Ted steht im Garten und betrachtet das Blumenbeet. Obwohl »Blumenbeet« wohl nicht ganz das richtige Wort dafür ist. Ackerwinden- und Ampferbeet. Unkrautdickicht. Kraut-und-Rüben-Acker.
Seufzend beugt er sich darüber, um einen besonders dreisten Schmarotzer herauszuziehen, aber der krallt sich in der Erde fest und bricht ab. Er seufzt noch einmal und wirft die abgerissenen Wedel weg.
Elina ist im Haus. Sie redet mit Jonah, auf Finnisch. Sie hat Ted erzählt, dass sie zur Abwechslung manchmal auch noch auf Schwedisch umschaltet. Für ihn hört sich das eine wie das andere an. Er ist mit ihrer Sprache vollkommen überfordert. Sein finnischer Wortschatz umfasst genau zwei Begriffe: »danke« und »Kondom«. Früher hat Elina nie viel Finnisch geredet - höchstens, wenn sie mit ihrer Familie telefoniert oder sich mit einer finnischen Freundin getroffen hat. Aber jetzt scheint sie nichts anderes mehr zu sprechen.
Ted greift zur Heckenschere und kniet sich ins Gras. Als er die Schere öffnet, gleiten die Klingen mit einem klaren Ssschkkk auseinander. Erstaunlicherweise sind sie innen nicht angerostet. Er hält das stählerne V dicht über den Boden und schneidet. Die Pflanzen fallen um. Er schneidet und schneidet und schneidet. Bald ist er ringsum von abgeschnittenem Unkraut umgeben.
Gestern ist er überraschend dazugekommen, als Elina versonnen aus dem Fenster in den Garten sah. Sie hatte Jonah an der Schulter, mit den Augen in Richtung der Tür, und sie bemerkte Ted nur, weil der Kleine unvermittelt mit dem Kopf ruckte.
»Was schaust du?«, f ragte er, während er die Arme um sie legte und für Jonah, der ihn erstaunt ansah, eine lustige Grimasse schnitt.
»Mein Studio«, sagte sie, ohne sich umzudrehen. »Ich stand gerade hier und dachte mir …«
»Was?«
»Es sieht aus wie das Schloss von Dornröschen.«
Ted überlegte krampfhaft. War das das Märchen mit dem gläsernen Pantoffel? Nein. Oder das mit der Frau, die den langen Zopf hatte? Er spielte auf Zeit. »Inwiefern?«, f ragte er.
»Sieh es dir doch an!«, entgegnete sie gereizt. »Man kann es vor Unkraut kaum noch sehen. Noch ein paar Wochen, dann ist es ganz überwuchert. Und wenn ich irgendwann doch mal wieder Zeit haben sollte zu arbeiten, komme ich nicht mehr rein.«
Deshalb kniet er nun hier im Gras. Er will ihr Studio davor bewahren, vom Garten verschluckt zu werden. Er möchte ihr eine Freude machen. Er möchte, dass sie glücklich ist. Er möchte, dass das Kind länger durchschläft als nur drei Stunden. Er möchte, wenn nicht sein altes Leben zurück, so doch zumindest irgendeine Art von Leben, nicht dieses ständige Taumeln von einem Tag zum nächsten. Er möchte, dass Elina keine dunklen Ringe mehr unter den Augen hat, nicht mehr diese angespannte, verkniffene Miene. Er möchte, dass das Haus nicht mehr nach Kacke riecht. Er möchte, dass es Zeiten gibt, in denen die Waschmaschine nicht läuft. Er möchte, dass sie nicht mehr wütend auf ihn wird, wenn er vergisst, die Wäsche aus der Maschine zu nehmen, die Wäsche auf die Leine zu hängen, die Wäsche zusammenzulegen, Windeln zu kaufen, Essen zu kochen, den Tisch abzuräumen.
Ted schneidet und schneidet. Als er den Bereich vor der Tür zum Atelier gerodet hat, stopft er die Pflanzen in einen Plastiksack.
Der Bewegungsablauf ist einfach und immer gleich: kratzkratz-klaub mit der einen Hand und dann rutsch in den Sack, den die andere hält. Sie haben etwas Hypnotisches, die Geräusche, die Bewegungen. Ted beobachtet seine Hände, die diese überschaubare Aufgabe wie ohne sein Zutun verrichten. Er ist der typische Mann, der typische Vater, der an einem Samstagnachmittag im Garten arbeitet. Irgendwo über ihm rattert ein Hubschrauber. Mit einem Saarh strömt der Atem in Ted herein, mit einem Haarh wieder hinaus, die Lungenflügel wie Blasebälge, die seinen Körper mit Sauerstoff versorgen. Und vielleicht liegt etwas Vertrautes in seiner Tätigkeit, in seinen Bewegungen, vielleicht vereinigen sich aber auch nur mehrere Elemente zu einer neuen Verbindung, denn plötzlich ist ihm so, als ob er durch eine Falltür gestürzt wäre oder in ein Kaninchenloch. Ted sieht sich selbst als kleinen Jungen: Er hockt auf einem Rasen und hält eine kleine grüne Plastikharke in der Hand.
Ted blinzelt. Er richtet sich auf, dreht den Kopf von links nach rechts.
Und schon ist er wieder zurück, in seinem Leben. Das Unkraut, die Schere, der Garten, Elina und Jonah hinter ihm im Haus. Aber gleichzeitig ist er auch der kleine Junge, der auf einem Rasen hockt, eine grüne Plastikharke in der Hand. Hinter ihm sind Leute. Sein Vater, der in einem Liegestuhl sitzt, und noch jemand, knapp außerhalb seines Gesichtsfeldes: der Saum eines langen roten Kleids und ein nackter Fuß, violett lackierte Zehennägel, Schuhe im Gras. Sein Vater zündet sich eine Zigarette an, und er sagt etwas. So etwas habe ich nie behauptet. Dann eine plötzliche Bewegung, und die andere Person springt aus ihrem Liegestuhl auf. Ted sieht das Rot ihres Kleides, das ihr um die Waden wirbelt. Sieht den roten Saum, die violetten Zehennägel, das grüne Gras. Das kommt nicht in Frage, sagt sie.
Und dann geht sie.
Mit wehendem Kleid geht sie weg, zum Haus - aber was ist das eigentlich für ein Haus? Wo sind sie hier, was ist das für eine Terrasse mit Blumentöpfen, was für eine schmale Tür? Ted sieht ihren Rücken, während sie mit großen Schritten über den Rasen geht, sieht langes, glattes Haar, das mit einem Tuch zusammengebunden ist. Das kommt nicht in Frage. Die Bänder des roten Kleides flattern, nackte Fußsohlen blitzen weiß auf. Ted sieht auf die Harke, die er in der Hand hält. Sieht auf seinen Vater. Auf die Schuhe, die im Gras liegen. Er sieht hinter der Frau in dem langen roten Kleid und mit den langen glatten Haaren her, bis sie in dem dunklen Rechteck der Hintertür verschwunden ist.
Elina kommt aus der Küche in den Garten, Jonah auf dem einen Arm, eine Decke über dem anderen. Sie will die Decke im Gras ausbreiten, aber mit einer Hand ist es schwierig, und sie fragt: »Ted, kannst du mir helfen?«
Er steht mit dem Rücken zu ihr. Er dreht sich nicht um.
»Ted?«, wiederholt sie etwas lauter.
Ted reibt und rubbelt sich die Stirn. Elina lässt die Decke auf die Holzterrasse rutschen. Sie bereitet Jonah darin ein Nest, geht zu Ted hinüber und legt ihm leicht die Hand auf die Schulter. »Alles in Ordnung?«
Die Berührung lässt ihn zusammenfahren. »Bestens«, gibt er schroff zurück. »Wieso auch nicht? Was soll schon mit mir sein?«
»Man wird doch wohl noch f ragen dürfen«, blafft Elina zurück. »Deshalb brauchst du mich doch nicht gleich anzuraunzen.«
Er hört auf, sich die Stirn zu reiben, steckt die Hand in die Hosentasche, zieht sie wieder heraus. »Jedenfalls geht es mir bestens.«
»Gut. Nächstes Mal schenke ich mir die Frage.«
Grummelnd wendet Ted sich wieder dem Beet zu. Elina sieht die abgeschnittenen Blumen, die auf der Erde liegen.
»Was treibst du hier überhaupt?«
Er knurrt etwas Unverständliches.
»Wie bitte?«, sagt sie.
Er sieht sie an und sagt: »Jäten.«
»Jäten?«
»Ja. Was dachtest du denn?«
»Keine Ahnung«, sagt sie. »Aber rupft man beim Jäten nicht das Unkraut mit den Wurzeln aus, statt es bloß abzuschneiden? Wächst es nicht wieder nach, wenn man die Wurzeln drinlässt?«
Ted hebt die Schere auf und öffnet sie. Blinkend brechen sich die Sonnenstrahlen an den stählernen Klingen, und Lichtpünktchen stieben durch den Garten. Fast erleichtert fangen sie an, sich zu streiten, als ob sie unbewusst auf ein Ventil gewartet hätten, um sich Luft zu machen. Er sagt, dass man das Unkraut erst abschneiden müsse, bevor man es endgültig beseitigt, und dass Pflanzen ohne Blätter nicht wachsen könnten.
Er verliert die Beherrschung. Er wirft die Schere von sich, mit der Spitze nach unten, so dass sie im Gras stecken bleibt, wie Excalibur. Damit facht er ihre Wut erst richtig an; sie zeigt auf die Schere, die sich dicht neben ihrem Fuß in den Boden gebohrt hat, und beschimpft ihn als Idioten. Er brüllt, er könne ihr anscheinend gar nichts recht machen.
Jonah liegt in seinem Deckennest auf der Terrasse. Hellwach und konzentriert lutscht er an seinem Daumen. Er macht große Augen, er blinzelt nicht. Er lauscht auf die Stimme seiner Mutter, die laut geworden ist vor Zorn und Kummer, und die vier Monate alten Neuronen in seinem Gehirn versuchen zu dekodieren, was das bedeuten könnte, für sie, für ihn. Für den Bruchteil einer Sekunde umwölkt sich seine kleine Stirn, die perfekte Kopie eines erwachsenen Stirnrunzelns.
Er hört auf zu nuckeln, verzieht zweifelnd das Gesicht, hebt die Beinchen in die Höhe und versucht, sich zu drehen. Er will seine Mutter sehen, will ihr zeigen, dass er beunruhigt ist. Aber noch kann er es nicht, noch ist er nicht alt genug. Er stößt einen f rustrierten Schrei aus - einen kurzen, kaum hörbaren Schrei - und probiert noch einmal, sich auf die Seite zu wälzen. Es geht nicht. Er fuchtelt mit den Ärmchen und zappelt wie ein Fisch an der Angel. Und dann wird ihm plötzlich die ganze Ausweglosigkeit seiner Lage bewusst. Der Daumen fällt ihm aus dem Mund, er verzerrt das Gesicht und brüllt los.
Im Nu ist Elina bei ihm, hebt ihn aus der Decke und läuft mit ihm ins Haus.
Ted bleibt im Garten. Er nimmt sich einen Stock und peitscht damit auf das Unkraut ein. Er zieht die Schere aus dem Rasen, lässt sie wieder fallen. Er lehnt sich einen Augenblick an die Wand von Elinas Studio.
Eine halbe Stunde später sind alle drei umgezogen und sitzen im Auto. Bis auf die Frage »Hast du die Autoschlüssel« und die Antwort »Ja« haben Elina und Ted kein Wort mehr miteinander gewechselt. Sie fahren zu Teds Eltern, bei denen sie zum Mittagessen eingeladen sind.
031
»Dabei hatte ich das Ding den ganzen Tag angelassen!« So lautet die Pointe der Geschichte, die Teds Cousine Clara zum Besten gegeben hat. Alles lacht, nur Teds Mutter nicht, die murmelt, wie gefährlich es sei, elektrische Geräte nicht auszuschalten. Elina hat nicht aufgepasst. Es ging wohl um eine Freundin und ein Glätteisen für die Haare. Obwohl sie den Anfang verpasst hat, schmunzelt sie und lacht sogar leise, damit sie nicht auffällt.
Sie sitzen am Tisch. Sie haben gegrillten Fisch gegessen, der mit einer seltsamen, leicht körnigen Soße zugekleistert war, und einen Streuselauflauf, »mit Stachelbeeren aus dem eigenen Garten«, wie Teds Mutter stolz verkündet hat. Teds andere Cousine, Harriet, hat Kaffee gekocht, und jetzt unterhalten sich alle über Claras Reise nach LA vor einigen Wochen, über einen eben angelaufenen Film, den Ted geschnitten hat, über einen Schauspieler, der ein paar Häuser weiter wohnt. Teds Großmutter schimpft vor sich hin, dass sie Sahne in den Kaffee haben wollte, keine Milch, und ob denn heutzutage kein Mensch mehr wisse, was eine anständige Tasse Kaffee sei. Obwohl Elina eigentlich gar nicht hinsehen will, beobachtet sie Harriet, die Jonah auf dem Arm hat. Sie hält ihn, als ob sie ihn vollkommen vergessen hat. Er hängt in ihrer Armbeuge auf ihrem Schoß, das Köpfchen gefährlich nah an der Tischkante. Harriet gestikuliert, während sie erzählt, ihre silbernen Armreifen klappern und klirren, und jedes Mal, wenn sie aufgeregt auf ihrem Stuhl herumhüpft, wackelt Jonahs Kopf auf und ab. Die Ratlosigkeit ist ihm ins Gesicht geschrieben. Er sieht verloren aus, verwirrt. Elina hat versucht, Signale an Ted zu senden, der neben Harriet sitzt: Rette deinen Sohn, rette deinen Sohn. Aber Ted ist anscheinend mit seinen Gedanken im Garten. Seit fünf Minuten starrt er nun schon aus dem Fenster, ohne ein Wort von Harriets Ausführungen mitzubekommen. Gleich, sagt Elina sich, gleich stehst du auf und nimmst Jonah an dich, aber unauffällig, ganz unauffällig. Du machst eine völlig beiläufige Bemerkung, so, als ob er nicht dein Kind wäre, das du über alle Maßen liebst, als ob -
»Sieht sie nicht genauso aus wie das andere?«, murmelt Teds Großmutter über das Gesprächsrauschen hinweg. Dabei zeigt sie auf Jonah.
Clara beugt sich zu ihr. »Es ist ein Junge«, sagt sie laut. »Jonah. Weißt du das nicht mehr?«
Sie schüttelt unwirsch den Kopf, als ob sie eine Fliege verscheuchen will. »Ein Junge?«, blafft sie. »Sieht aber trotzdem aus wie das andere. Findest du nicht?« Die Frage gilt ihrer Tochter.
Aber Teds Mutter ist nebenan in der Küche und räumt ein Tablett ab. Sie redet mit Teds Vater, der an der Hintertür steht und qualmt. Es geht um Portweingläser.
»Wie bitte?«, sagt Ted. »Wen meinst du? Was für ein anderes?«
Seine Großmutter legt die Stirn in Falten und versinkt tief in ihren Gedanken. Sie fuchtelt einmal mit der Hand, legt sie wieder auf die Armlehne ihres Rollstuhls und antwortet: »Du weißt schon.«
Ted dreht sich auf seinem Stuhl um. »Mum!«, ruft er. »Wen meint sie?«
»Und mach jetzt bitte die Zigarette aus«, sagt seine Mutter noch, als sie mit dem leeren Tablett wieder aus der Küche kommt. »Du sollst doch vor dem Kind nicht rauchen.«
»Wen meint sie?«, fragt Ted noch einmal.
Seine Mutter sammelt die Weingläser ein, die zerknüllten Servietten. »Wer meint wen?«
»Großmutter hat gesagt, Jonah sieht aus wie ›das andere‹.«
Sie greift so hastig nach einer Serviette, dass sie ein Glas umstößt. Dunkel breitet sich der Wein auf der Tischdecke aus, sucht sich einen Weg zwischen Tellern und Besteck und ergießt sich als kleiner Wasserfall über die Tischkante in Elinas Schoß. Als Elina aufspringt, läuft ihr der Wein auf die Schuhe. Sie versucht, sich mit einer Serviette abzutupfen. Clara schiebt den Rollstuhl ihrer Großmutter zurück, weg vom Tisch und dem vergossenen Wein. Und plötzlich stehen alle, die einen mit Tüchern, die anderen mit Tipps und Warnungen, und Ted fragt immer noch: »Wen meint sie?«, und seine Mutter sagt: »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, Liebling«, und sein Vater geht hinter Elina vorbei, sie riecht den säuerlichen Zigarettenqualm, den er ausdünstet, und als sie sich zu ihm umdreht, sagt er: »Großes Gegacker im Hühnerstall, hm?« und zwinkert ihr zu.
Elina flüchtet aufs Klo, und als sie zurückkommt, ist niemand mehr am Tisch, niemand mehr im Zimmer. Ihr wird flau im Magen. Sie fühlt sich wie ein Kind, das bei einem Spiel nicht mitmachen darf. Doch dann sieht sie, dass alle in den Garten gegangen sind und es sich in Liegestühlen und auf Decken bequem gemacht haben. Als sie nach draußen kommt, hört sie Teds Mutter sagen: »Gib mir den Kleinen, schnell, bevor …« Den Rest des Satzes schluckt sie hinunter, als sie Elina auf der Terrasse bemerkt. Ohne jemanden anzusehen, setzt sich Elina zu Teds Vater auf eine Decke.
Harriet steht auf und reicht Jonah an Teds Mutter weiter. Die gibt ein leises, unverständliches Geräusch von sich, und bevor Elina schnell wieder den Blick senkt, sieht sie die langen, scharfen Nägel an Jonahs Wange. Diese Frau wird Jonah nach ihrem Geschmack formen. Ihm die strubbeligen Haare glatt streichen. Ihm das Jäckchen bis zum Hals zuknöpfen. Ihm die Söckchen hochziehen oder beanstanden, dass er keine trägt. Ihm die Ärmel bis über die Fäustchen ziehen.
Elina kann das nicht mit ansehen. Sie blickt sich im Garten um. Harriet liegt auf einer Decke, den Kopf in Claras Schoß. Sie bewundern Claras Armband. Die Großmutter, die unter einem Baum geparkt wurde, ist eingeschlafen, die Füße auf einem Hocker. Ted sitzt krumm in einem Liegestuhl, die Beine übereinandergeschlagen, die Arme verschränkt. Beobachtet er, was seine Mutter mit Jonah anstellt? Schwer zu sagen. Möglich ist es, aber vielleicht starrt er auch nur vor sich hin.
Elina findet das Haus von Teds Eltern seltsam. Es ist hoch und hat mehrere übereinandergestapelte Stockwerke, zwischen denen sich die Treppe wie eine Helix emporwindet. Mit der Vorderfront grenzt es an einen Platz, der von identischen Häusern gesäumt ist - eiserne Balkone, gleichmäßig angeordnete Schiebefenster, schwarze Gitter vor den Kellerfenstern. Hinten hat es einen Garten, der zu klein wirkt, nicht ausreichend für die Höhe des Gebäudes. Wenn Elina auf der Rückseite an dem Haus emporschaut, hat sie immer das Gefühl, es könnte jeden Augenblick auf sie kippen.
»Wie geht es Ihnen denn so, Miss Elina?«
Sie dreht sich zu Teds Vater um. Er hat eine Zigarette im Mund und klopft seine Taschen nach dem Feuerzeug ab.
»Danke, gut.«
»Und wie gefällt Ihnen das …« Er knipst das Feuerzeug an und pafft an der Zigarette, bis sie glüht. »… das Mutterdasein?«
»Hm.« Sie überlegt, was sie sagen soll. Soll sie ihm erzählen, wie oft sie in der Nacht wach liegt, wie oft sie sich am Tag die Hände waschen muss? Wie sie Berge winziger Kleidungsstücke zusammenlegt? Wie sie immer wieder Wäsche, Windeln und Feuchttücher ein- und wieder auspackt? Oder etwas über die Narbe auf ihrem Unterleib, die wie ein gezacktes Grinsen aussieht, über die allumfassende Einsamkeit? Vom stundenlangen Knien auf dem Fußboden, eine Rassel, einen Ball oder einen Stoffwürfel in der Hand? Dass sie manchmal der Drang überkommt, ältere Frauen auf der Straße anzusprechen und sie zu fragen: Wie haben Sie es geschafft, wie haben Sie es überlebt? Oder soll sie erwähnen, dass sie nicht im Mindesten auf die sprudelnde Quelle in sich vorbereitet war, auf das Gefühl, das mit dem Wort »Liebe« nicht abgedeckt werden kann, weil es viel zu groß dafür ist. Dass sie ihren Sohn manchmal verzweifelt vermisst, obwohl sie ihn direkt neben sich hat, dass es wie Wahnsinn ist, wie eine Besessenheit, dass sie, wenn er eingeschlafen ist, oft in sein Zimmer schleichen muss, um ihn sich anzusehen, sich seiner zu vergewissern und ihm etwas zuzuflüstern. Aber stattdessen sagt sie nur: »Sehr. Danke.«
Teds Vater schnippt die Asche auf die Erde und mustert Elina von unten bis oben, von den Füßen, die in Sandalen stecken, über die Beine und den Oberkörper bis hoch ins Gesicht. »Es steht Ihnen«, sagt er schließlich mit einem Lächeln.
Nicht zum ersten Mal muss sie daran denken, dass Ted seinen Vater einmal einen »geilen alten Bock« genannt hat, und sie stellt ihn sich kurz mit einem weißen Ziegenbart vor, angepflockt und an seiner Kette zerrend. Sie schmunzelt. »Was steht mir?«, fragt sie, und weil sie sich so beherrschen muss, nicht loszulachen, kommt ihr die Frage lauter als beabsichtigt über die Lippen.
Er zieht an der Zigarette und betrachtet sie aus leicht zusammengekniffenen Augen. Sie sieht ihm an, dass er zu seiner Zeit ein attraktiver Mann gewesen sein muss. Die blauen Augen, die spöttisch gekräuselte Oberlippe, das einst blonde Haar. Seltsam, dass schöne Menschen die Erwartung, die Gewissheit, bewundert zu werden, nie ganz ablegen können.
»Das Muttersein«, antwortet er.
Sie zieht an ihrem Rock, zieht ihn über ihre Knie. »Finden Sie?«
»Und wie bekommt das Vatersein meinem Sohn?«
Elina wirft einen Blick auf Ted, der seine Augen abwechselnd zusammenkneift und wieder aufreißt. »Inwiefern?«, fragt sie, etwas abgelenkt.
»Wie schlägt er sich so als Vater?«
»Hm.« Ted rutscht im Liegestuhl nach vorn, hält sich erst das eine, dann das andere Auge zu. »Gut«, murmelt sie. »Prima, würde ich sagen.«
Teds Vater drückt die Zigarette in einer Untertasse aus. »Zu meiner Zeit hatten wir es einfacher.«
»Einfacher? Wieso?«
Er zuckt mit den Schultern. »Man hat nichts von uns erwartet - kein Wickeln, kein Kochen, gar nichts. Wir hatten es leicht. Man hat sich höchstens mal beim Baden blicken lassen und machte samstags einen Ausflug in den Park oder so. Am Geburtstag ging man in den Zoo. Das war auch schon alles. Dagegen haben es die jungen Männer heute schwer.« Er deutet mit dem Kopf in Richtung Ted.
Sie schluckt. »Aber wie …«
Auf der anderen Seite des Gartens sagt jemand: »Du liebe Güte.« Elina ist schneller auf den Beinen, als sie denken kann. Teds Mutter hält Jonah mit gerümpfter Nase auf Armeslänge von sich. »Ich glaube, da braucht jemand eine f rische Windel.«
»Natürlich.« Elina nimmt ihn ihr ab, legt ihn sich an die Schulter, bringt ihn ins Haus. Jonah wühlt seine Finger in ihr Haar und sagt ihr »ör-blör-mg« ins Ohr, als ob er ihr ein Geheimnis anvertrauen will.
»Danke gleichfalls«, flüstert sie, schnappt sich in der Diele mit einer Hand die Wickeltasche und geht aufs Gäste-WC, das bei Teds Mutter »der Waschraum« heißt, weshalb Elina anfangs immer dachte, man könne sich darin nur waschen. Sie packt die Feuchttücher aus, die frische Windel, die Papiertaschentücher und legt sie sich neben dem Waschbecken zurecht. Sie setzt sich auf den Toilettendeckel, packt sich Jonah auf den Schoß.
»Iiiiiööööörrrrkkkkk!«, quietscht er f röhlich, während er nach seinen Zehen, ihrem Haar und ihrem Ärmel greift, so laut, dass sein Quietschen von den Wänden des kleinen WCs wiederhallt.
»Au.« Sie löst ihre Haare aus seinen Finger und knöpft seinen Strampler auf. »Du kannst aber laute Töne machen. Und was für Töne!« Sie hält inne. Dann sagt sie: »Oh.«
Die halb flüssige Kacke hat sich über Jonahs Beinchen und seinen halben Rücken verteilt. Sie hat sich in sein Hemdchen gesogen, in seinen Strampler, sein Jäckchen, und - daran denkt sie erst jetzt - in ihren Rock. So eine Bescherung haben sie seit Ewigkeiten nicht mehr gehabt, und natürlich musste es ausgerechnet hier passieren, ausgerechnet heute.
»Mist«, schimpft sie. »Mist, Mist.« Während sie die letzten Druckknöpfe aufknöpft und Jonahs Händchen vorsichtig aus den Ärmeln zieht, passt sie auf, dass sie ihn nicht noch mehr beschmiert. Aber das Ausziehen geht Jonah offenbar ein bisschen zu weit. Er verzieht zweifelnd das Gesicht, seine Unterlippe zittert.
»Nein, nein, nein, nein«, sagt Elina. »Ist schon gut, ist ja schon gut. Gleich haben wir’s.« Eilig zieht sie den Strampler unter ihm weg, um die letzten Etappen möglichst schnell hinter sich zu bringen. Als sie ihm das Hemdchen über den Kopf zieht, stößt er ein Wutgebrüll aus. Sie muss wohl aus Versehen an seinem Ohr hängen geblieben sein. Er macht sich ganz steif, holt krampfhaft Luft und brüllt erst richtig los.
Elina knüllt die verdreckten Sachen zusammen und wirft sie auf den Boden. Sie dreht den schreienden, strampelnden Jonah um, sie macht seinen Rücken sauber, so schnell es geht. Es ist furchtbar warm in der Toilette. Sie hat Schweißperlen auf der Lippe, ist klitschnass unter den Armen, feucht läuft es ihr den Rücken hinunter. Jonah ist außer sich vor Empörung, sein nackter kleiner Körper ist glitschig von den Feuchttüchern, und sie hat Angst, ihn fallen zu lassen. Sie reckt sich gerade nach der frischen Windel - sobald er sie um hat, kann nichts mehr passieren -, als sie fühlt, wie er sich innerlich anspannt. Jetzt hat sie die Windel in der Hand, gleich ist es geschafft, nur noch wenige Sekunden, da blickt sie nach unten und sieht, dass Jonah sich ein zweites Mal entleert.
Es ist eine unglaubliche Ladung. Die sich mit unglaublicher Wucht entlädt. Aber darüber kann sie jetzt nicht nachdenken. Es spritzt an die Wand, auf den Boden, auf ihren Rock, ihre Schuhe. Wie aus großer Ferne hört sie sich »O Gott« sagen. Einen Augenblick lang ist sie wie versteinert, sie kann sich nicht bewegen, kann keinen klaren Gedanken fassen. Sie klemmt sich die Windel unter das Kinn, und während sie noch nach den Feuchttüchern tastet, kommt bereits der nächste Schwall. Sie denkt: Der Waschraum von Teds Mutter ist von oben bis unten vollgeschissen. Der Waschraum. Und ich. Und Jonah. Ihr kommen die Tränen. Sie weiß nicht, was sie zuerst säubern soll. Das Kind? Die Wand? Die Fußleiste? Das schneeweiße Gästetuch? Ihren Rock? Ihre Schuhe? Sie hat die weiche, klebrige Kacke zwischen den Zehen. Sie saugt sich durch ihren Rock in ihre Unterwäsche. Der Gestank ist unbeschreiblich. Und Jonah hört nicht auf zu schreien.
Elina beugt sich vor und entriegelt die Tür. »Ted!«, ruft sie. »TED!«
Clara kommt in die Diele gesegelt - seidener Faltenrock, goldene Schuhe mit Wadenriemchen, eine Augenbraue in die Höhe gezogen. »Hi«, sagt Elina durch den Türspalt, um einen möglichst gefassten Ton bemüht. »Würdest du bitte Ted f ragen, ob er kurz herkommen kann?«
Keine Minute später schlüpft Ted zu ihr herein. Elina war noch nie so f roh, ihn zu sehen.
»Du großer Gott«, sagt er, während er sich umschaut. »Was ist denn hier passiert?«
»Wonach sieht es denn aus?«, gibt sie müde zurück. »Kannst du mir Jonah abnehmen?«
Er zögert, blickt an seiner Kleidung hinunter.
»Du kannst entweder Jonah nehmen oder die Kacke wegmachen«, sagt sie über das Gebrüll hinweg. »Du hast die Wahl.«
Ted nimmt seinen schreienden, strampelnden Sohn und hält ihn mit ausgestreckten Armen von sich. Elina wischt ihn noch einmal sauber, dann legt sie ihm die Windel an. »Okay. Die sauberen Sachen liegen hier. Du ziehst ihn an, ich putze.«
Ted quetscht sich zum Waschbecken durch, und Elina kauert sich hin, um die Bescherung von den Wänden, von der Fußleiste, vom Boden zu wischen. Als sie fertig ist, schlängelt sie sich an Ted vorbei nach draußen. Der ist immer noch damit beschäftigt, Jonah das auf links gedrehte Hemdchen anzuziehen.
Sie lehnt sich mit dem Rücken an die Wand und schließt die Augen. Jonahs Gebrüll geht in ein unregelmäßiges heiseres Schluchzen über. Wenig später hört sie Ted aus dem Gästeklo kommen. Als sie die Augen wieder aufmacht, ist ihr Sohn vor ihr, die Augen nass von Tränen, den Daumen fest im Mund.
»Du brauchst etwas Sauberes zum Anziehen«, sagt Ted.
Seufzend schlägt Elina die Hände vors Gesicht. »Können wir nach Hause fahren?«, fragt sie dumpf.
Ted zögert. »Meine Mutter hat gerade eine Kanne Tee gemacht. Hättest du etwas dagegen, wenn wir so lange noch bleiben? Danach fahren wir auch sofort.«
Sie nimmt die Hände herunter; er weicht ihrem Blick aus. Am liebsten würde sie wieder einen Streit vom Zaun brechen, Grund genug dafür hätte sie, aber bevor sie dieser Versuchung nachgibt, fällt ihr etwas ein. »Was ich dich noch fragen wollte. Ist alles in Ordnung mit dir?«
Er sieht sie an. »Wieso?«
»Du hast es wieder gemacht.«
»Was?«
Sie imitiert sein Blinzeln. »Das.«
»Wann?«
»Im Garten. Gerade eben. Und du kommst mir ein bisschen so vor, als ob du neben dir stehst.«
»Unsinn.«
»Nein. Was ist los mit dir? Hattest du wieder etwas mit den Augen? Musstest du …«
»Alles bestens. Mir geht es gut.« Ted legt sich Jonah an die Schulter. »Ich f rag meine Mutter, ob Sie dir etwas zum Anziehen leihen kann«, sagt er und ist verschwunden.
Elina geht hinter Teds Mutter die Wendeltreppe hinauf, immer höher, vorbei an lauter geschlossenen Türen. In diesem Teil des Hauses ist sie noch nie gewesen. Nie weiter als bis zu dem »Salon« im ersten Stock. Aber jetzt folgt sie Teds Mutter noch zwei Etagen höher, in ein beige ausgelegtes Schlafzimmer mit gerafften Vorhängen, die von Schals mit Quasten gehalten werden.
»Hm«, sagt Teds Mutter, während sie den Kleiderschrank aufmacht. »Ob wir etwas finden, das Ihnen passt? Sie sind ja nun doch etwas stattlicher gebaut als ich.« Sie schiebt einen Bügel zur Seite, dann den nächsten. »Ich meine, von der Größe her.«
Elina geht zum Fenster und sieht hinunter auf die Straße, auf den Platz, in die Gärten, auf die Bäume, die sich leicht im Wind wiegen. Die Blätter verfärben sich bereits orangebraun. Ob es tatsächlich schon Herbst werden will?
»Wie wäre es damit?«
Teds Mutter hat ein bräunliches Jerseykleid in der Hand. »Super«, sagt Elina. »Danke.«
»Sie können sich gleich hier nebenan umziehen.« Sie hält Elina die Tür zum Ankleidezimmer auf.
Die Tapeten haben ein Muster aus großen gelben Chrysanthemen und Ranken. Neben dem Fenster steht eine Frisierkommode mit einem erstaunlichen Sortiment an Fläschchen, Tiegeln und Tuben. Während Elina ihren Rock aufhakt und zu Boden gleiten lässt, tritt sie neugierig näher. Mit schiefgelegtem Kopf liest sie: »Anti-ageing Formel« und »Straffende Hals- und Dekolleté-Creme.« Sie grinst - wer hätte das gedacht, dass Teds Mutter derart exzessiv der Schönheitspflege f rönt? Da sieht sie sich plötzlich selbst im Spiegel - ohne Rock, in einer verdreckten Bluse, mit strubbeligen Haaren. Hastig reißt sie sich die Bluse vom Leib und zieht das scheußliche Kleid an. Während sie mit dem Reißverschluss kämpft, macht sie eine Entdeckung.
Hinter der Frisierkommode lugt die rechtwinklige Ecke eines Keilrahmens hervor. Ausgerechnet hier, im Ankleidezimmer von Teds Mutter. Er passt so wenig hierher, dass sie fast lachen muss.
Zuerst denkt sie sich nichts weiter dabei. Sie findet es höchstens ein wenig seltsam, dass er zwischen das Möbelstück und die Wand geschoben wurde. Die Farben sind dick aufgetragen: Grau, ein gedecktes Blau, Schwarz. Elina lässt den Reißverschluss Reißverschluss sein und kauert sich neben die Leinwand. Erst in letzter Sekunde kann sie sich beherrschen, um sie nicht zu berühren, die Struktur der Farben zu fühlen.
Elina beugt sich immer näher zu dem Gemälde, dann fährt sie erschrocken zurück. Von dem Bild ist nur ein vielleicht zehn Zentimeter breiter Streifen zu sehen: bunte, dick auf die Leinwand aufgetropfte Wirbel, tief in die Farbe eingedrückte Pinselhaare. Obwohl für sie schon jetzt zweifelsfrei feststeht, von wem dieses Werk stammen muss, kann sie es nicht glauben, nicht fassen. Sie kriecht unter die Kommode und schiebt sich auf Höhe der Fußleiste an der Leinwand entlang, bis sie in der rechten unteren Ecke die leicht verschmierte Signatur findet, schwarz und unverkennbar.
Es klopft an der Tür. Elina schreckt so heftig zurück, dass sie sich den Kopf unter der Frisierkommode anstößt.
»Auts«, wimmert sie. »Kirota.«
»Alles in Ordnung bei Ihnen?«, hört sie Teds Mutter f ragen.
»Ja.« Elina reibt sich den Kopf und geht langsam zur Tür. »Alles bestens. Entschuldigung.« Sie macht auf, streicht sich die Haare aus dem Gesicht. »Ich … Äh … Ich …«
Teds Mutter kommt herein. Sie messen einander mit argwöhnischen Blicken, wie zwei fremde Katzen, die sich begegnen. Teds Mutter sieht sich im Zimmer um, als ob sie Angst hätte, ausgeraubt worden zu sein.
»Mir ist bloß etwas aus der Hand gefallen«, murmelt Elina. »Und, äh …«
»Soll ich Ihnen mit dem Reißverschluss helfen?«
»Ja«, sagt Elina erleichtert. »Das wäre nett.« Sie dreht sich um. Als ihr Teds Mutter die Hand auf den Rücken legt, springt ihr wieder die Ecke des Keilrahmens in Auge, die bunten Wirbel und Tropfen. »Sie haben einen Jackson Pollock hinter Ihrer Frisierkommode«, entfährt es ihr.
Teds Mutter hält mit dem Ziehen des Reißverschlusses inne. »Tatsächlich?«, antwortet sie unterkühlt.
»Ja. Haben Sie eine Vorstellung davon, wie viel er … Aber darum geht es gar nicht. Nur … Er ist unglaublich wertvoll. Und unglaublich selten. Ich meine, wie kommt er … Wie kommen Sie … Woher …«
»Es ist schon seit Jahren in Familienbesitz.« Die Hand wandert weiter, bis in Elinas Nacken. Dann geht Teds Mutter zur Frisierkommode. Sie sieht auf die Leinwand hinunter. Sie rückt die Fläschchen und Tiegel zurecht, als ob sie sie abzählt, legt einen Handspiegel gerade hin. »Wir haben noch mehr …«
»Noch mehr Pollocks?«
»Nein. Ich glaube nicht. Von anderen Künstlern aus derselben Epoche, glaube ich. Aber damit kenne ich mich leider nicht besonders gut aus.«
»Wo sind sie?«
Sie macht eine wegwerfende Handbewegung. »Irgendwo im Haus. Wenn Sie möchten, kann ich sie Ihnen irgendwann einmal zeigen.«
Elina schluckt. Die Situation ist so absurd, dass sie einfach nicht in ihren Kopf hineinwill. Hier steht sie, im Ankleidezimmer von Teds Mutter, im Kleid von Teds Mutter, im selben Zimmer wie ein Jackson Pollock, der wie ein Stück Flohmarktgerümpel hinter der Frisierkommode verstaubt, und plaudert über eine möglicherweise unschätzbare Kunstsammlung, als ob es sich um eine Kollektion selbstgehäkelter Zierdeckchen handelt. »Ja«, bringt sie mit Mühe hervor. »Das wäre schön.«
Teds Mutter lächelt herablassend und lässt sie spüren, dass das Thema damit für sie beendet ist. »Wie steht es denn eigentlich mit Ihrer Arbeit? Können Sie überhaupt schon wieder malen?«
»Äh …« Elina muss überlegen. Ihre Arbeit? Sie kann sich kaum noch daran erinnern. »Nein. Noch nicht.« Sie kratzt sich den Kopf. Sie kann den Blick nicht von dem Gemäldestreifen losreißen.
»Gehen wir wieder nach unten?«
»Ja. Sicher.« Elina dreht sich noch einmal zu dem Gemälde um. »Äh, sagen Sie, Mrs. R…«
»Herrgott noch mal«, fällt ihr Teds Mutter ins Wort, während sie schon halb zur Tür hinausgerauscht ist. »Nun nenn mich doch bitte Margot.«