Sinn kommen würde, Sie nicht anzunehmen?«

»Ja, das habe ich sagen lassen.«

»Nun, ist das nicht frech?«

»Ich bin wirklich ganz betroffen, die große Rücksicht, welche ich Ihnen entgegenbringe, eine Frechheit zu nennen. Ich glaubte, Ihnen einen Dienst zu erweisen.«

»Mit Ihrer Bettelei? Gehen Sie! Verlassen Sie uns! Ich mag nichts mehr hören!«

»Dann zwingen Sie mich, außerhalb eines ordentlichen Bettes zu schlafen.«

»Schlafen Sie, wo und wie Sie wollen!«

»Da ich kein Geld habe, muß ich heute wieder da schlafen, wo ich schlief, als ich Sie kennen lernte.«

Das war in so eigenthümlicher Art und Betonung gesagt, daß sie ganz unwillkürlich fragte:

»Nun, wo haben Sie damals geschlafen?«

»In einer Scheune.«

»Pah! Ihresgleichen mag oft in Scheunen, Heuhaufen und Getreideschobern schlafen.«

»Leider ja. Aber Scheune ist nicht Scheune, Fräulein. Es giebt Scheunen, die ein gespenstisches Ansehen haben, Scheunen, in denen man nicht schlafen kann. Scheunen, in denen es des Nachts umgeht.«

»Sie sind ein Verrückter! Warum höre ich Sie an! Packen Sie sich fort, Sie Vagabond!«

Er machte keine Miene, ihrem Befehle nachzukommen, sondern fuhr unbeirrt fort:

»In der Scheune von damals geht es auch um!«

»Donnerwetter! Von welcher Scheune schwatzen Sie mir denn solche Dummheiten vor?«

»Von der Scheune dort hinter dem Gottesacker.«

Sie stutzte. Sie wurde um einen Schatten bleicher.

»Was gehen mich Ihre Phantasieen an!«

»Es sind keine Phantasieen. Das Kind geht wirklich um.«

»Welches Kind?«

»Das unter der Scheune begraben wurde.«

»Mensch, ich verstehe Sie nicht!«

»Aber ich habe Sie damals verstanden.«

»Sie befinden sich im Delirium!«

»Ja, damals fieberte ich vor Aufregung, als ich das Gespräch belauschte, welches vor der Scheune geführt wurde.«

»Aber, sagen Sie, wovon Sie eigentlich faseln!«

»Von der Wartensleben und ihrem Kinde.«

»Was Sie da vorbringen, das sind mir böhmische Dörfer!«

»Wird die Gensd’armerie nicht vielleicht in diesen böhmischen Dörfern etwas Interessantes finden können?«

»Ich möchte allerdings einen Gens’darm kommen lassen, um ihm zu sagen, Sie abzuführen!«

»Pah! Das werden Sie unterlassen!«

»Wer will es mir wehren?«

»Ich!«

»Wieso?«

»Nicht ich würde arretirt, sondern Sie wären die Arrestantin.«

»Mensch, was wagen Sie! Ich zermalme Sie!«

Sie trat auf ihn zu und ballte drohend die Fäuste. Da hielt ihre Mutter sie zurück und warnte:

»Nicht so unbesonnen, Aurora! Dieser Mann irrt sich in uns, das ist sehr gewiß; aber wir können ihn doch wenigstens anhören.«

»Meinetwegen! Also, Herr Zwiebel, Sie verkennen uns. Was für einen Bären wollen Sie uns denn da aufbinden?«

»Nun, Sie sind doch Fräulein Aurora Bormann?«

»Ja.«

»Diese Dame ist Ihre Mutter?«

»Ja.«

»Man nennt Sie die Riesin?«

»Ja.«

»Nun, dann irre ich mich auch nicht, denn diesen Namen: die Riesin Aurora Bormann, haben Sie damals der jungen Dame genannt, welche Wartensleben hieß.«

»Unsinn! Ihre Worte sind Hieroglyphen für mich!«

»So will ich Sie Ihnen erklären.«

»Ja, thun Sie das!«

»Ich war damals außer Arbeit und reiste mit einem Collegen, dem es ebenso ging wie mir. Wir hatten keinen Hunger, denn wir erhielten da, wo wir vorsprachen, immer zu essen, aber leider kein Geld. Als wir die Residenz erreichten, hatten wir zwar einen vollen Magen, aber leider leere Taschen.«

»Gerade wie jetzt!« höhnte die Riesin.

»Hm! Vielleicht auch nicht, Fräulein! Wir wußten nicht, wo schlafen, da wir das Lager nicht bezahlen konnten. Wir suchten nach einem Quartier bei Mutter Grün, und fanden bei dieser Gelegenheit die hinter dem Petrikirchhofe gelegenen Scheunen. Sie waren verschlossen, aber an der Wand der einen war ein Bret los. Wir schoben es zur Seite und zwängten uns durch die Oeffnung. Da gab es Stroh genug zu einem weichen, köstlichen Lager.«

»Suchen Sie sich heute ein eben solches!«

»Das habe ich vielleicht nicht nöthig, denn ich bin nicht so mittellos, wie Sie denken.«

»So haben Sie uns vorhin belogen?«

»Ich wollte sehen, ob Sie ein gutes Herz haben. Doch, jetzt weiter: Wir waren sehr ermüdet, und mein Kamerad schlief rasch ein und wachte erst früh wieder auf. Auch ich war eingeschlummert, wurde aber später durch menschliche Stimmen aufgeweckt. Ich lauschte. Draußen standen Sie mit Ihrer Mutter.«

»Ich? Wir beide?«

»Ja.«

»Da sind Sie freilich sehr im Irrthume!«

»O nein! Ich habe Sie mir sehr genau angesehen.«

»Es war doch des Abends, wie Sie sagen!«

»Aber doch hell genug, um Ihr Gesicht zu sehen. Und in Beziehung auf Ihre Figur kann man sich erst recht nicht irren.«

»Wie konnten Sie durch die Mauer sehen?«

»Mauer? Es war nur eine Bretterwand, und da gab es Ritzen und Astlöcher genug. Sie hatten die Wartensleben mit der Leiche erwischt und schlossen den bekannten Handel ab.«

»Handel?«

»Ja.«

»Welchen denn?«

»Tausend Gulden für Ihr Schweigen.«

»Sie sind aus Rollenburg entwichen!«

»Und Sie wird man hinbringen!«

»Was hindert mich doch nur, Sie hinauszuwerfen?«

»Die Furcht vor mir«

»Oho!«

»Sie hätten sofort die Polizei auf dem Halse. Ich habe damals das ganze Gespräch gehört und weiß also genau, woran ich bin.«

»Nun, wenn Sie das so genau wissen, so sagen Sie mir doch einmal, was wir gethan haben sollen. Es scheint sich, nach Ihren Worten zu schließen, um ein Kind zu handeln.«

»Thun Sie immerhin, als ob Sie nichts wüßten. Ich habe meine Beweise. Sie haben das Kind der Wartensleben verstecken und also den Kindesmord vertuschen helfen. Dafür sind Ihnen tausend Gulden bezahlt worden.«

»Und wenn das wahr wäre, was geht es Sie an?«

»Oho! Da geht jedem Menschen Etwas an.«

»Damals ging es Ihnen Etwas an. Sie hätten Anzeige machen sollen. Warum thaten Sie es nicht?«

»Anzeige? Unsinn! Das hätte mir nichts genützt. Ich wollte viel lieber theilen.«

»Was?«

»Die tausend Gulden.«

»Aha, siehe da!«

»Ja. Ich wäre sofort aus der Scheune zu Ihnen gekommen; aber da wäre mein Kamerad aufgewacht, und das mußte ich vermeiden. Ich ließ Sie also ruhig das Kind verstecken –«

»Wohin ist es denn gesteckt worden?«

»Das konnte ich leider nicht sehen; aber unter der Scheune befindet es sich, so viel ist sicher.«

»Sie müssen damals einen bösen, schweren Traum gehabt haben, mein armer Herr Zwiebel!«

»Möglich! Jetzt aber bin ich aufgewacht und weiß, was ich zu thun habe. Sie entfernten sich. Am anderen Morgen trennte ich mich von meinem Gefährten, um freie Hand zu bekommen. Ich suchte zwei Tage lang nach der Riesin Aurora Bormann, fand sie aber nicht. Sie war dagewesen; wohin dann sie gegangen, das blieb mir verborgen.«

»Wie schade!« klagte die Riesin ironisch.

»Sodann suchte ich die Wartensleben. Als ich endlich das Haus fand, wo sie gewohnt hatte, war auch sie fort.«

»Sie armer Teufel! Das war wirklich Pech!«

»Aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Ich habe immer gehofft, die Riesin oder die Wartensleben einmal zu treffen. Heute war mir das Glück günstig. Ich sah Sie.«

»Wo?«

»Sie beobachteten eine Dame, welche dann in das Hotel zum Kronprinz trat.«

Die Riesin erbleichte. Wenn er ihr weiter gefolgt war, so mußte er ja auch wissen, daß sie an die Scheune gegangen war. Und die Dame, welche er erwähnte, war ja die Wartensleben, welche er suchte!

»Ich weiß nichts davon.«

»Ihre Mutter erkundigte sich beim Portier nach dieser Dame. Dann gingen sie fort.«

»Wohin?«

»Das werden Sie wohl wissen!«

»Sie wohl nicht?«

»Sehr gut.«

»Nun, wohin gingen wir?«

»Nach den Scheunen, jedenfalls um ein Paternoster für die Seele des armen, ungetauft gestorbenen oder vielmehr ermordeten Kindes zu beten. Nicht?«

»Sie lügen!«

»Ah! Sie sind nicht bei den Scheunen gewesen?«

»Nein.«

»Dann darf ich meinen Augen nicht mehr glauben!«

»Wo sind denn Sie gewesen, daß Sie uns gesehen haben wollen?«

»Ich folgte Ihnen und blieb auf dem Kirchhofe, um Sie beobachten zu können. Als Sie dann zurückkehrten, mußte ich erfahren, wo sie wohnen, und ging hinter Ihnen bis zu diesem Gasthofe. Wollen Sie noch leugnen, daß Sie es gewesen sind?«

»Sie haben sich geirrt. Es sind zwei Andere gewesen.«

»O, Sie selbst glauben ja doch nicht, daß es im ganzen Lande noch ein einziges Frauenzimmer von ihrem Wuchse giebt!«

»Sie sind wirklich irrsinnig! Aber, selbst wenn sie bei vollem Verstand wären, welchen Zweck verfolgen Sie denn, indem Sie uns aufsuchen?«

»Den, welchen ich bereits seit jener Nacht verfolge, und wegen dessen ich Sie immer gesucht habe: Theilen!«

»Was fällt Ihnen ein!«

»Sie haben tausend Gulden erhalten –«

»Lüge!«

»Geben Sie mir fünfhundert davon!«

»Nicht fünf Kreuzer! Uebrigens habe ich diese Geschichte nun satt! Sie erzählen uns da einen Roman, welcher uns gar nichts angeht. Ich fordere Sie jetzt allen Ernstes auf, nachzusehen, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat!«

»Das werde ich thun, sobald wir einig geworden sind!«

»Das kann nicht geschehen!«

»Warum nicht?«

»Weil wir nicht Diejenigen sind, für welche Sie uns halten!«

»Sie mögen heute leugnen. Wenn ich meine Beweise bringe, werden Sie Farbe bekennen müssen.«

»Welche Beweise haben Sie?«

»Das Kind. Das Gerippe muß noch zu finden sein.«

»Meinetwegen!«

»Ich werde die Polizei auffordern, unter der Scheune nach der Leiche zu suchen.«

»Thun Sie das immerhin!«

»Und wenn man die Ueberreste findet – –?«

»So ist gegen uns gar nichts bewiesen! Es ist nur bewiesen, daß dort ein Kind versteckt wurde.«

»So habe ich einen zweiten Beweis!«

»Welchen?«

»Die Wartensleben.«

»Wo ist sie?«

»Ich weiß es nicht.«

»Ah, da steht es mit Ihrem Beweise höchst faul!«

»Ich werde Sie finden!«

»So suchen Sie!«

»Ja, das thue ich! Sie hatten ein so reges Interesse für die Dame, welche nach Hotel Kronprinz ging. Ich konnte dieselbe nicht am Gesicht sehen, werde mich aber erkundigen. Darauf können Sie sich verlassen!«

»Das ist sehr klug und weise von Ihnen gehandelt.«

»Vielleicht befindet sich die Wartensleben wieder hier. Ich würde sie sofort wieder erkennen.«

»So gebe ich Ihnen den Rath, von Haus zu Haus, von Etage zu Etage und von Zimmer zu Zimmer durch die Residenz zu gehen. Dann müssen Sie sie finden.«

»Das habe ich gar nicht nöthig. Es giebt ein besseres, weit einfacheres Mittel, sie zu finden, wenn sie überhaupt da ist. Und dieses Mittel ist trotz aller Einfachheit untrüglich.«

»Da bin ich wirklich begierig, es kennen zu lernen.«

»Dieses Mittel heißt – Theater.«

Die Riesin vermochte doch nicht, eine Bewegung des Schreckens zu unterdrücken. Doch gelang es ihr, in möglichst sorglosem Tone zu fragen: »Sie halten das Theater für eine Mausefalle?«

»Dieses Mal ja. Ich habe gehört, daß morgen eine Amerikanerin mit der Leda um die Wette tanzt. Das ist eine Gelegenheit, die Keiner versäumt, der das Geld zu einem Billete besitzt. Die Wartensleben hat Ihnen tausend Gulden bezahlt; sie ist also nicht arm. Wohnt sie in der Residenz, so geht sie sicher in das Theater.«

»Wie wollten Sie sie unter so Vielen herausfinden?«

»Lassen Sie das meine Sorge sein! Es werden mir noch Andere helfen. Die Leute, bei denen sie gewohnt hat, kennen sie genau.«

»Nun, so wünsche ich Ihnen Glück. Bei mir aber haben Sie keins und werden auch nie welches haben.«

»Sie leugnen also wirklich?«

»Ja.«

»Das ist sehr unüberlegt von Ihnen.«

»Wieso?«

»Weil dann die Angelegenheit zur Anzeige kommt.«

»Das ist mir sehr gleichgiltig!«

»O, Sie werden auf alle Fälle, selbst wenn Sie unschuldig sind, auf meine Aussage hier in Untersuchungshaft genommen!«

»Die Hauptsache ist, daß man mir nichts beweisen kann, weil ich unschuldig bin. Man wird mich bald entlassen, Sie aber desto fester nehmen. Falsche Anschuldigungen werden hart bestraft. Ueberlegen Sie sich das.«

»Mein Entschluß ist gefaßt. Uebrigens würde es ja Ihr Schaden gar nicht sein, wenn Sie mir armen Teufel die fünfhundert Gulden gönnten. Sie könnten sich dieses Sümmchen von der Wartensleben zurückzahlen lassen.«

»Ich kann, mag und will nichts, gar nichts, weil ich das, wovon Sie sprachen, nicht gethan habe!«

»Sie sind wirklich höchst hartnäckig. Ich sehe es Ihrer Mutter an, daß diese gern vorsichtiger sein möchte als Sie; sie würde mit sich sprechen lassen. Ich will den ganz Schlechten nicht an Ihnen spielen, und darum gebe ich Ihnen eine Frist zum Ueberlegen.«

»Wirklich? Welche Güte, Gnade und Langmuth!«

»Ja, ich will Rücksicht nehmen.«

»Nun, wie lange geben Sie uns denn Zeit?«

»Bis morgen früh acht Uhr.«

»Blos!«

»Das ist genug, um die Chancen gegen einander abzuwiegen. Um acht Uhr komme ich wieder.«

»Bleiben Sie getrost fort. Ich werde Sie nicht vorlassen.«

»So bin ich um viertel neun Uhr auf der Polizei.«

»Sehr eilig von Ihnen!«

»Um neun Uhr ist die Leiche gefunden!«

»Lassen Sie dem armen Wurm doch Ruhe!«

»Und eine Viertelstunde später sind Sie und Ihre Mutter arretirt.«

»Und eine Viertelstunde später bin ich entlassen, und Sie stecken im Loche!«

»Warten wir es ab! Uebrigens gebe ich keineswegs die Hoffnung auf, daß Sie sich bereits heute Abend besinnen. Besprechen Sie sich mit Ihrer Mutter, und wenn Sie mir etwas mitzutheilen haben, so schicken Sie nach der Centralherberge auf der Hauptstraße, wohin ich jetzt gleich gehe, um zu warten. Ich bin dort leicht zu finden, denn meinen Namen wissen Sie: Zwiebel!«

»Ich wundere mich wirklich über Ihre Ausdauer. Ich versichere nun zum zehnten und letzten Male, daß Sie sich in den Personen irren. Gehen Sie endlich, sonst klingele ich dem Hausknechte, damit er Sie per Extrazug zum Teufel bringen möge!«

»Ich wurde mich doch nur hinbringen lassen, um für Sie Quartier zu machen. Gute Nacht!«

»Vorwärts marsch!«

»Auf Wiedersehen, heut oder morgen!«

Damit ging er zur Thür hinaus.

Jetzt erst wollte die Alte dem Schrecke, der über sie gekommen war, Ausdruck geben. Sie schlug die Hände zusammen und sagte in ängstlichem Tone: »Aber, Aurora, ich begreife nicht, wie Du –«

»Still!« wurde sie rasch unterbrochen. »Ich weiß, was ich thue. Rasch, laufe ihm nach!«

»Wozu?«

»Damit wir sehen, ob er wirklich nach der Hauptstraße geht. Du brauchst ihn nur durch zwei Gassen zu folgen; dann kehrst Du zurück!«

Die Alte eilte ihm nach.

Sobald der vermeintliche Zwiebel die Straße erreichte, raunte er einem an der Thür des Nachbarhauses stehenden Manne, der natürlich ein Polizist in Civil war, zu: »Man wird mir folgen, um zu sehen, wohin ich mich wende. Um sie sicher zu machen, darf ich mich nicht umdrehen, Kommen Sie also gleich nach, und sagen Sie es mir, wenn die Verfolgung aufgegeben worden ist!«

Er schritt weiter. Kaum hatte er sich um einige Ellen entfernt, so erreichte die Alte die Gasse. Sie bemerkte ihn und folgte ihm, ohne aber gewahr zu werden, daß sie nun selbst beobachtet wurde.

An dem Ende der zweiten Gasse kehrte sie befriedigt um, weil Zwiebel wirklich die Richtung nach der Hauptstraße eingeschlagen hatte. Er hatte sich nicht umgesehen. Jetzt kam der Polizist herbei und meldete: »Sie ist wieder zurück!«

»Wie weit ging sie mit?«

»Bis an die letzte Ecke.«

»Schön! Kehren Sie an Ihren Posten zurück. Voraussichtlich werden sich die Zwei in Kurzem an die Scheunen begeben. Legen Sie ihnen nichts in den Weg. Sollten sie aber eine andere Richtung einschlagen, vielleicht gar in der Absicht, die Hauptstadt zu verlassen und die Flucht zu ergreifen, so strengen Sie Alles an, sie fest zu halten.«

»Auch Gewalt?«

»Ja, Arretur!«

Der Polizist kehrte nach dem Gasthofe um, und der Fürst eilte durch einige Seitengassen nach dem Kirchhofe und von da nach den Scheunen hin.

»Nun?« fragte die Riesin gespannt, als ihre Mutter wieder in die Stube trat.

»Er ging den rechten Weg.«

»Wirklich nach der Hauptstraße?«

»Ja.«

»Der Esel!«

»Esel nennst Du ihn?«

»Ja. Er will mir gefährlich werden und ist doch zu dumm, zu ahnen, wie ich mich dieser Gefahr in wenigen Augenblicken zu erwehren vermag.«

»Wie ich erschrocken bin! Ach, ich muß mich setzen!«

»Verdammt ist’s, das ist wahr!«

»Ich dachte, der Schlag würde mich treffen.«

»Ich hatte auch alle Mühe, mich zu beherrschen, als er so schmauchend die Rede auf die Scheunen brachte.«

»Wer hätte das damals gedacht!«

»Daß in der Scheune zwei staken! Die muß der Teufel hingeführt haben!«

»Und daß dieser Mensch uns gehört hat!«

»Und jedes Wort verstanden! Von Dem aber, was wir dort eigentlich gewollt haben, scheint er nichts zu wissen. Das ist gut, sehr gut.«

»Er hat uns gesucht!«

»Ja, doch konnte er uns nicht finden, weil wir uns gleich am nächsten Tage fortmachten. Auch die Wartensleben ging mit Seesturm ab. Er hat wirklich Pech gehabt, uns aber doch nach vier Jahren erwischt.«

»Was werden wir thun?«

»Das fragst Du noch?«

»Natürlich! Du wirst es doch nicht zu einer Anzeige kommen lassen, Aurora!«

»O doch!«

»Dann sind wir verloren!«

»Unsinn!«

»Er hatte ganz recht: Was wir ihm geben würden, müßte die Wartensleben ersetzen.«

»Ich danke! Ich mag von einer solchen Zwickmühle nichts wissen!«

»Zwickmühle?«

»Na, ja doch! Wie willst Du es anders nennen? Wir würden heut zahlen, damit er das Maul halte, und sobald das Geld zur Neige ging, würde er wieder kommen. Das ist doch Zwickmühle. Darum habe ich ihn gleich ein für alle Male abgewiesen.«

»Aber er macht sicher Anzeige. Er sah mir ganz so aus, als ob es ihm ernst sei.«

»Das glaube ich auch.«

»So werden wir arretirt!«

»Fällt keinem Menschen ein!«

»Man wird das Kind finden!«

»Nein.«

»Es ist ja noch dort!«

»Jetzt noch. Morgen früh aber wird es fort sein.«

»Ah, Du willst es fortschaffen?«

»Natürlich! Dann mag er Anzeige machen. Wenn die Polizei nichts findet, kann man uns nicht arretiren. Man wird den Kerl für schwachsinnig erklären.«

»Wann gehst Du nach den Scheunen?«

»Ich gehe nicht allein. Du gehst natürlich mit. Wir haben eigentlich Zeit bis morgen früh; aber besser ist doch besser. Er könnte auf andere Gedanken kommen.«

»Und schon heute Abend Anzeige machen.«

»Ja. Es ist also gerathen, das Kind möglichst bald zu entfernen.«

»Wohin schaffen wir es?«

»Am Leichtesten wäre es, es in’s Wasser zu werfen.«

»Man könnte es da finden!«

»Es kann ja nicht fort-oder angeschwemmt werden! Es ist versteint und sinkt also sofort unter und bleibt auf dem Boden liegen.«

»So, also in’s Wasser damit!«

»Halt! Warte nur! So schnell geht das nicht. Wir müssen auch überlegen, daß wir die Leiche gegen die Leda brauchen. Ohne das Kind können wir ihr nichts beweisen und ihr also auch kein Geld entlocken.«

»Das ist wahr.«

»Es wird also am Besten sein, wir verbergen es einstweilen an einem anderen Ort.«

»Aber wo?«

»Das ist schwierig. So schnell läßt es sich auch nicht bestimmen. Es genügt, wenn wir einen Ort haben, an welchem es einstweilen, also für ein paar Tage, sicher ist. Bis dahin fällt uns allemal etwas Besseres ein.«

»Ich weiß Etwas!«

»Nun?«

»Wir stecken es in eine Gosse.«

»Die Gossen sind ja gar nicht zugänglich!«

»Hier in der Stadt, ja. Aber draußen im Freien sind sie offen. Wie oft giebt es unter den Chausseen Abzüge, durch welche das Wasser abläuft. So ein Abzug, so eine Gosse wäre für den Augenblick der bequemste Ort.«

»Das ist wahr. Aber es droht uns noch von einer ganz anderen Seite Gefahr. Du hast’s ja gehört!«

»Das mit der Wartensleben?«

»Ja. Er sucht sie.«

»Und er wird sie finden!«

»Ganz sicher! Daß dieser Mensch uns hinter der Leda erwischen mußte!«

»Er wird in das Hotel gehen.«

»Vielleicht macht ihn dort der Name irre. Aber desto sicherer wird er sie im Theater sehen. Diesen Gedanken hat ihn ja der Satan eingegeben!«

»Wenn sich die Leda übertölpeln läßt!«

»Das ist es ja eben! Könnte ich ihrer sicher sein, so machte ich mir aus seiner Drohung nicht das Mindeste. Aber wenn er sie so überrascht wie uns, so ist es möglich, daß sie vor lauter Schreck Alles gesteht.«

»Dann sind wir verloren!«

»Trotzdem wir die Leiche verbergen!«

»Wir müssen sie benachrichtigen!«

»Unbedingt. Wir gehen, sobald wir die Leiche entfernt haben, sofort zu ihr, um sie zu warnen.«

»Sie wird bereits über uns erschrecken.«

»Das kümmert uns nichts. Uebrigens giebt uns die neue Gefahr, in welche uns dieser Zwiebel bringt, auch neuen Grund, Zahlung von ihr zu verlangen.«

»Wenn sie Geld hat!«

»Eine Tänzerin hat immer Geld. Nimm den Pelz! Komm, wir wollen gehen!«

»Löschen wir die Lichter aus?«

»Nein. Es ist doch möglich, daß er wiederkommt, um zu sehen, was wir machen. Brennen die Lichter, so wird er glauben, daß wir zu Hause sind.«

Sie gingen. Als sie den Flur erreichten, trat ihnen der Kellner entgegen. Allem Augenscheine nach hatte er sie erwartet, doch fiel es ihnen nicht ein, dies zu bemerken.

Er hielt das Fremdenbuch in der Hand und sagte:

»Entschuldigung, meine Damen! Soeben wollte ich zu Ihnen hinaufkommen.«

»Wir sollen uns eintragen?« fragte die Riesin.

»Ja.«

»Wir werden es nach unserer Rückkehr thun.«

»Wann kommen sie wieder?«

»Vielleicht in zwei Stunden.«

»Dann thut es mir leid, Sie belästigen zu müssen. In einer Stunde kommt Visitation; da müssen die Fremden, welche bis dahin angekommen sind, bereits im Buche stehen.«

»So kommen Sie herein in das Gastzimmer. Hinauf gehen wir nicht erst.«

Sie setzte sich drinnen an einen Tisch und schrieb ein:

»Aurora Bormann, Künstlerin aus Rollenburg. Nebst Mutter; vorübergehend hier.«

Dann ging sie ihrer Mutter nach, welche bereits eine Strecke zurückgelegt hatte.

Die Beiden bemerkten nicht, daß ihnen einige Gestalten vorsichtig nachschlichen, dann aber in der Nähe des Kirchhofes stehen blieben. Die Polizisten hatten sich nun überzeugt, daß das Wild in das Garn laufen werde.

Mutter und Tochter blickten sich einige Male um, und als sie keine Seele bemerkten, schlugen sie den Weg nach den Scheunen ein. Sie sprachen kein Wort, bis sie dieselben erreicht hatten. Aber dort fragte die Alte: »Wir gehen doch gleich an das Werk?«

»Nein.«

»Was denn?«

»Erst müssen wir uns überzeugen, ob wir allein sind. Wir gehen um die Scheunen herum, Du hier rechts und ich links. Dann treffen wir grad da, wohin wir wollen, wieder zusammen.«

Sie trennten sich, um zu recognosciren. Als sie sich wieder fanden, sagte die Mutter:

»Ich habe Niemand gesehen.«

»Ich auch nicht. Wir sind sicher.«

»Es ist aber doch ein eigenthümliches Gefühl, zu denken, daß man es mit einer Leiche zu thun hat.«

»Noch dazu mit der Leiche eines Ermordeten! Aber hin ist hin. Leiche bleibt Leiche, ob ermordet oder natürlich gestorben, das ist ganz egal. Ueberdies handelt es sich hier ja gar nicht um eine Leiche, sondern um einen Stein. Horch!«

Sie drehte sich halb ab und lauschte.

»Was ist’s?« fragte ihre Mutter ängstlich.

»Ich glaubte, den Schnee knirschen gehört zu haben.«

»Es wird welcher vom Dache gefallen sein.«

»Möglich. Bei solchen Gängen ist man doch ein wenig schreckhaft, man mag sonst noch so muthig sein.«

»Fangen wir also an, damit es desto rascher wieder ein Ende hat!«

»Warte nur! Noch wissen wir nicht, wohin wir das Kind tragen.«

»Ich weiß einen solchen Abfluß, wie wir vorhin erwähnten.«

»Wo?«

»Gleich hinter dem Bellevue, wo der Wald beginnt.«

»Ja, ich besinne mich. Es ist gar nicht so sehr weit dahin. Der Weg ist einsam. Es wird das der beste Ort sein. Wenn wir das Kind in die Gosse legen und einige Steine dazu, wird kein Mensch es finden.«

»Also heraus damit!«

Die Alte kniete nieder und begann die Erde zu entfernen. Die Riesin half ihr dabei.

»Scheint Dir die Erde nicht außerordentlich locker zu sein?« fragte dabei die Erstere.

»Ja. Es ist auch gar nicht anders möglich. Wir haben das Loch ja schon einmal aufgewühlt.«

»Aber ich glaube es viel fester zugestampft zu haben.«

»Das denkst Du nur. Sprich übrigens leiser. Im Winter ist die Luft kalt und bei Kälte geht der Schall viel weiter als sonst.«

»Wer soll uns hier hören? Etwa die Todten da drüben auf dem Kirchhofe?«

»Nein, sondern die Lebenden hier,« erklang es hart hinter ihnen.

Beide stießen einen lauten Schrei des Schreckes aus und fuhren empor. Hätte der Blitz neben sie eingeschlagen, so hätte der Schreck nicht größer sein können. Der Mann, welcher bei ihnen stand, lachte zufrieden vor sich hin und sagte: »Das wahr eine Ueberraschung, nicht wahhr? Ich hoffe aber, daß es eine freudige ist!«

»Zwiebel!« stieß die Riesin hervor.

»Herr Zwiebel!« bebte die Mutter, welche sich von ihrem Schrecke nicht so schnell zu erholen vermochte.

»Ja, ich bin beides. Zwiebel und auch Herr Zwiebel, je nachdem man mehr oder weniger höflich gegen mich ist.«

»Ich denke –« stotterte die Alte.

»Was denken Sie?«

»Daß – daß – daß Sie sich in der Centralherberge befinden.«

»Da denken Sie falsch, wie bereits öfters am heutigen Abend, Frau Bormann.«

»Was wollen Sie hier?« fragte jetzt die Riesin.

»Und was wollen Sie?« antwortete er.

»Das geht Sie nichts an!«

»So haben auch Sie mich nicht zu fragen.«

»Packen Sie sich fort!«

»Sie werden mir schon zu bleiben erlauben, Fräulein. Ich interessire mich außerordentlich für die Minirarbeit, welche Sie da begonnen haben.«

»Sie haben sich um uns gar nicht zu bekümmern.«

»Das war auch meine Absicht nicht.«

»Warum kommen Sie hierher?«

»Ich war eher da als Sie. Warum laufen Sie mir nach?«

»Waren Sie eher da, so können Sie auch eher gehen. Entfernen Sie sich augenblicklich!«

»Ich werde nicht gehen, ohne mit Ihnen fertig geworden zu sein. Sie werden nun zugeben, daß ihr Leugnen nichts als lächerlich gewesen ist.«

»Wir haben nicht geleugnet!«

»Nicht! Und wie sehr!«

»Wer leugnet, der sagt die Unwahrheit; wir aber sind wahr gewesen. Wir wissen von nichts.«

»Was suchen Sie dann hier?«

»Das Kind!«

Ihre Stimme hatte einen überlegenen, höhnischen Ton angenommen. Es war ihr ein Gedanke gekommen, von welchem sie Rettung erhoffte.

»Ah! Sie suchen das Kind,« sagte Zwiebel. »Und dennoch behaupten sie, von demselben nichts gewußt zu haben.«

»Wir wußten nichts, kein Wort!«

»Und doch wühlen Sie hier?«

»Haben Sie uns nicht selbst gesagt, wo es sich befindet? Wir sind gekommen, es zu suchen und dann Anzeige zu machen. Wissen Sie!«

Da lachte Zwiebel laut und herzlich auf. Er entgegnete:

»Die Angst hat Ihnen einen Gedanken eingegeben, welchen Sie für sehr geistreich halten; aber Sie irren sich abermals in mir. Ich habe zwar die Scheunen genannt, Ihnen aber nicht diejenige bezeichnet, um welche es sich handelt. Und noch viel weniger habe ich Ihnen den Ort genannt, an welchem sich die Leiche findet. Wie kommt es nun, daß Sie sofort die richtige Scheune finden und auch die betreffende Stelle sogleich in Angriff nehmen?«

»Zufall!«

»Pah! Das machen Sie weder mir noch einem Anderen weiß. Ich wußte, daß Sie hierhergehen würden, um das Kind zu entfernen, damit meine Anklage hinfällig werde. Darum habe ich Sie hier erwartet.«

»Warum bekümmern Sie sich so um mich? Haben Sie das Recht dazu?«

»Ah, Sie bekümmern sich wohl nicht um mich?«

»Fällt mir gar nicht ein!«

»Warum schicken Sie mir da Ihre Mutter zwei Gassen weit nach? Haben Sie dazu das Recht?«

»Sie sind mir verdächtig!«

»Und Sie mir. Wir stehen uns also gleich, und darum ist es am besten, Sie gehen auf den Handel ein, den ich Ihnen angeboten habe.«

»Ich kann nicht darauf eingehen. Ich weiß von nichts!«

»Und dennoch suchen und finden Sie das Kind!«

»In Folge Ihrer Beschreibung.«

»Lächerlich! Zwei Frauen laufen nicht des Nachts an einen einsamen, verrufenen Ort, weil Sie gehört haben, daß man dort eine Leiche versteckt habe?«

»Ich bin Riesendame. Ich fürchte mich nicht.«

»Und sind doch vorhin so außerordentlich erschrocken! Geben Sie sich keine Mühe, mich zu täuschen! Ich weiß Alles.«

»Nichts, gar nichts wissen Sie!«

»Meinen Sie? Und dennoch habe ich Sie in der Hand, Sie und Ihre Mitschuldige, die eigentliche Mörderin!«

»Sie meinen die Wartensleben?«

»Ja.«

»Wie können Sie die in der Hand haben! Sie haben sie ja noch gar nicht gefunden!«

»Ich habe eher von ihr gewußt als Sie!«

»Lüge!«

»Pah! Sollte ich die Leda nicht kennen?«

»Himmeldonnerwetter!« knirschte sie.

»Sie sehen, daß ich fest im Sattel sitze. Machen Sie Ihren Frieden mit mir, sonst laufen Sie immer größere Gefahr.«

»Sie sind ein schlechter Kerl!«

»Wenn Sie es wünschen, werde ich es sein, wenigstens nach Ihren Begriffen. Ich habe mit der Leda noch nicht gesprochen, und sie weiß nicht, daß ich Mitwisser bin. Weigern Sie sich, auf meinen Vorschlag einzugehen, so hefte ich mich an Ihre Fersen, bis es mir gelingt, Polizei zu erlangen, um Sie arretiren zu lassen.«

»Das werden Sie bleiben lassen!«

»Sodann gehe ich sofort zur Leda,« fuhr er unbeirrt fort. »Diese ist nicht so verstockt und hartnervig wie Sie; von ihr wird sehr leicht ein Geständniß zu erlangen sein. Dann sind Sie verloren.«

»Aurora!« bat die Mutter voller Angst.

»Was?« herrschte die Tochter sie an.

»Gieb nach!«

»Ich habe kein Geld übrig!«

»Die Leda wird zahlen!«

»Dieser Zwiebel wird es ja augenblicklich verlangen!«

»Ereifern Sie sich nicht,« meinte Zwiebel. »Die Sache liegt so klar und gerecht wie möglich vor Augen. Sie wurden die Zeugin von der Leda und verlangten tausend Gulden –«

»Ich habe nichts bekommen. Sie hat Ihr Versprechen ja gar nicht gehalten!«

»Das machen Sie einem Anderen weiß, mir aber nicht! Also Sie haben als Zeugin der Leda tausend Gulden verlangt; darauf bin ich ebenso Zeuge der That geworden. Ich könnte dieselbe Summe verlangen. Aber ich habe nur die Hälfte gesagt. Und wenn Sie jetzt nicht bei Casse sind, so bin ich auch der Mann, der mit sich reden läßt! Sie thun wirklich klug, wenn Sie aufhören, mit mir Versteckens zu spielen.«

»Aurora!« erklang es abermals bittend.

Die Riesin starrte eine ganze Weile vor sich nieder, dann fragte sie in grollendem Tone:

»Wie viel verlangen Sie?«

»Desto weniger, je offener Sie sind. Ich brauche das Geld sehr nothwendig, aber Vertrauen ist mir noch lieber. Wir haben gleiche Interessen, und die wahren wir jedenfalls am Besten, wenn wir wissen, wie wir mit einander stehen!«

»Aurora!«

Die Riesin machte eine ungeduldige Bewegung und sagte:

»Sei still, Mutter! Ich weiß schon selbst, was ich zu thun habe!«

»Leugnen Sie wenigstens nicht mehr,« meinte Zwiebel.

»Was wollen Sie dagegen machen, wenn ich nichts gestehe?«

»Ihr Leugnen wäre die größte Dummheit. Ich habe ja jedes Wort gehört, was Sie hier gesprochen haben. Wenn es sich nach Ihrem Leugnen verhielt, brauchten Sie nicht die Kindesleiche hinter das Bellevue zu schaffen, um sie dort zu verstecken.«

»Sie sind ein ganz miserabler Kerl!« raisonnirte sie. »Sogar das haben Sie erlauscht!«

»Also handeln Sie danach!«

»Gut! Ich frage abermals, wieviel Sie verlangen?«

»Sind Sie gut bei Casse?«

»Nein.«

»Ich bin mit Dem zufrieden, was Sie zufällig im Portemonnai bei sich tragen.«

»Wirklich?« fragte sie erfreut.

»Ja.«

»Dann werden Sie schweigen?«

»Ja.«

»Für immer?«

»Für immer!«

»Wollen Sie es mir heilig versprechen?«

»Ja. Also ich gebe Ihnen mein heiliges Wort, daß der Jongleur Zwiebel Sie nun und nimmer verrathen wird, wenn Sie ihm das Geld schenken, welches Sie gerade bei sich haben! Sind Sie zufrieden?«

»Ja. Aber wenn es nun zu wenig ist?«

»Ich brauche Geld und halte Wort!«

»Was werden sie thun, wenn Sie das Geld erhalten haben?«

»Zwiebel wird augenblicklich verschwinden,« lachte er, »und nie wieder in diese Gegend kommen!«

»Gut, so sollen Sie das Geld haben!«

Sie zog das Portemonnai hervor, schüttete den Inhalt desselben in ihre linke Hand und reichte ihm diese hin.

»Hier nehmen Sie!« sagte sie.

Er griff zu und zählte das Geld. Dies ging ganz gut, da der Schnee genugsam leuchtete.

»Sapperlot!« meinte er, als er fertig war. »Vier Gulden einundzwanzig Kreuzer!«

»Nicht genug?«

»Wo denken Sie hin!«

»Sie haben aber Ihr Wort gegeben!«

»Ich Esel! Ich war überzeugt, daß eine Künstlerin viel mehr einstecken haben werde, wenigstens hundert Gulden!«

»Sie sehen, wie sehr Sie sich geirrt haben,« lachte sie.

»Oder haben Sie mich nur getäuscht!«

»Wieso?«

»Scherz beiseite! Haben Sie wirklich nicht mehr einstecken.«

»Keinen Kreuzer mehr.«

»Ueberzeugen Sie mich.«

»Womit?«

»Lassen Sie mich in Ihr Portemonnai sehen!«

»Hier, sehen Sie! Es hat drei Fächer, und alle drei sind leer. Glauben Sie es nun?«

»Zeigen Sie!«

Wie um deutlicher sehen zu wollen, nahm er es aus ihrer Hand und blickte hinein. Dann sagte er: »Wirklich! Nichts weiter drin! Das konnte man schon am Portemonnai ahnen – alt und abgeschabt, kaum fünf Kreuzer werth. Fräulein Bormann, ich will Ihnen einen Vorschlag machen.«

»Welchen?«

»Einen Vorschlag, an dem Sie erkennen werden, wie gut ich es mit Ihnen meine, und daß ich ganz und gar nicht zu Ihrem Schaden sein will.«

»Nun, so schlagen Sie vor!«

»Diese vier Gulden einundzwanzig Kreuzer sind wie gar nichts für mich. Nehmen Sie sie wieder!«

Sie steckte unwillkürlich ihre Hand aus, und er legte ihr auch das Geld hinein.

»Ist das Ihr Ernst?« fragte sie.

»Ja.«

»Und Sie werden trotzdem Ihr Versprechen halten?«

»Ja. Vorausgesetzt, daß Sie mir eine kleine, ganz kleine Bitte erfüllen.«

»Welche ist es?«

»Sie sind ein verteufelt interessantes Frauenzimmer; ich habe eine bedeutende Theilnahme für Sie. Ich möchte ein kleines Erinnerungszeichen, ein Andenken an Sie haben.«

»Sind Sie etwa verliebt in mich?«

»Hm! Das wäre kein Wunder! Sie sind –!«

Er hielt inne. Sie fuhr lachend fort:

»Nicht wahr, ich bin eine saftige Pflaume?«

»Ja, freilich!«

»Na, wenn Sie ein Stündchen oder zwei unter vier Augen bei mir sein wollen, so kommen Sie morgen Nachmittag zu uns. Ich lasse nicht gern Jemand an unglücklicher Liebe sterben.«

»Danke, danke, danke!«

»Nicht?« fragte sie, verwundert, ihre colossalen Reize von ihm verschmäht zu sehen.

»Nein, meine Beste.«

»Warum nicht?«

»Meine Liebe ist nämlich ganz und gar nicht genußsüchtig.«

»Wie denn?«

»Platonisch.«

Da schlug sie eine ziemlich laute, höhnische Lache auf und sagte, zu ihrer Mutter gewendet:

»Hast Du jemals so etwas gehört? Ich werde platonisch geliebt! Das ist gerade so, als ob man den Wiedehopf unter die Kolibris zählen wollte! Zwiebel, Sie sind verrückt! Greifen Sie doch zu!«

»Nein, ich danke. Mein Gemüth ist zart besaitet, und meine stille Neigung zu Ihnen macht keine großen Ansprüche. Ich wiederhole, daß ich Sie in aller Bescheidenheit um ein kleines, ganz kleines Andenken bitte!«

»Na, was wollen Sie denn?«

»Etwas, was wohl viele, viele hundert Male in Ihren warmen, zarten Lilienfingern gewesen ist.«

»Was wäre das?« erkundigte sie sich neugierig, indem sie das Geld noch immer in ihrer Hand hielt.

»Dieses Portemonnai.«

Da machte sie eine Bewegung des Schreckes.

»Wo denken Sie hin!« sagte sie. »Geben Sie es her!«

Sie streckte den Arm danach aus; er aber hielt die Hand mit dem Geldtäschchen hinter sich auf den Rücken.

»Es ist ja gar nichts werth!«

»Für mich sehr viel!«

»Und als Andenken für mich noch mehr!«

»Sie können es nicht erhalten!«

»Sie haben das Geld zurück; das Portemonnai aber werden sie mir wohl lassen!«

»Nein, nein, auf keinen Fall!«

Sie machte Miene, auf ihn einzudringen. Er sagte:

»Sie thun ja gerade so, als ob das Geldtäschchen einen ungeheuren Werth hätte!«

»Den hat es auch für mich!«

»Warum?«

»Es ist ein Andenken.«

»An Ihren Bruder, den Einbrecher?«

»Nein.«

»Oder an den anderen Bruder, den Todtschläger?«

»Was gehen Sie meine Brüder an! Bekümmern Sie sich doch nur um sich selbst! Her mit dem Portemonnai!«

Jetzt packte sie seinen Arm; er wehrte ab und fuhr fort:

»Oder sollte doch noch etwas darin stecken?«

»Gar nichts! Sie haben sich doch überzeugt!«

»O, man versteckt zuweilen Cassenscheine zwischen die Seitenwände! Ich habe Ähnliches schon oft gehört.«

Sie fuhr vor ihm zurück und gebot dann im barschesten Tone:

»Faseln Sie nicht! Also her, augenblicklich!«

»Vielleicht sind die zwei Fünfhundertguldenscheine drin, die Sie erhalten haben, und die Petermann mit unterschlagen haben soll!«

»Herrgott!« entfuhr es der erschrockenen Alten.

»Ah! Habe ich es errathen? Siehe da!«

»Nichts, gar nichts haben Sie errathen! Verstanden! Geben Sie die Tasche her, oder es ergeht Ihnen schlecht!«

Sie steckte das Geld ein und trat mit geballten Fäusten auf ihn ein. Sie war fast um einen Kopf höher als er, und mit ihrer Schulterbreite konnte er sich gar nicht messen. Man sollte meinen, sie hätte ihn mit einem einzigen Hiebe ihrer Faust erschlagen können.

Er aber zeigte nicht die mindeste Unruhe, sondern er antwortete in aller Gemüthlichkeit: »Meine beste Aurora, regen Sie sich doch nicht wegen einer solchen Lappalie auf!«

»Lappalie? Ein so theures Andenken!«

»Ja, das wird es freilich sein, ein außerordentlich theures Andenken an Sie, mein liebes Kind.«

»Liebes Kind? Bleiben Sie mir vom Leibe mit diesen dummen albernen Brocken! Her mit dem Täschchen!«

»Na, wenn Sie es nicht anders thun, so sollen Sie es haben, obgleich ich stolz auf ein solches Souvenir gewesen wäre. Aber es war ausgemacht, daß Alles mir gehöre, was sich darin befinde. Ich habe also das Recht, noch einmal ganz genau nachzusehen, ob es wirklich leer ist. Die eine Seitenwand ist viel dicker als die andere. Hand auf’s Herz, Aurorchen, Sie haben da etwas hinein geklebt! Nicht?«

»Unsinn, tausendfacher Unsinn! Geben Sie es her, sonst nehme ich es mir! Und aber wie!«

Sie fuhr mit beiden Händen nach dem Portemonnai; er aber hatte es blitzschnell eingesteckt und entgegnete: »Ich muß ganz entschieden verlangen, genau nachsehen zu dürfen!«

»Nichts dürfen Sie, gar nichts! Ich fordere mein Eigenthum!«

»Und ich das meinige!«

»Es ist leer!«

»Die zwei Fünfhundertguldennoten stecken drinnen!«

»Lüge!«

»Es ist wahr!«

»Wie wollen sie das wissen?«

»Ich weiß es sehr genau. Sie haben nicht gewagt, diese Noten auszugeben. Jetzt wird man die Leda fragen, woher sie diese Art von Geld genommen hat, jedenfalls aus dem Cassenschranke des armen, unschuldigen Petermann!«

Da ließ die Riesin einen zischenden Laut hören, trat einen Schritt zurück und stieß hervor:

»Ah, Sie wissen Alles! Sie sind nicht, was Sie scheinen! Sie sind ein verkappter Polizeispion! Gut! Sie sollen von mir bedient werden! Ich kann nicht dulden, daß es einen Menschen giebt, der meine Geheimnisse kennt. Es ist mir gleich, ob ich nur der Hehler oder auch der Mörder einer Leiche bin. Sie haben sich an mich gewagt; gut, Sie sind ein todter Mann.«

Sie sprang auf ihn ein, um ihn bei der Gurgel zu fassen und zu erdrosseln, stieß jedoch in demselben Augenblicke einen lauten Schrei aus. Er hatte ihre beiden Hände an den Gelenken gepackt und hielt sie mit solcher Kraft fest, daß ihr der eiserne Druck seiner Finger den Schmerzensschrei erpreßt hatte.

»Armes Geschöpf!« sagte er. »Bildest Du Dir wirklich ein, den Jongleur Zwiebel erwürgen zu können? Und wenn der Angriff gelungen wäre, so hätte es Dir doch nur Schaden gebracht. Paß auf!«

Er stieß einen Pfiff aus und im Nu wurde es unter der weißen Decke, welche sie natürlich für Schnee gehalten hatte, lebendig. Mehr als ein Dutzend Männer umringten sie und ihre Mutter.

Da brüllte sie vor Grimm laut auf und suchte ihre Hände aus dem umklammernden Griffe des Fürsten zu reißen – vergebens.

»Spion! Schurke! Lügner! Schuft!« sprudelte sie.

»Handschellen her!« gab er zur Antwort.

Sie wurde auch von hinten ergriffen und festgehalten und dann in Fesseln gelegt. Auch ihre Mutter erhielt Handschellen. Auf einen zweiten, lauteren Pfiff kam eine Droschke herbei, welche drüben am Kirchhofe auf dieses Zeichen gewartet hatte. Die beiden Gefangenen wurden hineingezwungen, denn die Riesin weigerte sich, einzusteigen, und dann ohne alles Aufsehen nach dem Gefängnisse gebracht.

Die Herren zerstreuten sich. Als der Fürst von dem Gerichtsdirector Abschied nahm, sagte der Letztere: »Unser heutiger Fang wird Aufsehen erregen, wenn er einmal bekannt wird.«

»Der morgende noch mehr. Ich werde Sie am Vormittage aufsuchen, um Ihnen meine Vorschläge zu machen. Wer hat zu bestimmen, welcher Beamte die Untersuchung zu führen hat?«

»Ich als Gerichtsdirector.«

»Darf ich es wagen, Ihnen einen Vorschlag zu machen?«

»Bitte, befehlen Sie!«

»Besitzt der Herr Assessor von Schubert ihre Zufriedenheit?«

»Sogar meine Anerkennung und Sympathie. Dieser junge Beamte wird sich schnell emporarbeiten.«

»Möchten Sie diesen eclatanten Fall nicht ihm übergeben?«

»Das wäre allerdings eine bedeutende Auszeichnung, doch soll er sie haben, da Sie es wünschen. Aber darf ich vielleicht erfahren, warum Sie gerade den Assessor bevorzugt sehen wollen?«

»Ich möchte dies als Belohnung gelten lassen für die Art und Weise, in welcher er die Untersuchung gegen den unschuldigen Robert Bertram leitete.«

»Ich verstehe und billige diese Absicht ganz und gar. Also morgen habe ich die Ehre?«

»Am Vormittage. Gute Nacht!« –

Als Max Holm sich von den Anderen getrennt hatte, fühlte er eine innere Befriedigung wie noch selten in seinem Leben. Er hatte das Seinige gethan, Ellen Starton an ihren Feinden zu rächen, und er war überzeugt, daß sein Plan gelingen werde.

Alsdann dachte er an den armen Werner. Sein Herz drängte ihn, diesem mitzutheilen, daß er in kurzer Zeit seine Tochter als unschuldig verurtheilt wieder frei sehen werde. Er brauchte ihm ja weiter gar nichts zu verrathen.

Auf dem Wege zum Theaterdiener kam er an dem Café vorüber, in welchem er mit Werner und Monsieur Jean gesessen hatte. Das Liegen im kalten Schnee, nur mit einem Betttuche bedeckt, hatte ihm die Glieder erstarrt, darum beschloß er, erst ein Glas Grog zu sich zu nehmen.

Er verwunderte sich nicht wenig, bei seinem Eintritt Den am Tische sitzen zu sehen, zu dem er eben hatte gehen wollen – den Theaterdiener Werner.

»Guten Abend, Papa Werner,« grüßte er, bei ihm Platz nehmend. »Das ist ja ein blaues Wunder!«

»Beinahe, mein lieber Herr Holm! Ich bin seit langen Jahren nicht mehr kneipen gegangen, das heißt natürlich, auf eigene Rechnung. Heute nahm ich mir zum ersten Male vor, eine Tasse wirklichen chinesischen Thee zu trinken – zu zwanzig Kreuzer! Ah!«

Er setzte schnalzend die Tasse vom Munde.

»Verschwender!« scherzte Holm.

»Oho! Ich kann es mir bieten!«

»Wirklich? Hat das Glück vielleicht auch einmal den Weg zu Ihnen gefunden?«

»Wie man es nimmt!«

»Haben Sie vielleicht Zulage erhalten?«

»O weh! Ganz das Gegentheil: Hinausgeworfen hat man mich, mein bester, junger Freund.«

»Doch nicht!«

»Ja, der Intendant ist selbst bei mir gewesen.«

»O weh! Da hat er ja Ihre Frau gesehen.«

»Ja, und das hat ihm als Scheinursache zu meiner Entlassung gedient. Im Grunde genommen aber ist doch nur meine Emilie schuld.«

»Wieso?«

»Heute Abend wird der Stern des Harems gegeben. Die Darstellerin der Lieblingsfrau ist krank geworden, und meine Tochter sollte sich an ihrer Stelle fast splitternackt vor tausend Menschen auf die Bühne legen.«

»Sie hat es nicht gethan?«

»Nein, bewahre. Und darum habe ich den Laufpaß erhalten. Ich bin ohne Brod und Stelle und Verdienst.«

»Und gerade darum trinken Sie chinesischen Thee, die Tasse zu zwanzig Kreuzer?«

»Nicht darum, sondern trotzdem! Ich will das Unglück ärgern. Gerade weil ich kein Geld verdienen soll, werfe ich es zum Fenster hinaus!«

»Sie sind ein sehr leichtsinniger, junger Mensch!« lachte Holm, der sich freute, den Mann endlich einmal bei guter Laune zu sehen.

»Ja, nennen Sie mich immerhin leichtsinnig! Sie haben vollständig Recht. Da verschwende ich mein Geld mit Leckereien, und Ihnen bin ich vierzehn Gulden schuldig!«

»Oh, oh, so war es nicht gemeint!«

»Ich weiß es; aber wer Karawanenthee trinkt, der muß auch seine Schulden bezahlen können. Hier haben Sie, und zwar mit meinem allerbesten Danke!«

Er zog den Beutel und legte vierzehn Gulden hin.

»Papa Werner, wo denken Sie hin!« sagte Holm.

»Nehmen Sie nur!«

»Ich brauche es nicht!«

»Aber ich bin es Ihnen schuldig!«

»Es hat noch Zeit!«

»Aber ich habe es übrig!«

»Das sollte mich freuen! Heute morgen konnten Sie nicht so sagen. Sie müssen doch ein Glück gemacht haben!«

»Ja, ich bin ein halber Crösus geworden.«

»Wieso?«

»Ich habe meine Tochter verhandelt.«

Er sprach dies nur im Scherze; er hatte keine Ahnung, daß es wirklich ein ernstes Verschachern gewesen sei.

»Das müssen Sie mir erklären.«

»Nun, sie hat sich vermiethet und einen schönen Lohn vorausbezahlt erhalten.«

»Wieviel denn, wenn man fragen darf? Wenn Sie mir vierzehn Gulden geben können, so muß der Lohn, den Emilie erhält, ein sehr hoher sein.«

Als der Alte ihm den Betrag nannte, konnte er seine Verwunderung nicht verbergen. Er bemerkte:

»Das ist sehr ungewöhnlich! Bei wem dient sie?«

»Ich will es Ihnen erzählen.«

Werner berichtete ihm, wie es mit dem Engagement seiner Tochter zugegangen war. Holm faßte Mißtrauen, ja sogar Verdacht gegen diesen Circusdirector, doch ließ er sich gegen den braven Alten nichts merken, um ihn nicht in Angst und Sorge zu versetzen und um seine gegenwärtige gute Stimmung zu bringen.

Noch als sie über diesen Gegenstand plauderten, kam ein neuer Gast, welcher, als er Holm erblickte, ihn mit einer Art respectvoller Vertraulichkeit grüßte.

Er war noch jung, vielleicht kaum über zwanzig Jahre, kurz, dick und fleischig gebaut, mit feuerrothem Haar und einem schneeweißen, mädchenhaften Teint. Auf seinem vollen Gesichte lag ein Ausdruck unverwüstlicher Schalkhaftigkeit. Man mußte sich beim ersten Anblicke desselben sagen, daß dieser junge Mann wohl sehr gern lustige Streiche begehe.

Holm winkte ihn zu sich und sagte:

»Wollen Sie sich nicht zu uns setzen, lieber Hauck?«

»Wenn Sie erlauben, herzlich gern!«

»Kennen sich die Herren vielleicht?«

»Ich wenigstens kenne den Herrn Theaterdiener Werner.«

»Und ich werde wohl Ihren Namen hören,« meinte der Genannte.

»Ein College von mir,« sagte Holm. »Sie wissen doch, daß ich bisher zum Tanze spielte?«

»Ja, ja.«

»Nun, Herr Hauck ist unser Paukenschläger und zugleich der Hauptspaßvogel unseres Orchesters. Er hat mehr Wirbel und Fanfaren im Kopfe als auf dem Notenblatte, und wenn Sie sich bei ihm in Gunst setzen und ihm zugleich eine große Freude machen wollen, so geben Sie ihm Gelegenheit zu einem dummen Streiche. Er führt ihn sicher aus.«

»O, Gelegenheit gäbe es wohl, aber der Stoff fehlt leider,« bemerkte Werner so obenhin.

Holm aber nahm diese Worte sofort auf und fragte:

»Welche Gelegenheit meinen Sie?«

»Hm! Man spricht nicht davon.«

»Wir plaudern nichts aus!«

»Das weiß ich. Ich meine unser Theater.«

»Ja, da giebt es sehr faule Punkte.«

»Könnte ich doch einmal einem dieser Herren einen Streich, aber einen gehörigen Streich spielen!« seufzte Werner auf. »Wie gern thäte ich das?«

Der Paukenschläger lächelte überlegen vor sich hin und sagte:

»Wer einem Anderen in Wirklichkeit einen Possen spielen will, der findet stets Gelegenheit und Stoff.«

»Dieser Intendant, der Balletmeister, der Claqueur, der Kapellmeister, das sind lauter –«

»Halt!« fiel da Holm schnell ein. »Sie haben den Claqueur erwähnt, diesen Léon Staudigel. Da kommt mir eine Gedanke, ein prächtiger Gedanke!«

»Ein Jux?« fragte Hauck erwartungsvoll.

»Ja.«

»Lassen Sie mich dabei sein!«

»Wollen sehen. Zeigen Sie einmal Ihre Hände, Ihre Zähne, Ihre Ohren. So! Zufriedenstellend!«

»Das klingt ja gerade, als ob Sie mich als Haremshüter auf den Sclavenmarkt bringen wollten.«

»Etwas von Harem ist dabei.«

»Sapperment! Sie machen mich neugierig!«

»Sagen Sie einmal, Hauck, haben Sie in Ihrem Leben schon einmal Austern gegessen?«

»Linsen, ja, Austern noch nicht.«

»Caviar?«

»War nicht so frei!«

»Champagner getrunken?«

»Uebergelaufene Milch war bisher meine größte Wonne. Höher kam ich nicht.«

»Hm! Möchten Sie das nicht einmal versuchen?«

»Bin sofort dabei! Aber, da läuft mir eine ganze Pfütze im Munde zusammen, und was ist es, Sie scherzen doch nur.«

»Nein. Ich lade Sie in aller Wahrheit und Wirklichkeit ein zu einem hochfeinen Souper zu dreißig, fünfzig und auch noch mehr Gulden. Es kommt ganz auf das Talent an, welches Sie zeigen.«

»Ihre Person in Ehren, Herr Holm! Sie wissen, daß ich Sie hochachte, denn Sie sind kein gewöhnlicher College und Bierfiedler. Aber, bitte, sagen Sie mir einmal im Vertrauen: Sind Sie vielleicht übergeschnappt?«

»Nein.«

»Oder haben Sie eine Seeschlange im Kopfe?«

»Auch nicht.«

»Dann wollen wir lieber von diesem Thema abbrechen.«

»Warum?«

»Sie reden nicht im Ernste.«

»Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich es ganz gewiß so meine, wie ich es sage!«

»Alle Teufel! Jetzt weiß ich wirklich nicht, woran ich bin und was ich denken soll!«

»Denken Sie an ein hochfeines Abendessen! Voran kommt Triester Fisch-oder New-Yorker Turtlesuppe. Machen Sie mit oder nicht?«

»Ich fische und turtle auf alle Fälle mit.«

»Sodann kommt Gans, Ente, Hase, Rehrücken, Hirsch, Wildschwein, Rheinlachs, Lendenbraten, Rostboeuf, kurz und gut, Alles, was Sie sich nur wünschen, kalt oder warm, in größter Auswahl.«

»Mir wird es schon jetzt eiskalt und brühwarm.«

»Dazu alle Sorten Weine, ganz so, wie Sie die Wahl treffen.«

»Wollen Sie mich in’s Schlaraffenland expediren?«

»Nein, sondern nur nach dem Bellevue.«

»Sapperment, dort soll es eine feine Küche geben, wie ich gehört habe. Gesehen habe ich sie freilich nicht und zu schmecken bekommen noch viel weniger.«

»Und das Alles haben Sie umsonst.«

»Desto billiger ist es.«

»Sie werden sogar mit Equipage abgeholt.«

»Ich kenne mich schon jetzt nicht mehr.«

»Und vom Wirthe selbst bedient.«

»Welch’ ein feiner Kerl bin ich! Aber Etwas, Etwas muß man doch von mir verlangen!«

»Das ist freilich wahr.«

»Nun, was denn?«

»Einige Umarmungen und vielleicht einige Küsse.«

»Donnerwetter! Ist ›sie‹ hübsch?«

»Etwas über fünfzig Jahre alt.«

»Pfui Teufel!«

»Na, für so ein Abendessen kann man sich schon einmal überwinden!«

»Richtig! Also umarmt und geschmatzt soll sie werden! Aber Knoblauch darf sie nicht vorher gegessen haben.«

»Das fällt ihr gar nicht ein.«

»So will ich thun, was ich thun kann. Nur während des Essens muß sie mich in Ruhe lassen.«

»Sie sagen immer ›sie‹, aber es ist keine ›Sie‹, mein lieber Hauck.«

»Was denn?«

»Ein ›Er‹.«

»O weh! Aber das ist doch nicht möglich!«

»Sogar wirklich!«

»Ich soll einen Kerl umarmen und küssen?«

»Nein.«

»Aber Sie sagten es doch!«

»O nein! Sie sollen nichts thun; Sie sollen sich leidend verhalten. Sie sollen weder umarmen noch küssen, sondern Sie sollen umarmt und geküßt werden.«

»Von einem Fünfzigjährigen?«

»Ja.«

»Nehmen Sie es mir nicht übel! Das geht noch über das Kasperltheater. Denn daß Sie nur Spaß machen, das glaube ich nun nicht mehr, seit Sie mir Ihr Wort gegeben haben. Dieses pflegen Sie in Ehren zu halten.«

»Vielleicht fällt ein Lichtstrahl in Ihre Geistesfinsterniß, wenn ich Sie frage, ob Sie sich vielleicht schon einmal als Mädchen verkleidet haben?«

»O, öfters schon! Zu Fastnacht! Man hat mich ja allgemein für ein Mädchen gehalten. Ich bin so gebaut, daß ich beinahe ausgeschnitten gehen könnte. Ich hätte die erforderliche Gestalt zu einem Damenkomiker.«

»Schön! Wie sind Ihre Arme?«

»Voll und rund wie bei der Melusine.«

»Aber die Stimme.«

»Habe keine Sorge! Ich habe eine famose Fistelstimme, welche gerade wie die natürliche klingt. Ueberdies braucht man sich nur auf’s Flüstern zu verlegen. Aber, sagen Sie, das klingt ja gerade, als ob ich mich bei diesen famosen Souper als Dame verkleiden solle?«

»So ist es auch.«

»Famos, famos! Ich beginne zu ahnen! Es ist ein fader, alter Geck im Spiele.«

»Errathen!«

»Der eine nicht zu sehr Spröde zu diesem splendiden Abendessen eingeladen hat?«

»Ganz so ist es.«

»Und ich soll an Stelle dieser Schönen treten?«

»Sie besitzen ein wunderbares Sehervermögen.«

»O, meine Eßwerkzeuge sind noch wunderbarer. Aber, sagen Sie, ist keine Gefahr bei der Sache?«

»Nicht die mindeste.«

»Man wird mich doch nicht etwa beim Schlafittchen nehmen!«

»Das fällt Niemandem ein. Der Betreffende wird ganz im Gegentheile sehr froh sein, wenn von der Sache nichts ausgeplaudert wird.«

»Darf ich nach dem Namen fragen?«

»Ja. Hierbei wird sich unser Papa Werner auch mit interessirt fühlen. Nämlich die Tänzerin Leda – ah, haben Sie von dem morgigen Wetttanze gehört, Hauck?«

»Ja. Ich weiß Alles.«

»Gut. Herr Léon Staudigel stellt der Leda seine ganze Truppe zur Verfügung, während keiner der Seinen die Amerikanerin beklatschen darf.«

»Chikane!«

»Dafür hat die Leda ihm versprechen müssen, ein süßes Schäferstündchen mit ihm zu verleben.«

»Wann?«

»Morgen gleich nach der Vorstellung. Für dieses Liebesabenteuer ist im Bellevue das besagte Abendessen bestellt worden. Staudigel und die Leda wollen also dort gegen elf Uhr per Equipage angefahren kommen.«

»Und ich soll an Stelle der Leda treten?« fragte der Paukenschläger.

»Ja.«

»Wer hat diesen Plan ausgeheckt?«

»Er kam mir erst soeben in den Sinn.«

»Ich habe diesen alten Staudigel verteufelt auf dem Puff! Ich möchte ihm gern diesen Streich spielen; aber der Jux erscheint mir denn doch zu gewagt.«

»Was sollte zu befürchten sein?«

»Wenn er mich anzeigt, verklagt!«

»Das fällt ihm gar nicht ein. Seine Frau darf von dem Souper gar nichts ahnen; sie würde es aber unbedingt erfahren, wenn er gegen Sie auftreten sollte. Ferner muß er das Publikum fürchten. Denken Sie sich den Skandal, wenn man erführe, daß Herr Léon Staudigel ein süßes tête-à-tête für sechszig Gulden mit einem – Paukenschläger gehabt habe!«

»Das ist wahr. Ich glaube, er würde mir noch ein feines Trinkgeld geben, damit ich nur den Mund halte.«

»Ganz gewiß. Da wette ich mit.«

»Es giebt doch auch noch andere Bedenken.«

»Welche?«

»Besonders eins: Er muß doch sofort sehen, daß ich überhaupt gar keine Dame und am allerwenigsten die Leda bin. Er müßte denn morgen blind sein.«

»Das wird er auch sein, wenigstens in gewisser Beziehung. Ich habe nämlich vergessen, zu sagen, daß Niemand wissen soll, wer die Beiden sind. Darum werden sie Masken tragen.«

»Sapperment, das ist kein übler Gedanke.«

»Es werden Halbmasken sein, da sie auch während des Essens nicht abgelegt werden. Der dabei bedienende Wirth soll die Beiden auch nicht erkennen. Er weiß es aber bereits, wer sie sind.«

»Haben Sie es ihm verrathen?«

»Ja. Erst wenn er sich entfernt hat, also nach der Tafel, wird Staudigel die Entfernung der Maske verlangen, denn dann werden die Liebenswürdigkeiten in Scene gesetzt werden sollen. Wenn Sie sich entschließen könnten, diese Rolle zu übernehmen, wäre Ihnen eine feine Gratification gewiß.«

»Von wem?«

»Vom Fürsten von Befour.«

»Sapperment! Kennen Sie ihn?«

»Sehr gut.«

»Steckt er mit im Complotte?«

»Ja.«

»Hm, wenn der dabei ist, so brauche ich freilich nichts zu fürchten. Die Sache ist ganz und gar nach meinem Geschmacke: Gutes Essen, feines Getränk, noble Bedienung, eine Extragratification und, was die Hauptsache ist, der ungeheure Jux, den es mir selber macht. Ich möchte also gern und gut Ja sagen aber – wo nehme ich die dazu erforderliche Damengarderobe her?«

Der verlorne Sohn
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