»O, ich hätte so gern gehabt das Ganze, aber der Collecteur von der Lotterie ist gewesen so kurz, daß ich bekommen habe große Angst, daß er gehen möchte zu noch einem Anderen.«

»Und was hast Du bezahlt für das Loos?«

»Dreißig Gulden.«

»Dreißig ganze, schöne, silberne Gulden? O, Salomonleben, Du hast bezahlt zu viel, viel zu viel für das bißchen Papier, auf welchem doch nichts Anderes steht als eine Nummer.«

»Ja, es ist zuviel. Aber wenn ich nicht hätte geben wollen dreißig Gulden, so hätte ich gar nicht bekommen diese Nummer. Es ist dem Graveur gestorben die Schwiegermutter; er braucht grad dreißig Gulden, sie zu begraben, darum hat er mir nicht gelassen billiger das Loos.«

»Dreißig Gulden?« sagte sie erstaunt. »Dreißig Gulden, um zu begraben ein altes Weib? Was wird kosten der Sarg?«

»Er kann bekommen einen Sarg schon zu vier Gulden.«

»So mag er bezahlen vier Gulden und die Alte hinausschaffen in das Loch. Behält er übrig noch sechsundzwanzig Gulden. Salomon, Du hättest geben sollen nur zehn Gulden! Er hätte immer noch übrig sechs!«

»Was verstehst Du doch gut zu rechnen,« schmunzelte der Alte. »Werde ich Dir auch, wenn Du stirbst, machen lassen einen Sarg zu vier Gulden und werde Dich hinausfahren selbst, damit ich spare das große Geld des Begräbnisses.«

»Ja, thue das, damit meine Tochter Judithleben erhält ein großes Vermögen. Aber, zeige mir das Loos, damit ich sehe ein Papier, welches werth ist hunderttausend Gulden.«

»Hier ist es; siehe es Dir an!«

Er gab ihr das Loos in die Hand. Sie verschlang es fast mit ihren gierigen Augen, preßte es zwischen ihre Hände und murmelte in einer Art irrer Verzückung: »O, was sind wir gewesen so arm! Wir haben gehabt Hunger und Durst; aber wir haben nicht gegessen und nicht getrunken, um uns zu sammeln ein Vermögen, mit welchem wir gehören zu den Leuten, welche man nennen kann reich. Salomon Levi, wenn ich sterbe, so giebst Du mir in meiner Todesstunde in die Hand ein solches Papier, damit mein Geist sich freue über die Arbeit, welche er hat vollbracht auf dieser Erde.«

Da klingelte es, und die Alte ging, um nachzusehen, wer es sei, der Einlaß begehrte. Bald kam sie zurück und meldete: »Es ist da der Lieutenant von Scharfenberg, welcher wünscht, zu sprechen mit Dir. Bist Du für ihn daheim?«

»Hast Du gesagt, daß ich bin da?«

»Nein. Ich habe gesagt, daß ich will nachsehen.«

»So sage ihm, daß ich habe keine Zeit. Er wird nicht gehen, und erst nach langem Bitten wirst Du ihn schicken.«

»Recht so, Salomonleben. Diese Herren vom Militär, welche sind so stolz, daß sie auf der Straße keinen Menschen ansehen, der nicht ist ein Krösus oder ein Adeliger, diese Herren muß man demüthigen, wenn sie kommen, Geld zu leihen, um zu bezahlen ihre Schulden und zu retten ihre Ehre, welche nicht ist werth einen Gulden und auch nicht einen Kreuzer.«

Sie ging, und nach Verlauf von wohl erst einer Viertelstunde trat der Lieutenant sporenklirrend ein.

Er grüßte. Salomon Levi that, als ob er es gar nicht gehört habe. Er hatte ein Papier vorgenommen, blickte nicht auf und gab sich den Anschein, als ob er mit einer höchst nothwendigen Schreiberei beschäftigt sei.

Der Lieutenant hustete; es half nichts. Er räusperte sich sehr laut und sehr unwillig, und als der Jude sich auch jetzt zu keinem Worte herbei ließ, sagte er in stolzem Tone: »Herr Levi, sind Sie denn eigentlich zu sprechen oder nicht?«

Jetzt hob der Jude den Kopf empor, warf einen unwilligen Blick auf den Frager und antwortete: »Sie sehen, daß ich beschäftigt bin. Ich habe meine Arbeit zu vollenden. Warten Sie einige Minuten!«

»Gut! Aber denken Sie, daß ich wie ein Schulbube hier an der Thür stehen bleiben soll, bis Sie fertig sind?«

»Dort steht ein Stuhl. Bitte, setzen Sie sich!«

»Der Stuhl ist nicht leer.«

»Legen Sie das, was Ihnen im Wege ist, herab auf den Fußboden. Ich kann Sie augenblicklich nicht bedienen.«

Innerlich knirschend nahm der Lieutenant das alte Gerümpel, welches auf dem Stuhle lag, weg und setzte sich.

Der Jude ließ ihn sehr lange warten. Endlich legte er die Feder weg und sagte, wie von einer großen Anstrengung aufathmend: »So, nun bin ich bereit. Ah, warten Sie!«

Er öffnete ein Pult, kramte in den darin befindlichen Schreibereien und brachte dann ein Papier zum Vorschein.

»Ich weiß, weshalb Sie gekommen sind. Hier ist Ihr Ehrenschein, den Sie einlösen wollen.«

Der Lieutenant stand vom Stuhle auf, drehte, einigermaßen verlegen, den Schnurrbart und sagte: »Das ist allerdings der Zweck meines Besuches; doch muß ich Sie fragen, ob die Zahlung in baarem Gelde geschehen muß?«

»Natürlich! Sie haben die Summe baar empfangen.«

»Aber nicht von Ihnen.«

»Aber ich habe den Schein ebenso baar bezahlen müssen.«

»Ich kann Ihnen nur Papiere geben.«

»Hm! Sind sie gut?«

»Ich hoffe es. Wenigstens habe ich sie als gute empfangen.«

»Zeigen Sie!«

Der Offizier zögerte noch, die Werthobjecte vorzulegen. Er sagte:

»Es sind Chilenen.«

»Chilenen? O weh! Ich speculire nicht an der Börse.«

»Ist auch nicht nothwendig.«

»O, solche Papiere nimmt nur ein Speculant.«

»Sie können sie ja sofort verwerthen!«

»Thun Sie das doch, und bringen Sie mir das Baargeld, welches Sie dafür erhalten. Sie sind der Besitzer der Papiere. Warum soll denn grad ich sie für Sie verwerthen?«

»Ich denke, es ist gleich, wer sie verkauft, Sie oder ich.«

»So! Ich werde einmal nach dem Curse sehen.«

Er nahm die Börsenzeitung des heutigen Tages her, schlug die betreffende Seite auf, sah nach und meinte dann: »Nicht übel. Wie wollen Sie die Papiere verkaufen?«

»Pari.«

»Sie stehen hundertzwölf. Sie büßen dabei ein.«

»Sie sehen also, daß ich Ihnen einen Verdienst gönne.«

»Ja, das können Sie auch. Sie sind reich. Unsereiner aber hat sich anzustrengen, wenn man ehrlich durchkommen will. Also gut, ich nehme die Papiere zu Hundert.«

Dem Lieutenant wurde das Herz leicht; er trat an den Tisch heran, zog seine Chilenen hervor und begann aufzuzählen. Der Jude folgte seinen Bewegungen mit dem Blicke einer Katze, welche mit der Maus ihr grausames Spiel treibt!

»So,« sagte Scharfenberg. »Bitte, zählen Sie nach!«

Salomon Levi zählte die Scheine, nickte befriedigt und sagte:

»Es stimmt. Wenn der Herr Lieutenant vielleicht einmal einen Vorschuß brauchen, so bin ich gern bereit, ihn zu geben.«

»Wirklich?«

»Ja.«

»Wenn ich Sie nun beim Wort halte.«

»Ich breche mein Wort nie.«

»Wie nun, wenn ich gleich jetzt einer Summe bedürfte?«

»Ganz gern! Wieviel wollen Sie haben?«

»Einige tausend Gulden.«

»Ich gebe sie Ihnen. Das Geld liegt ja da.«

»O bitte! Ich möchte nicht dieselben Scheine haben, die ich Ihnen jetzt gegeben habe.«

»Warum nicht?«

»Ich antworte Ihnen das, was Sie selbst sagten: Ich spiele nicht an der Börse; ich speculire nicht!«

»Aber in diesem Falle wäre ich ja weiter nichts, als Ihr Geldwechsler. Sie bezahlen mich mit Obligationen, und ich borge Ihnen mein baares Geld!«

»Wenn Sie es so nehmen, so kann ich nichts dagegen sagen.«

»Aber Sie wissen jedenfalls, daß ein Wechsler nicht umsonst arbeitet, Herr von Scharfenberg.«

»Ich bin bereit, Ihnen zu procentiren.«

»Wollen sehen!«

Er nahm die Obligationen zusammen, ließ, wie zufällig, den Blick darauf fallen, machte eine Bewegung des Schreckes und rief, indem er die Papiere schnell wieder hinlegte: »Gott meiner Vater, was sehe ich!«

Der Lieutenant wurde unruhig.

»Nun, worüber erschrecken Sie denn?« fragte er.

»Die Chilenen stehen freilich auf hundertzwölf, aber die von der letzten Emission. Sehen Sie, die Ihrigen sind heute auf fünfzehn gefallen. Morgen werden sie gar nichts mehr werth sein. Ich kann sie nicht als Zahlung nehmen.«

»Donnerwetter!« entfuhr es dem Lieutenant. »Ich habe sie für Hundert und auch noch mehr nehmen müssen!«

»Tragen Sie sie gleich wieder hin!«

»Das wollte ich; aber ich kann sie nicht los werden.«

»Warum nicht?«

»Die Herren, von denen ich sie habe, sind verreist.«

»Wer sind die Leute?«

»Ein Rentier Schönlein – –«

»Schönlein?« fiel der Jude ein. »Den kenne ich; der ist gut, sehr gut. Er besitzt ein großes Vermögen.«

»Aber er ist auf einige Monate verreist. Und einen zweiten Theil der Obligationen habe ich von Freimann und Compagnie.«

»Auch gut, außerordentlich gut sogar.«

»Herr Freimann ist auch verreist. Ich traf seinen Buchhalter, welcher nicht zu disponiren vermochte.«

»So warten Sie, bis die Herren zurückgekehrt sind.«

»Kann ich denn?«

»Warum nicht?«

»Ich brauche ja Geld!«

»Sie scherzen. Die Scharfenbergs sind reiche Leute.«

»Gewiß. Aber Sie wissen bereits, daß ich jetzt keine Capitale zur Verfügung habe. Und wie steht es denn mit meinem Ehrenscheine?«

»Er ist zu Ihrer Verfügung. Sie sind ja gekommen, ihn einzulösen.«

»Sie nehmen aber die Obligationen nicht an!«

»Sie sind werthlos.«

»Aber anderes Geld habe ich nicht!«

Da blickte der Jude mit dem Ausdrucke des Unglaubens zu ihm hinüber und sagte:

»Der Herr Lieutenant ist ein spaßhafter Cavalier. Die Frist ist abgelaufen. Die Schuld muß bezahlt werden.«

»Ich habe nur diese Papiere.«

»Kein Geld?«

»Nein.«

Er hätte nicht einmal diese Papiere gehabt. Er hatte ja gestern Abend gegen sie und seinen Baarverlust sein Leben eingesetzt und diesen Einsatz verloren. Heute nun waren ihm die Chilenen zugestellt worden, und zwar mit folgenden Zeilen:

»Herr Lieutenant.

 

Sie haben den beifolgenden Obligationen gestern einen Werth angedichtet, den sie keineswegs haben. Obgleich nun nach dem offiziellen Paragraphen des Gesetzbuches Spielschulden nicht einklagbar sind, gebietet doch das Gesetz der Ehre, sie zu bezahlen. Sie setzten die Scheine je zehn Stück zu angeblich tausend Gulden. Ich habe sie von den anderen Gewinnern dafür erstanden und sende sie Ihnen in der Ueberzeugung zurück, daß Sie mir binnen vierundzwanzig Stunden den vollen Betrag baar zugehen lassen.

Oberlieutenant von Hagenau.«

 

In Folge dieses Briefes war ihm himmelangst geworden. Er kannte Hagenau. Er wußte, wie streng dieser auf Ehre hielt. Er war überzeugt, bei ihm kein Erbarmen zu finden, wenn es ihm nicht möglich sei, das Geld binnen der angegebenen Frist zu beschaffen. Das anfängliche Verhalten des Juden hatte ihn mit Hoffnung erfüllt! Desto bitterer und größer war nun die darauf folgende Enttäuschung. Er fühlte eine förmliche Angst vor Dem, was nun kommen werde.

»Also nicht?« fragte Salomon Levi.

»Nein.«

»Nun, da werde ich dafür sorgen, daß ich bezahlt werde!«

»Darf ich fragen, was Sie thun werden?«

»Ich werde diesen Ehrenschein Ihrem Oberst präsentiren!«

»Beim Teufel! Das werden Sie unterlassen!«

»Beim Teufel! Das werde ich thun!«

»Sie ruiniren mich!«

»Und Sie mich, wenn ich es unterlasse. Jeder aber ist sich selbst der Nächste.«

»Ich hoffe, daß Sie Verstand annehmen!«

»O, ich bin sehr bei Verstande! Ich weiß aber nicht, ob es sehr verständig ist, so wie Sie zu handeln!«

»Donnerwetter!«

»Fluchen Sie nicht, Herr Lieutenant! Es hilft Ihnen zu nichts. Ich habe Ihnen bereits wiederholt Frist gegeben; nun aber brauche ich mein Geld; ich muß es haben!«

»Sie brauchen es nicht!«

»Meinen Sie! Können Sie in meine Bücher sehen? Ich werde gedrängt; ich muß zahlen. Die Frist, welche ich Ihnen in Rollenburg gab, ist abgelaufen. Wenn Sie nicht zahlen können, gehe ich zum Oberst.«

Der Jude sprach in einem so entschiedenen Tone, daß Scharfenberg erkannte, daß es sein Ernst sei. Er fragte kleinlaut: »Wollen Sie nicht wenigstens bis morgen warten?«

»Nein.«

»Wenn ich nun Ihnen eine Abschlagszahlung leiste?«

»Womit wollen Sie zahlen?«

»Ich werde diese Obligationen verkaufen. Ich nehme dafür, was man mir bietet.«

»Das ist zu wenig!«

»Aber doch Etwas!«

»Wer soll Sie Ihnen abkaufen!«

»Vielleicht Sie!«

»Ich? Wie kommen Sie mir vor! Das fällt mir gar nicht ein!«

»Aber bedenken Sie, daß es mir vielleicht gelingen wird, dann das Fehlende aufzutreiben!«

»Vielleicht! Ich brauche mein Geld!«

»Ich will Ihnen ja alle Vortheile bieten. Sagten Sie nicht, daß diese Papiere auf fünfzehn gefallen seien?«

»Ja.«

»Nun, wenn Sie mir noch einen Tag Frist geben, lasse ich sie, Ihnen für zehn Gulden das Stück.«

»Was kann mir dies nützen! Morgen gelten sie vielleicht gar nichts mehr.«

»So ist immer die Möglichkeit vorhanden, daß sie steigen! Es liegt doch keineswegs in Ihrem Vortheile, einen Schuldner, dem später große Capitalien zur Verfügung stehen werden, zu verderben. Ueberlegen Sie sich das!«

Salomon Levi wußte recht wohl, was er wollte. Er gab sich den Anschein, als ob die letzten Worte des Offiziers Eindruck auf ihn gemacht hätten. Er ging überlegend einige Male in der Stube auf und ab; dann blieb er vor Scharfenberg stehen, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte: »Sie mögen da nicht ganz Unrecht haben. Ich will also auf Ihren Vorschlag so weit eingehen, wie ich kann. Also hören Sie: Ich gebe Ihnen noch einen Tag Zeit, wenn Sie mir diese Obligationen für rund fünfhundert Gulden lassen!«

»Das ist wenig, sehr wenig!«

»Und doch zu viel, denn sie haben keinen Werth.«

»Geben Sie wenigstens sechshundert!«

»Nein. Aber etwas Anderes will ich Ihnen geben.«

»Was?«

»Einen guten Rath.«

»Nun, wenn er wirklich gut ist, so wird er dankend angenommen.«

»Er ist gut, sehr gut. Sie brauchen Geld. Ich kann es Ihnen nicht schaffen, und ich kann Ihnen auch nicht länger gestunden, weil ich selbst es auch brauche. Aber ich will Ihnen einen Mann nennen, von dem Sie bekommen werden, was Sie brauchen.«

»Wer ist dieser Mann?«

»Er ist auch Rentier wie Herr Schönlein. Er heißt Wunderlich und wohnt Neumarkt Nummer zwölf in der ersten Etage.«

»Aber er kennt mich doch nicht.«

»Ich gebe Ihnen einige Zeilen mit.«

»Und Sie glauben wirklich, daß er mir dienen wird?«

»Ja.«

»Gut! Sie sollen diese Papiere für fünfhundert Gulden haben.«

»Schön. Das Andere, den Rest bringen Sie mir also morgen um diese Zeit.«

»Schon heute, wenn ich Geld erhalte.«

»Desto besser! Aber bedenken Sie, daß ich nicht einen einzigen Augenblick länger warten werde! Ich will Ihnen jetzt den Brief an Wunderlich schreiben.«

»Sind Sie so bekannt mit ihm, daß er Ihre Empfehlung berücksichtigen wird?«

»Ja. Sie werden sich freilich zu einigen Opfern verstehen müssen. Aber bedenken Sie, daß er der Letzte und Einzige ist, an den Sie sich wenden können!«

Salomon Levi schrieb einige Zeilen, ließ sie den Lieutenant lesen und verschloß sie dann in ein Couvert, welches er adressirte und ihm gab. Als Scharfenberg nun ging, wußte er nicht, sollte er sich erleichtert fühlen oder nicht.

Er begab sich direct nach der angegebenen Wohnung des Rentiers, bei dem er sogleich vorgelassen wurde.

Wunderlich war – ganz derselbe Mann, welcher vorher wegen der von dem Graveur Herold zu fertigenden Platte bei dem Juden gewesen war. Er empfing den Lieutenant mit einem unterdrückten Erstaunen. Er konnte sich nicht denken, was ein Officier bei ihm wolle. Aber als er die Zeilen des Juden, welche für ihn eine ganz eigene Bedeutung hatten, gelesen, war er sich über die eigentliche Absicht Salomon Levi’s vollständig im Klaren.

»Nehmen Sie Platz, Herr Lieutenant,« sagte er. »Herr Levi schreibt mir da, daß Sie in einer Angelegenheit kommen, welche er mir dringend an das Herz lege. Das ist sehr allgemein gehalten. Darf ich Sie bitten, mir diese Angelegenheit näher zu bezeichnen?«

»Es ist eine pecuniäre.«

»Auch das ist noch zu allgemein.«

Scharfenberg nahm seinen ganzen Muth zusammen und sagte:

»Es handelt sich um einen Vorschuß.«

»So! Das ist deutlich. Nun wissen wir, woran wir sind. Wie hoch soll der Vorschuß sein?«

»Möglichst hoch.«

»Das ist wieder so unbestimmt, und Sie werden bemerkt haben, daß ich die möglichste Deutlichkeit liebe. Ich ersuche Sie also, mir eine feste Summe zu nennen.«

»Zehn-bis zwölftausend Gulden.«

»Sapperment! Das ist viel!«

»Ich schmeichle mir, daß Sie im Besitze dieser Summe sind.«

»Hm! Wann brauchen Sie das Geld?«

»Sofort.«

»Und auf wie lange Zeit?«

»Für ein Jahr oder auch noch länger.«

»Welche Zinsen geben Sie?«

»Nach Uebereinkommen. Doch bemerke ich, daß ich als Cavalier bezahle.«

Wunderlich fixirte ihn mit einem langen, scharfen Blicke. Er nickte vor sich hin und sagte dann: »Ich ersuche Sie, aufrichtig mit mir zu sein, Herr Lieutenant. Sie haben reiche Verwandte?«

»Ja. Ich bin der einzige Erbe meines Vaters.«

»Er rückt aber jetzt nichts heraus?«

»Leider nein.«

»Und Sie brauchen es doch so nöthig?«

»Allerdings, sehr nöthig.«

»Sie befinden sich also in Noth?«

»Ich gestehe es.«

»Haben vielleicht Schulden auf Ehrenwort?«

»So ist es. Ich darf mich reich nennen, besitze aber jetzt nicht einen Gulden. Wenn Sie mir nicht helfen, muß ich vielleicht zur Pistole greifen. So, das ist doch aufrichtig?«

»Ja, ich danke. Ich kann Ihnen helfen, aber doch nur in anderer Weise als Sie denken.«

»In welcher?«

»Hm! Das ist eine Sache, welche die größte Vorsicht erfordert. Wollen Sie mir Ihr Ehrenwort geben, daß kein einziger Mensch ein Wort von unserem gegenwärtigen Gespräch erfahren soll?«

»Ich gebe es.«

»Schlagen Sie ein!«

»Hier!«

Sie reichten sich die Hände. Dann sagte Wunderlich:

»Ich kann Ihnen diese Summe nicht borgen.«

»Donnerwetter!«

»Bitte nicht verzagen! Borgen kann ich sie Ihnen nicht. Aber ich kann Ihnen Gelegenheit geben, sich so viel und noch weit, weit mehr zu verdienen.«

»Nützt mir nichts!«

»Bitte, abwarten!«

»So viel Geld zu verdienen, dazu gehört Zeit, und ich brauche das Geld noch heute.«

»Gut, so verdienen Sie sich heute zwölftausend Gulden!« Scharfenberg fuhr von seinem Sitze empor.

»Heute, heute?« fragte er erstaunt.

»Ja.«

»Ist das möglich?«

»Sehr leicht sogar.«

»Auf welche Weise?«

»O, Sie brauchen nur das Geld, welches Sie von mir erhalten, auszugeben.«

»Ich verstehe Sie nicht.«

»Ich werde mich Ihnen erklären. Entschuldigen Sie mich für einige Augenblicke!«

Er verließ das Zimmer, kehrte aber bald zurück und setzte sich zu dem Lieutenant.

»Erlauben Sie mir, Ihnen hier diese beiden Fünfzigguldenscheine vorzulegen. Bitte, betrachten Sie sich dieselben!«

»Ja. Zu welchem Zwecke?«

»Finden Sie nichts Auffälliges an ihnen?«

»Nein,« antwortete der Lieutenant, nachdem er die Banknoten möglichst genau betrachtet hatte.

»Wirklich nicht?«

»Nein.«

»Vergleichen Sie die Nummern!«

»Ah! Beide tragen dieselbe Nummer!«

»Nun, was hat das zu bedeuten?«

»Sie sind auch von derselben Ausgabe. Donnerwetter! Die eine von ihnen ist folglich gefälscht.«

»Das erschreckt Sie?« lächelte Wunderlich.

»Na, ich denke, daß man mit solchen Dingen nicht spielen soll!«

»Spielen nicht, nein, sondern man muß Ernst machen.«

»Ernst? Alle Teufel, Herr Wunderlich, soll ich etwa annehmen, daß Sie – Sie –«

»Bitte, fahren Sie getrost weiter fort!«

»Daß Sie ein Falschmünzer sind?«

»Puh, welch unangenehmes Wort! Falschmünzer! Es ist ja hier von einer Münze keine Rede.«

»Münze oder Banknote, das ist gleich!«

»Wohl nicht. Aber selbst wenn Ihre Ansicht die richtige ist, so ist die Sache doch nicht so schlimm, wie sie Ihnen erscheinen mag. Der Staat giebt uns ein Stück Papier, welches wir für fünfzig Gulden annehmen müssen, obgleich es eigentlich keinen Kreuzer werth ist. Das ist Betrug. Darum gebe ich ihm auch ein Stück Papier, welches er für fünfzig Gulden annehmen muß. Ich stelle mich also auf ganz den gleichen Standpunkt mit ihm.«

»Nur ist der Unterschied, daß er seine Banknote mit der angegebenen Summe einlöst, Sie aber die Ihrige nicht.«

»Werde mich hüten!«

»Wie aber kommt es, daß sie mir dieses Falsificat zeigen, Herr Wunderlich?«

»Es ist kein Falsificat. Es giebt keinen Menschen, welcher diese Note von ihrer Doppelgängerin unterscheiden kann.«

»Ich hoffe, daß es sich hier nur um eine Spielerei handelt!«

»Nennen Sie zwölftausend Gulden eine Spielerei?«

»Mann! Ich glaube gar – ah, ich beginne zu ahnen, was Sie wollen!«

»Sehr gut!«

»Sie haben noch mehr von solchen Banknoten?«

»Für eine halbe Million Gulden.«

»Mensch! Ich muß Sie anzeigen!«

»Pah! Ich habe Ihr Ehrenwort!«

»Himmeldonnerwetter! Welche Unvorsichtigkeit, daß ich es gegeben habe.«

»O nein. Es war im Gegentheile Vorsichtigkeit.«

»Ihrerseits, aber nicht meinerseits. Herr Wunderlich, wir sind natürlich fertig. Adieu!«

»Sie gehen? Hm! Ich kann Sie nicht halten, obgleich ich Ihnen sehr gern geholfen hätte. Leben Sie wohl, Herr Lieutenant!«

Scharfenberg schritt zur Thür zu. Bei derselben angekommen, war es ihm, als ob eine unsichtbare Gewalt ihn beim Kragen fasse und festhalte. Er blieb stehen, drehte sich langsam um und sagte: »Mir helfen? Auf welche Weise haben Sie sich denn eigentlich diese Hilfe gedacht?«

»Ich verkaufe Ihnen vierundzwanzigtausend Gulden solcher Noten für die Hälfte ihres Werthes.«

Es begann dem Lieutenant vor den Augen zu flimmern. Er fuhr sich mit der Hand nach der Stirn. Es war ihm ganz so, als ob ihn eine unsichtbare Faust bei der Brust packe und wieder zu dem Versucher zurückziehe. Er schritt langsam wieder näher und sagte: »Erklären Sie mir das.«

»Das bedarf ja gar keiner Erklärung!«

»Ihnen mag dieser Gedanke sehr vertraut erscheinen, mir aber kommt er ungeheuerlich vor.«

»Machen Sie sich mit ihm bekannt, so wird sich das Ungeheuerliche sofort verlieren. Wollen Sie mich anhören?«

»Sprechen Sie!«

»Wir müssen von der Ueberzeugung ausgehen, daß das Falsificat – Sie nannten es vorhin so – dem Originale so vollständig gleicht, daß es selbst dem schärfsten Auge mit der besten Lupe nicht möglich ist, die geringste Abweichung zu erkennen.«

»Weiter«

»In Folge dessen ist es ebenso unmöglich, die Fälschung zu entdecken.«

»Wie nun, wenn man auf die Nummern achtet?«

»So ist unmöglich, zu bestimmen, welche Note die gefälschte ist. Der sie ausgegeben hat, kann also niemals in Gefahr kommen. Es ist die übertriebenste Vorsicht, daß der Verfertiger der Copie sie nicht ausgeben will. Auch darf man solche Beträge nicht in die Hand eines Menschen geben, von welchem ein Jeder sich sagen kann, daß er zu arm sei, dergleichen Noten zu besitzen. Wir haben also mit der Ausgabe gezögert, um einen Cavalier zu finden, dessen gesellschaftliche Stellung und dessen Mittel ihm erlauben, Fünfzigguldenscheine sehen zu lassen.«

»Und Sie denken, diesen Cavalier in mir gefunden zu haben, Herr Wunderlich?«

Sein Auge flammte zornig auf. Der sogenannte Rentier aber schien sich aus diesem Blicke gar nichts zu machen. Er antwortete vielmehr in ausnehmend freundlichem Tone: »Ja, das ist meine Anicht.«

»Herr! Ich bin Officier!«

»Das weiß ich!«

»Und Ehrenmann!«

»Mit uneingelöstem Ehrenschein!«

»Ich werde ihn einlösen!«

»Womit oder mit was?«

Da senkte Scharfenberg den Kopf. Er antwortete nicht. Wunderlich klopfte ihm auf die Achsel und sagte: »Herr Lieutenant, das Leben ist ein Gaukelspiel. Der gewandteste Seiltänzer bleibt oben, die Anderen aber fallen Alle vom Seile. Wollen Sie ein Dummkopf sein?«

»Nein, aber auch kein Verbrecher!«

»Pah! Was ist Verbrechen! Doch, gerathen wir nicht in Sophistereien! Bleiben wir vielmehr bei der Wirklichkeit! Sie haben kein Geld. Sie brauchen eine bedeutende Summe. Das Messer steht Ihnen an der Kehle. Sie stecken sich die Tasche voll Fünfzigguldennoten und Ihnen ist geholfen!«

»Sie sind ein Satan!« stieß Scharfenberg hervor.

»Und nicht nur geholfen ist Ihnen!«

»Was noch?«

»Sie haben eine immerwährende Geldquelle.«

»Die mich auf’s Zuchthaus bringt.«

»Sehen Sie doch nicht am hellen Tage Gespenster! Niemand vermag die Fälschung zu erkennen. Wer weist Ihnen nach, daß Sie es sind, durch dessen Hände die Ausgabe erfolgt? Sie bezahlen möglichst viel mit meinen Noten. Diese kommen in Umlauf. Jeder bezahlt mit ihnen. Kann es da auffallen, wenn auch Sie im Besitze einiger derselben sind?«

Scharfenberg antwortete nicht. Es war gewiß: Das Messer stand ihm an der Kehle und die Offerte, welche Wunderlich ihm machte, war verlockend. Er trat an das Fenster und blickte hinaus, ohne aber zu bemerken, was da draußen geschah. Er kämpfte mit sich selbst. Hinter ihm sprach Wunderlich.

Er machte ihm Alles so leicht. Er beschwichtigte alle seine Bedenken, und als er nichts mehr vorzubringen wußte, schwieg er, um den Lieutenant nun sich selbst zu überlassen.

Der scharfsinnige Versucher hatte sich nicht geirrt. Scharfenberg drehte sich um, kam langsam herbei, setzte sich an den Tisch und fragte: »Haben Sie eine Lupe?«

»Ja, natürlich!«

»Holen Sie sie einmal.«

»Habe sie schon.«

Er zog das Vergrößerungsglas aus der Tasche und gab es dem Officier hin. Dieser nahm es und begann, die beiden Noten mit einander zu vergleichen. Es wurde dabei kein Wort gesprochen. Ueber eine Viertelstunde, ja wohl eine halbe Stunde verging, dann legte Scharfenberg die Lupe hin. Er wischte sich die Augen, welche ihm von der Anstrengung schmerzten, und sagte: »Der Verfertiger besitzt eine geradezu diabolische, eine höllische Geschicklichkeit!«

»Nicht wahr? Ausgezeichnet?«

»Ja. Wer ist der Kerl?«

»Pah! Darüber wird nicht gesprochen. Wenn Keiner den Anderen kennt, ist Jeder sicher.«

»Dieser Grundsatz ist lobenswerth. Also man würde auch mich nicht kennen?«

»Nein. Nur ich würde von Ihnen wissen.«

»Und welches sind Ihre Bedingungen?«

»Fünfzig Procent für Sie.«

»Ah, das ist alles Mögliche!«

»Ja, Sie sehen, daß ich nicht knausere.«

»Wann hätte ich zu zahlen? Pränumerando?«

»Nein. Sie haben ja kein Geld. Sie zahlen das Vorige, sobald Sie neuen Vorrath holen.«

»Und wie viel vertrauen Sie mir an?«

»Ich gebe Ihnen für zwölftausend Gulden. Dafür haben Sie mir sechs Tausend in gutem Gelde zu bringen.«

»Und welche Garantie fordern Sie?«

»Garantie? In welcher Beziehung?«

»Nun, daß ich Sie nicht verrathe.«

»Pah! Das thun Sie nicht!«

»Ich könnte ja Ihre Noten, die Sie mir zu geben beabsichtigen, direct zum Staatsanwalt tragen!«

»Sie würden morgen nicht mehr am Leben sein. Mein Grundsatz ist: Gegen den Freund coulant, gegen den Feind aber unerbittlich streng.«

»Gut also! Wollen Sie es mit mir versuchen?«

»Hier meine Hand!«

»Und hier die meinige!«

Sie schlugen ein; dann fügte Scharfenberg hinzu:

»Uebrigens aber kennen wir uns nicht!«

»Das versteht sich ja ganz von selbst. Kommen Sie stets in Civil und möglichst unbemerkt zu mir. Und versäumen Sie nicht, sich bei mir Rath zu holen, wenn Sie nicht wissen, wie Sie handeln sollen. Zum Beispiel jetzt: Wem werden Sie die Noten geben?«

»Dem Bankier.«

»Auf welche Weise?«

»Ich sage, daß ich Gold brauche statt des Papieres.«

»Das wäre unvorsichtig; das würde auffallen.«

»Wie denn sonst?«

»Kaufen Sie bei dem Einen irgendwelche Papiere, die Sie bei dem Anderen wieder verkaufen.«

»Das giebt Verlust.«

»Ist aber sicher. Uebrigens ist der Verlust verschwindend klein, er darf gar nicht gerechnet werden. Die sicherste Weise, unsere Noten unterzubringen, bleibt aber die Reise.«

»Wieso?«

»Man reist, man ist unbekannt, man giebt hier hundert Gulden aus und dort hundert Gulden. So wechselt man an einem einzigen Tage Tausende um und kann nie in irgend eine Gefahr gerathen.«

»Werde es mir merken. Also, bitte!«

»Sofort!«

Wunderlich ging und zählte ihm, als er wiederkam, zweihundertundvierzig falsche Noten hin.

»So haben Sie die besprochene Summe. Wann darf ich denken, daß Sie mich wieder besuchen werden?«

»Sehr bald. Ich brauche Geld und muß also die Scheine schnell ausgeben.«

»Desto besser, lassen Sie sich Glück wünschen!«

Der Lieutenant steckte die Scheine ein, hatte aber soviel, als er dem Juden schuldete, vorher abgesondert. Er verabschiedete sich nun, und als er auf die Gasse trat, fühlte er sich nicht im Mindesten von dem Gedanken belästigt, der Agent einer Falschmünzerbande zu sein. Er fühlte nur, daß es ihm jetzt gelingen werde, seinen Sorgen und all seiner Noth ein Ende zu machen.

Er begab sich zu dem Juden zurück.

Als Rebecca ihrem Manne meldete, daß der Lieutenant von Scharfenberg abermals gekommen sei und ihn zu sprechen wünsche, nickte er mit dem Kopfe und sagte: »Rebeccchen, Rebeccchen, wir haben einen großen Sieg errungen!«

»Welchen Sieg?«

»Das darf ich Dir jetzt nicht sagen. Schicke mir diesen Herrn Lieutenant von Scharfenberg herein.«

Als der Genannte eintrat, zeigte er ein sehr sicheres, selbstbewußtes Wesen. Er grüßte nicht und sagte barsch: »Da bin ich wieder. Geben Sie den Schein!«

»Sind Sie bei Wunderlich gewesen?«

»Das geht Sie nichts an!«

»O, o! Was der Herr Lieutenant ist geworden so stolz während der kurzen Zeit!«

»Lassen Sie alle Bemerkungen! Geben Sie den Schein her; ich will bezahlen.«

»Ich werde geben den Schein, wenn ich bezahlt bin.«

»Auch gut. Hier!«

Er zählte ihm die Summe auf den Tisch und sagte dann:

»Hier haben Sie! Diese stehen aber nicht auf fünfzehn!«

Der Jude zählte nach, ergriff einen der Scheine, trat zum Fenster, betrachtete ihn und meinte dann: »Nein, die stehen nicht auf fünfzehn, aber –«

»Was?«

»Sie stehen noch tiefer.«

»Was meinen Sie damit?«

»Daß ich auch diese Noten nicht nehmen kann!«

»Warum nicht?«

»Das brauche ich nicht zu sagen.«

»Aber, zum Donnerwetter, wie kommen Sie mir vor! Ich bezahle Sie mit gutem Gelde und Sie geben mir meinen Schein noch immer nicht heraus!«

»Bezahlen Sie mich mit wirklich gutem Gelde, so werden Sie ihn sofort erhalten!«

»Meinen Sie etwa, daß dieses Geld nicht gut sei?«

»Für mich ist es nicht gut.«

»Halten Sie es etwa für gefälscht!«

»Was fragen Sie! Was reden Sie! Ich will nicht haben diese Scheine. Ich brauche keine Fünfzigguldennote.«

»So werde ich Sie gerichtlich zwingen, mir meinen Schein herauszugeben!«

»Dann müssen Sie auch gerichtlich deponiren die Summe, welche Sie mir schuldig sind!«

»Das werde ich allerdings!«

»In solchen Bankscheinen?«

»Ja.«

»Nein, das werden Sie nicht!« behauptete Salomon Levi.

»Warum nicht?«

»Weil Sie nicht wissen lassen werden dem Gerichte, daß ich einen Ehrenschein von Ihnen in den Händen habe, und weil ich dann gezwungen wäre, dem Gerichte zu sagen, warum ich von Ihnen keine Fünfzigguldennoten haben will.«

»So sagen Sie es doch mir jetzt, zum Donnerwetter!«

»Das habe ich nicht nöthig. Stecken Sie das Geld wieder ein und bringen Sie mir anderes.«

Scharfenberg konnte nicht anders; er mußte sich unverrichteter Sache entfernen. Er konnte sich das Verhalten des Juden nicht anders erklären, als daß derselbe eine Ahnung von der Fälschung habe.

»Ein verdammter Kerl!« brummte er. »Wenn der Teufel sein Spiel dabei hat, so ist dieser Jude wohl gar mit im Complott. Doch ich kann nicht zurück. Also immer vorwärts! Jetzt nun zum Bankier!«

Es war ihm doch ziemlich unheimlich zu Muthe, als er in ein Bankgeschäft trat und nach russischen Papieren fragte. Es waren genug vorhanden. Man kannte ihn. Er sagte, daß er den Ankauf dieser Papiere im Auftrage eines entfernt wohnenden Freundes besorge, und erhielt für alle zwölftausend Gulden solche Werthobjecte.

Jetzt begab er sich in ein anderes Bankhaus, wo er die Russen wieder verkaufte. Er erlitt dabei einen Verlust, welcher ganz unbedeutend war.

Nun kehrte er zu dem Juden zurück und bezahlte ihn. Jetzt erhielt er seinen Ehrenschein ohne alle Weigerung. Von da begab er sich zu Wunderlich, zahlte diesem sechstausend Gulden aus und ließ sich für zwanzigtausend Gulden weitere Noten geben.

Mit diesen setzte er sich auf die Bahn und fuhr nach der nicht sehr weit entfernten Meßstadt, wo er verschiedene Papiere einkaufte, mit den Falsificaten bezahlte und dann wieder verkaufte.

Als er gegen Abend zurückkehrte, konnte er Wunderlich zehntausend Gulden bringen und entnahm abermals für zwanzigtausend falsche Noten.

»Sehen Sie, welch ein Geschäft Sie machen!« meinte Wunderlich. »Sie haben heute sechzehntausend Gulden verdient. Fahren Sie so fort!«

Nun begab sich Scharfenberg in den Cavalierclubb, wo sein Kommen einiges Aufsehen erregte. Er setzte sich für sich allein, spielte den Stolzen und wartete, bis man sich in den Spielsalon begab, um eine Bank zu legen.

Als er an den Tisch trat, um sich zu betheiligen, sagte Hagenau, welcher auch wieder zugegen war: »Ich hoffe nicht, daß Herr von Scharfenberg glaubt, Theil nehmen zu dürfen, ehe er seine Verbindlichkeiten erfüllt hat!«

Scharfenberg zog das Portefeuille, zog eine Anzahl falscher Noten heraus und warf sie ihm hin.

»Hier!« sagte er verächtlich. »Es widerstrebt mir übrigens, ein solches Betragen einer Kritik zu unterwerfen!«

»Pah!« lachte Hagenau. »Wir sind ja gar noch nicht fertig. Wie steht es mit dem Ehrenscheine bei dem Juden Salomon Levi?«

»Schicke hin zu ihm und erkundige Dich!«

»Gut, so scheint diese Angelegenheit in Ordnung zu sein. Beginnen wir also, meine Herren!«

Scharfenberg hatte Geld; er wollte sich dadurch rächen, daß er seinen Reichthum zeigte. Er spielte unvorsichtig, er wagte und wagte, bis er so viel verloren hatte, daß die Anderen endlich erklärten, es müsse ein Ende gemacht werden. Man hörte auf. –

Als Doctor Zander zum letzten Male in der Residenz gewesen war, hatte er beim Lesen einer Zeitung die in derselben enthaltene Gewinnliste der Landeslotterie gefunden und war dadurch auf den Gedanken gekommen, Spaßes halber auch einmal ein Loos zu nehmen. Er bestimmte bei sich selbst, den etwaigen Gewinn für die Armen oder für irgend einen milden, menschenfreundlichen Zweck zu verwenden.

Er hatte diesen augenblicklichen Gedanken auch wirklich in Ausführung gebracht und dann das Loos im Portemonnaie bei sich getragen. Heute nun hatte er in einem Caffeehause die vorgestrige Ziehungsliste gefunden und dabei die frohe Entdeckung gemacht, daß auf sein Loos ein kleiner Gewinn gefallen sei.

»Sogleich zum Collecteur,« sagte er zu sich und führte diesen Vorsatz auch sofort aus.

Als er in die Wohnung des Collecteurs kam, sagte die Frau desselben, daß dieser zwar ausgegangen sei, aber baldigst wiederkehren werde. Sie nöthigte ihn, in das Nebenzimmer zu treten, wo ihr Mann seine wenigen Schreibereien auszumachen pflegte. Er ließ sich dies gefallen, setzte sich dort nieder und griff, um sich die Zeit zu vertreiben, zu einem Buche, welches auf dem Tische lag.

Die Frau hatte in der Küche zu thun. Ihr Schwiegervater, der Vater des Collecteurs, war für einige Minuten im Hofe des Gebäudes gewesen und kam in die Stube zurück, ohne zu ahnen, daß sich Jemand im Nebenzimmer befinde. Er stellte sich an das Fenster und blickte in reger Erwartung hinab auf die Straße, bis er seinen Sohn kommen sah. Als dieser in die Stube trat, sahen sie sich, Vater und Sohn, allein, und nun konnte Zander folgendes höchst interessante Gespräch durch die dünne Thür vernehmen: »Endlich, endlich! Ich habe mit Schmerzen gewartet!«

»Es ging nicht schneller!«

»War Salomon Levi zu Hause?«

»Ja.«

»Hast Du ihm den Vorschlag gemacht?«

»Natürlich! Ich bin ja nur deshalb zu ihm gegangen.«

»Und was sagte er?«

»Er war natürlich sofort dabei; aber es kostete Mühe, ihn auf die fünfzigtausend Gulden zu bringen. Er bot erst gar nur fünftausend.«

»Ihr habt also abgeschlossen?«

»Das versteht sich ganz von selbst!«

»Aber doch mit Vorsicht?«

»Ja. Diesem Juden ist nicht zu trauen. Hat er einmal das Loos, so läßt er sich den Gewinn auszahlen, ohne mir einen Kreuzer zu geben.«

»Wie hast Du es gemacht?«

»Er mußte mir einen Wechsel auf fünfzigtausend Gulden geben und ich gab ihm einen Revers, falls er das Loos nicht bekommen sollte.«

»Er wird es doch kriegen?«

»Er zweifelte nicht. Er sagte, daß er den Graveur Herold unter Umständen zwingen könne, es ihm abzulassen. Dieser Kerl ist ein wahrer Satan. Er hat gar Manchen in der Hand, ohne daß man es ahnt.«

»Welch ein Glück, daß die Depesche kam. Das große Loos. Der Telegraphist wird doch auch die Nummer ganz genau depeschirt haben!«

»Versteht sich! Bei so etwas müssen diese Leute doppelt aufpassen. Nummer 45332! Eigentlich thut es mir leid um den Graveur!«

»Unsinn!«

»Er ist blutarm!«

»Das geht uns nichts an!«

»Er hat gewiß gehungert, um nur das Geld für das Loos zusammen zu bringen.«

»Der Jude wird es ihm abkaufen und einen guten Preis dafür bezahlen!«

»Laß nur um Gotteswillen meine Frau nichts von dem Handel merken! Wenn die erführe, daß wir den Graveur um hunderttausend Gulden betrügen, sie würde es nun-und nimmermehr zugeben.«

»Was fällt Dir ein! Werde ich so etwas ausplaudern! Aber, zeige mir doch einmal den Wechsel!«

»Hier ist er!«

Nach einigen Augenblicken hörte Zander:

»Ah, auf Sicht?«

»Natürlich, das ist das Sicherste. Wenn ich zu zahlen habe, bekommt der Jude die Hälfte des Gewinnes und den Wechsel zurück. Dann sind wir quitt. Wo aber stecke ich den Wechsel hin?«

»Verstecke ihn draußen in Deiner Stube!«

»Nein, das darf ich nicht.«

»Warum nicht?«

»Weil meine Frau überall herumkramt. Wenn sie ihn fände, wäre ja Alles verrathen!«

»Ich wüßte aber weiter keinen anderen Platz.«

»O, doch!«

»Wo?«

»In Deiner Schlafkammer.«

»Da kommt doch Deine Frau täglich hinein, wenn sie mir das Bett macht.«

»Aber in Deine Lade kann sie nicht, da hast nur Du den Schlüssel.«

»Richtig, das geht. Wir stecken den Wechsel in die Lade, in das Beikästchen. Gieb her!«

»Ich gehe mit. Ich muß da selbst auch sehen, wohin er zu liegen kommt. In solchen Dingen kann man nicht vorsichtig genug sein. Komm, Vater!«

Sie gingen fort.

Zander hatte ein jedes Wort verstanden. Er begriff leicht, um was es sich handelte; es waren sogar die Namen genannt worden. Es verstand sich ganz von selbst, daß er nicht merken lassen wollte, daß er das Gespräch belauscht habe. Darum trat er aus dem Nebenzimmer in die Wohnstube zurück und stellte sich so in die Nähe der Thür, daß die Beiden, wenn sie zurückkehrten, annehmen mußten, er sei eben erst jetzt gekommen. Und kam die Frau aus der Küche, nun, so wollte er sagen, es sei ihm da draußen die Zeit zu lang geworden.

Er hörte auch sehr bald Schritte. Der Collecteur kam mit seinem Vater aus der Kammer zurück. Die Anwesenheit eines Fremden erweckte in ihnen kein Mißtrauen. Sie grüßten, und der Lotteriebeamte fragte Zander, was er wolle.

»Sie kennen mich wohl nicht mehr?« fragte dieser.

»Ich muß Sie allerdings bereits gesehen haben.«

»Ich habe kürzlich ein Loos bei Ihnen genommen und Ihnen da auch meinen Namen genannt.«

»Welche Nummer?«

»Diese hier.«

Er gab ihm das Loos hin.

»Ah, richtig! Sie haben wohl die Liste gelesen?«

»Ja. Darum bin ich hier.«

»Sie sind glücklich gewesen. Sie haben fünfhundert Gulden gewonnen.«

»Wann werden die Gewinne ausgezahlt?«

»Eigentlich erst am Schlusse der Lotterie. Sie möchten das Geld aber wohl schon früher?«

»Wenn es möglich ist, allerdings.«

»Vielleicht schon heute, jetzt?«

»Ja.«

»Nun, das ließe sich wohl machen. Könnten Sie sich zu einem Disconto verstehen?«

»Wieviel?«

»Fünf Procent.«

»Das wären also fünfundzwanzig Gulden?«

»Ja.«

»Und außerdem werden auch die gewöhnlichen Verwaltungsprocente abgezogen?«

»Freilich.«

»Danke sehr!«

»Na, so müssen Sie eben warten!«

»O, vielleicht doch nicht.«

»Wie? Was? Wie sehen Sie mich denn an? Sie lachen? Ich zahle Ihnen das Geld nicht eher, als bis zur gesetzlichen Frist. Verstanden?«

»Ich meine, daß Sie es mir jetzt bezahlen werden.«

»Fällt mir nicht ein!«

»Nun, so werde ich der Direction mittheilen, daß Sie Disconto verlangt haben. Das ist verboten. Die Direction der Landeslotterie wünscht keineswegs, daß ihre Beamten nebenbei Wuchergeschäfte treiben!«

Da richtete sich der Collecteur vor ihm in die Höhe, stemmte die Arme in die Seiten und sagte: »Ich verstehe Sie nicht! Was sagten Sie? Sprachen Sie nicht von Disconto?«

»Ja.«

»Ich weiß ja gar nicht, was Sie meinen!«

»Ich meine, daß Sie kein Disconto verlangen dürfen, am Allerwenigsten aber fünf Procent.«

»Ich? Habe ich verlangt?«

»Natürlich!«

»Herr, Sie sind wohl des Teufels!«

»Schwerlich!«

»Oder haben Sie mich falsch verstanden! Was haben Sie denn da eigentlich gehört.«

»Ah, da ich Ihnen drohe, wollen Sie leugnen!«

»Fällt mir gar nicht ein! Ich habe nichts gethan, was ich nachher zu leugnen hätte!«

»Das wird sich finden. Ich weiß, was ich sage!«

»Vater, hast vielleicht Du gehört, daß ich Disconto verlangt habe, he?«

»Kein Wort!«

»Sehen Sie! Sie wissen nun, woran Sie sind, und nun lassen Sie uns gefälligst in Ruhe!«

»Das werde ich nicht. Ich werde zwar gehen, aber ich komme bald wieder, und zwar mit der Polizei.«

»Sind Sie verrückt? Wegen des Disconto, was Sie sich nur einbilden? Packen Sie sich fort, sonst werfe ich Sie hinaus, Sie – Märchenerfinder! Mehr will ich Ihnen nicht sagen!«

»Ist auch nicht nöthig! Ich halte Wort; ich komme wieder, aber nicht allein!«

Er ging. Er schritt langsam und nachsinnend die Straße entlang und trat in ein Gasthaus, wo er sich ein Glas Wein und das Adreßbuch geben ließ. Er schlug nach und fand, daß der Graveur Herold und der Jude Salomon Levi fast neben einander wohnten. Er beschloß, sofort den Ersteren aufzusuchen.

Er stieg mühsam zu der hohen Giebelwohnung empor; aber Zander war als Arzt dieses Treppensteigen in fremden, finsteren Häusern gewöhnt. Als er an die Thür klopfte, war es ihm, als wenn er drinnen ein halblautes Weinen gehört habe, welches schnell verstummte.

Er trat ein und sah, daß er sich bei einer trauernden Familie befinde. Man war soeben beschäftigt, die Leiche einer alten Frau in einen Sarg zu legen. Ein Mann und zwei Frauen waren dabei beschäftigt; mehrere Kinder standen weinend in der Nähe.

»Entschuldigung!« sagte er. »Mein Name ist Doctor Zander. Ich komme – –«

»Um den Todtenschein auszustellen, Herr Doctor?« fragte der Mann schnell.

»Nein. Ich komme nicht als Arzt, sondern in einer anderen Angelegenheit. Sind Sie Herr Graveur Herold?«

»Ja.«

»Kennen Sie einen Juden namens Salomon Levi?«

»Ja. Er ist unser Hauswirth.«

»So, so! Sind Sie vielleicht heute bereits bei ihm gewesen?«

»Vorhin.«

»Hat er Ihnen Etwas abgekauft?«

»Ja,« antwortete der Gefragte, indem er den Arzt verwundert anblickte.

»So komme ich also doch zu spät. Aber es wird sich hoffentlich nachholen lassen. Gehören diese anwesenden Personen alle zu Ihrer Familie?«

»Nein. Diese Frau ist Heimbürgin. Die Todte ist meine Schwiegermutter.«

»Wann ist sie gestorben?«

»Heute in der Nacht.«

»So eilt es also nicht so sehr, sie fortzubringen. Das Andere ist nothwendiger.«

Und sich an die Heimbürgin wendend, fuhr er fort:

»Liebe Frau, ich habe jetzt mit diesen Leuten eine wichtige Sache zu verhandeln, welche keinen Aufschub erleidet. Könnten Sie nicht wiederkommen?«

»Ja, aber erst am Nachmittage.«

»Desto besser. Man wird hier wohl früher auch keine Zeit haben. Also, gehen Sie jetzt.«

Die Frau folgte dieser Weisung. Der Graveur ebenso wie seine Frau waren über das Auftreten dieses Mannes sehr verwundert. Zander blickte sich um und fragte: »Mir scheint, Sie sind arm?«

»Sehr, Herr Doctor.«

»Nun, der liebe Gott sorgt für Alle; er wird auch Ihrer gedenken. Jetzt ist die fremde Frau fort, und ich kann also nun ohne Zurückhaltung sprechen. Was ist es eigentlich, was der Jude Ihnen abgekauft hat?«

»Ein Lotterieloos.«

»Wie kam es, daß Sie es verkauften?«

»Die Mutter war gestorben und wir hatten kein Geld, sie zu begraben. Da verkauften wir das Loos.«

»Kamen Sie selbst auf diesen Gedanken? Besinnen Sie sich; es ist das von Wichtigkeit.«

»Nein, ich kam nicht darauf. Ich ging zu dem Juden, um mir für eine Arbeit einen Vorschuß geben zu lassen. Er gab mir ihn nicht, aber er sagte mir, daß er mir das Loos abkaufen wolle.«

»Wie viel hat er Ihnen gegeben?«

»Dreißig Gulden.«

»Da waren Sie wohl ganz glücklich?«

»Ach nein!« sagte die Frau. »Ich hätte das Loos sehr gern behalten, weil meine Mutter kurz – –«

»Pst!« warnte ihr Mann. »Das ist Unsinn. Darüber darf man nicht reden. Du machst Dich nur lächerlich.«

»Lassen Sie Ihre Frau immerhin ausreden,« sagte Zander. »Ich werde nicht über sie lachen. Also, liebe Frau, was wollten Sie sagen?«

»Daß ich das Loos gar so gern behalten hätte.«

»Warum?«

»Meine Mutter sagte ganz kurz vor ihrem Tode, sie wolle den lieben Gott, sobald sie zu ihm komme, bitten, uns doch Etwas gewinnen zu lassen; damit die Noth nicht noch größer werde, und damit mein Mann sich schonen könne. Seine Augen sind so sehr schlimm.«

»Wann war es, als Ihre Mutter das sagte?«

»Nach Mitternacht.«

»Und wann starb sie?«

»Gleich darauf.«

Es war ein Blick tiefster Rührung, welchen Zander auf die Leiche warf. Er trat aber zunächst auf den Graveur zu, zog ihn an das Fenster und sagte: »Augenkrank sind Sie? Hm! Zeigen Sie einmal her!«

Er nahm ihm die Brille ab und untersuchte die Augen, so gut es ihm ohne mechanische und optische Hilfsmittel möglich war. Dann sagte er: »Haben Sie sich bereits untersuchen lassen?«

»Mehrere Male. Zuletzt vom Armenarzt; einen Anderen konnte ich leider nicht bezahlen.«

»Was sagte er?«

Herold warf einen besorgten Blick auf seine Frau.

»Ich verstehe,« meinte Zander. »Er hat Ihnen Etwas gesagt, was Sie Ihrer Frau verschwiegen haben?«

»Ja,« gestand der Gefragte.

»Mir können Sie es nicht verschweigen. Er sagte, daß Sie rettungslos einer vollständigen Erblindung entgegen gehen. Nicht wahr?«

Die Frau stieß einen Ruf des Schreckes aus.

»Herrgott im Himmel!« jammerte sie. »Hat er das wirklich gesagt, lieber Franz?«

Der Mann antwortete nicht. Zander sagte:

»Gestehen Sie es immerhin! Hat er es gesagt?«

»Ja,« antwortete der Graveur.

»Das hast Du verschwiegen. Darum arbeitest Du Tag und Nacht, um doch vorher noch Etwas zu verdienen. O, Du mein lieber Heiland! Blind, unrettbar blind! Dieses Unglück ist – –«

»Pst, liebe Frau, regen Sie sich nicht auf!« fiel ihr Zander in die Rede. »Ich würde ihn nicht aufgefordert haben, es zu sagen, wenn ich nicht anderer Meinung wäre. Ärzte einer gewissen Schule halten dieses Uebel allerdings für unheilbar; aber ich verspreche Ihnen, Ihren Mann so herzustellen, daß er in Beziehung auf sein Augenlicht mit keinem Anderen tauscht!«

»Herr, ist das wahr?« rief der Graveur.

»Ja. Sie sind nicht der Erste, den ich wegen grad dieses Uebels in Behandlung haben werde. Machen Sie sich also ja keine Sorgen, und hüten Sie sich zunächst vor anstrengender Lichtarbeit!«

»Die kann ich nicht meiden. Wir sind so arm!«

»Nun, dagegen ist ja auch gesorgt. Diese da hat ja ihr Wort gehalten.«

Er deutete dabei auf die Todte. Sie blickten ihn fragend an, und darum fuhr er fort:

»Sie hat nämlich den lieben Gott wirklich gebeten, Ihnen Etwas gewinnen zu lassen.«

»Wie? Woher? Wie können Sie das wissen?«

»Weil Gott Ihre Bitte erfüllt hat.«

»Verstehe ich recht –«

»Welche Nummer hatten Sie?«

»Fünfundvierzigtausenddreihundertzweiunddreißig.«

»Das stimmt. Diese Nummer hat gewonnen.«

»Gewonnen? Wann?«

»Heute früh.«

»Herjemine! Und wir haben sie verkauft!«

»Siehst Du!« klagte die Frau. »Ich wollte meine Einwilligung auf keinen Fall geben!«

»Wie viel hat sie gewonnen?« fragte Herold.

»Hunderttausend Gulden. Das große Loos.«

»O Du mein Heiland!« schrie die Frau und sank auf einen Stuhl nieder.

Die Kinder stimmten sofort ein, und der Mann lehnte sich, wortlos weinend an die Wand.

»Erschrecken Sie nicht, und weinen Sie nicht,« sagte Zander. »Noch ist Hoffnung vorhanden, den Gewinn für Sie zu retten.«

»Zu retten?« fuhr die Frau auf.

»Ja.«

»Für uns? Das große Loos?«

»Ja. Das ist ja eben die Angelegenheit, in welcher ich zu Ihnen komme. Nämlich der Collecteur hat die Depesche erhalten, daß auf 45332 der große Gewinn gefallen sei. Er gönnte ihn keinem Andern, und da er ihn nicht ganz haben konnte, so wollte er wenigstens die Hälfte für sich erobern. Er ging daher zu dem Juden Salomon Levi und veranlaßte diesen, Ihnen das Loos schleunigst abzukaufen. Sie wollen den Gewinn theilen, Jeder fünfzigtausend Gulden.«

Die sonst so ruhige und besonnene Frau zeterte laut auf und fuhr sich mit den Händen in die Haare. Zander beruhigte sie, indem er sagte: »Verzagen Sie nicht. Es ist noch nichts verloren. Ich bin Zeuge dieses betrügerischen Handels und kam zu Ihnen, um Ihnen meine Dienste anzubieten.«

»Wie gut, wie freundlich von Ihnen! Sie denken also, daß noch nichts verloren ist?«

»Nein. Der Handel ist verbrecherisch; er muß rückgängig gemacht werden.«

»Wie aber ist das anzufangen?«

»Ihr Mann begleitet mich sofort zum Staatsanwalt. Wir machen Anzeige.«

»Ja, ja; die muß gemacht werden. Franz, Franz, schnell! Ziehe den Rock an, damit Du mitgehen kannst!«

Der Graveur lehnte noch immer bleich wie der Tod an der Wand. Jetzt fragte er:

»Herr Doctor, ich bin wie im Traume! Meine Ohren summen und brummen, und vor den Augen zuckt und flimmert es wie lauter Blitze. Ist es wahr, was Sie sagten?«

»Glauben Sie, daß ich mit so braven, armen Leuten meinen Scherz und Spott treiben möchte?«

»Unser Loos hat den großen Gewinn?«

»Ja.«

»O Gott, mein Gott! Das bin ich nicht werth, ganz und gar nicht werth! Das habe ich nicht verdient!«

»Es ist eine Schickung Gottes und kein Verdienst; das ist wahr, mein bester Herr Herold.«

»O nein. Ich hätte eigentlich etwas ganz Anderes verdient! O Gott, o Gott! Wenn ich es doch nur ändern könnte! Ach, könnte ich es nur noch ändern!«

»Was?«

Er warf einen verzweifelten Blick auf seine Frau, schüttelte den Kopf und antwortete:

»Nicht jetzt. Später vielleicht!«

»So kommen Sie jetzt mit zum Staatsanwalte, damit wir nichts versäumen.«

»Ja, Franz, geh, geh, beeile Dich!« rief die Frau.

Er zog den Rock an und entfernte sich mit dem Arzte. Als sie fort waren, zog die Mutter die Kinder an den Sarg, hieß sie vor demselben niederknieen und sagte.

»Betet, betet das Vaterunser. Ihr könnt noch nichts Anderes. Der liebe Gott weiß, wie es gemeint ist.«

Und sie selbst ergriff die Hand der Todten, lege die Stirn in den Schooß derselben und betete leise und innig. Aber mitten aus diesem stillen Gebete heraus ertönten zuweilen die halblauten, unwillkürlichen Worte: »Großer Gewinn – unser Loos – hunderttausend Gulden – reich – alle Noth zu Ende – –«

Die beiden Männer hatten kaum die Wasserstraße hinter sich, da blieb Herold stehen.

»Herr, ich kann nicht weiter,« sagte er; »es liegt zu schwer, zu schwer auf mir!«

»Sie haben ein Geheimniß?«

»Ja.«

»Werfen Sie es von sich! Theilen Sie es mir mit!«

»Ja, das will ich. Sie werden mich nicht unglücklich machen. Sie sind ein so gütiger Herr. Sie werden mir einen guten Rath ertheilen.«

»Sehr gern, wenn ich nur weiß, um was es sich handelt.«

»Sie sollen es erfahren. Wenn wir jetzt Anzeige machen, denken Sie da, daß der Collecteur arretirt wird?«

»Sofort.«

»Und der Jude auch?«

»Ja, auch.«

»Ach, da muß ich erst vorher zu ihm.«

»Warum?«

»Das kann ich Ihnen hier auf offener Straße nicht sagen. Die Leute würden es mir am Munde ablesen. Hier ist eine kleine, stille einsame Schänkwirthschaft. Gehen wir für einige Minuten da hinein, Herr Doctor.«

Zander stimmte gern bei. Die Gaststube war ganz leer. Nachdem Sie sich zwei Gläser Bier hatten geben lassen, konnten sie mit einander sprechen, ohne von Jemandem belauscht und beobachtet zu werden.

Und nun begann Herold sein Geständniß: seine Armuth, die Furcht, die entsetzliche Furcht vor der Erblindung, die Angst um die Zukunft, die Abhängigkeit von dem Juden, die Verlockung desselben und das endliche Gerathen in die Falle. Am Schlusse sagte er: »So, jetzt wissen Sie Alles! Nicht wahr, ich bin verloren; ich muß mich anzeigen?«

»Nein,« antwortete Zander, welcher die Erzählung mit ernster Theilnahme angehört hatte. »Niemand ist verpflichtet, sich selbst anzuzeigen. Es genügt, daß Sie Ihr Vergehen bereuen und es möglichst ungeschehen machen.«

»Wie kann ich das? Wenn ich mich nicht selbst anzeige, so wird der Jude falsches Geld machen oder machen lassen!«

»Das wird er nicht; dafür lassen Sie mich sorgen.«

»Und wenn man einst die Platten bei ihm findet, so wird er gestehen müssen, von wem sie sind. Dann bin ich trotz alledem verloren.«

»Nein. Die Noth und die Angst haben Sie dem Juden in die Hände getrieben; aber ich glaube nicht, daß Gott will, Sie sollen daran zu Grunde gehen. Lassen Sie sich Ihre Platten wiedergeben.«

»Wann?«

»Jetzt, sofort, ehe Salomon Levi arretirt wird. Denn dann würde es zu spät sein.«

»Sie denken, er giebt sie mir zurück? O nein; das wird ihm gar nicht einfallen!«

»Mit Gewalt gelingt es Ihnen allerdings nicht; aber mit List werden Sie ihn so weit bringen. Wie viel Platten haben Sie gefertigt?«

»Nur eine vollständig; die andere ist noch in Arbeit. Beide sollten zur Fabrikation von Guldenscheinen verwendet werden.«

Die Platten zu den Fünfzigguldenscheinen, welche Scharfenberg an den Mann bringen sollte, waren nämlich nicht von Herold, sondern von einem Anderen angefertigt worden.

»Gehen Sie jetzt zu ihm. Ich warte hier. Machen Sie ihm Etwas weiß, daß Sie die fertige Platte für einen Augenblick zurückbrauchen. Es wird sich doch eine glaubhafte Ausrede finden lassen.«

»O, diese finde ich schon!«

»Nun, so säumen Sie auch nicht. Wie gesagt, ich erwarte Sie hier. Aber verrathen Sie ja nicht, daß Sie von der Lotterieangelegenheit Etwas erfahren haben.«

Der Graveur entfernte sich. Er kam zu dem Juden, als eben Scharfenberg zum zweiten Male von demselben fortgegangen war. Salomon Levi wunderte sich, Herold wieder bei sich zu sehen. Er wollte bereits einige Besorgniß hegen in Beziehung auf das Lotterieloos; daher beruhigte es ihn, als Herold nach der Platte fragte.

»Sie ist nicht bei mir. Es hat sie ein Anderer, um die Arbeit zu beurtheilen.«

»Wie schade! Ich wollte, Sie hätten sie noch da!«

»Warum?«

»Mir ist soeben eingefallen, daß sich ein großer Fehler darin befindet, ein sehr großer Fehler.«

»Welcher Fehler?«

»Ich habe ein e stehen lassen anstatt einem e, und in der fertigen Platte ist es ebenso.«

»Das ist doch kaum möglich!«

»O, ich kannte den Fehler, habe aber vergessen, ihn zu entfernen. Erst vorhin fiel mir diese Vergeßlichkeit ein.«

»Geht es denn zu ändern?«

»Jetzt läßt es sich noch ätzen, später nicht.«

»Verdammt unangenehm! So ist es am Ende am Besten, man nimmt die Änderung sogleich vor?«

»Das meine ich auch. Und jetzt habe ich Zeit.«

»Warten Sie hier. Ich gehe für zehn Minuten fort. Meine Frau wird Ihnen Gesellschaft leisten.«

Er eilte nach dem Neumarkte zu dem Rentier Wunderlich, dem er die Sache von dem Fehler mittheilte. Beide suchten nach demselben, fanden ihn aber nicht.

»Er wird es schon wissen, wo er steckt,« sagte Wunderlich. »Er mag sich sputen, fertig zu werden.«

Als der Jude mit den beiden Platten nach Hause kam, gab er seiner Frau einen Wink, sich zu entfernen, gab dann dem Graveur die Platten und fragte: »Wir haben vergebens nach dem Fehler gesucht. Wo ist er?«

Herold hatte die Platten schnell in seine Taschen gesteckt.

»Da ist er!« antwortete er, auf den Juden deutend.

»Da? Bei mir?« fragte dieser erstaunt.

»Ja. Der Fehler ist nicht ein e oder e, sondern der Fehler sind Sie selbst!«

»Sie wollen doch nicht etwa mit mir spaßen?«

»O nein, nein! Es ist mir ganz im Gegentheile sehr ernst zu Muthe, Herr Levi!«

»Aber ich verstehe Sie ganz und gar nicht!«

»So muß ich mich Ihnen erklären. Sie selbst sind es, der den Fehler gemacht hat; die Platten sind gut.«

»Aber Sie sagten doch – –«

»Was ich vorhin sagte, hatte einen bestimmten Zweck. Geltung hat nur das, was ich jetzt sage.«

»Welchen Fehler soll ich denn begangen haben?«

»Den, daß Sie mich nicht bezahlen?«

»Ich kann Sie nicht bezahlen; die Arbeit ist nicht für mich, sondern für einen Anderen gemacht worden.«

»Das geht mich nichts an. Sie haben die Platten bestellt, und ich halte mich also an Sie. Sie wissen ganz genau, daß ich arm bin. Um Ihren Auftrag auszuführen, muß ich mit meinen kranken Augen mich Monate lang anstrengen. Während dieser Zeit will ich mit den Meinen leben. Wenn Sie mir nichts geben, muß ich verhungern. Ich verlange kein Geschenk, kein Almosen, sondern ich verlange Bezahlung. Ich will nur Das erhalten, was ich mit meiner sauren Arbeit verdient habe.«

»Gut! Ich werde mit dem Manne sprechen.«

»Besser wird es sein, ich selbst spreche mit ihm.«

»Das geht nicht.«

»Warum nicht?«

»Er will nicht, daß sein Name genannt werde.«

»Nun, so habe ich es auch in Beziehung der Bezahlung nicht mit ihm, sondern mit Ihnen zu thun.«

»Sie empfangen sie von ihm, aber durch mich.«

»Das geht mich nichts an. Man arbeitet für keinen Menschen, den man nicht kennt. Und die Art unserer Arbeit ist eine sehr gefährliche. Ich weiß nicht, was passiren kann, und so muß ich wissen, an wen ich mich gegebenen Falles zu wenden habe.«

»Das bin ich.«

»So habe ich mich auch in Beziehung meines Lohnes an Sie zu hallten. Ich brauche Geld.«

»Ich habe Ihnen ja vorhin dreißig Gulden bezahlt!«

»Für das Loos, aber nicht für die Arbeit.«

»Ist das Geld denn schon alle?«

»Ja.«

»Das ist höchst unvorsichtig von Ihnen. Das Geld fällt nicht nur so aus den Wolken herab.«

»Es fallen auch keine Platten für Hundertguldenscheine vom Himmel herunter.«

»Streiten wir uns nicht! Es bleibt bei Dem, was ich Ihnen gesagt habe: Ich will mit dem Manne sprechen. Giebt er mir Geld für Sie, so sollen Sie es bekommen. Natürlich ziehe ich zuvor die Miethe ab, welche Sie mir schuldig sind.«

»Sie haben gar nichts abzuziehen!«

»Oho!«

»Sie haben mir das Geld zu geben, welches Sie für mich erhalten. Dann steht es bei mir, was ich mit demselben thue.«

Der Jude sah ihn starr an und sagte:

»Wie kommen Sie mir vor! Sie sprechen in einem Tone zu mir, den ich nicht gewohnt bin, am Allerwenigsten aber von einem Manne, der mir die Miethe schuldet!«

Da ging über das bleiche Gesicht des Graveurs ein Zug von versteckter Pfiffigkeit. Er sagte: »Nun, so wollen wir diese Miethsangelegenheit zur Austragung bringen. Wieviel wird das, was ich für meine Arbeit jetzt zu bekommen habe, ungefähr betragen?«

»Das weiß ich nicht genau.«

»Nun, ungefähr! Ist es vielleicht so viel, wie der schuldige Hauszins beträgt?«

»Vielleicht.«

»So will ich Ihnen den Vorschlag machen: Lassen Sie sich das Geld geben, und quittiren Sie mir dafür den Zins.«

»Dann erhalten Sie ja nichts!«

»Das ist freilich wahr.«

»Aber ich denke, Sie brauchen Geld!«

»Auch das ist wahr. Aber ich will lieber jetzt nichts haben, mir aber die schuldige Miethe nicht länger vorwerfen lassen.«

Das war Wasser auf Salomon Levi’s Mühle. Er wußte, daß er bei diesem Handel einen guten Profit machen werde. Darum ging er auf den Vorschlag ein, indem er sagte: »Also, Sie treten mir Ihre ganze Lohnforderung für den Miethzins ab?«

»Ja.«

»Gut; ich mache mit.«

»Schön! Aber bitte, die Quittung.«

»Die werde ich Ihnen gelegentlich geben.«

»Das kann mir nicht passen. Ich will sie jetzt haben. Sie haben Zeit, die zwei oder drei Zeilen zu schreiben.«

»Sie sind ja außerordentlich dringlich. Na, ich werde Ihnen die Quittung schreiben.«

Er quittirte und gab Herold das Papier.

»Ich danke,« sagte dieser und schickte sich zum Gehen an.

»Halt!« meinte der Jude. »Was wird mit den Platten?«

Der Graveur sah ein, daß es besser sei, List anzuwenden; er konnte sonst leicht Gewaltthätigkeiten erfahren. Darum antwortete er: »Die nehme ich natürlich mit.«

»Wozu mitnehmen?«

»Um die Fehler herauszumachen.«

»Sie sagten doch, daß keine vorhanden seien!«

»Das war Redensart.«

»Aus Ihnen werde der Teufel klug. Wann bringen Sie die Platten wieder?«

»Sobald ich fertig bin.«

»Nun, so beeilen Sie sich. Es liegt in Ihrem eigenen Interesse, baldigst fertig zu werden.«

»Hm, ich denke, daß wir noch viel eher fertig werden, als Sie vielleicht denken. Adieu, Herr Levi!«

Er ging. Draußen auf der Straße holte er tief Athem und sagte zu sich selbst:

»Gott sei Dank! Das ist geglückt! Es lag die Möglichkeit vorhanden, daß er mir die Platten mit Gewalt wieder abnehmen werde. Jetzt nun vernichte ich sie und kann nicht bestraft werden. Mein Herz ist wieder leicht.«

Er kehrte zu Zander in die Schänke zurück und erzählte ihm, wie es gegangen war.

»Sehen Sie,« meinte der Arzt, »nun sind Sie frei von diesem Schurken. Ich bin überzeugt, daß Sie niemals wieder in die Lage kommen werden, den Versuchungen solcher Menschen zum Opfer zu fallen. Vernichten Sie dann die Platten!«

»Dies wird geschehen, sobald ich nach Hause komme.«

»Aber wie steht es mit Ihrem Geldbeutel? Haben Sie Arbeit?«

»Jetzt leider nicht!«

»Und auch keine Mittel, zu leben?«

»Vielleicht bleibt mir ein Weniges übrig, wenn ich die Begräbnißkosten bezahlt habe.«

»Später werden Sie reich sein. Wenn Sie bis dahin Geld brauchen, so wenden Sie sich an mich. Jetzt nun wollen wir den Staatsanwalt aufsuchen.«

»Ja, aber bitte, vorher eine Frage!«

»Welche?«

»Sie sagten, daß der Jude auch arretirt werde?«

»Ich denke es.«

»Er wird sich an mir rächen wollen und das von den Platten sagen. Nicht?«

»Das glaube ich nicht. Es wäre eine große Dummheit von ihm. Erstens müßte er da ja eingestehen, daß er der Mitschuldige ist. Und zweitens weiß er ja gar nicht, daß Sie mit der Anzeige Etwas zu thun haben.«

»Er wird es erfahren.«

»Er wird denken, daß ich der Anzeigende bin, und das ist ja auch ganz das Richtige.«

»Aber – darf ich denn die Platten vernichten?«

»Warum nicht?«

»Eigentlich hätte ich sie auf die Polizei zu tragen.«

»Das ist richtig; aber Sie haben keineswegs die Verpflichtung, sich selbst anzuzeigen. Sie würden jedenfalls auch mit in Untersuchung kommen, wenn auch nur wegen Versuchs der Falschmünzerei. Uebrigens wird diesen Leuten auch noch auf andere Weise beizukommen sein. Also vernichten Sie getrost die Platten.«

Sie gingen nach dem Gerichtsgebäude, wo sie sich bei dem Staatsanwalt melden ließen. Sie wurden vorgelassen und erzählten ihm alles auf das Loos Bezügliche. Er hörte sie ruhig an, machte sich dabei einige Notizen und fragte dann: »Wie viel Uhr war es, als Sie sich bei dem Collecteur befanden, Herr Doctor?«

»Zehn Uhr.«

»Und um welche Zeit haben Sie Ihr Loos verkauft, Herr Herold?«

»Eine halbe Stunde später.«

»Das dürfte stimmen. Der Vater des Collecteurs weiß also auch von der Sache?«

»Gewiß,« antwortete Doctor Zander.

»Hat der Jude noch Mitschuldige?«

»Das weiß ich nicht.«

»War seine Frau oder sonst noch Wer dabei, als er Ihnen das Loos abkaufte?«

»Nein,« antwortete Herold.

»Sie wünschen also, daß dieser Kauf rückgängig gemacht werde?«

»Natürlich! Es handelt sich um hunderttausend Gulden!«

»Sie wünschen ferner die Bestrafung Beider, des Collecteurs und des Juden?«

»Das versteht sich!«

»Gut! Ich werde die Sache selbst in die Hand nehmen. Herr Herold, Sie können nach Hause gehen; Sie aber, Herr Doctor, werden mich begleiten. Bitte, warten Sie im Vorzimmer, bis ich meine Maßregeln getroffen habe!«

Der Graveur ging nach Hause, und bereits fünf Minuten später begab der Staatsanwalt sich mit Zander zu dem Collecteur. Der Doctor merkte gar wohl, daß mehrere Polizisten ihnen in einiger Entfernung folgten.

Als sie bei dem Collecteur eintraten, erkannte dieser den Doctor natürlich wieder.

»Was wollen Sie?« fuhr er ihn an. »Ich habe Sie ja fortgewiesen; gehen Sie!«

»Und ich habe Ihnen gesagt, daß ich wieder kommen werde. Ich habe Wort gehalten, wie Sie sehen!«

»Ich brauche Sie nicht. Wenn Sie sich nicht augenblicklich entfernen, werde ich Sie wegen Hausfriedensbruch anzeigen.«

Da sagte der Staatsanwalt:

»Gemach, gemach, mein Herr! Sie scheinen ganz meine Anwesenheit zu übersehen!«

»Was wollen Sie? Gehören Sie etwa zu diesem Manne da?«

»Ja.«

»Nun, so machen auch Sie, daß Sie fortkommen!«

»Das werde ich thun; vorher aber habe ich Ihnen einige Fragen vorzulegen, die Sie mir beantworten werden.«

»Oho! Was ich thun werde und thun will, das ist ganz nur meine Sache, mein Herr!«

»Nein, das ist ganz die meinige! Sie kennen mich wohl nicht?«

»Nein; ist auch nicht nöthig!«

»Da haben Sie Recht; es wäre für Sie gar nicht nöthig, mich kennen zu lernen; da Sie es aber gewollt haben, so mußte ich Ihnen wohl oder übel meinen Besuch machen.«

»Was? Ich hätte es gewollt?«

»Ja.«

»Ist mir nicht eingefallen! Sie träumen wohl, oder fehlt es Ihnen vielleicht hier?«

Er deutete bei diesen Worten nach der Stirn.

»Unterlassen Sie solche albernen Fragen! Sie selbst sind schuld, daß ich hier bin, und damit basta! Ich bin Staatsanwalt und gehe nur dann zu irgend Jemand, wenn er selbst Etwas gethan hat, was mich zu diesem Besuche zwingt.«

»Staatsanwalt?« fragte der erschrockene Collecteur.

»Ja.«

»Ah, ich errathe! Dieser Herr hat mich angezeigt.«

»Allerdings.«

»Wegen eines Looses, eines Gewinnes?«

»Ja.«

»Er wird da wohl von Procenten gefaselt haben, welche ich ihm hätte anrechnen wollen?«

»Nein.«

»Nun so wüßte ich nicht, weshalb er in Begleitung des Staatsanwaltes wiederkommt.«

»Es handelt sich nicht um Procente, sondern um den ganzen Gewinn.«

»Das begreife ich nicht!«

»Ist auch für jetzt gar nicht nothwendig. Sagen Sie mir, ob Sie zuweilen Depeschen erhalten?«

»Nur selten.«

»Wann haben Sie die letzte erhalten?«

Er kam in Verlegenheit, antwortete aber ziemlich schnell:

»Vor einigen Wochen.«

»Haben Sie nicht heute eine erhalten?«

»Nein.«

»Hm! Wie nun, wenn ich nach dem Telegraphenamte gehe, um mich zu erkundigen?«

Der Collecteur sah ein, daß er nicht leugnen könne. Darum that er, als ob er sich besinne, und antwortete: »Ah, da fällt mir ein: Ja, ich erhielt heute wieder eine.«

»Von wem?«

»Von der Lotteriedirection.«

»Was enthielt sie?«

»Eine geschäftliche Neuigkeit.«

»Was wurde Ihnen mitgetheilt?«

»Das ist ein Geschäftsgeheimniß, Herr Staatsanwalt!«

»Vor der Polizei giebt es kein Geschäftsgeheimniß. Sie haben mir zu antworten! Also?«

»Man telegraphirte mir, daß das große Loos soeben gezogen worden und in meine Collecte gefallen sei.«

»Das ist allerdings ein sehr erfreuliches Ereigniß für Sie, und zwar so erfreulich und wichtig, daß es mich außerordentlich wundert, zu sehen, daß Sie sich gerade auf diese Depesche so spät besinnen. Wer hat das betreffende Loos?«

»Salomon Levi in der Wasserstraße.«

»Ah, dieser! Er ist wohlhabend. Sonderbar, daß die großen Gewinne so selten Leuten zufallen, welche das Geld nothwendig brauchen. Wann erhielten Sie die Depesche?«

»Ungefähr neun Uhr.«

»Bitte, sie mir einmal zu zeigen!«

»Haben Sie eine gewisse Absicht dabei?«

»Natürlich! Ein Staatsanwalt pflegt nicht leicht irgend etwas ohne Absicht zu thun.«

Der Collecteur öffnete ein Kästchen und nahm das Telegramm heraus, um es dem Beamten zu zeigen.

»Hier ist es,« sagte er.

Man hörte es dem Tone seiner Stimme an, daß er sich einigermaßen beklommen fühlte. Der Staatsanwalt betrachtete die Depesche, nickte mit dem Kopfe und sagte: »Es stimmt. Ausgefertigt acht Uhr fünfzig Minuten. Sie pflegen doch ein Verzeichniß Ihrer Kunden zu führen?«

»Natürlich.«

»Zeigen Sie es mir!«

»Muß ich das?«

»Das versteht sich ganz von selbst.«

»Und wenn ich mich weigere?«

»So arretire ich Sie und fordere es amtlich von Ihnen.«

»Hier ist es.«

Seine Hand bebte sichtlich, als er das Papierheft hingab.

»Sehr ordentlich angelegt,« meinte der Beamte. »Die Nummern alle hübsch nach der Reihe. Hier ist die betreffende 45332. Sehen wir einmal nach! Ah, da steht doch nicht der Jude, sondern ein Anderer.«

»Wie denn?« meinte der Collecteur, indem er, Verwunderung heuchelnd, näher trat, um in das Heft zu blicken.

»Hier steht: Franz Herold, Graveur, Wasserstraße!«

»Ah, ich habe den Namen nicht ausgestrichen?«

»Warum war er zu streichen?«

»Er hat das Loos an Salomon Levi verkauft.«

»Wann?«

»Das kann ich nicht sagen.«

»Wann haben Sie dies erfahren?«

»Das weiß ich nicht genau.«

»Vor kürzerer oder längerer Zeit?«

»Es mögen einige Wochen sein.«

»Wie haben Sie von dem Verkaufe erfahren?«

»Der Jude theilte es mir mit.«

»Verkehren Sie mit ihm, geschäftlich oder privatim?«

»In keiner genannten Weise.«

»Sie sind also nicht bei ihm gewesen?«

»Nein.«

»Sonderbar! Ich glaubte, heute gesehen zu haben, daß Sie in sein Haus traten.«

»Da haben Sie mich verkannt, Herr Staatsanwalt.«

»Oder verkehrt Ihr Vater mit ihm?«

»Niemals.«

»Haben Sie nicht einmal Zahlung von ihm erhalten?«

»Ich wüßte nicht, wofür.«

»Nun, für ein Loos.«

»Nein.«

»Hm! Und doch spricht man davon, daß er Ihnen einen Wechsel in Zahlung gegeben habe.«

»Ich würde ihn gar nicht angenommen haben. Ich nehme nur baares Geld und verstehe mich überhaupt auf Wechsel nicht.«

»Es soll sogar ein bedeutender Betrag gewesen sein!«

»Dann erst recht nicht!«

»Man munkelt von fünfzigtausend Gulden!«

»Das ist ganz gewiß eine Lüge.«

»So, so! Wo ist Ihr Vater?«

»Er ging, bevor Sie kamen, in seine Kammer.«

»Führen Sie uns hin!«

Der Collecteur wankte. Man sah es ihm an, daß ihm der Schreck in die Beine gefallen war. Er mußte alle seine Kräfte zusammennehmen, um den Befehl auszuführen.

Als sie in die Kammer traten, kramte sein Vater in alten Wäschestücken herum.

»Dies ist er?« fragte der Beamte.

»Ja.«

»Wer sind diese Leute? Was wollen sie?« fragte der Alte. »Diesem da hast Du doch vorhin die Thür gewiesen!«

»Ich bin Staatsanwalt,« bekam er zur Antwort. »Ich komme, um mir Ihr Eigenthum anzusehen.«

Der Alte öffnete vor Erstaunen den Mund.

»Mein Eigenthum? Warum?«

»Weil es mich interessirt, zu wissen, was Sie besitzen. Gehört Ihnen Alles, was sich hier befindet?«

»Ja.«

»Wer hat den Schlüssel zu dieser Lade?«

»Ich natürlich.«

»Oeffnen Sie einmal!«

»Wozu?«

»Sie ist alt. Ich möchte gern wissen, ob vielleicht schon der Wurm hineingekommen ist.«

»Aber – oh – Herr Staatsanwalt!«

»Reden Sie nicht, sondern öffnen Sie!«

Das war so gebieterisch gesprochen, daß er sofort gehorchte.

»Ah, Kleider darin,« meinte der Beamte. »Und hier dieses kleine Behältniß – wie pflegt man es doch gleich zu nennen?«

»Es ist das Beikästchen.«

»Was haben Sie drin?«

»Verschiedene alte Schreibereien, Gevatterbriefe, Zeugnisse und ähnliche Sachen.«

»Machen Sie einmal auf!«

Der Alte gehorchte. Sein Sohn mußte sich auf den Rand des Bettes stützen, so schwach wurde ihm. Der Staatsanwalt nahm die Schreibereien heraus. Ganz unten lag der Wechsel. Er schlug ihn auseinander, las ihn, warf einen Blick des Erstaunens auf den Collecteur und sagte: »Sie wissen wohl von diesem Wechsel nichts?«

»Nein,« stammelte der Gefragte.

»Und auch Sie nicht?« wendete er sich an den Vater.

»Nein. Was ist das?«

»Ein Wechsel, lautend auf fünfzigtausend Gulden, acceptirt von Salomon Levi.«

»Davon weiß ich nichts.«

»Aber er lag ja hier in Ihrer Lade.«

»Das kann ich nicht begreifen. Es muß ihn Jemand heimlich hineingelegt haben, Herr Staatsanwalt.«

»Er ist aber von Ihrem Sohn ausgestellt worden!«

»Das geht mich nichts an!«

Der Beamte wendete sich in strengem Tone an den Collecteur:

»Wollen Sie wirklich behaupten, daß Sie von diesem Documente gar nichts wissen?«

»Ich weiß wirklich nichts!«

»Machen Sie sich nicht lächerlich! Ich bin kein Kind, dem man das Unglaubliche glaublich machen kann. Gestehen Sie!«

»Ich kann nichts gestehen; ich weiß von nichts!«

»Also, Sie bleiben alle Beide dabei, nichts zu wissen?«

Auch der Alte leugnete.

»Nun, so verschlimmern Sie sich Ihre Lage. Mit dem geständigen Verbrecher pflegt man Rücksicht zu nehmen, halsstarrige Leugner aber haben auf Nachsicht keine Berechtigung!«

»Verbrecher?« stieß der Collecteur hervor.

»Ja.«

»Ich bin mir keines Verbrechens bewußt!«

»Ich werde Ihnen beweisen, daß Sie es sind. Wenn Sie sich jetzt sehen könnten, würden Sie anders sprechen. Sie bilden eine Jammergestalt, der das Schuldbewußtsein deutlich auf der Stirn zu lesen ist.«

»Ich bin aber wirklich unschuldig.«

»Das werden Sie zu beweisen haben. Ich erkläre Sie Beide für verhaftet. Sie folgen mir jetzt nach dem Wohnzimmer!«

Das Wort ›Jammergestalt‹ trieb dem Collecteur das Blut nach den Schläfen. Er raffte sich auf, machte ein erzürntes Gesicht und sagte im Tone des Zornes: »Was? Sie wollen uns arretiren? Was fällt Ihnen ein! Wir haben nichts begangen, was dieses rechtfertigen könnte!«

»Machen Sie sich nicht lächerlich! Der Beweis Ihrer Schuld liegt in Gestalt dieses Wechsels hier in meinen Händen.«

»Was geht Sie dieser Wechsel an!«

»O, sehr viel!«

»Selbst wenn ich ihn ausgestellt hätte, haben Sie nicht das mindeste Recht daran. Legen Sie ihn in die Lade!«

»Nicht so vorlaut! Ich möchte denn doch gern wissen, wie der Jude Salomon Levi dazu kommt, einen Wechsel über eine so bedeutende Summe zu acceptiren.«

»Er ist mir nichts schuldig; ich habe mit ihm gar nichts zu thun; ich kenne diesen Wechsel nicht; er hat keinen Werth.«

»Das werde ich untersuchen. Kommen Sie!«

»Nein; ich bleibe. Ich kenne auch Sie nicht. Ich weiß nicht, mit welchem Rechte Sie hier ein Verhör anfangen und in unseren Möbels herumstöbern!«

»Ich habe Ihnen gesagt, wer ich bin!«

»Das kann Jeder! Beweisen Sie es!«

»Schön! Diesen Gefallen kann ich Ihnen thun, obgleich ich dabei bemerke, daß diese Renitenz nur zu Ihrem Schaden ausfallen wird. Hier, sehen Sie!«

Er zeigte ihm seine Legitimation. Der Collecteur aber machte eine abwehrende Handbewegung und sagte: »Das gilt nichts. Es hat Fälle gegeben, daß die größten Spitzbuben solche Legitimationen besaßen.«

»Ob es gilt oder nicht, das habe ich zu bestimmen, nicht aber Sie. Ich hatte mir vorgenommen, mit möglichster Schonung zu verfahren; da Sie aber in dieser Weise auftreten, sehe ich davon ab. Ich lasse Sie also offen und unter gehöriger Polizeibedeckung nach dem Gefängnisse bringen.«

Er öffnete die Thür, zog ein kleines Pfeifchen hervor und gab das Signal. Sofort kamen eine ganze Anzahl in Civil gekleidete Polizisten zur Treppe herauf.

»Diese beiden Männer werden sich, weil Sie nicht uniformirt sind, weigern, Ihnen zu folgen. Bewachen Sie sie und holen Sie einige uniformirte Stadtgensd’armen herbei. Man lasse die Zwei nicht mit einander sprechen und schaffe sie fort, so wie sie hier sind. Sie haben diese Strenge nur sich selbst zuzuschreiben.«

Er kehrte in das Wohnzimmer zurück, um auch das Verzeichniß der Loosinhaber an sich zu nehmen.

Die Frau des Collecteurs hatte keine Ahnung von Dem, was ihr Mann begangen habe. Als sie hörte, daß ihr Mann und ihr Schwiegervater arretirt seien, brach sie in ein lautes Jammergeschrei aus. Der Beamte konnte darauf keine Rücksicht nehmen. Er entfernte sich mit Zander, um nun zu dem Juden zu gehen. Auch jetzt folgten ihnen mehrere Polizisten.

Bei Salomon Levi wurden sie, wie das hier gebräuchlich war, von der alten Rebecca empfangen.

»Was wünschen die Herren?« fragte sie.

»Ist Ihr Mann zu Hause?« erkundigte sich der Staatsanwalt.

»Ich weiß es nicht.«

»Sie werden doch das wissen!«

»Nein. Er geht oft fort, ohne es mir zu sagen. Was wollen Sie von ihm?«

»Wir haben uns nach etwas zu erkundigen.«

»Nach was?«

»Das geht Sie nichts an. Also, wo ist Ihr Mann?«

»Für Sie ist er auf keinen Fall daheim. Solche groben Menschen werden fortgeschickt!«

»Es fragt sich, ob wir uns fortschicken lassen. Gehen Sie auf die Seite, wir brauchen Platz!«

Er schob sie ohne Weiteres von der Thüre weg und öffnete diese. Sie aber drängte sich schnell hinein und rief laut: »Zu Hilfe! Zu Hilfe, Salomon Levi!«

Da öffnete sich die Thüre des zweiten Raumes, und der alte Jude trat herein.

»Was ist’s? Was giebt’s, Rebeccchen? Wer thut Dir etwas?«

»Diese Männer drängen sich mit Gewalt herein! Sie sind grob gewesen. Sie gehen nicht, obgleich ich sie fortgewiesen habe!«

»Das ist unverschämt! Soll ich nicht einmal sein Herr in meinem eigenen Hause? Soll ich schicken nach Polizei?«

»Ist nicht nöthig. Sie ist bereits da!«

»Wer? Die Polizei?«

»Ja. Ich bin Staatsanwalt!«

»Staats –! Gott Abrahams! Was hat zu suchen der Anwalt vom Staate bei Salomon Levi?«

»Das werden Sie erfahren. Gehen Sie hinaus, Frau Levi, und sorgen Sie dafür, daß wir nicht gestört werden!«

»Soll ich, Levi?«

»Ja, gehe hinaus! Diese Herren von der Polizei werden vielleicht fragen, ob Jemand bei mir hat verkauft einen gestohlenen Gegenstand. Das ist Geheimniß des Amtes, welches Niemand hören darf. Lasse keinen Menschen herein, bis wir sind geworden fertig mit unserer Unterredung.«

Die Alte gehorchte, und ihr Mann complimentirte die Beiden in seine Stube, wo er sie zum Niedersetzen nöthigte.

»So,« sagte er. »Nun bin ich neugierig, zu erfahren, was Sie sind gekommen zu fragen!«

»Ich hoffe, daß Sie uns eine wahrheitsgetreue Auskunft ertheilen!« meinte der Staatsanwalt.

»Ich werde Ihnen sagen Alles, was Sie wissen wollen.«

»Gut! Machen Sie Wechselgeschäfte?«

»Wechselgeschäfte? Was meinen Sie mit diesem Worte?«

»Ob Sie Wechsel in Zahlung nehmen?«

»Ja, nämlich wenn der Akcceptant ist ein sicherer Mann.«

»Und zahlen Sie selbst auch zuweilen in Wechseln?«

»Ja, denn ich muß doch wieder ausgeben die Papierchens, welche ich habe eingenommen.«

»Wann haben Sie das zum letzten Male gethan?«

»Werde ich nachschlagen im Buche.«

Er öffnete ein Geschäftsbuch, schlug nach und sagte dann:

»Habe ich ausgegeben vor fünf Tagen ein Acceptchen des Kaufmanns Wolkenberg, lautend auf hundert Gulden.«

»Nach dieser Zeit haben Sie keinen Wechsel ausgegeben?«

»Nein.«

»Zum Beispiel heute? Besinnen Sie sich.«

»Ich brauche nicht zu sinnen in meinem Gedächtnisse. Ich müßte es doch wissen, wenn ich ausgegeben hätte heute ein Papier.«

»Und doch behauptet man, daß Sie heute einen Wechsel acceptirt haben, Herr Levi!«

»Acceptirt? Ich selbst?«

»Ja.«

»Das ist nicht wahr.«

»Ich hoffe, daß Sie sich doch noch erinnern.«

»Herr Staatsanwalt, ich bin nicht ein reicher Mann, aber meine Arbeit hat doch wenigstens gehabt so viel Erfolg, daß ich nicht brauche zu bezahlen in Papieren, welche ich habe selbst acceptirt. Meine Casse ist immer in Ordnung.«

»Das mag sein. Aber zuweilen handelt es sich um Summen, welche man nicht sofort baar in der Casse hat«

»Mit so hohen Beträgen arbeite ich nicht.«

»Hm! Spielen Sie an der Börse?«

»Nein. Ich hasse die Speculation.«

»Sie spielen wohl überhaupt nicht?«

»Nein. Das Spiel ist ein großmächtiges Laster! Es bringt die Menschen in’s Verderben, in Armuth und Schande.«

»Es giebt Spiele, welche man nicht unter die Laster zu zählen pflegt, zum Beispiel das Lotteriespiel.«

»Nein, das ist kein Laster, da hat es die Erlaubniß und Genehmigung der Regierung des Staates.«

»Spielen Sie zuweilen?«

»Noch nie.«

»Auch jetzt nicht?«

Jetzt wurde er doch bedenklich. Hatte die Anwesenheit des Staatsanwaltes etwas mit dem gekauften Loose zu schaffen? Am Liebsten hätte er geleugnet; aber es mußte ja bekannt werden, daß ihm das große Loos zugefallen sei; darum war ein Leugnen nicht recht am Platze. Er antwortete: »Ich habe es jetzt versucht zum ersten Male.«

»So? Welche Nummer haben Sie?«

»Fünfundvierzigtausenddreihundertzweiunddreißig.«

»Natürlich haben Sie das Loos in Ihrem Besitze?«

»Ja.«

»Seit wann haben Sie es?«

»Seit längerer Zeit.«

»Vom Collecteur?«

»Nein. Ich habe es gekauft von Einem, welcher brauchte Geld.«

»Wer ist dieser Mann?«

»Der Graveur Herold.«

»Sie kennen ihn also?«

»Ja. Wohnt er doch in meinem Hause.«

»Wieviel haben Sie für das Loos bezahlt?«

»Dreißig Gulden.«

»Das ist viel. Es kostet doch nur fünf!«

»Aber es ist die letzte Ziehung, wo leicht kann darauf fallen ein großer Gewinn.«

»Haben Sie nicht noch mehr dafür bezahlt?«

»Nein.«

»Nicht noch fünfzigtausend Gulden?«

Jetzt erschrak er; aber er faßte sich schnell und antwortete:. »Hält mich der Herr Staatsanwalt für verrückt?«

»Nein; ich halte Sie sogar für einen Mann, welcher sehr gut, ja außerordentlich gut zu rechnen versteht.«

»So werde ich doch nicht bezahlen ein halbes Hunderttausend für ein kleines Stück Papier!«

»Es kann ja die Hunderttausend darauf fallen!«

»Das aber weiß man nicht.«

»Allerdings. Kennen Sie den Collecteur?«

»Nein, da ich nicht von ihm selbst habe das Loos.«

»So waren Sie nicht bei ihm?«

»Niemals.«

»Aber er war bei Ihnen?«

»Auch nie!«

»Man hat ihn aber doch heute aus Ihrem Hause kommen sehen?«

»Ich weiß nichts davon!«

»Wunderbar! Kennen Sie vielleicht dieses Papier?«

Er zog den Wechsel hervor und zeigte ihn dem Juden. Dieser fuhr entsetzt zurück und rief:

»Gott der Gerechte! Wie kommt der Wechsel in Ihre Hand?«

»Ich habe ihn von dem Collecteur. Sie geben doch zu, ihn acceptirt zu haben?«

»Nein, nein! Ich weiß von Nichts, von gar Nichts!«

Er streckte die Hände mit weit aufgespreizten Fingern weit von sich ab.

»Aber es ist doch Ihre Handschrift?«

»Nein; es ist nicht meine Schrift! Wie können Sie sagen, daß es sei meine Schrift! Haben Sie gesehen meine Schrift?«

»Ja, oben hier auf diesem Accepte.«

»Ich habe es nicht geschrieben.«

»So hätte ein Anderer den Wechsel gefälscht?«

»Ja, ja, er ist gefälscht. Man wird müssen suchen nach dem Fälscher, um ihn zu bestrafen mit Gefangenschaft und Zuchthaus!«

»Na, wir werden ja sehen! Wollen Sie so gut sein, mir einmal das Loos zu zeigen, Herr Levi?«

»Warum? Aus welchem Grunde wollen Sie sehen das Loos?«

»Vielleicht ist es auch gefälscht!«

»Gott Abrahams! Kann auch werden gefälscht ein Loos?«

»Warum nicht?«

»So hätte mich betrogen dieser Herold!«

»Davon wollen wir uns jetzt einmal überzeugen!«

»Ja, ja! Wenn er hat nachgemacht das Loos, um mich zu betrügen um dreißig Gulden, so muß er werden arretirt und kommen vor die öffentliche Verhandlung!«

Er öffnete sein Pult und drückte an einer Feder, worauf ein verborgenes Fach aufsprang, aus welchem er das Loos nahm, um es dem Staatsanwalt zu zeigen. Vorher aber schob er das Fach wieder in den Verschluß zurück.

Der Beamte ließ ein befriedigtes Lächeln sehen. Er hatte genau aufgemerkt und wußte nun, wie das Fach zu öffnen sei. Diese Kenntniß war ihm nothwendig, wie er vermuthet hatte. Er betrachtete das Loos und sagte: »Es ist echt! Herold ist also kein Betrüger. Was aber werden Sie thun, wenn der Collecteur kommt, um Ihnen diesen Wechsel zu präsentiren?«

»Ich werde ihn werfen aus dem Hause.«

»Das wird er sich nicht gefallen lassen.«

»Was will er dagegen thun?«

»Er wird schwören, daß Sie diesen Wechsel wirklich acceptirt haben, Herr Levi.«

»Sein Schwur wird sein ein Meineid!«

»Aber Sie werden viele Scherereien haben. Ich an Ihrer Stelle würde ihn nicht hinauswerfen. Ich wüßte ein anderes Mittel, den Wechsel ohne Zahlung zurück zu erhalten.«

»Welches Mittel wäre das?«

»Ich würde ihm seinen Revers präsentiren.«

Salomon Levi that vor Schreck einen Sprung.

»Revers?« rief er aus.

»Ja.«

»Weiß ich doch nicht, was Sie meinen!«

»Nun, den Revers, welchen er Ihnen ausgestellt hat.«

»Er hat mir nichts ausgestellt, keinen Revers, kein Papier, keine Zeile, kein einziges Wort!«

»Ich glaube, Sie sagen die Unwahrheit!«

»Ich sage Wahrheit! Wie soll ich haben einen Revers? Was soll denn stehen auf dem Revers?«

»Das werden Sie wissen!«

»Ich weiß nichts, gar nichts!«

»Wenn ich nun nach dem Revers suche?«

»So werden Sie nichts finden.«

»Ich bin überzeugt, ihn zu finden. Besser aber ist es doch, wenn Sie mir ihn freiwillig geben.«

»Wie kann ich geben, was ich gar nicht habe?«

»Gut, so werde ich suchen.«

»Ja, suchen Sie! Hier ist das Pult, in welchem ich habe alle Schreibereien. Es steht offen. Hier, suchen Sie!«

Der Staatsanwalt trat an das Pult und sagte:

»Sie scheinen Ordnung zu lieben; das sehe ich aus der Art und Weise, wie Sie Ihre Sachen hier aufbewahren.«

»Ordnung ist die erste Hauptsache des Geschäftes.«

»Ja, man darf nichts zerstreuen, nichts zusammenlegen, was nicht zusammengehört, nicht wahr?«

»Ja. Und was zusammengehört, das muß bei einander liegen?«

»Ganz recht! Sie denken also, daß ich den Revers wirklich nicht finden werde?«

»Wie könnten Sie ihn finden, da er nicht ist vorhanden!«

»Nun, was zusammengehört, das muß beisammen liegen. Der Revers müßte also da liegen, wo das Loos lag. Meinen Sie nicht auch, Herr Levi?«

Der Gefragte vermochte nicht zu antworten. Es würgte ihn im Halse. Er konnte nur nicken.

»Gut, so wollen wir einmal dort nachsehen.«

Er drückte an der Feder, und das verborgene Fach sprang hervor. Salomon Levi stieß einen Schrei des Entsetzens aus. Er faßte den Beamten am Arme und rief: »Halt, halt! Was thun Sie hier? Was haben Sie nachzusuchen in dem geheimen Kästchen?«

»Beruhigen Sie sich! Ich will Ihnen nur beweisen, daß ich den Revers wirklich finde.«

»Nein, nein! Niemand darf greifen in dieses Fach!«

»Also selbst der Staatsanwalt nicht?«

»Nein. Dieses Fach ist da nur für mich, aber für keinen Anderen!«

Er wollte den Beamten vom Pulte fortziehen; dieser aber schüttelte ihn ab und sagte: »Lassen Sie die Hand von mir, sonst rufe ich meine Leute und lasse Ihnen Handschellen anlegen!«

»Leute? Handschellen?«

»Ja.«

»Gott der Gerechte! Haben Sie denn bei sich Polizisten?«

»Natürlich! Sie stehen draußen und warten nur auf meinen Befehl, herein zu kommen!«

»Und Handschellen? Ist denn Salomon Levi ein Räuberhauptmann, daß man ihm stecken will die Hände in Eisen!«

»Sie haben sich nicht an mir zu vergreifen; das ist Alles. Hier liegt ein Papier. Es hat ein sehr frisches Aussehen. Wollen es doch einmal betrachten!«

Er nahm das oberste Papier aus dem geheimen Fache, entfaltete es und las:

»Ah, da ist ja der Revers! Nun, Herr Levi, was sagen Sie nun? Leugnen Sie immer noch?«

»Der Revers? Zeigen Sie?«

Er griff mit der Hand nach dem Papiere; aber der Anwalt zog es zurück und sagte:

»Nicht anfassen! Hier, sehen Sie!«

Er hielt es ihm von Weitem hin. Der Jude schüttelte den Kopf, machte eine Miene größter Verwunderung und sagte: »Ich kenne nicht dieses Papier. Ich habe es nie gesehen.«

»Das ist doch wunderbar! Wie sollte es in Ihr Pult gekommen sein, und noch dazu in das geheime Fach desselben?«

»Weiß ich es?«

»Kennt Jemand außer Ihnen dieses Fach?«

»Nur meine Frau und meine Tochter Judith.«

»Hat Ihre Frau oder Tochter vielleicht das Papier hineingeIegt?«

»Nein. Wie sollten sie kommen zu dem Revers!«

»Aber sie wissen, daß Sie das Loos gekauft haben?«

»Nein.«

»So ist eben ein Wunder geschehen, welches wir untersuchen müssen, Herr Levi.«

»Ja, untersuchen Sie es, damit ich erfahre, wer mir kann legen fremde Papiere in mein Pult.«

»Dazu habe ich aber Mehrerlei nöthig. Ich muß zunächst das Loos behalten. Vertrauen Sie es mir an?«

»Behalten Sie es. Wenn darauf fällt ein Gewinn, werde ich ihn ausgezahlt erhalten trotzdem.«

»Auch den Revers muß ich confisciren.«

»Nehmen Sie ihn; er gehört nicht mir.«

»Und sodann muß ich Sie ersuchen, sich mit mir zu dem Collecteur zu verfügen.«

»Zum Collecteur? Was soll ich bei ihm?«

»Hier steht seine Unterschrift. Er hat den Revers ausgestellt und wird uns also sagen können, wie dieser auf so geheimnißvolle Weise in dieses Pult gekommen ist.«

»So werden wir ihn fragen. Ja, ich werde mitgehen.«

»Aber leider werden wir ihn nicht zu Hause finden!«

»Wir werden nach ihm senden, um ihn holen zu lassen.«

»Nein, wir werden ihn dort aufsuchen, wo er ist.«

»Weiß denn der Herr Staatsanwalt, wo er ist?«

»Ja. Wir wollen keine Zeit verlieren. Bitte, holen Sie Ihren Hut!«

»Ich werde schnell holen Rock und Hut. Erlauben Sie, und warten Sie eine Minute!«

Er wollte sich entfernen; aber der Anwalt sagte:

»Sie brauchen sich nicht selbst zu bemühen. Ihre Frau mag Ihnen holen, was Sie brauchen.«

»Ja, Rebeccchen mag es holen.«

Er rief seiner Frau durch die Thür, welche er öffnete, den Befehl zu, und als sie Rock und Hut brachte, sagte er ihr, daß er mit dem Herrn Staatsanwalt einen Besuch zu machen habe. Dann gingen sie fort.

Draußen patrouillirten mehrere Personen so unauffällig wie möglich auf und ab. Als sie die Drei aus dem Hause treten sahen, zogen sie sich weiter zurück. Zander wußte, daß sie Polizisten seien und daß sie dem Anwalte und dem Juden in gemessener Entfernung folgen würden. Er selbst aber fragte den Ersteren: »Ist Ihnen meine Gegenwart noch länger nöthig, oder darf ich mich nun verabschieden?«

»Sie können gehen, Herr Doctor. Ich danke! Wenn man Sie braucht, werden Sie Nachricht erhalten.«

Zander ging, und zwar direct wieder zu dem Graveur, um ihm zu erzählen, was geschehen war. Bei dieser Gelegenheit bot er ihm eine Summe Geldes an, welche der arme Mann auch mit Freuden als Vorschuß in Empfang nahm.

Salomon Levi schritt in höchst gedrückter Stimmung neben dem Staatsanwalt dahin. Was und wie würde der Collecteur antworten? Würde er leugnen?

Zu seiner großen Beunruhigung bemerkte er, daß ihn der Beamte nach dem Gerichtsgebäude führte.

»Wohin gehen wir, Herr Anwalt?« fragte er. »Ich denke, daß wir wollen gehen zum Collecteur?«

»Allerdings!«

»Aber hier ist doch das Gericht?«

»Gewiß!«

»Aber nicht der Collecteur?«

»O doch! Er befindet sich hier.«

»Was will er hier? Was hat er zu suchen im Gerichte?«

»Das werden Sie baldigst erfahren.«

Sie traten ein, stiegen eine Treppe empor, durchschritten einen Corridor und gelangten an eine starke, eisenbeschlagene Thüre, welche der Anwalt mit einem Schlüssel öffnete und dann sorgfältig wieder verschloß.

Salomon Levi sah sich nun in einem langen Gange, welcher an einem vergitterten Fenster endete. Rechts und links gab es Reihen starker Thüren, über denen je ein Täfelchen hing, auf welchem ein Name stand. Die Thüren waren mit eisernen Doppelriegeln versehen. Hinten am Fenster stand ein Beamter, welcher ein großes Schlüsselbund in der Hand trug.

»Gott der Gnädige!« stieß der Jude hervor. »Wohin haben Sie mich geführt, Herr Staatsanwalt?«

»Bemerken Sie das nicht?«

»Es ist ein Gefängniß.«

»Sehr richtig!«

»Was soll ich hier? Befindet sich hier der Collecteur?«

»Hoffentlich! Wollen einmal fragen!«

Der Schließer war, als er sie bemerkte, sofort näher gekommen. Der Anwalt fragte ihn:

»Zwei Zugänge gekommen?«

»Ja, Herr Staatsanwalt. Lotteriecollecteur Naumann nebst Vater.«

»Bereits internirt?«

»Noch nicht. Man ist noch bei der Einkleidung.«

»Ah, so können wir jetzt nicht mit ihnen sprechen. Wir müssen also noch ein Wenig warten, Herr Levi. Bitte, treten Sie einstweilen hier ein!«

Er zeigte auf eine Thür, über welcher kein Name hing. Der Schließer verstand ihn sofort und öffnete.

»Hier eintreten?« fragte der Jude entsetzt.

»Ja, bitte.«

»Herr Zebaoth! Ein Loch mit einer Pritsche, einem Kübel, zwei Ketten und eisernen Stangen am Fenster!«

»Das ist hier so gebräuchlich.«

»Eine Gefängnißzelle!«

»Allerdings.«

»Gott der Gerechte! Da hinein soll ich?«

»Ja wohl, Herr Levi!«

»Um auf den Collecteur zu warten?«

»Ja. Ich hoffe, daß Ihnen die Zeit nicht lang werden wird.«

Jetzt erst begann dem Juden ein Licht aufzugehen.

»Herr des Himmels und der Erde!« rief er. »Ich hoffe doch, daß man mich nicht warten läßt gar zu lange!«

»Man wird diese Angelegenheit so schnell wie möglich erledigen. Haben Sie keine Sorge!«

»Kann ich nicht einstweilen warten wo anders?«

»Es ist hier für uns am Bequemsten. Also, treten Sie ein!«

»Oder, soll ich etwa sein ein Gefangener?«

»Sie sind sistirt!«

»Sistirt? Welch ein Wort ist das? Was hat es zu bedeuten?«

»Denken Sie darüber hier in der Zelle nach!«

Er wurde hineingeschoben, und dann klirrten die Riegel vor. Er stieß einen lauten, unartikulirten Schrei aus und sank auf die Pritsche, um sich mit beiden Händen das Haar zu raufen.

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Es war nachts, kurz vor zwölf Uhr. Es schneite, und die Flocken fielen so dicht hernieder, daß der Schein der Gaslaternen nicht sehr weit zu dringen vermochte. Zwei Männer kamen die Straße, in welcher der Agent Bauer wohnte, heraufgeschritten. An der hinteren Seite des Helfenstein’schen Palais blieben sie stehen und blickten nach der Wohnung des Agenten empor.

»Was ist das?« fragte der Eine, welcher kein Anderer war als Adolf, der Geheimpolizist. »Zwei Lichte!«

»Das ist wohl noch nicht dagewesen?« fragte der Andere.

»Nein, Durchlaucht.«

»Natürlich hat es etwas zu bedeuten.«

»Aber was?«

»Das müssen wir zu erfahren suchen. Also ein Spiegel des Tages oder ein Licht des Abends ist für den Hauptmann das Zeichen, daß der Agent ihn sprechen will. Was wird –«

Er hielt inne. Ein Mann war näher gekommen, passirte an ihnen vorüber, hielt den Blick empor zu den beiden am Fenster brennenden Lichtern gerichtet und sagte halblaut: »Auch Einer!«

Dann ging er, ohne sich umzusehen, weiter.

»Was wollte dieser?« meinte Adolf.

»Hm! Sonderbar! Sollte das etwa gar zu bedeuten haben: Ich bin auch Einer?«

»Möglich.«

»Dann gehörte er zur Bande des Hauptmanns.«

»Und das Wort ist vielleicht ein Erkennungszeichen.«

»Wäre dies der Fall, so hätten wir eine recht gute Entdeckung gemacht. Ah, da kommt wieder Jemand.«

Eine zweite Gestalt tauchte aus dem bewegten Schleier des Schneegestöbers auf, kam näher und sagte im Vorüberschreiten und auch mit halblauter Stimme: »Auch Einer.«

»Es ist so!« flüsterte der Fürst. »Die zwei Lichter sind wohl das Versammlungszeichen. Ich muß diesem Kerl nach. Du hast Deine Instruction. Mach keine Fehler!«

»Keine Sorge, Durchlaucht!«

Der Fürst eilte fort, und Adolf schritt in der entgegengesetzten Richtung dahin. Als er die ihm von dem emeritirten Cantor angegebene Stelle erreichte, begann er langsam auf und ab zu patrouilliren.

Da schlug es Zwölf. Er strich mit dem Stocke, welchen er bis jetzt hoch getragen hatte, laut über das Pflaster hin und pfiff die Melodie des Gaudeamus igitur so laut, daß es auf ziemliche Entfernung hin zu hören war.

Sofort bemerkte sein scharfes Auge, daß sich eine Gestalt von der nächsten Ecke löste und auf ihn zukam. Er schritt in der nachlässigen Haltung eines Müßiggängers dahin. Der Andere that, als ob er an ihm vorüber wolle, blieb aber halten und sagte: »Wallner, Du hier? Ah, fast wäre ich an Dir vorübergeschritten, ohne Dich zu kennen. Ist’s denn heute mit dem Billard bereits zu Ende? Ich wollte eben kommen.«

Adolf wußte, daß dies nur fingirt war. Er antwortete:

»Verzeihung! Sie scheinen mich zu verkennen!«

»Verkennen? Unsinn!«

»O doch! Ich bin nicht Der, den Sie meinen.«

»Nicht Wallner?«

Der Andere trat ganz nahe an ihn heran, blickte ihm in das Gesicht und sagte dann:

»Donnerwetter! Wirklich, Sie sind es nicht. Verzeihen Sie, aber Sie haben wirklich eine außerordentliche Ähnlichkeit mit meinem Freunde. Ganz seine Gestalt und ganz sein Lieblingslied, welches er für gewöhnlich pfeift. Darf ich vielleicht erfahren, wer es ist, der eine solche Ähnlichkeit mit ihm besitzt?«

»Warum nicht? Ich heiße Leonhardt und bin Diener.«

»Bei wem?«

»Bei der Tänzerin Miß Ellen Starton.«

»Bei der Amerikanerin? Ah, das ist interessant, höchst interessant. Ich bin nämlich auch Balletist. Ich muß mich für Ihre Herrin also sehr interessiren. Darf ich fragen, in welcher Absicht Sie jetzt ausgehen?«

»Ich habe die Absicht, ein wenig zu kneipen.«

»Wo gedenken Sie einzukehren?«

»Irgendwo. Ich bin hier noch fremd.«

»Ah, schön! Darf ich mich Ihnen anschließen?«

»Warum nicht, da Sie Tänzer sind.«

»Ich weiß ein hübsches Restaurant, wo man sich um diese Zeit verteufelt behaglich fühlen kann. Ich empfehle es Ihnen.«

»Danke. Wollen wir hin?«

»Wenn es Ihnen recht ist?«

»Warum nicht. Ich überlasse mich Ihrer Führung.«

»So bitte, kommen Sie!«

Er nahm Adolfs Arm in den seinigen und zog ihn fort, durch mehrere Straßen, immer fort, bis er endlich auf einem freien Platze halten blieb und nun sagte: »Erwarten Sie wirklich, daß ich mit Ihnen kneipe?«

»Ganz nach Belieben.«

»Sie haben das Zeichen gegeben. Es war möglich, daß Sie Verrath beabsichtigten. Wie leicht konnten Sie Polizisten in die Hände fallen. Darum brachte ich Sie hierher, wo Sie keine Vorbereitungen treffen konnten. Jetzt bin ich überzeugt, sicher zu sein. Sie wollen also mit dem Hauptmanne reden?«

»Ja.«

»Nun, der Hauptmann ist nicht so dumm, sich dorthin zu stellen, wo ihn Einer erwartet, dessen er nicht sicher ist. Ich hatte Sie abzuholen. Sie werden nur durch Vermittelung zu ihm kommen. Ich übergebe Sie jetzt einem Anderen.«

Er zog ihn noch eine kurze Strecke weiter fort. Dort stand ein Mann.

»Das ist er,« sagte er zu ihm und entfernte sich dann.

»Kommen Sie!« sagte der Andere und schritt mit ihm weiter.

So wurde Adolf noch zweimal anderen Führern übergeben, bis ihn der Letzte endlich mit den Worten: »Hier warten Sie,« mitten auf der Straße stehen ließ und sich dann schnell entfernte.

Er wartete. Da hörte er den Schnee hinter sich knirschen. Er drehte sich langsam um und stand nun vor einem Manne, dessen Gesicht nur aus Bart zu bestehen schien.

»Ich bin der Hauptmann, mit dem Sie reden wollen,« sagte er.

»Das ist mir lieb um meiner beiden Freunde willen.«

»Wen meinen Sie?«

»Die beiden Schmiede Wolf aus Tannenstein.«

»Die sind Ihre Freunde? Seit wann?«

»Seit nicht sehr langer Zeit.«

»Das müßte eigenthümlich zugehen; sie sind ja gefangen.«

»Ich war es auch.«

»Ach so! Sie haben sie wohl im Gefängnisse kennen gelernt.«

»Ja. Ich war in demselben Gefängnisse eingesperrt und wurde zu allerlei Dienstleistungen mit verwendet. Da konnte ich mit den Gefangenen sprechen, und so habe ich auch mit den beiden Wolfs verkehrt.«

»Sie wurden also zum Vertrauten gemacht?«

»Das nicht gerade, denn die beiden Männer sind außerordentlich vorsichtig und verschwiegen. Aber es gelang mir, den Botschafter zwischen ihnen zu machen.«

»Ah, sie befinden sich also nicht beisammen?«

»Nein; man hat sie sogar in verschiedene Etagen gesperrt. Der Untersuchungsrichter hat ihnen sehr scharf zugesetzt; sie aber gestehen nichts, und ich mußte dem Einen immer von dem Anderen sagen, wie er sich beim nächsten Verhöre zu verhalten habe.«

»Das war sehr verdienstvoll von Ihnen, aber wohl auch ebenso gefährlich?«

»Na, ich war vorsichtig.«

»Wie aber kommt es, daß Sie von ihnen zu mir geschickt worden sind?«

»Hm, das ist freilich eine heikle Geschichte. Darf ich aufrichtig sein?«

»Reden Sie von der Leber weg.«

»Ich bin sehr arm und hatte, als ich entlassen wurde, keine Hoffnung, bald wieder in Stellung zu kommen. Das klagte ich dem alten Wolf, und da sagte er mir, daß ich mir ein hübsches Sümmchen verdienen könne, wenn ich nur wolle. Ich ging natürlich sofort darauf ein.«

»Was sollten Sie thun?«

»Die beiden möchten gern heraus!«

»Das glaube ich! Aber wie!«

»Ich versprach, ihnen behilflich zu sein. Ich habe ihnen meine Hand und mein Wort gegeben, und da sagten sie, ich solle nach meiner Entlassung in die Residenz gehen und zusehen, ob ich mit Dem sprechen könne, den man hier den Hauptmann nennt.«

»Hat man Ihnen Namen genannt?«

»Nein.«

»Das freut mich von den beiden Wolfs.«

»Mich aber nicht, denn dadurch ist es mir verteufelt schwierig geworden, Sie zu treffen.«

»Wer hat Ihnen denn endlich Auskunft gegeben?«

»Ein alter, pensionirter Cantor.«

»Ich kenne keinen.«

»Das glaube ich. Der Mann hatte einmal Zwei belauscht, welche von der Art und Weise, wie man Sie treffen kann, gesprochen hatten. Er theilte es mir mit, und ich habe es versucht. Es ist gelungen.«

»So richten Sie also aus, was Sie zu sagen haben!«

»Vorher möchte ich aber doch erst wissen, ob ich das umsonst thun soll oder nicht?«

»Ich werde Sie gut bezahlen.«

»Schön! Also die Wolf’s lassen Ihnen sagen, daß sie auf alle Fälle verurtheilt würden. Sie gestehen zwar nichts, aber man hat so viel Beweismaterial gegen sie gesammelt, daß sie auf einen günstigen Ausgang der Untersuchung gar nicht rechnen können.«

»Sie sind selbst schuld daran. Warum lassen sie sich fangen!«

»Das geben sie freilich zu. Ich soll Ihnen vor allen Dingen sagen, daß auch Sie verloren sind, wenn Sie sich ihrer nicht annehmen. Es braut sich ein Wetter über sie zusammen, dessen Ausbruch Sie nur verhindern können, wenn Sie die Wolf’s befreien. Sie könnten Ihnen dann sagen, was sie während ihrer Verhöre erfahren und gehört haben.«

»Hm! Also heraus wollen sie! Was wollen sie denn dann anfangen? Sie sind ja vogelfrei!«

»Sie wollen nach Amerika.«

»Das geht nicht so schnell. Die Hauptsache aber ist, ob überhaupt die Möglichkeit vorhanden ist, zu entkommen.«

»Die ist vorhanden.«

»Auf welche Weise denn?«

»Durch meine Hilfe.«

»So! Diese Hilfe haben Sie ihnen versprochen?«

»Ja.«

»Und Sie sind bereit, Ihr Versprechen zu halten?«

»Ja. Natürlich immer unter der Voraussetzung, daß es etwas für mich abwirft.«

»Ich wiederhole Ihnen, daß ich dankbar sein werde.«

»Das genügt.«

»Wie also denken Sie sich die Befreiung der Gefangenen? Vielleicht die Fenstergitter zerfeilen?«

»O nein. Das wäre zu gefährlich und auch zu zeitraubend. Man muß ganz einfach in’s Gefängniß gehen und die Beiden herauslassen.«

»Donnerwetter! Das nennen Sie ›ganz einfach‹! Mir scheint das ganz und gar nicht einfach zu sein!«

»Und doch ist es so. Man muß nur die Oertlichkeit kennen, und auch die Verhältnisse.«

»Die kennen Sie?«

»Ja. Es sind nämlich zwei Schließer da, welche in der Nachtwache abwechseln. Heute der Eine und morgen der Andere. Der Eine hat eine Geliebte, welche in der Nähe des Gefängnisses wohnt. Er hat während des ganzen Tages Dienst und nur aller vier Wochen einen halben Sonntag frei. Aus diesem Grunde kommt er eigentlich nur selten, also aller vier Wochen, zu ihr. Da ist er denn auf den Gedanken gekommen, sie zu besuchen, wenn er Wache hat.«

»Sapperlot! Das wäre gut«

»Er wartet, bis Alles schläft, und schleicht sich fort zu ihr. Bei dieser Gelegenheit ist das Gefängniß ohne alle Aufsicht. Man könnte hinein und die beiden Gefangenen ganz gemüthlich herausholen.«

»Ganz gemüthlich?«

»Ja, denn es gäbe ja Niemanden, der es zu verhindern vermöchte.«

»Aber, Sie wunderbarer Mann, Sie scheinen anzunehmen, daß der Schließer, wenn er zu seinem Mädchen geht, alle Thüren für uns öffnet und auch offen läßt.«

»Das nicht. Er schließt vielmehr Alles sehr sorgfältig zu.«

»Wie also könnte man hinein?«

»Mit dem Hauptschlüssel.«

»Haben Sie den?«

»Nein.«

»So taugt also Ihr Rath den Teufel!«

»Er ist doch vielleicht besser, als Sie denken. Nämlich der Hauptschlüssel ist ganz gut zu bekommen.«

»Wie denn?«

»Auf zweierlei Weise. Zunächst muß der Schließer, wenn er fortgeht, durch den Gefängnißgarten. Zum vorderen Thore kann er nicht hinaus, weil er da recht gut bemerkt werden könnte. Natürlich trägt er seine Schlüssel bei sich. Man braucht ihn also nur im Garten abzulauern.«

»Hm! Ist er stark?«

»Nicht sehr. Ich getraue mir, es mit ihm aufzunehmen.«

»Er kann aber doch Lärm machen.«

»Da müßte man es sehr dumm anfangen.«

»Man müßte mehrere Leute bei sich haben.«

»Das ist nicht nöthig; das würde sogar das Gelingen sehr in Frage stellen. Zwei Personen sind genug. Wenn Mehrere kommen, werden sie leicht bemerkt.«

»Sie haben nicht ganz Unrecht. Aber schließt denn der Hauptschlüssel alle Thüren?«

»Natürlich. Ich weiß das sehr genau, denn ich habe aufgepaßt.«

»Sprachen Sie nicht von einer zweiten Art und Weise, zu dem Schlüssel zu kommen?«

»Ja. Und diese Weise ist kinderleicht. Nämlich vier Personen besitzen Hauptschlüssel: Die beiden Schließer, der Wachtmeister und der Gerichtsamtmann. Dieser Letztere nimmt seinen Schlüssel niemals mit nach Hause, sondern er läßt ihn in seiner Expedition zurück, wo er ihn an den Nagel hängt.«

»Da denken Sie, daß man ihn nur wegzunehmen brauche?«

»Ja.«

»Aber wie in die Expedition gelangen?«

»Sehr leicht. Durch das Fenster.«

»Ist es nicht vergittert?«

»Nein. Die Verhörzimmer liegen doch nicht im Gefängnisse.«

»Kennen Sie diese Expedition genau?«

»Ganz genau. Sie liegt im ersten Stockwerke. Man steigt hinauf, drückt mit einem Pflaster die Fensterscheibe ein, öffnet den Flügel, steigt hinein und nimmt den Schlüssel.«

»Wie kommen Sie hinauf an’s Fenster?«

»Mittels einer Leiter natürlich.«

»Woher eine solche nehmen?«

»Es hängen wohl drei oder vier Stück an der Gartenseite des Gerichtsgebäudes, lange und kurze. Und glücklicher Weise befindet sich das betreffende Fenster noch auf dieser Seite.«

»Das ist allerdings günstig.«

»Hat man den Schlüssel, so wartet man, bis der Schließer sich entfernt hat und geht dann hinein, um die Gefangenen in aller Gemüthlichkeit herauszuholen.«

»Wer aber weiß den Tag, an welchem dieser eine Schließer die Wache hat?«

»Ich. Ich brauche ja nur rückwärts nachzurechnen. Er kommt einen Tag um den anderen.«

»Sie wären also gewillt, sich an der Befreiung der beiden Wolfs zu betheiligen?«

»Falls ich es gut bezahlt bekomme. Ich riskire ja viel.«

»Wieviel fordern Sie?«

»Das ist schwer zu sagen. Ich weiß nicht, wieviel die Befreiung der Beiden für Sie werth ist.«

»Nun, so sagen Sie wenigstens annähernd, wie hoch Sie sich die Belohnung denken!«

»Unter fünfhundert Gulden nicht.«

»Das ist mir keineswegs zuviel.«

»Sapperment! Hätte ich doch tausend gesagt!«

»Lassen Sie sich Ihre Forderung nicht reuen. Wenn Alles klappt, erhalten Sie mehr als fünfhundert. Aber, haben Sie denn auch Zeit dazu?«

»Hm! Das ist nun freilich eine sehr dumme Geschichte!«

»Wieso? Ich weiß übrigens gar nicht, wer Sie sind, wie Sie heißen und was Sie treiben.«

»Ich heiße Leonhardt und bin Diener. Ich kam nach hier mit der Befürchtung, nicht so leicht eine Stelle zu erhalten, habe aber Glück gehabt. Die Tänzerin Miß Starton hat mich engagirt.«

»O weh! Da können Sie ja gar nicht fort!«

»Vielleicht giebt sie mir auf einen Tag oder zwei Urlaub. Ich müßte mir einen Grund, eine Ausrede zurecht machen.«

»Ja, das wäre allerdings nöthig. Wohnen Sie denn auch bei ihr, oder haben Sie Privatlogis?«

»Ich habe ein Zimmer bei ihr im Hotel.«

»Sie soll außerordentlich reich sein?«

»Fürchterlich! Ich war dabei, als sie ihre Cassette offen hatte. Welche Menge von Goldstücken und großen Cassenscheinen! Das waren viele, viele Tausende! Und nun gar noch ihre Schmucksachen! Die müssen Millionen werth sein!«

»Wo bewahrt sie diese auf?«

»Im Schlafzimmer, in einem eisernen Kasten, welcher sich im Reisekoffer befindet.«

»Haben Sie da nicht Appetit bekommen?«

»Nach diesen Kostbarkeiten, meinen Sie?«

»Ja.«

»Nun, aufrichtig gestanden war es mir, als ob ich Fieber hätte. Unsereiner ist so arm!«

Der verlorne Sohn
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