»Nach der Wohnung des Apothekers. Sie sind dorthin.«

»Glauben Sie?«

»Ich bin davon überzeugt. Seidelmann hat hier keinen Rückhalt; er weiß weder aus noch ein. Sie haben die Flucht nicht direct von hier antreten können; sie besitzen ja weder Geld, noch sind sie mit genügenden Kleidern versehen. Wohin haben sie sich wenden können, um Beides zu bekommen? Nirgends hin als in die Wohnung des Apothekers. Kommen sie schnell!«

Er zog ihn mit sich fort, gleich zum offenen Thore hinaus. Sie stiegen in die erste Droschke, welche sie fanden und jagten davon. Als sie am Hauptpolizeiamte vorüberkamen, ließ der Fürst für einen Augenblick halten, um die Flucht zu melden und sofort alle Telegraphendrähte spielen zu lassen. Es theilten sich eiligst alle anwesenden Polizeier in die verschiedenen Straßen, um von den Ausgängen derselben, nachdem sie besetzt worden waren, nach der Umgebung auszuschwärmen.

Der Fürst aber war sofort wieder eingestiegen, und bald hielt die Droschke vor dem Hause des Apothekers, welches Befour sehr gut kannte. Er klopfte an, und es wurde geöffnet. Die Alte blickte heraus.

»Wer ist da?« fragte sie.

»Polizei,« antwortete er, indem er sie bei Seite schob und eintrat. »Besetzen Sie die Thür,« bat er den Staatsanwalt, »damit Niemand entschlüpfen kann.«

Er begab sich in die Wohnstube, wo die Töchter bei ihrer Cigarrenarbeit saßen.

»Wo ist Horn?« fragte er.

»Der ist jedenfalls im Himmel.«

»Machen Sie keinen Unsinn!«

»Na, er ist ja todt.«

»Aber wieder lebendig geworden. Er ist hier, mit noch einem Anderen, oder wenigstens hier gewesen.«

»Suchen Sie ihn doch! Vorher aber beweisen Sie uns, daß Sie wirklich Polizist sind.«

Da ließ sich draußen eine laute Stimme hören; die Thüre ging auf und Adolf trat ein.

»Ah gut, daß Du kommst!« sagte der Fürst. »Wie aber findest Du Dich hierher?«

»Ich traf am Flusse einen Collegen und erfuhr von ihm, was geschehen ist. Ich eilte sofort hierher, weil ich mir sage, daß er zunächst nur hierher hat gehen können. Zu meiner Freude finde ich Sie und den Herrn Staatsanwalt. Haben Sie Spur?«

»Noch nicht.«

»Werden sie schon finden.«

»Kennst Du die näheren Umstände der Flucht?«

»Hörte es von dem Collegen. Die Beiden sind in der Uniform des Schließers entkommen. Wenn sie hier gewesen sind, so haben sie vor allen Dingen die Kleider gewechselt. Die Uniform muß also da sein. Suchen wir!«

Da stand die kleine Jette vom Stuhle auf. Ihr Auge war zornig auf Adolf gerichtet. Sie sagte: »Schlechter Kerl! Willst Du nun abermals den Verräther spielen? Mich hast Du betrogen, mir Liebe vorgelogen, um den Vater auszuforschen und uns zu verderben. Aber Du sollst nicht triumphiren. Der Vater hat uns gesagt, daß Niemand, der einen nahen Anverwandten unterstützt, bestraft werden kann, ich – –«

»Ah,« fiel er ein, »das hat er gesagt? So ist er also hier gewesen!«

»Ja, er war da.«

»Und er ist wieder fort?«

»Ja. Ihr werdet ihn nicht fangen!«

»Ihr wißt, wohin er ist?«

»Er hat es uns gesagt,« gestand sie in höhnischem Tone. »Aber wir verrathen ihn nicht.«

»Wo ist die Uniform?«

»Hier im Deckblattkorbe unter den Tabaksblättern habe ich sie versteckt. Da hast Du sie!«

Sie zog die Kleidungsstücke hervor und gab sie ihm.

»Schön!« sagte er ruhig. »Wenn Ihr glaubt, nicht in Strafe fallen zu können, so wollen wir wenigstens versuchen, ob ein Geständniß von Euch zu erlangen ist. Ich erkläre im Namen des Gesetzes, daß Ihr arretirt seid. Ich werde Euch sofort abführen lassen.«

Das hatten sie nicht erwartet. Sie erhoben ein großes Gejammer, er aber ging hinaus vor die Thür, zog das Pfeifchen hervor und stieß einige scharfe Pfiffe aus. Im Nu waren zwei Polizisten da, welche die Frauen in die Droschke steckten und mit ihnen davonfuhren.

Jetzt wurde das Haus untersucht. Das Ergebniß war ein negatives. Die Flüchtlinge waren bereits fort.

Die Polizei entwickelte eine bis auf das Äußerste angespannte Thätigkeit, doch leider vergebens. Es war nicht die geringste Spur aufzufinden, obgleich die Morgenblätter bereits die Nachricht brachten. Sie waren von der Polizeidirection inspirirt worden und machten bekannt, daß auf die Ergreifung jedes der beiden Flüchtlinge ein Preis von tausend Gulden gesetzt sei. Doch schien es ganz so, als ob es Niemandem gelingen werde, sich diesen Preis zu verdienen.

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Es war am nächsten Sonntage und zwar nicht in der Residenz, sondern droben in den Bergen bei dem alten, braven Förster Wunderlich.

Die gute Frau Barbara stand vor dem Spiegel und beschäftigte sich sehr angelegentlich mit dem behäbigen Bilde, welches er ihr entgegenwarf. Sie hatte den größten Staat angelegt, denn heute feierte Eduard Hauser seine Hochzeit mit Hofmanns Engelchen, und Försters waren ganz natürlich dazu eingeladen.

An einem solchen Tage befindet man sich in glücklicher Laune. Und doch lag ein schwerer, besorgter Ausdruck auf dem sonst so freundlichen Gesichte der alten Frau.

Der Förstersbursche trat ein und ging zum Ofen, um sich die Pfeife anzubrennen.

»Ist mein Mann nun angezogen?« fragte sie.

»Na freilich! Bereits seit Stunden!«

»Wo ist er denn?«

»Droben in der Gaststube, da hat er sich eingeschlossen.«

»Was treibt er dort?«

»Ich hörte ihn laut sprechen, so, was man declamiren nennt.«

»Haben Sie verstanden, was er sprach?«

»Nein! Es war mir, als ob er an Jemanden eine Rede halte.«

»Ah! Ich ahne, was er in dem Zimmer treibt –«

»Er studiert vielleicht –«

»Was?! Mein Alter noch studieren? Mag er sich lieber beeilen, daß er mit seinem Anzug fertig wird und das Studiren Andern überlassen. Wie leicht kann er dabei überschnappen! Ist mir es doch schon seit einiger Zeit mit ihm nicht so recht richtig vorgekommen, und um meinen eigenen Verstand angst und bange. Das hat sich angefangen, seit der Schulmeister zum letzten Male bei uns war. Ich habe nur Sorge für heute. Man hat sich auf diese Hochzeit gefreut, und vielleicht fängt er auch da an zu brüllen und verdirbt Einem das Vergnügen. Ich – –«

»Pst!« unterbrach sie der Gehilfe. »Er kommt!«

Man hörte die Stiege knarren, und der Förster trat ein. Er trug seine allerbeste Uniform und machte ein so glückliches Gesicht, als ob er selbst der Bräutigam sei.

»Bist Du fertig, Bärbchen?« fragte er.

»Bald. Und Du?«

»Na, was den Anzug betrifft, ja. Aber das Andre – hm!«

»Was denn?«

»Na, das will doch nicht so recht klappen.«

»Was ist es denn, das Andere?«

»Das geht Dich nichts an, Alte.«

»Herrgott! Man wird doch fragen können!«

»Ja, aber nur darnach nicht!«

»Warum denn nicht?«

»Das ist Geheimniß.«

Da schlug sie die Hände zusammen und sagte:

»Da hat man es! Wir haben so lange glücklich zusammen gelebt und Freud und Leid mit einander getheilt und getragen; wir sind stets aufrichtig gewesen, haben uns nichts verschwiegen, und nun in unsern alten Tagen fängt der Mann an Geheimnisse zu haben. Daß Gott erbarme!«

»Ja, ja, Du bist die Neunzehnte, die schnattert gern mit alten Schicksen!«

»Ich die Neunzehnte? Was heißt das?«

»Hm. Das ist eben das Geheimniß.«

»Ich schnattere gern?«

»Ja. Grad jetzt hast Du geschnattert.«

»Und mit alten Schicksen? Was heißt denn das eigentlich?«

»Na, das weißt Du doch! Ein altes Frauenzimmer, welches gern brummt, keift und schnattert, nennt man eine alte Schickse.«

»Und so eine soll ich sein?«

»Ach, so gar schlimm war’s doch nicht gemeint.«

»Versuche nur nicht, wieder einzulenken! Was gesagt ist, das ist gesagt! So wie jetzt, bist Du noch gar nie gewesen. Da sind Andere doch viel, viel anders!«

»Wohl besser?«

»Ja, tausendmal besser!«

»Da bist Du grad wie die Achzehnte.«

»Die Achtzehnte? Was soll denn das nun wieder heißen?«

»Na, die Achzehnte ist allen Männern gut.«

»Wer ist denn eigentlich die Achtzehnte?«

»Das darf ich nicht verrathen.«

»Herr Jemine! Mit dem Manne wird es noch ganz aus und alle. Der schnappt noch über! Wäre es bei diesem Ärger ein Wunder, wenn ich einmal losbräche? Wenn ich aus Wuth und Grimm da zum Beispiel das Fenster aufmachte und alles auf die Straße würfe?«

»Da wärst Du grad wie die Dreizehnte.«

»Auch eine Dreizehnte hat er! Was ist’s denn mit der?«

»Die zertöppert alle Flaschen.«

Da drehte sie sich ganz verzweifelt von ihm weg und sagte:

»Ich möchte nur eigentlich wissen, was er hat und was er meinte. Wenn ich nur diesmal aus ihm klug würde!«

»Ja. Du wirst nicht klug. Dir geht es wie der Siebzehnten.«

»Was ist’s denn mit der?«

»Die ist ein altes, gutes Schaf.«

»Jetzt wird mir es doch zu toll! Eine Siebzehnte hat er, eine Dreizehnte, eine Neunzehnte! Wieviel hast Du ihrer denn eigentlich?«

»Sechsundzwanzig. Die Sechsundzwanzigste hat einen großen Kopf. Das ist die Letzte, und nachher geht erst der wahre Jacob los, nämlich das ›Dreimal vivat hoch!‹ Ich freue mich königlich darauf!«

»Das soll nun ein Mensch verstehen! Wo hast Du denn diese Sechsundzwanzig alle stecken?«

»Geheimniß!«

»Sind es denn etwa gar Kebsweiber von Dir?«

»Fällt mir ja gar nicht ein. Sie sind zu schlecht dazu.«

Da trat sie auf ihn zum, legte ihm die Hände auf die Achseln und sagte:

»Alter, jetzt thu mir nur das einzige Mal den Gefallen, und sage mir aufrichtig, wer diese Sechsundzwanzig sind!«

»Na, Weiber sind es.«

»Wo denn?«

»Ueberall.«

Da trat sie wieder zurück und rief ganz verzweifelt aus:

»Es ist richtig! Er wird verrückt, und auch ich verliere dabei noch den Verstand. Ich muß ganz sicher noch zum Doctor schicken! Gott, Gott, was soll aus dieser Hochzeit werden!«

»Eine flotte Kindtaufe!«

»Was diesem Manne einfällt! Lauter dumme Gedanken hat er. Wie soll das enden!«

»Gut, außerordentlich gut!« antwortete er schmunzelnd. »Ich werde heute Ruhm ernten, Ruhm und Lorbeerblätter. Weißt Du, Alte, daß die Dichter Lorbeerblätter ernten?«

»Was gehn mich denn die Dichter an!«

»O, heute gehen sie Dich sehr viel an! Ich habe einmal gehört, was die Dichter bekommen. Sie bekommen auf ihren Kopf und auf ihren Leichenstein einen Kranz von Lorbeerblättern, vielleicht auch von Pfefferkörnern, denn die gehören ja wohl dazu, wie Du als Köchin wissen wirst.«

Sie wandte sich zu dem Försterburschen, deutete auf ihren Mann und dann mit dem Zeigefinger nach ihrer Stirn. Der Förster aber lachte darüber und sagte: »Jetzt mach, daß Du fertig wirst! Wir haben nur noch zehn Minuten Zeit.«

»Gleich, gleich! Ich will nur noch die Haube aufsetzen. Die ist auch zu altmodisch. Zu einer Hochzeit braucht man eigentlich einen Hut, wenn man nobel sein will. Aber den wirft es für mich ja gar nicht ab.«

»Da bist Du grad so wie die Zwanzigste.«

»Was ist’s denn mit der?«

»Die braucht stets einen neuen Hut.«

»Du lieber Gott! Da hat man es wieder! Es hört bei ihm gar nicht auf! Die Dummheiten haben kein Ende! Wir wollen nur machen, daß wir fortkommen. Vielleicht kommt er dann auf andere Gedanken!«

Sie band die Haube fest und nahm die gelbe, roth geblümelte Saloppe um. Dann brachen sie nach dem Dorfe auf.

Die gute Frau Barbara machte, indem sie so neben einander herschritten, ein gar bedenkliches, sorgenvolles Gesicht und schielte zuweilen forschend zu ihm hinüber. Er aber guckte gar lustig und wohlgemuth in die Welt hinein und brummte dabei Allerlei leise vor sich hin. Sie horchte scharf auf und dabei vernahm sie allerlei dummes Zeug, wie: »Trittst die Schuhe alle schief – Hosenknopf anflicken – zerrissne Strümpfe – Stiefel wichsen!«

Sie hatte große, große Sorgen; aber sie hielt es für das Beste, nichts mehr zu sagen.

So erreichten Sie das Haus, in welchem früher Seidelmanns gewohnt hatten. Es gehörte jetzt dem braven Eduard Hauser, welchem der Fürst das nöthige Geld, es zu kaufen, gegen mäßige Zinsen vorgeschossen hatten. Eduard hatte das Geschäft der Seidelmanns an sich gezogen und fortgesetzt. Auch die dazu nöthigen Mittel hatte er vom Fürsten erhalten. Das Glück war ihm hold gewesen. Er bekam Aufträge und immer wieder Aufträge. Er bezahlte seine Arbeiter gut und war ehrlich gegen sie, indem er wohl wußte, wie es ihm selbst gegangen war. Deshalb arbeiteten sie mit Lust und Liebe für ihn, und die Waare, welche sie lieferten, war stets tadellos. So kam er in einen guten Ruf und konnte kaum genug schaffen; die Weber aber, welche noch vor wenigen Monaten am Hungertuche genagt hatten, erfreuten sich eines guten Verdienstes und blickten einer ganz anderen Zukunft entgegen, als die Vergangenheit gewesen war. Sogar das Äußere der kleinen Häuschen hatten bereits ein anderes Aussehen gewonnen; es zeugte von dem beginnenden Wohlstande seiner Bewohner.

Hofmann, der Vater Angelica’s, hatte längst eingesehen, wie unrecht er früher gehabt hatte. Er erkannte, daß er seine Tochter förmlich an den Rand des Verderbens gebracht hatte, und daß sie von Eduard Hauser gerettet worden war. Er fühlte sich ganz glücklich, ihn zum Schwiegersohn zu haben, zumal der junge Mann alle Hoffnungen gab, einst ein reicher Mann zu werden.

Heute also war die Hochzeit, und alle Bekannten waren geladen. Da Hausers Wohnung sie nicht fassen konnte, so wurde das Festmahl im Saale der Schänke abgehalten, wo gleich nach der Mittagskirche sich alle Gäste versammelten.

Als die beiden Förstersleute eintraten, wurde Frau Barbara gleich von den anwesenden Frauen in Beschlag genommen. An ihren Mann aber schlich sich der auch anwesende Lehrer heran und fragte: »Nun, Herr Förster, geht es?«

»Hm! So leidlich. Aber meine Alte hält mich für verrückt.«

»Sie haben es ihr gesagt?«

»Gott bewahre! Aber da ich den Toast auswendig lernen mußte, so habe ich mich eingeschlossen und tüchtig laut memorirt. Da denkt sie nun, ich bin übergeschnappt.«

»Das schadet nichts. In kurzer Zeit wird es sich zeigen, daß Sie bei vollen Sinnen sind.«

»Ja. Aber ich habe doch eine gewisse Angst.«

»Warum?«

»Daheim in meiner Stube bringe ich es ganz gut fertig, aber hier, das ist ein ganz anderes Ding.«

»Pah! Es ist auch nichts Anderes.«

»Das denken Sie. Sie sind solche Sachen gewöhnt. Aber ich! Sapperment! Wenn ich nun stecken bleibe?«

»Dagegen wollen wir schon sorgen. Haben Sie den Zettel mit?«

»Ja.«

»Ich werde dafür sorgen, daß ich gerade neben Sie zu sitzen komme. Ehe Sie anfangen, geben Sie mir ihn, und dann mache ich den Souffleur. Sobald ich merke, daß Sie stocken, sage ich Ihnen leise, wie es weiter lautet.«

»Schön, sehr schön! Aber wenn nun ein Anderer vor mir so etwas Ähnliches bringt?«

»Das werden wir vermeiden. Der erste Toast muß sich auf das Brautpaar beziehen; den bringt natürlich der Herr Pastor. Der zweite bezieht sich selbstverständlich auf die Eltern des Brautpaares, und den bringe ich. Ein dritter Toast müßte der Höflichkeit wegen nun die Frauen im Allgemeinen zum Gegenstande haben; das ist der Ihrige. Ich werde aufpassen. Sobald ich merke, daß ein Anderer reden will, so klopfe ich gleich an das Glas und melde Sie an. Dann erheben Sie sich und declamiren das Gedicht recht ernsthaft und kräftig vor.«

»Ja, Donnerwetter, wird das Aufsehen machen! So Etwas hat man mir doch nicht zugetraut! Und meine Alte! Die werde ich auslachen, daß sie hat denken können, ich sei übergeschnappt. Na, es wird eine Heidenlust! Leider aber fehlt Einer, der hier sein sollte, weil er an dieser Hochzeit und an dem jetzigen Wohlstande unserer Bevölkerung den größten Antheil hat.«

»Wer ist das?«

»Der Fürst des Elendes.«

»Das ist wahr. Wenn man nur wüßte, wer er ist und wo er wohnt, so hätte man ihn einladen können.«

Der Förster lächelte verschmitzt; er wollte antworten, wurde aber dieser Antwort überhoben. Nämlich der Bräutigam, welcher gekommen war, um nachzusehen, ob alle Gäste versammelt seien, war herzugetreten und hatte die letzten Worte des Lehrers gehört. Er fragte: »Wen hätte man einladen können? Ist vielleicht Jemand vergessen worden?«

»Ja. Der Fürst des Elendes.«

»Ach, der. Nun, beruhigen Sie sich, Herr Lehrer! Der ist eingeladen worden.«

»Wie? Was? Wirklich? Wissen Sie denn seine Adresse?«

»Natürlich!«

»Woher denn?«

»Von ihm selbst. Er hat mir so viel Geld geborgt, und ich, als sein Schuldner, muß ihm die Zinsen zahlen. Ich muß also wissen, wo er ist und wo er wohnt.«

»Und das halten Sie so geheim?«

»Er hat es gewünscht. Uebrigens bin ich nicht der Einzige, der dieses Geheimniß kennt. Hier der Herr Förster weiß es ebenso genau wie ich.«

»Der alte, schmauchende Heuchler!« sagte der Lehrer in komischem Zorne. »Wird man es wohl auch einmal erfahren?«

»Jedenfalls. Ich habe ihm bereits vor einigen Wochen geschrieben, daß heute meine Hochzeit ist.«

»Wird er etwa kommen?«

»Wohl schwerlich. Er ist ein hoher, vornehmer Herr, der sich um ganz andere Dinge zu bekümmern hat. Doch war es ja meine Pflicht, ihn zu benachrichtigen. Jetzt nun, Herr Förster, habe ich eine Bitte. Wissen Sie wohl, wem ich eigentlich mein Glück zu verdanken habe?«

»Dem Fürsten.«

»Ja, aber ganz besonders auch Ihnen.«

»Mir? Sapperment, davon weiß ich gar nichts!«

»Aber Sie erinnern sich noch jenes Abends im Walde, wo Sie mich trafen? Ich hatte den Holzdieb machen wollen.«

»Na, na, so schlimm ist es denn doch nicht! Sie waren ja selbst schon davon abgekommen.«

»Ja; aber Sie nahmen mich mit zu sich und gaben mir Brod, Holz und Kohlen. Dadurch wurden wir gerettet.«

»Na, das verstand sich ja von selbst. Wir wollen davon gar kein Aufhebens machen.«

»Aber von jenem Zusammentreffen im Walde fing sich mein Glück an. Sie wissen doch, wen wir trafen, als wir in die Försterei kamen?«

»Ja, der Für – – ich meine den Vetter Arndt, der damals aus Amerika kam.«

»Er schenkte mir Geld und – na, ich brauche weiter gar nichts zu sagen, als daß Sie schuld an meinem Glücke sind, und da habe ich jetzt eine Bitte oder vielmehr gleich zwei, denn die zweite fällt mir auch mit ein.«

»So bitten Sie einmal zu!«

»Erstens haben Sie mich stets Du genannt, und jetzt, da es mir besser geht, sagen Sie ›Sie‹ zu mir. Lassen Sie es beim Alten. Sie thun mir damit einen großen Gefallen.«

»Hm! Das ist nun auch wieder ein Beweis, daß Sie ein braver Kerl sind. Ich will darauf eingehen, doch unter der Bedingung: Gleiche Narren, gleiche Kappen, das heißt, Sie müssen auch Du zu mir sagen, sonst sage ich lieber Sie zu Dir und Du Sie oder auch Sie Du zu mir, denn Du bist reicher als ich, und darum ist es das Richtige, daß Sie mich Du nennen, und ich Dich Sie; denn Ihr Du ist traulich und mein Sie ist höflich, und darum ist es ein großer Unterschied, ob ich Du zu Ihnen oder Sie zu Dir und hingegen Sie Du oder Du Sie zu mir sagen. Dein Sie also oder Ihr Du muß sich mit meinem Du oder Sie – nein, Sie oder Du – Du, Sie – Ihnen, mich – – Donnerwetter, ich finde mich aus diesem Quatsch gar nicht wieder heraus. Wollen es kurz machen. Her mit Deiner Patsche, mein Junge. Also Brüderschaft auf Leben und Sterben. Betrinken thun wir sie nachher!«

»Gut! Und nun die zweite Bitte! Da wir Dir unser Glück zu verdanken haben, so sollst Du heute an unserem Ehrentage mit Deiner guten Barbara die beiden Ehrenämter erhalten.«

»Was denn? Du meinst doch nicht etwa, daß ich der Brautführer sein soll?«

»Gerade das meine ich.«

»Himmelelement! Der alte Förster Wunderlich Brautführer! Wie wird sich der Kerl dabei ausnehmen! Was für eine Figur wird er spielen!«

»Eine sehr ehrwürdige, das versichere ich Dir!«

»Und meine Barbara soll auch mit thun?«

»Natürlich!«

»Aber das geht ja gar nicht!«

»Warum denn nicht?«

»Da müßte man sich ganz anders in Wichs geworfen haben!«

»Du hast doch Deine beste Uniform an!«

»Ja, und den guten Hirschfänger; das ist wahr. Aber meine Alte müßte ein seidenes Kleid haben.«

»Das laß Dir nur nicht weiß machen. Die ist ja so aufgedonnert, daß es eine Art hat.«

Der Förster antwortete schmunzelnd, indem er wohlgefällig nach seiner Barbara hinüber schielte:

»Hm, ja, Sie geht noch! Die Alte hat sich außerordentlich gut erhalten. Sie hat Backen, so roth wie die Äpfel, und die Augen sind so schwarz und frisch wie die Herzkirschen. Das möchte sein; aber wir müßten da doch noch Anderes haben, nämlich bunte Bänder von der Achsel herunterhängen und ein paar mächtige Blumenbüsche in der Hand.«

»Dafür ist gesorgt. Ich habe jetzt keine Zeit mehr. Sage es Deinem Bärbchen. Ich hole jetzt das Engelchen, und da bringen wir die Bänder und Sträuße gleich mit.«

Als der Förster seiner Frau diese Nachricht brachte, schlug sie in freudigem Schreck die Hände zusammen und rief: »Nein, so eine Ehre! Alter, wer hätte das gedacht!«

»Ja, ich nicht!«

»Ich auch nicht! Der Eduard ist doch ein herzensguter, braver Kerl. Aber ich habe doch Sorge!«

»Unsinn! Warum willst Du Sorge haben?«

»Dir ist jetzt gar nicht zu trauen! Wenn Du die Braut führst, bist Du im Stande, von Der anzufangen, welche kratzt und beißt, oder von Der, die alle Flaschen zertöppert.«

»Fällt mir nicht ein! Mache nur Du keine Dummheiten!«

»Wohl nicht. Wenn nur mein Staat besser wäre!«

»Na, der ist gut genug. Gott sieht das Herz an, und der Eduard hat auch gesagt, daß Alles gut ist.«

»Wird denn die Haube gehen?«

»Na und wie!«

»Und das Kleid?«

»Ganz gut.«

»Und – und – – ich sollte doch ein Paar gute Zeugstiefeletten haben. Das wäre fein!«

»Das laß nur sein. Deine Knöchelschuhe sind gut. Du bist ja nicht die Achte.«

»Was ist denn nun wieder mit der Achten?«

»Die tritt die Schuhe alle schief.«

»Du meine Seele! Er fängt schon wieder an! Mann, Mensch! Wie soll das auf dem Kirchgange werden.«

»Ganz gut!«

Um ihren Klagen auszuweichen, entfernte er sich. Er hatte ja so viele Bekannte zu begrüßen.

Nach einiger Zeit kam das Brautpaar sammt den Eltern. Es erregte nicht geringes Aufsehen, als Försters mit Bändern und Blumen geschmückt wurden, aber Alle gönnten den braven Leuten diese Ehre von Herzen.

Die Glocken begannen zu läuten, und der Zug setzte sich in feierliche Bewegung. Der alte Wunderlich ging so stolz und stramm neben Engelchen her, als ob er eine Gräfin am Arme habe. Nur einmal entfuhr es ihm: »Die Fünfzehnte schnarcht viel zu laut im Schlafe.«

Engelchen blickte verwundert zu ihm auf. Er wurde verlegen und entschuldigte sich.

»Es hat nichts zu sagen. Ich sprach nur einige Worte, die der Brautführer unterwegs sagen muß, wenn die Braut später das Regiment im Hause bekommen soll.«

Es ging das Dorf hinauf und nach der Kirche zu. Ueberall standen die Leute, um den Hochzeitszug zu erwarten und auch in die Kirche zu gehen. Wunderlich achtete nicht auf sie, er hatte nur Sorge, seinen Toast nicht zu vergessen. Er sagte die Verse in Gedanken her, und so kam es, daß er kurz vor der Kirche ganz laut mit den Worten herausfuhr: »Die Elf kann keinen Hosenknopf anflicken!«

Und als er sofort bemerkte, daß Engelchen ganz erstaunt darüber war, bemerkte er in großer Geistesgegenwart:

»Jetzt bin ich fertig! Nun bekommst Du das Regiment, und Eduard kommt unter den Pantoffel!«

Die Kirche war kaum jemals beim Gottesdienste so voll gewesen. Alle Welt wollte bei dieser Trauung zugegen sein. Sie verlief in höchst feierlicher Weise. Der Pfarrer ging tief auf die Schicksale des Brautpaares ein und hielt seine Rede, welche den Hörern zahlreiche Thränen der Rührung erpreßte. Und als er seinen priesterlichen Segen über das Paar gesprochen hatte, war man allgemein überzeugt, daß eine so schöne und ergreifende Trauung hier im Orte noch niemals stattgefunden habe.

Als sich nun der Zug heimwärts in Bewegung setzte, führte Eduard sein Engelchen und der Förster seine Barbara.

»Du,« sagte Wunderlich, »mir ist geradeso zu Muthe, als ob wir selber getraut worden wären.«

»Mir auch,« antwortete sie.

»Es ist mir ganz so, als sei ich wieder zwanzig Jahre und käme zu Dir auf die Freite!«

»Geh, Alter!«

»Ja, es ist aber einmal so! Weißt Du noch, wie mich Dein Vater erwischte? Ich riß aus, und als ich über den Zaun sprang, blieb der linke Rockschooß an den Latten hängen. Es war eine verteufelte Geschichte, denn damals hatte ich ja nur diesen einen Rock.«

»Laß das jetzt sein.«

»Warum denn? Gerade bei einer Hochzeit muß man an solche Erlebnisse denken, bei einem Begräbnisse doch nicht etwa. Als sich dann Dein Vater zurückgezogen hatte, ging ich wieder hin, um den Schöößling zu holen. Aber prosit die Mahlzeit, der Alte hatte ihn confiscirt. Und weil ich doch nicht mit einem einzigen Rockschooße laufen konnte, so schnitt ich mir den rechten auch noch ab. So war aus dem Rocke eine Jacke geworden; aber Dich habe ich doch noch gekriegt. Du warst eben ganz weg in mich!«

»Geh’! Ich in Dich! Ist mir gar nicht eingefallen! Aber Du in mich! Verstanden?«

»Wollen uns nicht streiten! Eins von uns war in das Andere verschossen, und weil ich als Forstmann mich niemals verschieße, so bist Du es gewesen. Das ist klar.«

Als der Zug angekommen war und die Theilnehmer sich an die Tische geordnet hatten, brachten die Angehörigen derselben die Hochzeitsgaben.

Bei der Armuth der Bevölkerung konnte von reichen Geschenken nicht die Rede sein, aber ein Jeder gab von Herzen gern und nach seinen Kräften. Auch der Försterbursche kam und brachte das Geschenk seiner Herrschaft.

Diese hatten den Ehrenplatz neben Braut und Bräutigam. So sehr Wunderlich sich darüber freute, Sorge bereitete es ihm doch. Auf diese Weise war es nicht möglich gewesen, den Lehrer neben sich zu bekommen, und so war ihm der Souffleur verloren gegangen. Desto fleißiger memorirte er im Stillen, und so kam es, daß er mit Niemand sprach und immer die Lippen bewegte, als ob er im Stillen betete.

Das Mahl begann, und im Verlaufe desselben brachte der Pfarrer den vorausgesehenen Toast auf das Brautpaar. Nach kurzer Zeit toastete der Lehrer auf die Eltern.

Jetzt begann es dem alten Wunderlich eigenthümlich zu werden. Er bekam das Zittern in die Knie. Seine Zähne schlugen leise an einander. Es summte und brummte ihm um die Ohren, und im Magen war es ihm, als ob die Seekrankheit im Anzuge sei.

Da klopfte Einer an das Glas; er wollte einen Toast bringen. Schnell aber klopfte, seinem Versprechen gemäß, auch der Lehrer, stand auf und sagte: »Geehrte Damen und Herren, nachdem wir das liebe Brautpaar und deren Eltern haben leben lassen, ist es an der Zeit, auch einen Toast auf unsere Frauen auszubringen. Schiller sagt ja, daß wir sie ehren sollen, weil sie uns himmlische Rosen in’s irdische Leben weben. Sie verdienen es, daß wir jetzt gleich drittens ihrer gedenken, und ich kenne unter uns Keinen, der es so verstände, das Glück, welches wir ihnen verdanken, zu beschreiben, wie unser hochverehrter Herr Förster Wunderlich. Er hat mir zugesagt, diesen Toast auszubringen. Er wird jetzt sprechen, und ich bitte die Herrschaften um andächtiges Schweigen und ungetheilte Aufmerksamkeit!«

Es entstand eine Stille, wie in der Kirche. Aller Augen richteten sich auf Wunderlich, und bei diesem Schweigen vernahm man ganz deutlich die Frage seiner Frau: »Du einen Toast, Alter?«

»Ja,« stieß er hervor.

»Na, das wird eine schöne Bescheerung!«

»Ja,« lamentirte er halblaut, »es flimmert mir schon vor den Augen. Die Zähne klappern wie bei fünfzig Grad Réaumur. Gott sei mir gnädig.«

»Laß es sein!«

»Das geht nicht. Ich habe einmal A gesagt!«

Er hatte recht, denn da er sich nicht gleich erhob, so rief es ringsum:

»Der Förster einen Toast! Vater Wunderlich will reden. Anfangen, anfangen! Wann geht es los?«

Da stand er vom Stuhle auf. Er war blaß wie ein Gestorbener. Er murmelte erst Etwas wie ein Stoßgebet, das ein Ertrinkender noch hervorgurgelt, dann begann er:

»Wie jede Rose ihre Dornen trägt,

Hat auch die Ehe ihre stillen Leiden.

Die Eine kratzt und beißt; die And’re schlägt;

Die Dritte schmollt; die Vierte spricht vom Scheiden.«

 

Er wurde unterbrochen. Frau Barbara nämlich holte tief Athem und rief im Tone der Erleichterung:

»Kratzt und beißt! Ah! Also ein Toast Alter?«

»Ja,« antwortete er.

»Du warst nicht verrückt?«

»Gott bewahre!«

»Na, dem Himmel sei Lob und Dank! Nun ist Alles gut! Ich hatte jetzt vor dem Toaste Angst; das ist aber vorbei. Rede nur weiter. Wenn Du auch stecken bleibst! Das hat nichts zu sagen. Wir sind ja unter uns!«

Das machte ihm Muth. Er fand auf einmal seine ganze Fassung wieder und fing von vorn an:

 

»Also – wie jede Rose ihre Dornen trägt,

Hat auch die Ehe ihre stillen Leiden.

Die Eine kratzt und beißt; die And’re schlägt;

Die Dritte schmollt; die Vierte spricht vom Scheiden.

Der Fünften brennt der Braten immer an;

Die Sechste kann den Tabak nicht erriechen.«

 

»Aha!« fiel die Försterin ein. »Ich dachte, damit wäre ich gemeint, Alter!«

»Unsinn! Unterbrich mich nicht! Ich komme sonst ganz aus der Schnurre!«

»Hat nichts zu sagen! Du fängst von vorne an!«

»Das geht nicht, denn da geht der ganze Eindruck eines so schönen Gedichtes verloren. Also weiter:

 

›Der Fünften brennt der Braten immer an;

Die Sechste kann den Tabak nicht erriechen;

Die Sieben zankt und keift, daß sich der Mann

Vor Angst möcht’ unter’s Kanapee verkriechen.

Die Achte tritt die Schuhe alle schief;

Der Neunten macht das Scheuern nur Entzücken.

Die Zehnte greift in’s Portemonnaie zu tief.

Die Elf kann keinen Hosenknopf anflicken.‹«

 

Da lachte Engelchen, die Braut, laut auf und sagte:

»Also das war es, was ich unterwegs zu hören bekam? Das hilft zum Pantoffelregiment?«

»Ja,« lachte auch er, und dann fuhr er fort:

 

»Die Zwölfte leidet an dem bösen Blick;

Die Dreizehnte zertöppert alle Flaschen;

Die Vierzehnte hat niemals das Geschick,

Wenn sie ‘was beißt, geschwind den Floh zu haschen.«

 

»Na, na, na,« warnte lächelnd der Pastor.

»Ach was!« erklang es. »Wir sind ja unter uns. Nur immer weiter!«

Wunderlich fühlte von seiner Seekrankheit nicht das Geringste mehr. Er sprach weiter:

 

»Die Fünfzehnte schnarcht viel zu laut im Schlaf,

Die Sechzehn macht dem Mann zu viele Lügen,

Die Siebzehn ist ein altes, gutes Schaf,

Doch heimlich schnupft sie Tabak mit Vergnügen.

Die Achtzehnte ist allen Männern gut,

Die Neunzehn schnattert gern mit alten Schicksen.«

 

»Jetzt kommt’s! Jetzt ist’s da!« rief Frau Barbara. »Das also war es! Weiter, Alter!«

Er flüsterte ihr leise zu.

»Nun halte endlich den Schnabel, sonst bringst Du mich noch aus der Reihe!«

Und laut fuhr er fort:

 

»Die Zwanzig braucht stets einen neuen Hut,

Die Einundzwanzigste will nie die Stiefel wichsen.

Die Dreiundzwanzig putzt den Ofen niemals aus,

Die Vierundzwanzigste thut sich mit Beersaft schminken,

Die Fünfundzwanzigste guckt gern zum Fenster ‘naus,

Die Sechsundzwanzigste scheint heimlich Schnaps zu trinken,

Die Sieben – – – –«

 

Er hielt inne. Sein Blick war auf den Eingang gefallen. Dort stand Einer, der unbemerkt eingetreten war und ihm längst zugehört hatte.

»Hollah!« rief er. »Mit meinem Toast ist es aus! Was gehen mich die Weiber an! Sie mögen leben, wie sie wollen, dreimal hoch oder sechzig mal hoch, mit oder ohne Vivat! Dort steht Einer, den ich hoch leben lasse, und zwar tausendmal hoch, nämlich der Vetter Arndt! Schaut hin!«

Es war wirklich der Vetter Arndt, welcher dort stand, seinen Blick über die Versammlung gleiten lassend. Alle standen auf. Der Bräutigam aber rief: »Nicht Vetter Arndt! Ich will Euch sagen, wer dieser Herr ist. Er ist der Fürst des Elendes, dem wir Alles zu verdanken haben!«

Der Eindruck, den diese Worte machten, war ein großer. Alle traten auf den Fürsten zu. Jeder wollte ihm die Hand geben und getraute es sich doch nicht. Er aber streckte ihnen freundlich beide Hände entgegen und drückte alle Finger, die zwischen die seinigen kamen. Sein Gesicht glänzte vor Genugthuung. Er sah ja, welche aufrichtige Achtung, Liebe und Dankbarkeit ihm entgegengebracht wurde.

Es dauerte einige Zeit, bis die Aufregung, welche sein Erscheinen hervorgerufen hatte, sich legte, und nun konnte er mit Eduard sprechen.

»Ich habe Deinen Brief erhalten und bin gekommen, mich mit Euch zu freuen. Habt Ihr einen Platz für mich?«

»O, den ersten Platz, den besten Platz, den es giebt!«

Und eilig wurde ihm ein Stuhl ganz obenan zwischen das Brautpaar gesetzt. Eduard sagte einige leise Worte zu einem der Gäste, und diese Worte gingen heimlich in der ganzen Runde herum: »Du, er ist ein wirklicher Fürst; er nennt sich nicht nur so. Er ist der Fürst von Befour, wohnt in der Residenz und hat viele, viele Millionen. Welche Ehre, daß er zu uns kommt und sich zu uns setzt!«

Als des Fürsten Blick auf einige Nebentische fiel, auf denen die Hochzeitsgeschenke lagen, sagte er:

»Ich sehe, daß die Gäste nicht ohne Gaben gekommen sind; da auch ich Gast bin, darf das Brautpaar auch ein Geschenk von mir erwarten. Hier gebe ich es Ihnen, liebe, junge Frau. Ihr Mann hat es redlich verdient.«

Er zog ein zusammengefaltetes Papier hervor und gab es ihr. Sie war verlegen. Durfte sie es lesen, oder mußte sie damit warten. Der alte Wunderlich, der selbst neugierig war, was das Papier enthalten werde, sagte zu ihr: »Na, Engelchen, aufgemacht und gelesen! Wir Alle wollen auch hören, ob sich der einstige Vetter Arndt nobel gemacht hat!«

Jetzt faltete sie es auseinander und las. Ihre Hände begannen zu zittern. Konnte Sie es glauben? Sie reichte den Zettel ihrem Bräutigam hin. Als sein Auge auf die Zeilen fiel, erbleichte er, aber vor freudigem Schreck.

»Durchlaucht,« rief er, »das ist unmöglich!«

»Warum denn?«

»Es ist zu viel!«

»Pah! Ich sagte ja bereits, daß Du es verdient hast!«

»Aber wissen Sie denn wirklich, daß – – –«

»Bitte keine Einrede! Es ist Dein.«

Da traten dem jungen Manne die Thränen in die Augen. Er streckte dem Fürsten beide Hände hin und sagte unter lautem Schluchzen: »Nun ja, ich weiß, daß ich es nicht zurückweisen kann. Ich muß und will es also auch annehmen; aber ich gebe Ihnen die Versicherung, daß es Allen zu Gute kommen soll, die bei mir Arbeit suchen. Ich will es betrachten als eine Casse, mir von Gott geschenkt, in welche ich nur greifen darf zum Wohle meiner Arbeiter und meiner Mitmenschen.«

Und sich dann an die Versammlung wendend, fuhr er fort:

»Ich kann es nicht verschweigen; ich muß es Euch Allen sagen, denn das Herz läuft mir über. Um das Geschäft Seidelmanns zu übernehmen, fortzuführen und zu erweitern, und um das Grundstück zu kaufen, war eine große Summe nöthig. Durchlaucht hat mir nach und nach über zwanzigtausend Gulden geborgt. Hier nun quittirt er mir, er schenkt mir also diese Summe, die ein wirkliches Vermögen ist. Ich nehme es an, weil ich nun im Stande bin, hier in unserer armen Gegend wohlzuthun und mitzutheilen, wo es nöthig ist. Euch Allen soll es zu Gute kommen; Ihr Alle schuldet ihm also Dank. Diesen Dank wollen wir ihm bringen, indem wir uns zu den Worten bekennen, welche Vater Wunderlich sprach, als er in seinem Toaste unterbrochen wurde. Seine Durchlaucht der Fürst von Befour soll leben, einmal hoch – zweimal hoch – zum dritten Male hoch!«

Da klangen die Gläser zusammen, und Alle stimmten von ganzem Herzen in das dreimalige Hoch ein. Es war nur Bier, was sich in den Gläsern befand, aber desto aufrichtiger war das Vivat gemeint.

Nach einiger Zeit freilich winkte der Fürst den Wirth zu sich und sprach einige leise Worte mit ihm. Der Wirth ging und kehrte bald zurück, gefolgt von seinem ganzen Personale – er brachte Wein.

Die Meisten der Anwesenden hatten noch niemals Wein getrunken, und als dann die Gläser gefüllt waren und zusammenklangen, bemächtigte sich der Versammlung bald eine Stimmung, wie sie eben nur vom Safte der Reben hervorgebracht werden kann.

Es wurden Toaste gebracht auf alles Nah-und Fernliegende, auf alles Mögliche und Unmögliche. Dabei erinnerte man sich auch an den unterbrochenen Toast des Försters. Der Lehrer meinte: »Herr Förster, jetzt müssen Sie wieder anfangen!«

»Nein, nein!« meinte die Mutter des Bräutigams. »Er darf nicht; er hat uns getäuscht!«

»Wieso?« fragte Wunderlich.

»Sie wollten uns Frauen loben, aber Sie haben gerade das Gegentheil gethan!«

»Na, das war doch nur die Einleitung!«

»Wenn das die Einleitung ist, so danke ich. Wie soll es dann erst später werden!«

»Da bringe ich alle Tugenden der Frauen. Horcht nur!«

Er erhob sich und wollte declamiren.

»Nein,« sagte auch Frau Barbara, »jetzt sind wir nicht mehr so allein wie vorher!«

»Aber,« antwortete er eifrig, »schütte doch das Kind nicht mit dem Bade aus! Höre doch wenigstens wie der eine Vers lautet:

So Eine ist des Mannes größter Schatz,

Den hält er fest für’s ganze Erdenleben.

An seinem Herzen ist ihr schönster Platz,

Und ihre Liebe ist sein einzig Streben.

 

Ist das etwa auch getadelt?«

»Ja, nachdem Du Sechsundzwanzig getadelt hast, bringst Du endlich einmal Eine, über die Du etwas Gutes sagst.«

»Nein, Alle bringe ich. Ihr kommt Alle daran. Ich habe einen Vers über jede Einzelne.«

»Auch über mich?«

»Ja, freilich.«

»Den möcht ich hören!«

»Na, gleich! Er lautet:

 

Die Barbara wohnt auf der Försterei,

Die Straße führt ganz nahe dran vorbei;

Sie kocht dem Förster nur Kartoffelbrei

Und ist auch stets recht wunderlich dabei.

 

Ist das nicht gut gesagt? Ist das nicht die reine Wahrheit?«

Alle lachten; sie auch mit; aber sie streckte doch beide Hände abwehrend gegen ihn aus und sagte:

»Wenn Du nichts Besseres von mir und von uns zu sagen hast, so schweige lieber! Wer hat denn das Gedicht gemacht?«

»Ich und der Herr Lehrer.«

»Ah, so! Darum also sprachst Du wohl von dem Kranze aus Lorbeerblättern und Pfefferkörnern?«

»Ja, darum.«

»Na, so mag sich der Herr Lehrer die Lorbeerblätter nehmen, Du aber wirst die Pfefferkörner bekommen, und zwar gleich, sobald wir nach Hause kommen!«

Alle lachte. Der Alte aber wendete sich in nachgemachter Traurigkeit an den Lehrer:

»Einmal gedichtet und nicht wieder! Ich bitte Sie, helfen Sie mir aus der Patsche. Ich will Ihnen den ganzen Ruhm lassen. Nehmen Sie die Lorbeerblätter und auch die Pfefferkörner dazu!«

So wurde gescherzt und gelacht, gesungen und endlich sogar getanzt. Der Fürst selbst eröffnete den Reigen mit der Braut; dann, als dieselbe den nächsten Reigen mit ihrem Eduard beendet hatte, schmiegte sie sich innig an ihn, blickte liebevoll zu ihm auf und sagte: »Weißt Du, hier in demselben Saale war es.«

»Was?«

»Zu Fastnacht!«

»Ach ja, die Maskerade. Du als Italienerin!«

»Damals war ich sehr unvorsichtig; ich werde es im ganzen Leben nicht vergessen. Hättest Du mich nicht gerettet, wer weiß, wie es heute mit mir stände!«

»Vergessen wir das, Engelchen! Er hat seine Strafe, und wir wollen uns das Glück nicht durch solche Erinnerungen trüben.«

Der Fürst war der Erste, der sich zurückzog. Er hatte die Gastfreundschaft Hausers acceptirt und wurde von diesem nach Hause begleitet, während Engelchen vorausgeeilt war, um eine Stube in Stand zu setzen.

Der alte Förster amüsirte sich so gewaltig, daß er sich nur schwer zu trennen vermochte. Es war weit nach Mitternacht, als seine Barbara ihn endlich überredete, mitzukommen, morgen sei ja auch noch ein Tag. Als sie das Dorf hinabgingen, sagte er: »Schau, Bärbchen, wie hell der Mond scheint! Da brauchen wir den Umweg auf der Straße gar nicht zu machen. Wir gehen den Waldpfad, der gleich stracks zur Försterei führt.«

Sie war einverstanden. Sie fürchtete sich nicht. Sie hätte sich auch nicht gefürchtet, wenn sie diesen Weg jetzt bei Nacht hätte allein gehen müssen. Wer so lange Jahre im Walde wohnte, der wird vertraut mit allen Schatten desselben.

So schritten sie still hinter einander her. Sie hatten bereits drei Viertheile des Weges hinter sich und wollten eben über einen Querweg gehen, als der Alte plötzlich stehenblieb und aufmerksam horchte.

»Was ist’s?« flüsterte sie.

Er faßte sie bei der Hand.

»Pst, leise, leise! Komm zurück, da hinter diese buschige Kiefer; aber schnell, schnell!«

Er drückte sie hinter den dichten Zweigen nieder und kauerte sich neben sie hin.

»Ich hörte da rechts drin einen Fuß über eine Wurzel stolpern,« raunte er ihr zu.

»Wer weiß, was es gewesen ist!«

»O, dieses Geräusch weiß Unsereiner von jedem Anderen zu unterscheiden. Horch!«

»Wahrhaftig, es kommt Einer!«

»Nein, es sind Zwei.«

Die Schritte näherten sich. Gerade vor der niedrigen, aber dichten Kiefer, hinter welcher das alte Ehepaar steckte, kreuzten sich die beiden Pfade. Dadurch entstand am Kreuzungspunkte ein offenes Plätzchen, in welches das Licht des Mondes zu dringen vermochte. Und gerade da blieben die beiden Kommenden stehen. Der Förster konnte ihre Gesichter sehen und auch ihre Worte hören, obgleich sie nicht laut, sondern mit gedämpfter Stimme sprachen.

»Hm!« sagte der Eine. »Ich glaube, ich bin irre.«

»Das wäre dumm! Es wird bald Tag, und wir dürfen nur des Nachts hin. Wir verlieren dadurch einen Tag.«

»Leider! Ich muß mich besinnen.«

»Ich denke, Sie kennen die Gegend?«

»Freilich kenne ich sie; aber man irrt sich doch einmal. Hierher kommen wir. Grad aus geht es nach der Försterei, an welcher wir vorüber müssen, wenn wir nach dem Zechenhäuschen wollen.«

»Daß wir auch nicht eher mit dieser verteufelten Strickleiter fertig wurden! Wir konnten längst wenigstens das Geld aus dem Schachte geholt haben!«

»Na, dazu haben wir noch Zeit, ehe es Tage wird. Ich besinne mich. Wir sind auf dem richtigen Wege. Also hier weiter, immer gradaus!«

Sie gingen in derselben Richtung weiter.

»Wer war das?« fragte die Försterin.

»Komm schnell, schnell!« antwortete er, ihren Arm ergreifend und sich mit sich fortziehend.

»Herrgott, was giebt’s denn? Warum diese Eile?«

»Das sage ich Dir unterwegs. Nur vorwärts, bis der Weg wieder breiter wird!«

Als sie diese Stelle erreicht hatten und nun neben einander gehen konnten, sagte er:

»Hast Du den Einen, den Langen, erkannt?«

»Nein.«

»Der fromme Seidelmann.«

»Gott stehe uns bei!«

»Ja. Er steht in den Blättern. Zweitausend Gulden für ihn, und ebensoviel für den Andern!«

»Willst Du ihn etwa fangen?«

»Natürlich!«

»Du, das wage ja nicht!«

»Warum denn nicht?«

»Die werden sich wehren!«

»Wollen sehen, ob sie etwas vermögen. Wollen sehen, ob die beiden Burschen zu Hause sind. Leider wollten sie nach dem Haingrunde, der Holzdiebe wegen, die jetzt dort ihr Wesen treiben. Lauf nur, lauf! Ich darf nicht zu spät kommen. Ich muß eher dort sein, wie sie.«

»Wo denn?« fragte sie, ganz athemlos neben ihm her eilend.

»Nach dem Zechenhäuschen natürlich. Es muß von der Pascherzeit her dort Geld und noch Anderes stecken, was sie holen wollen.«

»Da sind Sie aber doch auf falschem Wege!«

»Freilich! Und das ist gut. Der Seidelmann hat sich doch geirrt. Sie müssen an unserem Hause vorüber, sind aber auf dem falschen Pfade fortgegangen. Sie gerathen viel zu weit links in den Wald hinein, und ehe sie dies merken, bin ich bereits beim Schachte.«

Jetzt mündete der Pfad auf die Straße, welche an der Försterei vorüberführte. Sie sahen das Haus liegen und hörten zugleich abermals Schritte und die Stimmen zweier Männer, welche laut mit einander sprachen.

»Wer mögen diese sein?« fragte Barbara.

»Jedenfalls ehrliche Leute! Sie gehen auf der Straße und sprechen laut. Das thun keine Spitzbuben. Komm!«

Sie gingen weiter, über die Straße hinüber, auf das Försterhaus zu. Sie sahen die beiden Männer, welche näher kamen und vorüber wollten.

»Wer kommt denn da?« fragte der Eine von ihnen. »Ich glaube gar, das ist unser Förster!«

»Ja, ich bin’s,« antwortete der Genannte.

»So lange sind Sie geblieben? Wir haben meinen Bruder nach Hause geführt!«

»Ah, Sapperment, Sie sind es, Wilhelmi?« fragte der Alte. »Und Sie, Schulze? Sie kommen mir wie gerufen!«

Es war der Musterzeichner Wilhelmi, der Bruder des Müllers, bei dem damals die Pascher gefangen worden waren, und Schulze, welcher als Hundejunge im Kohlenschachte beschäftigt gewesen war. Beiden hatte der Fürst des Elendes damals Wohlthat erwiesen. Sie waren mit dem Müller auch zur Hochzeit Hausers und Engelchens gewesen, aber eher aufgebrochen als der Förster. Sie hatten den Müller, dessen Wohnung ja im Walde lag, nach Hause begleitet, und befanden sich jetzt auf dem Rückwege nach ihren Wohnungen.

»Wir kommen wie gerufen?« fragte Wilhelmi. »Wieso?«

»Wollen Sie sich Geld verdienen? Viel Geld?«

»Gern, wenn es in Ehren geschehen kann.«

»In allen Ehren. Wir haben soeben den frommen Seidelmann im Walde getroffen.«

»Ist’s wahr? Ist’s möglich?« fragten Beide zu gleicher Zeit.

»Und ich will sie fangen.«

»Geht das an?«

»Sehr leicht. Ich weiß, wohin sie wollen. Nämlich nach der alten Zeche. Meine Burschen werden leider nicht daheim sein, und allein möchte ich es doch nicht wagen. Leute zu holen, dazu ist es zu spät? Wollen Sie mitgehen?«

»Ja, gern! Das Geld kann man sich verdienen.«

»Gewiß. Ich werde sie bewaffnen.«

»Denken Sie, daß dies nöthig ist?«

»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Man muß sich für alle Fälle vorsehen. Ich nehme überdies meinen großen Hund, den Saupacker mit. Da brauchen wir nichts zu fürchten.«

Sie eilten die wenigen Schritte zur Försterei. Die Thür war verschlossen und mußte mit dem Hausschlüssel geöffnet werden.

»Mache schnell Licht, Alte!« sagte der Förster. »Aber nur in einer Laterne, die wir mitnehmen.«

»Warum nicht die große Lampe?«

»Wenn die beiden Kerls einsehen, daß sie den falschen Weg haben, werden sie umkehren und hier vorüberkommen. Sie dürfen hier kein Licht sehen. Sie müssen denken, daß hier Alles schlafe. Darum mußt Du im Dunkeln bleiben, wenn wir fort sind. Aber Du gehst nicht zu Bette. Wir werden sie hierher bringen, wenn wir sie ergriffen haben.«

Die Laterne wurde angebrannt. Wilhelmi und Schulze erhielten Jeder ein geladenes Gewehr und ein Messer; dann löschte der Alte, nachdem er sich auch bewaffnet hatte, die Laterne wieder aus. Es war eine kleine Blendlaterne, welche er an den Gurt seines Hirschfängers hing. Dann gingen die Drei fort, nachdem der Alte den Saupacker losgebunden hatte. Frau Barbara mahnte zur Vorsicht und schloß die Thür zu.

Unterwegs wurde kein Wort gesprochen. Die Beiden, welche den Weg nicht so Schritt für Schritt kannten, wie der Alte, hatten Mühe, ihm zu folgen.

Sie erreichten endlich eine große Lichtung, in welcher sich eine sehr hohe Schutthalde erhob. Auf derselben stand ein altes, morsches Zechenhäuschen über dem Mundloche des Schachtes, in welchem vor langer, langer Zeit auch Silber gegraben worden war. Der Schacht war nicht ganz zugefüllt worden, da ja das Häuschen darüber stand und also ein Unglück nicht geschehen konnte.

Die Halde trat an der hinteren Seite aus dem Berg heraus, fiel vorn und rechts nur langsam, links aber außerordentlich steil ab, so daß es da gefährlich war sie erklimmen zu wollen. Sie war nicht nackt, sondern es hatte im Laufe der Zeit allerlei Buschwerk hier Platz gefunden, und auch oben auf ihrem Scheitel stand das Strauchwerk bis nahe an das Zechenhäuschen heran.

Der Förster führte die Beiden nach der vorderen Seite der Halde.

»Hier kommt man am Leichtesten in die Höhe,« sagte er.

»Sind die Kerls schon oben?«

»Nein. Sie waren auf einem falschen Wege.«

»Wenn Sie das aber bemerkt und sogleich den richtigen eingeschlagen haben? Da können sie bereits hier sein.«

»Das könnten sie in diesem Falle allerdings. Aber wir haben keine Zeit versäumt und sind kaum zwei Minuten lang bei mir in der Stube gewesen. Wir sind ihnen sicher voraus. Uebrigens würde mein Hund es längst gemerkt haben, wenn irgend Jemand da vor uns gegangen wäre.«

Jetzt begann erst die Schwierigkeit. Es führte kein eigentlicher Weg hinauf. Ueber wildes, taubes Gestein hinweg und zwischen Busch und Dorn hindurch mußten sie aufwärts klettern, doch kamen sie glücklich und auch verhältnißmäßig schnell oben an.

Der Förster schritt gleich auf das Zechenhäuschen zu. Das Schloß der Thür war längst verrostet und intact geworden. Die Thür lehnte nur an. Er öffnete sie und lauschte hinein. Es ließ sich nichts hören.

»Leuchten Sie doch hinein!« meinte Schulze.

»Fällt mir nicht ein. Da drin sind sie noch nicht. Wenn ich Licht machte, würde ich doch nur unsere Anwesenheit verrathen. Und selbst wenn ich es nur einen Augenblick lang brennen ließe, würden sie es sehen können.«

»Wo aber bleiben wir?«

»Im Gebüsch da hinter dem Häuschen. Diese Kerls haben nämlich eine Strickleiter mit. Sie wollen in das Loch hinabsteigen und etwas holen. Da überraschen wir sie. Ich freue mich wie ein Schneesieber auf den Schreck, der ihnen in die Glieder fahren wird, wenn sie sehen, daß sie erwischt sind. Kommen Sie!«

Er führte sie hinter die Holzhütte. Dort gab es Sträucher genug, sich zu verstecken.

»Machen Sie es sich bequem, damit Sie später kein Geräusch verursachen,« warnte der Alte. »Die beiden Kerls könnten sonst auf den Gedanken kommen, sich zu überzeugen, ob sie auch wirklich allein sind.«

»Sie können uns in den Sträuchern nicht sehen.«

»O, sie haben eine Laterne mit.«

»Wenn nur Ihr Hund uns nicht verräth.«

»Der? Fällt ihm nicht ein!«

»Wenn er bellt oder knurrt.«

»Sie sind eben kein Förster. Ein dressirter Hund knurrt nur dann, wenn er soll. Wenn ich ihn aber mit der Schnauze auf den Erdboden lege, so würde er keinen Laut von sich geben, selbst wenn man auf ihm herumtrampelte. Also jetzt still! Horchen wir!«

Es verging eine ziemlich lange Weile voller Erwartung. Endlich flüsterte der Förster.

»Da vorn hörte ich Steine rollen. Man kommt!«

Der Hund hatte es auch gehört. Er schlug mit dem Schwanze auf den Erdboden.

»Still, Pluto!« gebot der Alte. »Keinen Laut!«

Das Geräusch von rollenden Steinen kam näher. Der Mond beleuchtete hell die vom Gebüsch freien Stellen der Haldenplatte. Daher sahen die drei Lauscher jetzt ganz deutlich am Rande derselben die beiden Kommenden auftauchen und dort, um sich zu verschnaufen, stehen bleiben.

»Verfluchte Kletterei!« sagte der alte Apotheker. »Unsereiner ist solche Spaziergänge gar nicht gewöhnt.«

»Ich auch nicht!« brummte Seidelmann.

»Ich denke, Sie sind sehr oft hier oben gewesen?«

»Sehr oft nicht, nur einige Male.«

»Gehen wir sogleich an’s Werk?«

»Ja. Vorher aber wollen wir sehen, ob es hier oben auch recht geheuer ist.«

»Pah! Wer soll da sein! Niemand!«

»Man kann nie zu vorsichtig sein. Es giebt in dieser Gegend Pascher und Holzdiebe die schwere Menge; daher schweift das Aufsichtspersonal selbst bei Nacht im Walde herum. Es ist gar keine Unmöglichkeit, daß so ein Kerl auf den Gedanken kommt, sich einmal eine Extramotion zu machen und hier herauf zu steigen.«

»Danke sehr!«

»Gehen wir also einmal um das Häuschen herum.«

»Die Laterne anbrennen?«

»Unsinn! Von einer solchen Höhe leuchtet sie weithin. Das wäre doch gefährlich! Wir können sie erst anstecken, wenn wir uns im Innern dieser Bude befinden.«

»Es ist unheimlich hier!«

»Ja, ein Pläsir ist es nicht, hier herum zu kraxeln.«

»Wenn doch Jemand hier wäre!«

»Mit Einem nehmen wir es auf!«

»Aber wenn er ein Gewehr hätte? Wir haben nur die Messer. Horch! Was war das?«

»Nichts. Ein Stein, welcher rollte.«

»Sollte Jemand kommen?«

»Schwerlich! Es ist ein Stein von uns gelockert worden, und der ist dann hinabgerollt. Also vorwärts!«

Sie gingen um das Zechenhäuschen herum und kamen so hart an dem Förster vorüber, daß dieser sie an den Beinen hätte fassen können. Der Hund bewegte sich nicht und gab auch keinen Laut von sich. Als die beiden Flüchtlinge den Rundgang beendet hatten, blieben sie stehen, und Seidelmann sagte: »Es ist Niemand hier. In einer Stunde graut der Morgen; da müssen wir fertig sein.«

»Wer klettert hinab? Sie?« fragte Horn.

»Alle Beide.«

»Ich denke, Einer muß die Strickleiter halten?«

»Sie hätten eben das Geschick und die Kraft, mich zu halten! Die Leiter wird am Balken befestigt. Wir müssen Beide hinab. Einer allein bringt den Stein nicht heraus.«

»Welcher Stein?«

»Das ist nämlich so: Der Schacht ist nur noch ungefähr gegen vierzig Fuß tief; bis so hoch aber ist er zugeschüttet. Mein Bruder, Gott habe ihn selig, ist mit seinem Sohne hinuntergeklettert und hat da unten einen kleinen Seitengang ausgegraben, ungefähr zehn Fuß lang. Der Eingang in denselben ist nur so groß, daß gerade ein Mensch hineinzukriechen vermag, und ist mit einem schweren Steine verschlossen. Dieser aber hat ein solches Gewicht, daß nur zwei Personen ihn zu entfernen vermögen. Also müssen Sie auch mit hinab.«

»Und in diesem kleinen Seitengange steckt das Geld, welches Sie suchen?«

»Ja. Geld und allerhand Waaren, welche keinen großen Raum einnehmen.«

»Verdammte Geschichte! Da hinab! Es hat mich stets vor Bergwerken gegraust. Das Wort Schacht hat stets einen Beigeschmack von Hölle für mich gehabt. Da lobe ich mir doch das Licht des hellen Tages!«

»Aber gerade dieses müssen wir jetzt scheuen. Kommen Sie!«

»Gut! Wenn es sein muß. Dann aber, wenn wir hier fertig sind, gehen wir direct über die Grenze.«

»Wenn es möglich ist, ja.«

Sie traten in das Häuschen. Man hörte die Stimme Seidelmann’s, welcher warnend sagte:

»Treten Sie ja nicht zu weit vor! Das Mundloch ist offen. Wenn Sie hinabstürzen, sind Sie verloren. Machen Sie die Thür zu, damit Niemand das Licht bemerken kann.«

Jetzt flüsterte der Förster seinem Gefährten zu:

»Kriechen wir jetzt zum Gebäude hin, aber leise, so daß sie es nicht hören. Wir müssen sehen, was sie machen. Die alten Bretter sind morsch. Es giebt Löcher und Ritzen genug, durch welche wir hineinsehen können. Sollten sie aber unerwartet wieder heraus kommen, dann müssen wir augenblicklich in das Gebüsch zurück.«

Indem sie also leise vorwärts krochen, hörten sie das Anstreichen eines Zündholzes und zwischen den von der Witterung auseinander getriebenen Brettern der Holzwand sah man den Lichtschein der angebrannten Laterne. Zugleich hörte man den Apotheker sagen: »Das ist ein Schachtloch. Ein wirklicher Eingang in die Unterwelt. Wären wir nur erst wieder heraus!«

»Fürchten Sie sich wirklich?«

»Offen gestanden, ja.«

»Auch mir ist es unheimlich. Aber wir müssen eben doch hinab. Uebrigens ist es eigenthümlich, uns zu fürchten, nachdem wir bereits in der Unterwelt gewesen sind.«

»Wieso denn?«

»Na, waren wir denn nicht todt?«

»Ach so! Ja, das war ein Geniestreich, wie ihn so leicht Keiner wieder ausführt. Was mögen die Herren gesagt haben, als die Todten verschwunden waren!«

»Ihr Anblick muß köstlich gewesen sein. Geben Sie jetzt die Strickleiter her!«

Der Apotheker hatte die Leiter getragen. Sie war aus festen, starken, hanfenen Leinen gefertigt, haltbar, aber nicht kunstgerecht, so daß leicht zu erkennen war, daß die Beiden selbst die Verfertiger seien.

»Hier ist ein Balken,« meinte der fromme Schuster, »an welchem wir sie befestigen.«

Die Lauscher sahen, daß er die Leiter mit großer Sorgfalt festband und dann mit aller Kraft daran zog, um ihre Festigkeit zu prüfen; dann ließ er sie langsam in das Schachtloch hinabgleiten.

»Jetzt hinab,« meinte er dann. »Ich steige voran.«

»Und ich warte, bis Sie unten sind, ehe ich nachkomme.«

»Da würden Sie nichts sehen können, weil ich die Laterne mitnehme. Sie müssen also gleich hinter mir her!«

»Hält die Leiter uns Beide?«

»Ganz sicher.«

»Alle Teufel! Wenn sie reißen sollte!«

»Das thut sie nicht.«

»Aber möglich ist es doch! Schrecklicher Gedanke! Wir stäken denn mit der Leiter unten und könnten nicht herauf. Wir müßten elend verhungern, verdursten und verschmachten, langsam zwar aber sicher.«

»Jammern Sie nicht! Jetzt heißt es, hinab. Wenn Sie oben bleiben wollen, so bleiben Sie; aber Sie können dann eben nichts bekommen!«

»Verfluchte Geschichte! Na, so steigen Sie; ich komme sogleich nach. Unkraut geht nicht so schnell zu Grunde!«

Sie verschwanden im Loche, erst Seidelmann und dann hinter ihm der Apotheker.

»Was thun nun wir?« flüsterte Wilhelmi dem Förster zu.

»Wir könnten Vielerlei thun,« antwortete dieser. »Denken Sie sich den Schreck für sie, wenn ich jetzt die Strickleiter oben durchschnitte!«

»Sapperment, ja!«

»Wir hätten sie ganz sicher und könnten sie zwingen, Alles zu gestehen, sonst ließen wir sie nicht heraus.«

»Wollen wir?«

»Nein, das ist unmenschlich. Sie würden Höllenqualen ausstehen. Ich bin ihr Richter nicht. Wir warten einfach, bis sie wieder oben sind.«

»Und sie sich aber wehren können.«

»Das haben wir nicht zu befürchten. Wir haben ja gehört, daß sie nur Messer besitzen. Sobald sie oben angekommen sind, halten wir ihnen unsere drei Gewehrläufe entgegen, so müssen sie sich ergeben. Uebrigens ist ja der Hund da.«

»Gut. Aber, Herr Förster, wollen wir nicht einmal hineingehen in die Hütte?«

»Wozu?«

»Es müßte doch interessant sein, so hübsch von oben hinunter zu sehen, was sie machen.«

»Na, das können wir ja thun. Aber wir müssen uns hüten, ein Geräusch zu verursachen. Kommen Sie!«

Sie begaben sich leise nach der Thür und traten ein. Es war vollständig finster im Häuschen.

»Nehmt Euch auch in Acht,« meinte der Förster. »Bücken wir uns nieder. Wir müssen uns bis zum Loche tappen, um ja nicht hinabzustürzen.«

Sie erreichten und fühlten dasselbe. Dort legten sie sich auf die Erde nieder und blickten hinab. Unten stand die Laterne. Ihr Licht drang natürlich nicht herauf. Beim Scheine desselben waren die beiden Verbrecher beschäftigt, den erwähnten Stein zu entfernen. Er wich ihren vereinten Anstrengungen und nun entstand ein mannestarkes Loch, in welches der fromme Schuster hineinleuchtete.

»Ist etwas drin?« fragte der Apotheker.

Seine Stimme drang nur dumpf herauf.

»Ja,« antwortete Seidelmann.

»Hoffentlich auch das Geld!«

»Wenn nicht, so wäre es unangenehm für uns.«

»Wer kriecht hinein?«

»Ich. Aber warten wir noch einige Augenblicke. Die Luft da drin ist zu schlecht. Lassen wir sie erst nach oben ziehen.«

Die Laterne brannte wirklich, seit die Oeffnung frei geworden war, nicht mehr so hell wie vorher, ein sicheres Zeichen, daß da unten schlechte Luft vorhanden sei.

Die Beiden unten warteten schweigsam und die Drei oben blickten ebenso schweigsam hinab. Endlich meinte der einstige Schuster: »Jetzt wird es gehen. Sie bleiben kurze Zeit im Finstern, denn ich nehme die Laterne natürlich mit hinein.«

Er kauerte sich nieder, streckte die beiden Arme mit der Laterne in das Loch und schob Kopf, Körper und Beine langsam nach. Nun war es unten dunkel, so daß die Lauscher nichts mehr zu sehen vermochten.

Aber bereits nach ungefähr fünf Minuten wurde es wieder hell. Seidelmann kam zurückgekrochen, mit den Beinen voran. Als er heraus war, hustete er tief und ängstlich auf und sagte: »Fast wäre ich erstickt. Mein Kopf ist so schwer, als ob er von Blei sei.«

»Haben Sie das Geld?«

»Ja. Ich mußte ewig suchen.«

»Wieviel ist es?«

»Ich habe natürlich da drin nicht nachgezählt; es hätte mich diese Neugierde das Leben gekostet.«

»Dann jetzt.«

»Warum? Muß das gleich sein?«

»Wir haben ja Zeit.«

»Später noch viel mehr.«

»Aber besser ist’s, man weiß, woran man ist!«

»Mißtrauen Sie mir etwa? Denken Sie vielleicht, daß ich Sie betrüge?«

»Sie haben gesagt, daß wir theilen werden. Wie nun, wenn Sie nicht Alles haben, wenn noch ein Theil des Geldes da in dem Loche steckt?«

»Ich habe Alles. Wir können oben oder unterwegs, wenn es hell geworden ist, besser theilen als hier. Jetzt machen wir hier wieder zu.«

»Das ist nicht nöthig.«

»Oho! Warum nicht?«

»Wir kommen doch nicht wieder hierher.«

»Das kann man gar nicht wissen. Es giebt da drin noch mancherlei Werthvolles, was man sich später holen kann. Und selbst wenn wir nicht wieder herkommen sollten, so gönne ich diese Sachen doch keinem Anderen. Man kann doch einmal auf die abenteuerliche Idee kommen, hier herabzuspringen; dann würde man Alles finden und das halte ich keineswegs für nöthig. Da, helfen Sie! Der Stein muß unbedingt wieder an seine Stelle.«

Sie schoben den Stein mit ziemlicher Anstrengung wieder in die Oeffnung; dann sagte der Schuster:

»Ich steige voran und Sie folgen nach!«

»Warum?«

»So sind wir ja auch herabgestiegen.«

»Ach so! Und Sie nehmen natürlich auch die Laterne mit sich nach oben?«

»Ja.«

»Danke sehr, mein bester Herr Seidelmann! Darauf gehe ich nun freilich nicht ein.«

»Aus welchem Grunde denn?«

»Ich bin klug genug, Ihre Absicht zu durchschauen!«

»Ich begreife nicht, was Sie meinen.«

»Verstellen Sie sich nicht und nehmen Sie die Hand aus der Tasche, in welcher Sie das Messer haben. Sehen Sie, ich halte das meinige schon in der Hand. Meine Klinge sitzt Ihnen zwischen den Rippen, noch ehe Sie die Ihrige gebrauchen können.«

»Sie sind des Teufels!«

»Heraus mit der Hand, sage ich!«

Der Apotheker sagte das so laut und in so drohendem Tone, daß Seidelmann, welcher überhaupt mehr Hinterlist als Muth besaß, gehorchte. Er sagte im Tone der Verwunderung: »Aber was haben Sie denn eigentlich?«

»Was ich habe? Verdacht habe ich! Ich kenne Sie gut genug, um Sie zu durchschauen.«

»Ich glaube, Sie phantasiren! Steigen wir empor! Droben werden Sie mir erklären, welchen Grund Ihr so plötzlicher Verdacht hat.«

Er griff nach der Strickleiter; aber der Apotheker hielt ihn schnell am Arme zurück und sagte:

»Halt! Ich steige voran!«

»Aber, zum Donnerwetter, warum denn?«

»Wir haben bisher von meinem Gelde gelebt, nicht wahr, mein bester Herr Seidelmann?«

»Ja doch.«

»Auch bin ich es, mit dessen Hilfe Sie aus dem Gefängnisse zu entkommen vermochten.«

»Das gebe ich ja ganz gern zu.«

»Schön! Jetzt nun wollen Sie mich belohnen. Bisher haben Sie mich gebraucht, nun aber nicht mehr, weil Sie selber Geld haben. Um nicht mit mir theilen zu müssen, wollen Sie voransteigen.«

»Ich will ja theilen!«

»Warum dann nicht hier?«

»Weil wir später mehr Zeit und bessere Gelegenheit haben.«

»Nein, sondern weil Sie später überhaupt gar nicht mit mir zu theilen brauchen.«

»Ich kann Ihnen doch nicht ausreißen!«

»Nicht? Sie werden jetzt, wenn ich so dumm bin, es zuzugeben, voransteigen. Oben angekommen, durchschneiden Sie im Nu die Strickleiter, und ich stürze herab und verschmachte elendiglich. Sie aber gehen mit dem Gelde fort und lachen sich ins Fäustchen.«

»Welche Idee!«

»Eine ganz richtige Idee. Passen Sie einmal auf!«

»Donnerwetter!« rief Seidelmann. »Was fällt Ihnen denn eigentlich ein!«

Der Apotheker war ihm nämlich blitzschnell mit der Hand in die Tasche gefahren und hatte dieselbe ebenso schnell wieder zurückgezogen. Er antwortete lachend: »Ihr Messer habe ich Ihnen genommen. Nun habe ich zwei, Sie aber sind waffenlos. So vermeide ich einen Kampf, zu dem ich zwar entschlossen war, falls Sie mir nicht nachgeben wollten, aus dem ich auch jedenfalls als Sieger hervorgegangen wäre, der mich aber doch immerhin eine Wunde hätte kosten können. Jetzt nun wollen wir verständig mit einander reden. Ich verlange Zweierlei und das werden Sie thun, sonst ersteche ich Sie!«

»Sie sind ein Satan!«

»Ich bin Ihr Bruder. Es hat Keiner etwas voraus. Also ich verlange zunächst, daß ich voranzusteigen habe.«

Erst nach einer Pause antwortete Seidelmann:

»Na, wenn Sie wirklich solchen Unsinn von mir denken, dann steigen Sie in drei Teufels Namen voran!«

»Und sodann wird bereits hier unten getheilt.«

»Werde mich hüten!«

»Da sehen Sie, wie gut ich Sie durchschaut habe!«

»Zum Theilen ist allemal noch Zeit.«

»Es muß aber hier geschehen, ich wünsche es! Verstanden?«

»Und wenn ich es nicht thue?«

»So stoße ich Ihnen die beiden Klingen in den Leib und nehme mir Alles. Darauf verlassen Sie sich.«

»Das wagen Sie nicht!«

»O doch!«

»Bedenken Sie, daß ich stärker bin als Sie!«

»Sie mögen vielleicht ein kleines Theil mehr Körperkraft als ich besitzen; aber Sie sind ein Hase. Ich habe mehr Muth, und ich habe Waffen, die Sie nicht haben. Uebrigens ist es Unsinn, mich mit Ihnen herumzustreiten. Meine Zeit ist kostbar. Ehe der Tag anbricht, muß ich hier fort sein. Machen wir es also kurz! Was wählen Sie: sofort das Geld theilen oder zwei Messerstöße?«

»Keines von Beiden!«

»So sprechen Sie sich selbst das Urtheil. Ich zähle bis drei. Haben Sie sich dann noch nicht entschieden, so sind Sie ein verlorener Mann. Also eins – zwei – dr – –!«

»Halt!« rief Seidelmann angstvoll, denn er sah, daß es dem Apotheker Ernst war.

»Na, was?«

»Theilen wir! Aber Ihre Hälfte mag Ihnen zum immerwährenden Fluche werden!«

»Pah! Ich werde sie sehr gut anzuwenden wissen. Dann wird sie zum Segen. Heraus mit dem Gelde!«

Seidelmann zog einen gefüllten Beutel aus der Hosentasche und sagte:

»Zählen wir also!«

»Ist das Alles?«

»Ja, natürlich!«

»Machen Sie auf! Ah, Silbergulden! Zählen Sie ab! Jedem allemal fünf Gulden. Wir haben keinen Platz.«

Es erhielt jeder fünfundzwanzig Gulden.

»Und das ist wirklich der ganze Schatz, den Sie da drin gehoben haben?« fragte der Apotheker.

»Der ganze.«

»Das machen Sie mir nicht weiß!«

»Ich schwöre es!«

»Halten Sie mich nur nicht für dumm genug, Ihrem Schwur zu trauen! Zeigen Sie Ihre Taschen!«

»Alle Teufel! Sie behandeln mich wie einen Spitzbuben!«

»Der sind Sie auch, und zwar ein riesengroßer!«

»Ich lasse es mir aber nicht gefallen!«

»Ganz gut; aber ich habe Ihnen gesagt, daß ich Sie ersteche, wenn Sie nicht thun, was ich will.«

»Treiben Sie es nicht zu weit. Ich habe Ihnen zwar meine Freiheit zu verdanken, aber meine Dankbarkeit kann doch nicht so weit gehen, mich in dieser Weise von Ihnen tyrannisiren zu lassen. Das ist zu stark!«

»Fangen Sie ja nicht an, den Muthigen zu spielen. Ich lache Sie doch aus, Sie feige Memme, Sie!«

»Geben Sie mir mein Messer!«

»Sie sollen es haben, nämlich in den Leib! Ich werde Ihnen jetzt in alle Ihre Taschen greifen. Lassen Sie sich das nicht gefallen, so mache ich kurzen Proceß. Ich werde mich Ihrer Dummheit und Schlechtigkeit wegen doch nicht etwa gar hier ergreifen lassen. Also her mit der Tasche!«

Er griff nach der Brusttasche Seidelmann’s.

»Oho!« rief dieser. »Daraus wird nichts!«

»Gut! So fahre hin, alter Sünder!«

Er faßte ihn mit der Linken beim Genick und holte mit der Rechten zum Stoße aus. Der feige Schuster streckte vor Angst die Arme von sich und rief: »Halt ein! Ich lasse es mir gefallen!«

»Das war Ihr Glück! Einen Augenblick später wären Sie eine Leiche gewesen!«

Er untersuchte nun, ohne Widerstand zu finden, die Taschen des Schusters und brachte einen zweiten, größeren Beutel und eine Brieftasche zum Vorschein.

»Sapperment! Gold!« sagte er, als er den Beutel geöffnet hatte. »Sie hatten das gute Theil für sich erwählt; aber es wird leider von Ihnen genommen werden. Und was ist in der Brieftasche?«

Seidelmann bemerkte in sehr bescheidenem Tone:

»Sie steckte in einer Blechkapsel, damit sie nicht modern sollte.«

»Schön! Ah! Banknoten! Eins – zwei – fünf – acht – in dem Beutel und der Brieftasche zusammen können sich ungefähr sechstausend Gulden befinden. Nicht?«

»Es ist mehr.«

»Ah, da haben Sie also schon hier drin in dem Loch nachgezählt. Famos! Jetzt, mein bester Herr Seidelmann, will ich Ihnen zeigen, wie nachsichtig und rücksichtsvoll ich bin. Sie wollten vorhin gern zuerst hinaufsteigen und ich gab es nicht zu. Jetzt erlaube ich es Ihnen gern. Steigen Sie also voran.«

»Warum? Ich denke, wir wollen theilen.«

»Später! Wir haben ja noch Zeit! So sagten Sie vorhin, und ich sehe ein, daß Sie Recht haben.«

»Ich hoffe doch, daß Sie keine schlechte Absicht hegen.«

»O nein. Ich will nur mein Bestes.«

»Das Ihrige?«

»Ja. Nehmen Sie mir das übel?«

»Ich verlange, daß getheilt werde!«

»Und ich verlange, daß Sie jetzt augenblicklich voransteigen, sonst helfe ich mit dem Messer nach!«

»Hätte ich mich nur nicht mit Ihnen eingelassen!«

»So stäken Sie noch im Gefängnisse. Also vorwärts!«

Die Lauscher hatten jedes Wort verstanden. Jetzt flüsterte der alte Förster:

»Zwei schreckliche Schurken! Schnell hinaus!«

Sie zogen sich schleunigst hinter die Thür zurück, welche sie anlehnten. Es blieb dennoch eine Lücke, durch welche man blicken konnte.

»Kusch Dich, Pluto! Still, ganz still!« gebot Wunderlich seinem Hunde, und das verständige Thier streckte sich gehorsam auf den Boden nieder.

Jetzt in diesem Augenblicke stieg Seidelmann aus dem Mundloche. Er blieb hart an demselben stehen, bis auch der Apotheker heraus war. Dann sagte er: »Jetzt werden wir die Strickleiter wieder losbinden.«

»Warum?« lachte Horn.

»Wir brauchen sie doch nicht mehr.«

»Ich nicht, aber doch Sie!«

»Warum?«

»Sie können wieder hinabsteigen und sich von den noch unten befindlichen Gegenständen holen. Denn Sie dürfen nicht denken, daß Sie von den Banknoten oder von dem Golde auch nur das Geringste bekommen!«

»Was? Wie? Wir theilen doch!«

»Wir haben bereits getheilt!«

»Nein!«

»Ja. Das Geld ist mein, und Alles, was noch unten ist, gehört Ihnen. Das ist doch getheilt.«

»Mensch! Auf diese Weise wollen Sie mich betrügen?«

»Ich bezahle Sie nur mit gleicher Münze. Sie wollten mich um meine Hälfte bringen und mich noch obendrein da unten verschmachten lassen. Jetzt nun betrüge ich Sie um die Ihrige, lasse Ihnen aber das Leben. Ich handle also sehr mild gegen Sie.«

»Und Sie meinen im Ernst, daß ich mir das gefallen lasse?«

»Ganz im Ernst.«

»Nun, da täuschen Sie sich doch! Ich verlange meine Hälfte und werde nicht ruhen, bis ich sie habe.«

»Sie werden sehr bald ruhen, denn mein Messer wird Ihnen eine Ruhe verschaffen, welche länger währen wird, als Ihnen lieb sein kann.«

»Hundsfott! Schurke!«

»Ganz so wie Sie, nur nicht gar so schlecht! Wir sind fertig mit einander, wir haben nichts mehr mit einander zu schaffen, gar nichts mehr. Nur eins will ich Ihnen noch sagen: Nämlich, ich gehe jetzt und verbiete Ihnen, mir zu folgen! Laufen Sie mir dennoch nach, so mache ich von meinen zwei Messern Gebrauch. Merken Sie sich das!«

»Hund! Ich werde Dir nachlaufen bis an’s Ende der Welt. Ich will mein Geld haben, mein Geld!«

»Wage es doch! Versuche es doch! Leb wohl, alter Sünder! In der Hölle sehen wir uns wieder.«

Er wendete sich zum Gehen, aber im Nu hatte ihn Seidelmann beim Arme.

»Halt!« rief er. »Nicht fort! Keinen Schritt weiter!«

Da drehte der Apotheker sich wieder um, erhob den Arm zum Stoße und drohte:

»Laß’ los – sonst – – –!«

Seidelmann ließ wirklich los und stieß einen Ruf des Schreckens aus. Sein Auge war auf die Thür gefallen, unter welcher jetzt der Förster erschien. Der Apotheker aber, welcher der Thür den Rücken zukehrte, glaubte, er selbst sei es, der ihm solchen Schreck verursacht habe. Er lachte höhnisch auf und sagte: »Da hat man die feige Memme! Erst droht sie, und im nächsten Augenblicke zittert sie vor Angst. Seidelmann, Dich holt der Teufel noch lange nicht; Du bist ihm zu armselig. Da kann er mich viel besser und eher gebrauchen.«

»Darum holt er Dich jetzt!« erklang es hinter ihm.

Er fuhr herum, ließ das Messer fallen und fuhr so weit zurück, daß er fast in den Schacht gestürzt wäre. Der Förster war herein getreten. Er hielt das Gewehr in der einen Hand »bei Fuß« und in der anderen die Laterne, welche er draußen angebrannt hatte, ohne daß es die Beiden im Inneren bemerkt hatten. Ueber seine beiden Achseln ragten die Gewehrläufe seiner zwei Begleiter, welche hinter ihm standen, herein.

»Heiliger Gott!« stieß der Apotheker hervor.

»Rufe den Himmel nicht an, nachdem Du gesagt hast, daß Dich der Teufel braucht, Schurke!« donnerte ihm Wunderlich entgegen.

»Wer sind Sie? Was wollen Sie?« fragte Horn dennoch.

»Der Teufel bin ich, und Dich will ich, Giftmischer! Halt, keinen Schritt vor! Laß’ das Messer liegen. Sobald Du Gegenwehr versuchst, bekommst Du eine Kugel!«

Und sich an den frommen Schuster wendend, sagte er:

»Guten Morgen, mein verehrtester Herr Seidelmann! Was giebt mir denn die Ehre Ihrer Anwesenheit? Wollen Sie vielleicht wieder einmal Kirche halten im Saale der Schänke?«

Der Gefragte antwortete nicht.

»Da mag nur Ihre liebe Familie wieder für sammtne Sesseln sorgen, damit die Herrschaften hübsch weich sitzen! Wo ist denn eigentlich das Geld hingekommen, welches damals eingesammelt wurde?«

»Vertheilt,« stieß der Gefragte hervor.

»Ach so! Man hat aber leider nichts davon bemerkt. Und was ist aus den sechstausend Gulden geworden, welche Sie damals im Auftrage der Brüder und Schwestern der Seligkeit hier im Gebirge vertheilen sollten, um das Elend, welches bei uns herrschte, zu mildern?«

»Vertheilt,« erklang es wieder.

»Wunderbar! Auch vertheilt! Und abermals hat kein Mensch etwas davon bemerkt! Sie werden Gelegenheit bekommen, es zu beweisen, hochehrwürdigster Schuster! Man ist sehr begierig, Sie zu sehen und Ihnen die ehrerbietigste Hochachtung zu erweisen, besonders in der Residenz. Sie haben doch die Güte, uns zu begleiten?«

»Ich habe mit Ihnen nichts zu schaffen!«

»Aber wir mit Ihnen. Und zur Erleichterung eines intimen Verkehres habe ich einige gute Riemen und feste Schnuren mitgebracht. Sie sind meine Gefangenen!«

Der Apotheker hatte sich noch nicht von der Stelle bewegt. Seidelmann stand so, daß nicht gut auf ihn gezielt werden konnte. Die zwei Laternen verbreiteten jetzt eine größere Helle als vorhin die eine, und bei diesem Scheine sah er, daß zwei ganz morsche Bretter der Wand nur ganz lose noch zusammen hingen. Ein Gedanke der Rettung durchzuckte ihn. Nur hinaus in die finstere Nacht! War er draußen, so fand man ihn sicherlich nicht wieder. Er sah den Hund nicht, welcher hinter den drei Männern stand.

»Ich, Ihr Gefangener?« rief er. »Noch nicht!«

Er that einen Sprung vorwärts und prallte so an die Bretterwand, daß die morschen Hölzer hinaus flogen. Es entstand eine genügend große Oeffnung für ihn. Im Nu war er hindurch und hinaus.

Wilhelmi war beim Sprunge des Schusters schnell weiter herein getreten, um auf ihn schießen zu können. Er hätte ihn auch sicher getroffen, aber der alte Förster hielt ihn davon ab, indem er lachend sagte: »Lassen Sie ihn laufen! Wir dürfen ihn nicht erschießen; wir müssen ihn lebendig haben! Passen Sie aber hier auf den Giftmischer auf. Wenn der sich von der Stelle bewegt, jagen Sie ihm Ihre Kugeln in den Kopf.«

Darauf hin richteten sich die zwei Gewehrläufe auf Horn. Sein Hund lag noch an der Erde. Es war ihm nicht eingefallen, Seidelmann zu verfolgen. Sein Herr hatte es ihm ja nicht befohlen. Dieser aber sagte jetzt: »Pluto, horch! Hörst Du es? Da unten will er entkommen. Spring ihm nach! Faß’ ihn!«

Im Nu war der Hund aufgesprungen und in der Nacht verschwunden. Man hörte Büsche krachen, Steine rollen, dann einen lauten, menschlichen Schrei und endlich ein lautes, zorniges Bellen. Wunderlich trat an den Rand der Haldenplatte und rief hinab: »Seidelmann, bewegen Sie sich um Gottes willen nicht, der Hund zerreißt Sie sonst!«

Ein lautes Stöhnen antwortete:

Jetzt nun trat der Alte wieder in das Häuschen.

»Wir haben ihn fest,« sagte er, »wenigstens ebenso fest wie diesen da. Zielt nur genau. Ich will ihn jetzt binden. Wenn er sich wehrt, so schießt Ihr ihn nieder!«

Er zog seine Riemen, welche er in vorsorglicher Weise zu Hause eingesteckt hatte, aus der Tasche und trat zu dem Apotheker heran, um ihn zu fesseln.

»Sie haben mich weder zu arretiren noch zu binden!« sagte dieser in zornigem Tone.

»Ach! Warum den nicht?«

»Sind Sie etwa Polizist?«

»Ja.«

»Sie tragen doch die Uniform eines Försters!«

»Ganz recht! Wir befinden uns hier auf meinem Revier, wo ich das Recht und die Pflicht habe, polizeiliche Gewalt auszuüben. Haben Sie sonst noch Schmerzen, Herr Horn?«

»Ich heiße nicht Horn.«

»Wie denn?«

»Das geht Sie nichts an! Was habe ich denn gethan, daß Sie es wagen, mich zu arretiren?«

»Zunächst befinden Sie sich in der Gesellschaft des holdseligen Herrn Seidelmann. Das wäre bereits genug Veranlassung für uns, uns Ihrer anzunehmen. Sodann haben Sie mir da unten ein Kibitznest ausgeräumt, und das darf ich als Förster nicht zugeben. Wollen Sie etwa noch weitere Gründe hören? Ich stehe zu Diensten.«

»Sie irren sich in meiner Person. Ich bin nicht Derjenige, für den Sie mich halten.«

»Für wen soll ich Sie denn halten? Sie brauchen nur zu befehlen! Etwa für den Propheten Bileam oder gar für seinen Esel? Ganz wie Sie wollen.«

»Ich verbitte mir solche alberne Witze!«

»Sie haben sich nichts zu verbitten; Sie haben nur zu befehlen, wie ich Ihnen bereits sagte. Wer Sie sind, das wird sich sofort herausstellen, wenn wir Sie zum Fürsten von Befour bringen.«

»Zum Fürsten,« sagte Horn unbedacht. »Ist er denn da?«

»Ei freilich! Er erwartet Sie mit Schmerzen. Also geben Sie hochdero Arme her, damit ich Sie mit dem Orden des Hosenbandes kröne!«

»Das gebe ich nicht zu!«

Da legte ihm der Alte die Hand auf die Achsel und sagte:

»Höre, alter Urian, verdirb mir meine gute Laune nicht! Jetzt bin ich gut gewesen. Bringst Du mich aber in die Wolle, so sieh, wie es dann geht!«

»Wie soll es dann gehen! Ich – – –«

»So wird es gehen!« donnerte ihn der Förster an.

Er holte mit beiden Händen aus; sechs blitzschnell aufeinander folgende Hiebe mit jeder Hand, und Horn hatte ein Dutzend so kräftiger Ohrfeigen erhalten, daß ihm buchstäblich Hören und Sehen verging. Ehe er nur recht zur Besinnung kam, waren ihm die Ellbogen auf dem Rücken zusammen gebunden, daß er dachte, die Brust müsse ihm auseinander platzen.

»Au weh!« rief er laut. »Nicht so fest!«

»Hättest Du vorhin das Maul aufgethan. Jetzt ist es zu spät. Jetzt nun wird gar kein Summs gemacht!«

Er band die Strickleiter ab, legte sie zusammen und steckte sie in den Gurt.

»Die wollen wir mitnehmen,« meinte er, »damit nicht vor der Zeit noch ein Unberufener über das Nest kommt. Nehmt Ihr Beide die Laternen, und ich nehme den guten Freund da. Vorwärts, zum Hunde!«

Er faßte Horn beim Riemen und schob ihn vor sich her. Der Gefangene konnte nicht widerstreben. Er mußte gehorchen. Als sie eine Strecke abwärts geklettert waren, rief der Alte: »Pluto, wo bist Du?«

Ein lautes, freudiges Bellen antwortete. Dieses Fragen und Bellen wiederholte sich, bis Sie dem Orte, an welchem Seidelmann sein mußte, schnell näher kamen.

Es gab da eine förmliche Bahn, die über zusammen geknicktes Buschwerk führte.

»Seht,« sagte der Alte, »hier sind sie herabgekugelt, der Hund und der Schuster. Wir werden sie gleich erreicht haben. Um Gottes willen, horcht!«

Sie blieben stehen. Ganz in der Nähe hatte der Hund drohend oder warnend aufgeknurrt, dann erscholl ein schriller, unbeschreiblicher Schrei, nach welchem sich das Knirschen zermalmter Knochen hören ließ.

»Alle Wetter!« rief Wunderlich. »Er hat einen Versuch gemacht, noch jetzt, im letzten Augenblicke, zu entkommen; aber Pluto hat ihn festgebissen. Schnell hin!«

Jetzt war ein lautes Wimmern ihr Führer. Zwischen zwei Sträuchern lag Seidelmann auf dem Rücken; der Hund stand funkelnden Blickes über ihm und hatte ihn bei dem einen Arme gepackt.

»Zurück, Pluto!«

Das Thier verließ sofort den Schuster und kam wedelnden Schweifes zu seinem Herrn. Dieser bückte sich zu Seidelmann nieder, um den Arm zu untersuchen.

»Einfältiger Mensch,« sagte er. »Habe ich Dich nicht gewarnt? Du hast dennoch entfliehen wollen, und da hat er Dich beim Arme festgehalten, leise erst, wie es seine Art ist; da Du ihm aber hast den Arm entwinden wollen, so hat er fester zugebissen. Nun ist der Arm zermalmt, fast zu Brei. Wenn Du kein Krebs oder Regenwurm bist, so wächst er Dir nicht wieder!«

Seidelmann antwortete nur mit einem Wimmern. Er erhob sich und leistete nicht den geringsten Widerstand, als er am gesunden Arm mit dem Apotheker zusammen gebunden wurde.

Nun brach man nach dem Försterhause auf. Dort brannte kein Licht, als aber der Alte in seiner bekannten Weise pfiff, trat Frau Barbara unter die Thür.

»Bist Du es, Vater?« fragte sie.

»Ja, Bärbchen. Sind die Burschen daheim?«

»Noch nicht.«

»Na, ich brauche sie auch nicht. Ich komme nur, um Dir zu sagen, daß Du keine Sorge um mich zu haben brauchst. Lege Dich in Gottes Namen schlafen. Wir haben die Karnickel erwischt, hier sind sie, und werden sie jetzt gleich zum Fürsten schaffen. Gute Nacht!«

Die Gefangenen zwischen Wilhelmi und Schulze, der Förster mit dem Hunde hinter her, so ging es jetzt nach dem Orte hinein und denselben hinauf bis zum früheren Seidelmann’schen Hause, in welchem jetzt die Familie Hauser wohnte. Es brannte noch Licht. Es waren in Folge der Hochzeit noch nicht alle Bewohner zu Bette gegangen. Als die Ankömmlinge in die untere Stube traten, befand sich der Bräutigam noch da.

»Der Förster?« fragte er erstaunt. »Wen bringst Du denn da?«

»Gucke Dir den Kerl nur an!«

»Mein Gott! Seidelmann! Und dieser Andere? Ah, das ist gewiß der Apotheker, der auch gesucht wird. Wo habt Ihr sie denn gefangen?«

»Davon nachher! Nicht wahr, der Fürst schläft?«

»Schon längst, aber ich werde ihn wecken!«

»Oho! Das überlaß’ nur mir! Ich will auch meinen Spaß bei der Geschichte haben. Zeige mir seine Thür!«

Diese befand sich eine Treppe hoch. Dort angekommen, klopfte der Alte an, als ob er Todte erwecken wolle.

»Durchlaucht! Durchlaucht!« rief er dabei.

»Wer ist draußen?« fragte der Erwachte.

»Der Vetter Wunderlich.«

»Was giebt es denn?«

»Schnell aufgestanden! Wir haben Sie.«

»Wen denn?«

»Den frommen Seidelmann und seinen Apotheker.«

»Ah! Warte einen Augenblick!«

Nach noch keiner Minute wurde die Thür geöffnet, obgleich der Fürst noch nicht alle Stücke seines Anzuges angelegt hatte. Er fragte den eintretenden Förster: »Ist’s Ernst oder Scherz?«

»Donnerwetter! Sehe ich so spaßhaft aus?«

»Allerdings nicht, sondern gerade wie ein Feldherr, der eine Schlacht gewonnen hat.«

»Die habe ich auch gewonnen.«

Er erzählte das Abenteuer, während der Fürst sich ankleidete. Dann begaben sich Beide hinab. Die Gefangenen wagten kaum, die Augen aufzuschlagen, als der Fürst eintrat. Er sprach kein Wort zu ihnen; er sagte nur zu den anderen Anwesenden: »Sie sind es. Eduard, schnell einen Wagen besorgt. Ich muß mit ihnen nach Brückenau auf die Bahn, um sie mit dem ersten Zuge nach der Residenz zu bringen.«

Eduard eilte fort, und der Fürst wendete sich an den Förster, an Wilhelmi und Schulze:

»Sie wissen, welcher Preis auf die Ergreifung dieser Beiden ausgesetzt ist?«

»Ja,« antwortete Wunderlich. »Viertausend Gulden in Summa. Nicht?«

»Ja. Ihr habt sie zu bekommen. Nur theilt sich diese Summe gerade schlecht unter Dreien.«

»Sie wird sich schon theilen unter Zweien!«

»Unter Zweien? Wie ist das gemeint?«

»Na, ich nehme nichts. Ich habe zu leben, und ich habe keine Kinder. Diese Beiden aber sind arm und haben zahlreiche Familie.«

»Bravo, Alter! Dennoch sollst Du nicht zu kurz kommen. Ich hätte aus meiner Tasche noch zweitausend Gulden darauf gelegt; aber das ist ja nicht nöthig. Nächstens werde ich große Waldungen besitzen, und da wirst Du Oberförster. Willst Du?«

Da leuchteten die Augen Wunderlich’s auf, und sein Gesicht glänzte vor Entzücken. Er fragte:

»Ist’s wahr?«

»Ja. Es ist sicher.«

»Oberförster bei Ihnen! Na, dann habe ich ja Alles, was ich auf Erden haben kann. Donnerwetter! Was wird die Barbara dazu sagen!«

»Das wirst Du gleich hören. Lauf’ schnell nach Hause und erzähle es ihr!«

»Ah! Werde ich nicht gebraucht?«

»Später. Du wirst sie mit nach der Residenz bringen. Dort soll man doch den sehen, der sie gefangen hat.«

»Alle Wetter, das wäre fein!«

»Also lauf’ zu Deiner Alten, nimm Abschied von ihr und bringe mit, was Du zur Reise brauchst. Sobald angespannt ist, geht es fort.«

»Ich laufe, ich eile, ich fliege!« damit stürmte er hinaus. Noch draußen auf der Dorfstraße jubelte er laut: »Oberförster! Oberförster beim Fürsten des Elendes, bei Vetter Arndt! Bärbchen, altes Reibeisen, wenn Dich da nicht die Freude um den Verstand bringt, so hast Du überhaupt niemals welchen gehabt! Oberförster! Himmelbataillon!«

Während die beiden Gefangenen, von den Uebrigen abgewendet, da saßen, der Apotheker im Inneren grimmig fluchend, Seidelmann vor Schmerz mit den Zähnen knirschend, streckte der Fürst ihren beiden Wächtern die Hände entgegen, indem er sagte: »Sie haben nicht nur dem Staate, sondern auch mir persönlich einen sehr großen Dienst erwiesen, für den ich Ihnen danken muß. Ihre Namen werden in allen Zeitungen ehrenvoll genannt werden. Das Liebste aber wird bei Ihrer Armuth Ihnen noch die Prämie sein?«

»Ja freilich!« antwortete Schulze. »Nur fragt es sich, ob wir sie auch wirklich bekommen werden.«

»Ohne allen Zweifel. Sie kann Ihnen gar nicht abgesprochen werden, und da ich zufälliger Weise eine solche Summe bei mir habe, so sollen Sie das Geld gleich jetzt erhalten.«

»Herrgott! Ist’s wahr, Durchlaucht?«

»Wie Sie sehen. Hier!«

Er öffnete sein Portefeuille, zog mehrere Banknoten heraus und zählte sie auf den Tisch.

»Nehmen Sie, und eilen Sie nach Hause, um die frohe Botschaft so bald wie möglich zu bringen. Die Quittung wird man später von Ihnen verlangen.«

»Aber,« meinte Wilhelmi, »sollen wir nicht lieber die Gefangenen bewachen, bis es fortgeht?«

»Das ist nicht nothwendig. Ich bin selbst da.«

»Was wird mit dem Loch im Zechenhäuschen?«

»Das überlassen Sie dem Staatsanwalte, den ich von Brückenau sofort hersenden werde.«

»Und mit dem Arme Seidelmanns?«

»In Brückenau giebt es einen Arzt. Bis dahin muß er sich gedulden. Es kann ihm überhaupt gar nichts schaden, wenn er einige Schmerzen erleidet. Er hat die Freuden der Frommen und Seligen so lange Zeit genossen, so daß er auch einmal die Leiden der Gottlosen schmecken kann. Gehen Sie in Gottes Namen!«

Sie hatten Beide Freudenthränen in den Augen, als sie ihm die Hände dankend entgegen streckten, und man kann leicht denken, welche Seligkeit es daheim in ihren ärmlichen Wohnungen gab, als sie die beglückende Botschaft brachten und das Geld auf die Tische legten. Die Frau von Schulze sagte: »Nun brauche ich Dir keine Suppe von Kartoffelschalen mehr zu machen. Gott segne den Fürsten!«

Und Wilhelmi’s Schwiegermutter meinte:

»Erinnern Sie sich noch, lieber Sohn, meiner Cigarren, die Sie nicht rauchten, um sie verkaufen zu können? Jetzt dürfen Sie auch darin nicht mehr darben. Die Noth hat ja ein Ende. Gott segne den Fürsten!«

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Papa Wunderlich war für einige Tage der vielgesuchteste Mann der Residenz. Alle Welt wollte den Förster sehen, welcher die beiden Flüchtlinge ergriffen hatte und – er ließ sich auch sehen, stolz in seiner neuen Uniform durch die Straßen paradirend.

Seine größte Freude aber war, daß er seinen alten Freund und Forstkollegen Brandt wieder sah. Er wurde von diesem in die Geheimnisse des Fürsten des Elendes eingeweiht und kehrte zu seiner Barbara zurück, ganz begierig, sie auf das Glück vorzubereiten, welches ihrer in der verheißenen Oberförsterei wartete.

Jetzt nun hatten Staatsanwalt und Untersuchungsrichter endlich alle Verbrecher beisammen, und es wurden nun die umsichtigsten Vorkehrungen getroffen, sie vollständig von der Außenwelt abzusondern und jedes Entkommen eines derselben zu verhüten.

Eigentlich begann die Untersuchung erst jetzt. Welchen Verlauf sie nahm und welche Ergebnisse sie brachte, darüber wurde das tiefste Stillschweigen beobachtet. Aber die Bevölkerung des ganzen Landes und weit darüber hinaus befand sich in einer Spannung, welche das Warten auf den Schluß der Voruntersuchung fast quälend machte. – –Eines Abends um diese Zeit war der Oberst von Hellenbach nebst seiner Gemahlin zu Hof geladen. Fanny, ihre Tochter, war in das Theater gefahren, wo eine der beliebtesten Opern gegeben wurde, und es war ganz natürlich, das Robert Bertram sie begleitet hatte.

Er war jetzt fast so viel in dem Hellenbach’schen Hause wie in dem Häuschen in der Siegesstraße.

Er als Dichter war ganz auf der Scene; Fanny aber musterte das Publikum hin und wieder durch das Opernglas. Da, während einer Gesangspause, berührte sie seinen Arm und sagte: »Bitte, sehen Sie einmal zweiten Rang, Seitenloge, die Dame im schwarzen Anzuge!«

»Interessiren Sie sich für sie?« fragte er gleichgiltig, ohne den Blick nach dem bezeichneten Platz zu erheben.

»Sehr!«

Jetzt sah er empor, zuckte aber sofort zusammen. Zwei nachtdunkle und doch glühende Augen waren mit einem Blicke, der ihn schaudern ließ, auf ihn gerichtet.

»Judith!« sagte er.

»Ja, es ist die Jüdin,« meinte Fanny. »Ich beobachte sie bereits seit längerer Zeit. Sie hat den Blick noch keine einzige Secunde von uns gewendet. Selbst wenn sie ihrer Nachbarin eine hastige Bemerkung zuraunt, blickt sie nicht von uns hinweg. Man möchte sich wirklich vor ihr fürchten. Es liegt ein Haß in ihrem Blicke, der zu Allem fähig ist. Warum aber haßt sie mich?«

Robert antwortete nicht. Er kannte gar wohl den Grund dieses bodenlosen Hasses.

»Sie war es ja auch, die damals mein Pferd so scheu machte, daß es mich abwarf. Mir graut vor ihr.«

Sie zog die Schultern empor, schüttelte sich und wendete sich nach den anderen Seite.

Judith war mit ihrer Freundin Sarah Rubinenthal in das Theater gegangen, nicht etwa weil sie es vorher beabsichtigt hatten, sondern weil sie am Fenster gestanden hatten, als Fanny und Robert in den Wagen gestiegen waren. An Fanny’s Toilette war zu erkennen gewesen, daß sie das Theater besuchen werde.

Nun saß die schöne, vor Liebe und Eifersucht glühende Jüdin in ihrer Loge und verwendete keinen Blick von den Beiden. Zwar war Robert’s Aufmerksamkeit während der Vorstellung auf die Bühne gerichtet; aber vor dem Beginn und in den Pausen beschäftigte er sich doch mit Fanny. Und da war aus jeder seiner Mienen und aus jedem seiner Blicke zu lesen, daß seine ganze Seele in der wunderbar schönen Nachbarin aufgehe.

Judith beobachtete das und raunte ihrer Nachbarin die wüthendsten Bemerkungen zu.

»Sieh’ diesen Blick!« sagte sie. »Er glüht vor Liebe. Er könnte tausendmal für sie sterben, aber nicht eine Minute für mich leben. O, dieses Mädchen, wie hasse, hasse, hasse ich es!«

Und dann wieder:

»Jetzt schaut sie ihn an! Sie beachtet ihn, ohne daß er es bemerkt! Sie studirt sein Gesicht, sein schönes Gesicht mit den reinen, edlen, geistreichen, schwermüthigen Zügen. Wie ihr Auge strahlt! Wie ihr Mund lächelt! Wie entzückt und in ihn versunken sie ist! Jetzt dreht er sich zu ihr. Sein Auge ertappt das ihrige. Sie erröthet, er auch. Sie wenden sich wieder ab, aber mit welchen Gesichtern! Auf den ihrigen strahlen zehn Himmel und auf dem seinigen zehn Seligkeiten.«

»Sieh doch nicht hin!« meinte die Buckelige.

»Nicht hinsehen? Bist Du toll! Muß ich nicht hinsehen immer und immer wieder? Ist nicht meine Seele gebunden und gekettet an seine Seele und mein Leben an sein Leben! Hätte sie doch damals auf der Straße den Hals gebrochen! Aber sie wird ihn noch brechen, sie soll und muß ihn noch brechen!«

»Willst Du ihr ihn brechen?«

»Wenn ich kann, so thue ich es! Sie sieht auch uns. Sie belorgnettirt mich. Jetzt mach sie ihn auf mich aufmerksam. Er sieht herauf. Er erkennt mich. Sein Blick ist wie Eis. Er dreht sich gleichgiltig ab. Und sie? Gott meiner Väter, sie schauert vor mir! Ist sie etwa reicher als ich? Ist sie schöner? Schöner – ah, schöner! Das ist der Gedanke; das ist er! Und da sie vor mir schaudert, soll man auch vor ihr schaudern! Ich wollte es nicht thun. Nun aber thue ich es!«

Sie stand auf.

»Wohin?« fragte die Freundin.

»Nach Hause. Ich habe Kopfweh. Bleibe Du nur hier!«

Sie drückte sie, die sich auch erheben wollte, nieder und entfernte sich.

Sie bewohnte das älterliche Haus jetzt ganz allein. Man hatte auch ihre Mutter als Mitschuldige eingezogen.

In dem alten, vereinsamten Hause angekommen, kleidete sie sich vollständig um. Sie legte einen alten Frauenanzug an, den ihr Vater für ein Billiges gekauft hatte, und hüllte die ganze Gestalt sammt dem Gesichte in ein weites, dunkles und auch sehr altes Tuch ein. So eingewickelt sah sie aus wie ein altes Weib aus niedrigstem Stande.

Jetzt öffnete sie einen Schrank, in welchem allerlei Fläschchen standen. Sie suchte eins derselben hervor, auf welchem ein Todtenkopf gemalt war, darunter die Worte »Rauchende Schwefelsäure«.

»Das ist es, was in einer Minute das Fleisch von dem Knochen frißt!« sagte sie. »Ihre Schönheit soll vernichtet werden, so häßlich, daß ihm graut, sie anzusehen. Ich werfe ihr das Fläschchen in’s Gesicht, wenn sie aus dem Theater kommt. Aber, das wird nicht wirken. Die Schwefelsäure muß in einem offenen Gefäße sein. Ich nehme noch eine alte Tasse mit. Das ist besser. Ja, ich habe es nicht thun wollen; aber sie liebt ihn und er liebt sie, und sie ist vor mir zusammengeschaudert. Darum soll er nun vor ihr schaudern! Und dann wird er kommen zu mir, weil ich bin schöner als sie, tausendmal schöner! Und ich werde ihn empfangen mit der Zärtlichkeit einer Braut, und mit Liebesgluth, in der sein Herz aufflammen soll.«

Sie steckte das Fläschchen mit der rauchenden Schwefelsäure ein und die Tasse dazu und begab sich, nachdem sie das Haus wieder verschlossen hatte, nach dem Eingange des Theaters, in dessen Nähe, wie sie wußte, die Hellenbach’sche Equipage zu halten pflegte.

Dort stellte sie sich hinter eine Säule, wo es dunkel war und man sie also nicht bemerken konnte. Hier wartete sie bis zum Schlusse der Vorstellung. Die Zuschauerräume entleerten sich. Jetzt trat sie aus dem Verstecke hervor. Sie bemerkte die erwartete Equipage und huschte hinter dieselbe.

Niemand hatte Acht auf sie. Die Meisten entfernten sich sofort, zu Fuße oder zu Wagen. Andere standen in Gruppen beisammen, um sich über die beendete Vorstellung noch einige Bemerkungen zuzuwerfen. Da trat Robert Bertram mit Fanny von Hellenbach aus dem Portale. Er nahm ihren Arm und führte sie zur Equipage.

»Sie begleiten mich doch bis zum Hause?« fragte sie.

»Gern, sehr gern,« antwortete er in glücklichem Tone.

Sie traten zum Wagen. Der Diener hatte am Schlage gewartet und öffnete denselben. Da trat Judith herbei. Noch war sie ihrer Sache nicht ganz sicher, da Fanny im Schatten der Gaslaterne stand und ihr Gesicht nicht ganz deutlich zu erkennen war.

»Sind Sie Fräulein von Hellenbach?« fragte die Jüdin.

»Ja,« antwortete Fanny! »Was wünschen Sie?«

Judith hatte den Inhalt des Fläschchens in die offene Tasse gegossen. Sie trat schnell ganz nahe heran und antwortete: »Ich wünsche nichts; ich will Ihnen vielmehr etwas geben. Hier haben Sie es!«

Sie holte aus, um ihr die fressende Säure in das Gesicht zu schleudern.

Robert hatte zwar die verhüllte Gestalt hinter dem Wagen bemerkt, doch kein Befremden empfunden. Aber als sie näher trat und nach dem Namen der Geliebten fragte, überkam ihn ein plötzlicher Verdacht, denn er erkannte die Stimme der Jüdin. Er bog den Kopf weit vor und erblickte trotz der Verhüllung die israelitische Nase und die funkelnden Augen. Als sie mit der Tasse ausholte, erfaßte er den Arm des Mädchens. Er konnte ihn nicht vollständig zurückhalten, aber die Säure flog wenigstens Fanny nicht in das Gesicht.

»Unglückliche! Was fällt Dir ein!« rief er, sie am Arme festhaltend.

Sie wollte sich ihm entwinden, um zu entfliehen, aber er ergriff sie auch mit der anderen Hand, und da war sie nun allerdings zu schwach, ihm zu entkommen.

»Gerächt habe ich mich!« knirschte sie. »Jetzt siehe nun ihre hübsche Larve an.«

»Herrgott!« rief er erschreckt. »Haltet sie fest!«

Der Diener hatte sie mit gepackt, und auch der Kutscher sprang vom Bocke. Der Vorgang erregte natürlich Aufsehen, und es bildete sich eine dichte Gruppe Neugieriger um die Equipage. Auch einige Polizisten, welche heute Theaterwache gehabt hatten, kamen herbei und fragten nach der Ursache des Lärmes.

»Man hat diese Dame überfallen,« antwortete Bertram. »Sind Sie verletzt, gnädiges Fräulein?«

»Ich fühle nichts,« antwortete Fanny.

Ihre Stimme zitterte vor Schreck.

»Ueberfallen?« fragte der Polizist. »Wer hat es gethan?«

»Dieses Frauenzimmer.«

»Mit einer Waffe?«

»Nein. Aber hier hat sie noch die Tasse in der Hand, aus welcher sie Fräulein von Hellenbach beschütten wollte. Wie aus ihrer Rede hervorgeht, sollte das Gesicht dieser Dame beschädigt werden.«

»Ah, etwa eine Säure? Zeigen Sie her!«

Er nahm der Jüdin die Tasse aus der Hand und roch daran.

»Es ist nichts mehr drin,« sagte er, »aber man riecht es, daß sich eine scharfe Säure darin befunden hat.«

Da ertönte aus den Zuschauern eine Stimme:

»Vielleicht giebt das hier Aufklärung. Ich trat da auf eine Flasche und hob sie auf, da ich hörte, daß es sich um eine Säure handelt.«

Er gab dem Polizisten die Flasche. Dieser las die Etiquette.

»Sapperment! Rauchende Schwefelsäure! Hat sich diese Flasche in Ihrem Besitz befunden?«

»Ja,« antwortete Judith.

Sie befand sich in einer Stimmung, in welcher es ihr unmöglich war, nachzudenken, ob diese Antwort ihr Schaden bringen werde oder nicht. Es hatte sich ihrer eine dumpfe Wuth bemächtigt, in welcher sie fortfuhr: »Immer nehmt mich gefangen, immer, immer! Jetzt habe ich doch ihre Fratze zerstört, und nun wird es ihm nicht einfallen, sie zu seiner Frau zu machen.«

»Ah! Ist es so!« meinte der Polizist. »Darf ich die Herrschaften einladen, sich für einen Augenblick mit herein zu bemühen? Ich bin verpflichtet, den Thatbestand festzustellen. Vorwärts jetzt!«

Er nahm die Jüdin hüben und sein Kamerad faßte sie drüben, um sie nach der Loge des Portiers zu schaffen. Bertram folgte mit Fanny, welche vor Aufregung zitterte und sich schwer auf seinen Arm lehnte.

In der Loge war es hell. Bertram sah das leichenblasse Gesicht der schönen Freundin und fragte:

»Sind Sie wirklich nicht verletzt?«

»Ich glaube nicht, aber sehr erschreckt hat es mich!«

»Nein, verletzt sind das gnädige Fräulein, Gott sei Dank, nicht,« sagte der Polizist, der sie genau betrachtete, »aber die Toilette wird verdorben sein.

Die Säure ist auf das Kleid geschleudert worden. Sehen Sie die Flecken? Es fallen bereits die Löcher in den Stoff.«

»Mein Gott!« rief Bertram. »Wenn Sie in das Gesicht getroffen worden wären! Welch ein Unglück!«

»Ja, dann hätte die ätzende Flüssigkeit das Fleisch bis auf die Knochen zerstört, und die Augen wären ganz sicher erblindet. Das ist eine gefährliche Person. Wollen uns doch einmal ihr Gesicht betrachten.«

Er nahm ihr das Tuch fort, in welches sie sich eingehüllt hatte, und erkannte sie sofort.

»Was! Die schöne Judith aus der Wasserstraße! Ist das möglich? Mädchen, was fällt Ihnen ein? Sind Sie denn nicht schon unglücklich genug, daß Ihre Eltern sich in Gefangenschaft befinden! Warum haben Sie das gethan?«

Judith schämte sich nicht. Sie stand stolz und flammenden Blickes da und antwortete:

»Ihr Gesicht wollte ich zerstören.«

»Sind Sie des Teufels! Wissen Sie, welche Strafe auf so etwas gesetzt ist?«

»Das ist mir gleichgiltig!«

»Zuchthaus!«

»Meinetwegen! Wenn ich nur besser getroffen hätte. Aber sie wird sich nur abgewischt haben. Vielleicht habe ich doch das Gesicht getroffen, und der Brand kommt noch!«

»Welch eine Rohheit! Weshalb haben Sie es denn gethan?«

Die Jüdin zeigte auf Fanny und Bertram und antwortete:

»Der sollte sie nicht heirathen.«

»Ach so! Jetzt wissen wir, woran wir sind. Ich danke den Herrschaften ganz ergebenst und bitte, die Toilette aufzubewahren, da der Untersuchungsrichter ihrer bedürfen wird. Diese gefährliche Person werden wir natürlich nach Nummer Sicher bringen.«

Robert führte Fanny nach dem Wagen und stieg mit ein. Als sich die Pferde in Bewegung gesetzt hatten, machten sich durch die Erschütterungen der Equipage, trotzdem es nur sehr leichte waren, die Folgen des Schreckes geltend. Es überkam sie ein Schwindel. Sie griff nach der Hand Bertrams und klammerte sich convulsivisch an derselben fest.

»Ich falle!« sagte sie.

»Um Gottes willen! Was ist Ihnen?« fragte er.

Sie antwortete nicht. Er sah beim Scheine der Gasflammen, an denen sie vorüberkamen, daß ihr Kopf tief in die Polster zurückgesunken war.

»Ist Ihnen übel?« erkundigte er sich voller Angst.

»Nein, aber matt bin ich.«

Er ergriff auch ihre andere Hand. Er wußte vor sorgender Angst nicht, was er thun sollte. Er war kein Damenherr und trug niemals eine Essenz bei sich wie Andere, welche die Erfahrung gemacht haben, daß Derjenige, welcher mit dem schönen Geschlechte verkehrt, zuweilen in die Lage kommt, ein Parfüm zu gebrauchen.

Nach einer Weile seufzte sie tief auf und sagte:

»Jetzt wird mir wohler. Es war nur der Schreck.«

»Aber ein großer Schreck.«

»Ja. Dieses fürchterliche Mädchen!«

»Ein grausiges Geschöpf! Ich darf nicht daran denken, daß ihre Absicht hätte gelingen können.«

»Mein Gott! Schweigen Sie! Bitte!«

Der Wagen hielt vor der Thür. Als Fanny ausstieg, fühlte sie sich noch so angegriffen, daß sie bat:

»Bitte führen Sie mich, Herr Bertram!«

Oben angekommen, wollte er sie der Zofe übergeben und sich empfehlen. Sie aber sagte:

»Ich kann unmöglich zur Ruhe gehen und die Eltern werden noch nicht kommen. Bitte, bleiben Sie da! Ich möchte nicht so allein sein. Entschuldigen Sie aber einen Augenblick!«

Er trat in das Familienzimmer und wartete. Als sie dann kam, hatten ihre Wangen wieder den farbigen Ton erhalten, welcher ihr so außerordentlich gut stand. Sie lächelte und sagte: »Jetzt werden Sie mich für ein recht schwachnerviges Persönchen halten, Herr Bertram?«

»O nein. Das Ereigniß war ein solches, daß auch eine sehr starknervige Dame erschrocken wäre. Und daß Sie Muth besitzen, weiß ich ja bereits.«

»Woher?«

»Damals, als ich den Riesen Bormann bei Ihnen traf, haben Sie es bewiesen.«

»Dadurch erinnern Sie mich, daß Sie zweimal mein Retter gewesen sind. Heute wieder!«

»O, bitte!«

»Wollen Sie es vielleicht nicht zugeben? Wer hat denn den Arm mit der Säure zurückgehalten? Sie! Wären Sie nicht gewesen, so wäre ich jetzt verstümmelt und ein Gräuel Aller, welche später ihre Blicke auf mich richteten. Sie sehen also, wieviel Dank ich Ihnen schulde. War das nicht dieselbe Person, welche damals mein Pferd scheu machte?«

»Ja.«

»Und welche sich am Kirchhof bei der Beerdigung Ihres Pflegevaters so feindselig gegen mich zeigte. Sie muß einen fürchterlichen Haß gegen mich hegen. Und ich habe ihr doch gar nichts zu leid gethan! Kennen Sie das Mädchen seit längerer Zeit?«

»O nein. Es war kurz vor Weihnachten, als ich sie zum ersten Male sah.«

»Da ist Ihre Bekanntschaft wohl eine nähere gewesen?«

»Ganz gewiß nicht!« betheuerte er eifrig.

»Sie tritt aber grad so auf, als wenn sie gewisse Rechnung auf Ihre Person hätte.«

»Sie hat nicht das mindeste Recht. Wenn ich aufrichtig sein dürfte, würden Sie mir das glauben.«

»Bitte, seien Sie aufrichtig!«

»Ja, ich will es sein. Sie kennen meine Schicksale. Sie wissen, daß ich arm bin und früher noch ärmer war, und so darf ich von jener Zeit sprechen, obgleich es mir schwer fällt, zu gestehen, weshalb ich zu jenem Juden ging.«

Er erzählte von der Lage, in welcher sich die Familie seines Pflegevaters befunden hatte, von der Krankheit desselben, vom Hunger, vom Auftreten des frommen Schusters, von der Täuschung, welche seine Stiefschwester Marie mit ihrer Stickarbeit erfahren hatte. Er sagte, daß er zu dem Juden gegangen sei, um seine einzige Habe, die Kette, zu versetzen, und daß dessen Tochter da ein so eigenthümliches Interesse für ihn gefaßt habe. Er schilderte weiter und weiter, und als er damit geendet hatte, fügte er hinzu: »Jetzt habe ich aufrichtig Alles erzählt selbst auf die Gefahr hin, daß Sie mir nun Ihre Theilnahme entziehen werden.«

»Entziehen? Warum sollte ich das?«

»Der arme Schlucker! Der zum Juden geht, um zu versetzen!«

Sie schüttelte das schöne Köpfchen und sagte:

»Ich habe mich gar sehr in Ihnen getäuscht!«

»Nicht wahr!« sagte er betrübt, weil er sie nicht verstand.

»Ja, sehr getäuscht habe ich mich, denn ich dachte stets, daß Sie mich kennen.«

»Das thue ich ja!«

»Nein, das thun Sie eben nicht. Sie kennen mich nicht, sonst würden Sie nicht glauben, daß ich jetzt auf einmal weniger gut von Ihnen denke als vorher. Was Sie gethan haben, das erniedigt Sie nicht, sondern es zeugt von Ihrem Edelmuthe. Ich würde Sie jetzt nur noch höher achten als vorher, wenn das überhaupt möglich wäre. Aber sagen Sie, ist diese Judith denn wirklich so schön?«

»Ja.«

»Also auch Sie bewundern sie!«

»Ja, ich bewundere sie,« sagte er aufrichtig.

Das hatte sie nun freilich nicht erwartet. Sie blickte ganz erstaunt auf ihn und sagte:

»Jetzt sind Sie allerdings viel aufrichtiger als ich Sie mir gedacht habe! Sie bewundern sie wirklich!«

»Ja. Warum sollte ich nicht? Wenn ich nach Ägypten reise und vor den Pyramiden stehe, so bewundere ich sie. Ich denke, daß vor Jahrtausenden ein längst vom Welttheater verschwundenes Volk mit armseligen Hilfsmitteln diese kolossalen Steinhaufen zu errichten vermochte. Diese Bauten wirken durch ihre einförmige, traurige Massenhaftigkeit. Ich bewundere sie, aber mein Herz bleibt kalt dabei. So kann es Einem auch mit der Schönheit eines menschlichen Wesens gehen.«

Da stieß Fanny ein herzliches Lachen aus und sagte:

»Ah, Sie meinen, daß die Schönheit dieser Jüdin also eine so pyramidale ist.«

»Nein. Ich brachte nur ein Beispiel, welches zeigen sollte, daß man bewundern kann, ohne mit dem Herzen betheiligt zu sein. Judith ist keine kalte, leblose Schönheit. Sie ist vielmehr grad das Gegentheil. Sie ist voller Gluth und Leben; aber diese Gluth ist verderbend, und dieses Leben kann tödtlich wirken.«

»Sie sprechen als Dichter!«

»O nein. Wenn Sie vom Golf von Neapel aus des Nachts den Vesuv erblicken, so sind Sie von dem sich Ihnen darbietenden Schauspiel ergriffen. Er schleudert seine Gluthen gen Himmel; die Erde bebt, und selbst die Wasser bewegen sich unter dem Donner, der auf ihrem Grunde rollt. Der Anblick ist schön, aber grauenhaft. Man fühlt sich nicht sicher, sondern beengt, geängstigt. So war es mir, ganz so, als ich diese Judith erblickte.«

»Also ein Vulkan ist sie?«

»Ja. War das, was sie heute that, nicht eine Eruption, hervorgegangen aus dem Krater eines glühenden und zugleich rachsüchtigen Menschenherzens? Mir graut vor ihr. Und dennoch bemitleide ich sie!«

»Ich auch.«

Der verlorne Sohn
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