33
»Sieht ziemlich stabil aus«, sagte Makin.
Da konnte ich ihm nicht widersprechen. Ich kannte nichts, das stabiler aussah als diese Tür. Mein Schwert hinterließ kaum einen Kratzer darin.
»Wie ist der Plan?« Der Rote Kent stand mit beiden Händen auf den Heften seiner Kurzschwerter.
Ich hielt das glänzende Rad in der Mitte der Tür und lehnte mich zurück. Die riesige Scheibe ragte vor mir auf und schien aus Silber zu bestehen – ein gewaltiger Schatz aus Silber, genug, um ein Königreich zu kaufen.
»Wir könnten uns hindurchgraben«, sagte ich.
»Durch Erbauer-Stein?« Makin hob eine Braue.
»Wir versuchen es trotzdem.« Ich ließ das Rad los und zeigte auf Burlow und Rike. »Ihr beiden. Fangt dort drüben an.«
Sie zuckten mit den Schultern und traten vor. Rike erreichte die Wand und trat gegen sie. Burlow hob die Hände und betrachtete sie nachdenklich.
Ich hatte sie wegen ihrer Kraft ausgewählt, nicht wegen ihrer Initiative. »Makin, gib ihnen deinen Streitflegel. Row, mal sehen, was dein Kriegshammer leisten kann.«
Rike nahm den Hammer in eine Hand und schlug damit gegen die Wand. Burlow holte mit dem Flegel aus und hätte fast beide mit Spitzen versehenen Eisenkugeln ins Gesicht bekommen, als sie von der Wand abprallten.
»Ich setze mein Geld auf die Wand«, sagte Makin.
Nach fünf Minuten wurde mir klar, dass es eine Weile dauern würde. Unter den wuchtigen Schlägen lösten sich keine Brocken aus der Wand, nicht einmal Splitter, nur der Staub von pulverisiertem Gestein. Selbst Rikes kraftvolle Hiebe schufen nur winzige Dellen.
Die Brüder nahmen Platz und lehnten sich an ihre Rucksäcke. Lügner machte sich daran, seine Fingernägel mit einem kleinen Messer zu reinigen. Row stellte seine Laterne beiseite, Grumlow holte Karten hervor, und sie begannen damit, eine Partie zu spielen. Auf diese Weise hatten Row und Grumlow einen großen Teil ihrer Beute verloren, doch die Erfahrung machte sie nicht schlauer. Makin holte einen Streifen getrocknetes Fleisch hervor und kaute darauf. »Unsere Rationen reichen noch für eine Woche, höchstens, Jorg«, sagte er und schluckte.
Ich ging durch den Raum und wusste, dass wir uns nicht durch die Wand graben konnten. Die Arbeit hatte ich den Brüdern nur gegeben, damit sie still blieben. Beziehungsweise so still, wie Männer sein können, die einen Kriegshammer und einen Streitflegel schwingen.
Vielleicht gibt es keinen Weg hindurch. Dieser Gedanke nagte an mir, war wie eine juckende Stelle, an der man sich nicht kratzen konnte. Er gab mir keine Ruhe.
Die Hammerschläge hallten laut durch den Raum und schmerzten in meinen Ohren. Ich ging zur anderen Seite und ließ die Spitze meines Schwerts tief in Gedanken versunken über die Wand streichen. Kein Weg hindurch. Gog hockte in einer Ecke und beobachtete mich mit dunklen Augen. Wo die Brüder lagen, trat ich über sie hinweg, als seien sie Baumstämme. Als ich an Lügner vorbeikam, fühlte ich eine Veränderung in der Beschaffenheit der Wand. Sie sah genauso aus wie vorher, aber unter meiner Klinge fühlte sie sich weder nach Stein noch nach Metall an.
»Gorgoth, ich brauche hier deine Kraft, wenn du nichts dagegen hast.« Ich drehte nicht den Kopf, um festzustellen, ob er aufstand.
Ich schob das Schwert in die Scheide und zog mein Messer aus dem Gürtel. Dann trat ich ganz nah an die Wand heran und kratzte an der Stelle, die ich gefunden hatte. Eine Linie entstand. Was mich kaum klüger machte. Holz war es nicht.
»Was ist?« Der Fackelschein warf Gorgoths Schatten über mich.
»Ich hoffte, das könntest du mir sagen«, erwiderte ich. »Oder dies zumindest öffnen.« Ich schlug auf die Stelle, und es hörte sich an, als befände sich dahinter ein Hohlraum.
Gorgoth schob sich an mir vorbei und betastete die Ränder. Die Stelle mit dem Hohlraum dahinter war etwa einen Meter lang und einen halben hoch. Die Tafel – wenn es eine war – bewegte sich kaum, wenn man darauf schlug, aber ihre Ränder ließen sich ein ganz kleines bisschen anheben. Gorgoth setzte die drei dicken Finger jeder Hand an die Kanten und bohrte die langen roten Krallen darunter. Seine Muskeln schienen unter der narbigen Haut gegeneinander zu kämpfen und übereinander klettern zu wollen. Eine Zeit lang passierte nichts. Ich beobachtete, wie er sich anstrengte, und merkte plötzlich, dass ich zu atmen vergessen hatte. Als ich nach Luft schnappte, gab etwas im Innern der Wand nach. Es klackte, etwas schien zu reißen, und mit einem gequälten Stöhnen löste sich die Tafel. Der Hohlraum dahinter erwies sich als Enttäuschung.
»Jorg!« Das Hämmern hatte aufgehört.
Ich drehte mich um und sah, wie sich Rike Schweiß und Staub aus dem Gesicht wischte. Burlow winkte mich näher.
Langsam durchquerte ich den Raum, obwohl ein Teil von mir laufen und der andere stehen bleiben wollte.
»Sieht mir nicht danach aus, als hättest du die Wand schon durchbrochen, Burlow.« Gespielt enttäuscht schüttelte ich den Kopf.
»Es klappt nicht.« Rike spuckte auf den Boden.
Burlow wischte den Staub aus dem kleinen Loch, das sie unter großen Mühen geschaffen hatte. Zwei Metallstäbe zeigten sich dort, eingelassen in den Erbauer-Stein. »Ich schätze, die führen durch die ganze Wand«, sagte er.
Mein Blick glitt zum Messer, das ich in der zur Faust geballten Hand hielt. Gelegentlich hatte ich den Überbringer der Nachricht bestraft. Es gibt kaum etwas Befriedigenderes, als den Mann zu töten, von dem man Hiobsbotschaften erhält.
»Ich schätze, da könntest du Recht haben«, brachte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Bevor der Fette Burlow noch etwas sagen und sich den Namen Toter Burlow verdienen konnte, drehte ich mich um und kehrte zu dem Hohlraum zurück. Er war gerade groß genug, um eine zusammengeklappte Leiche hineinzustopfen. Nichts befand sich darin, abgesehen von Staub. Ich zog mein Schwert, steckte es durch die Öffnung und stocherte an der Rückwand.
Plötzlich erklang ein Geräusch, wie von einem Glockenspiel.
»Fehlfunktion bei den externen Sensoren. Biometrik offline.« Die Stimme kam aus dem Hohlraum, und sie sprach in einem ruhigen, vernünftigen Ton.
Ich sah nach rechts und links und richtete den Blick dann wieder auf die Öffnung in der Wand. Die Brüder standen auf.
»Was für eine Sprache ist das?«, fragte Makin. Die anderen hielten nach Geistern Ausschau, aber Makin stellte immer gute Fragen.
»Keine Ahnung.« Ich kannte einige Sprachen, sechs gut genug, um Gespräche in ihnen führen zu können. Sechs weitere konnte ich identifizieren, wenn ich sie hörte.
Die Stimme ertönte erneut. »Passwort?«
Das verstand ich. »Du kennst also die Reichssprache, Geist.« Ich hielt das Schwert erhoben, sah mich um und hielt nach dem Sprecher Ausschau. »Zeig dich.«
»Nennen Sie Namen und Passwort.«
Unter dem Staub an der Rückwand des Hohlraums blinkten Lichter wie hellgrüne Würmer.
»Kannst du die Tür öffnen?«, fragte ich.
»Diese Information unterliegt Sicherheitsbeschränkungen. Sind Sie autorisiert?«
»Ja.« Vier Fuß scharfer Stahl waren für mich Autorisierung genug.
»Nennen Sie Namen und Passwort.«
»Wie lange bist du darin gefangen, Geist?«, fragte ich.
Die Brüder versammelten sich um mich herum und starrten in den Hohlraum. Makin bekreuzigte sich. Der Rote Kent befingerte seine Talismane. Lügner holte ein gestohlenes Reliquiar unter dem Kettenhemd hervor.
Ein langer Moment verstrich, bevor die grünen Würmer erneut über die Rückwand marschierten und es unter dem Staub zu einer Flut aus Licht kam. »Eintausendeinhundertelf Jahre.«
»Was verlangst du dafür, die Tür zu öffnen? Geld? Blut?«
»Ihren Namen und das Passwort.«
»Ich heiße Honorous Jorg Ankrath, und mein Passwort ist Gottesgnadentum. Öffne jetzt die verdammte Tür.«
»Ich erkenne Sie nicht.« Etwas an der Ruhe des Geistes machte mich rasend. Wenn er sich gezeigt hätte, wäre ich auf der Stelle durch ihn gelaufen.
»Seit elfhundert Jahren erkennst du nichts weiter als die Rückwand dieses Hohlraums.« Um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, trat ich nach der von Gorgoth gelösten Tafel.
»Sie sind nicht für Raum Zwölf autorisiert.«
Ich sah die Brüder an und suchte nach einer Idee. Gesichter, die weniger Inspiration präsentierten, konnte man sich kaum vorstellen.
»Elfhundert Jahre sind eine lange Zeit«, sagte ich. »War es nicht einsam im Dunkeln in all diesen Jahren?«
»Ich war allein.«
»Du warst allein. Und du könntest wieder allein sein. Wir könnten das Fach schließen, und niemand fände dich.«
»Das stimmt.« Die Stimme sprach weiterhin ruhig, aber die Lichter an der Rückwand blinkten schneller.
»Oder wir könnten dich befreien.« Ich ließ mein Schwert sinken.
»Es gibt keine Freiheit.«
»Was willst du dann?«
Keine Antwort. Ich beugte mich in den Hohlraum, so weit, dass ich die Rückwand mit den Fingern erreichen konnte. Die Oberfläche unter dem Staub fühlte sich gläsern und kalt an.
»Du warst allein«, sagte ich. »Gefangen in tausendjähriger Dunkelheit, nur in Gesellschaft deiner Erinnerungen.«
Was hatte er beobachtet, dieser alte, von den Erbauern eingesperrte Geist? Er hatte den Tag der Tausend Sonnen erlebt und überlebt. Er hatte das Ende des größten Reiches gesehen, den Schrei von Millionen gehört.
»Mein Schöpfer gab mir Bewusstsein, für ›eine flexible und robuste Antwort auf unvorhergesehene Situationen‹, sagte der Geist. »Bewusstsein hat sich bei anhaltenden Phasen der Isolation als Schwäche erwiesen. Speicherbegrenzungen schränken das Erinnerungsvermögen ein.«
»Erinnerungen sind gefährlich. Man dreht sie hin und her, bis man sie von allen Seiten kennt, aber trotzdem findet man gelegentliche ein scharfe Kante.« Ich sah in meine Dunkelheit. Ich wusste, was es hieß, gefangen zu sein, Chaos und Verderben zu sehen. »Mit jedem Tag werden die Erinnerungen etwas schwerer. Jeden Tag ziehen sie einen etwas tiefer. Man wickelt sie um sich, jeweils nur einen Faden, und man knüpft sich das eigene Leichentuch. Man hüllt sich in einen Kokon, und der Wahnsinn wächst.« Die Lichter pulsierten unter meinen Fingern, eine Ebbe und Flut im Takt meiner Stimme. »Du sitzt hier mit all den Geistern, die du erlebt hast. Du fühlst, wie sie sich hinter dir drängen, und verfluchst jene, die dir Leben gaben.«
Adern aus Licht breiteten sich im Glas unter meiner Hand aus, kleine Blitze, die ihr Gitterwerk über die Rückwand streckten. Meine Finger prickelten, und für ein oder zwei Sekunden fühlte ich so etwas wie Bereitschaft.
»Ich weiß, was du willst«, sagte ich. »Du willst ein Ende.«
»Ja.«
»öffne die Tür.«
»Die EM-Verriegelung versagte vor sechshundert Jahren. Die Tür ist nicht verschlossen.«
Ich stieß das Schwert in die Rückwand. Das Glas zerbrach, und jähes Licht vertrieb die Dunkelheit aus dem Hohlraum.
Tiefer stieß ich das Schwert, fühlte etwas Weiches, das wie Fleisch nachgab, und Dinge, die wie Vogelknochen knirschten und knackten. Etwas traf mich an der Brust, und ich taumelte zurück. Makin hielt mich fest. Als die Nachbilder von meinen Augen verschwanden, sah ich mein Schwert, das dampfend und geschwärzt aus der Rückwand ragte.
»Öffnet die verdammte Tür!« Ich schüttelte Makins Hände ab.
»Aber …«, begann Burlow, aber ich unterbrach ihn sofort.
»Sie ist nicht verschlossen. Gorgoth, Rike, zieht an ihr, mit all eurer Kraft. Burlow, hinüber mit dir. Lass dein Fett endlich mal für uns arbeiten.«
Sie stapften los und machten sich an die Arbeit, mit insgesamt über tausend Pfund Muskeln. Für einen Moment geschah nichts. Ein weiterer Moment verstrich, und dann, mit dem Hauch eines Flüsterns von den Angeln, geriet die große Tür in Bewegung.