Sie hatte den Blick sinnend vor sich hingerichtet. Ihr Gesicht zeigte nicht eine Spur von Zorn.

»Wie? Auch Sie?«

»Ja, ich fühle nur Mitleid mit ihr.«

»Mit ihr, die Sie verderben wollte?«

»Sie that es aus – Liebe zu Ihnen. Es muß traurig, sehr traurig sein, eine unglückliche Liebe im Herzen zu tragen.«

»Ja, das ist sehr traurig,« antwortete er in einem Tone, welcher sie veranlaßte, ihren Blick schnell auf ihn zu richten.

»Das klang ja recht eigenthümlich,« sagte sie. »Fast so, als ob Sie das so genau wüßten.«

»Ich weiß es!«

»Dann müßten Sie ja auch unglücklich lieben!«

Er blickte ihr ernst, voll und ehrlich in das Angesicht und antwortete unter einem trüben Lächeln: »Das ist leider auch wirklich der Fall.«

»Herr Bertram!«

»Nicht wahr, nun bemitleiden Sie mich!«

»Gewiß! Sehr!«

»Und dennoch ist Einer, der eine recht große, innige Liebe, welche keine Hoffnung haben darf, im Herzen trägt, nicht so unglücklich, wie Sie vielleicht denken. Es ist noch etwas dabei, für das ich keine Bezeichnung, kein treffendes Wort finde. Es giebt Naturen, welche in ihrem Unglücke zu schwelgen vermögen. Man kann lieben ohne Verlangen, ohne lebenzerstörende Leidenschaft, so recht fromm und innig. Eine solche Liebe ist zum guten Theil Verehrung, Anbetung. Sie kann freilich nur dann möglich sein, wenn sie sich auf einen Gegenstand richtet, welcher ebenso anbetungswürdig wie unerreichbar ist. Sie flammt auf dem Altare des Herzens; sie hat kein Ende, sie wirkt nicht zerstörend.«

»Und so eine Liebe ist die Ihrige?«

»Ja.«

»Also ist Ihnen der Gegenstand unerreichbar?«

»Unerreichbar für immer.«

»Aber diese Dame müßte dann auch so anbetungswürdig sein, wie Sie sagten!«

»Das ist sie; ja bei Gott, das ist sie.«

Es war ein eigenthümlicher Ausdruck, mit welchem sich ihr Blick jetzt auf ihn richtete, so herzlich und doch auch so überlegen. Sie legte ihm das Händchen auf den Arm und fragte lächelnd: »Darf ich erfahren, wer sie ist?«

»Nein.«

»Wenn ich Sie nun recht sehr bitte, es mir zu sagen?«

»Auch dann nicht.«

»Aber warum nicht?«

»Weil Sie sich dann mitleidig verwundern oder mich verwundernd bemitleiden würden, und Beides würde mir mehr Schmerz bereiten als alles andre Mögliche.«

»Ich werde weder das Eine noch das Andere thun!«

Er blickte träumerisch wie in die Ferne und schüttelte verneinend den Kopf. Sie fragte:

»Darf ich nicht wenigstens erfahren, seit wann Sie diese Hohe, Herrliche lieben?«

»Seit vor Weihnachten.«

»Es scheint, daß dies der Zeitpunkt ist, an welchem Sie Damenbekanntschaften gemacht haben, welche für sie unheilvoll sind. Wo lebt diese Dame?«

»Hier in der Residenz.«

»Haben Sie mit ihr gesprochen?«

»Wiederholt.«

»Und doch nennen Sie sie unnahbar!«

»O, die Sonne ist uns auch unnahbar; wir können nie zu ihr gelangen, und doch segnet sie uns mit Licht und Wärme. So lebe ich unter den Strahlen eines herrlichen, entzückenden Wesens, welches hoch über dem Horizonte meines Daseins steht. Sie ist meine Sonne, und doch war sie einst meine – Nacht.«

»Sie sprechen in Räthseln.«

»O nein. Ich stand damals in tiefer Nacht, ohne Hoffnung, daß mir einst die Sonne ihrer Augen leuchten könne. Es ist Tag geworden, obgleich ich noch immer in der Tiefe stehe.«

»Aber ich behaupte doch, daß Sie geheimnißvoll sprechen. Soll ich den Schleier lüften?«

»Sie können es nicht.«

Da lächelte sie ihm halblaut entgegen und recidirte:

 

»Wenn um die Berge von Befour

Des Abends dunkle Schatten wallen,

Dann tritt die Mutter der Natur

Hervor aus unterird’schen Hallen,

Der verlorne Sohn
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