Lennart Kollberg gehörte nicht zu den Leuten, die sich leicht verblüffen lassen, aber diesmal saß er wohl eine halbe Minute lang wie versteinert da und blickte aus dem Fenster auf die häßliche, lärmende Industrie und Vorstadtgegend, die das Polizeigebäude Süd umgab. Schließlich entgegnete er lahm: »Was? Wie meinst du das?«
»War das noch nicht klar genug?« antwortete Hjelm zufrieden. »Oder hat ich mich vielleicht undeutlich ausgedrückt? Der Brand ist gelegt worden! Mit anderen Worten: es war Brandstiftung.«
»Brandstiftung?«
»Ja. Daran besteht kein Zweifel. Jemand hat eine Brandpatrone mit verzögerter Zündung in die Matratze praktiziert. Eine kleine chemische Brandbombe, wenn du so willst. Mit Zeiteinstellung.«
»Mit Zeiteinstellung?«
»Genau. Sehr wirksames kleines Ding. Einfach und leicht zu handhaben, sicher nicht größer als eine Streichholzschachtel. Davon ist natürlich nicht mehr viel übrig.« Kollberg schwieg.
»Wenn wir nicht so gründlich gesucht hätten, hätten wir wohl kaum noch eine Spur davon gefunden«, erklärte Hjelm. »Man muß schon genau wissen, wo man zu suchen hat.«
»Und das wußtest du? So zufällig?«
»In unserem Beruf kann man sich nicht auf den Zufall verlassen. Es war eher so, daß ich mir verschiedene Einzelheiten gemerkt und dann daraus die logischen Schlüsse gezogen habe.«
Kollberg hatte sich jetzt so weit erholt, daß er wütend werden konnte. »Nun sitz nicht da und ergeh dich in Selbstbeweihräucherung. Wenn du was zu sagen hast, dann raus damit.«
»Hab ich doch schon«, schnaubte Hjelm. »Wenn du es noch mal im Klartext haben willst, dann bitte: Jemand hat in Malms Matratze eine chemische Brandbombe versteckt. Einen chemischen Brandsatz mit Zündröhre, die an einen kleinen Apparat mit Federaufzug angeschlossen war, ungefähr so wie ein einfaches Uhrwerk. Ihr bekommt nähere Einzelheiten, wenn wir den Rest untersucht haben.«
»Bist du deiner Sache ganz sicher?«
»Ob ich sicher bin? Wir hier draußen machen keine Ratespiele. Im übrigen finde ich es ein bißchen merkwürdig, daß sich noch niemand darüber gewundert hat, warum die Kleidung und der Rücken fast völlig verkohlt waren, obwohl die Leiche in Fechterstellung gefunden wurde. Oder daß die Matratze so gut wie ganz zerstört war, während das Bett noch einigermaßen erhalten geblieben ist.«
»Eine Brandbombe in der Matratze.« Kollberg zweifelte immer noch. »Mit Zeiteinstellung und so groß wie eine Streichholzschachtel? Bis zum 1. April sind es noch zehn Tage hin!«
Hjelm brummte etwas Unverständliches, höflich klang es nicht.
»Davon hab ich noch nie was gehört«, fuhr Kollberg fort.
»Ich aber. Hier in Schweden ist die Methode, so gut ich weiß, neu, aber ich hab von mehreren Fällen in Mitteleuropa gehört, besonders aus Frankreich. Ich hab sogar schon solche Apparate gesehen. In Paris. Bei der Surete.«
Ohne anzuklopfen, betrat Skacke das Zimmer. Verdutzt blieb er stehen und starrte in Kollbergs wütendes Gesicht.
»Würde euch gar nichts schaden, wenn ihr gelegentlich mal 'ne Studienreise machtet«, stellte Hjelm giftig fest.
»Und welche Zeitspanne kann man bei so 'nem verdammten Ding einstellen?«
»Das Ding, das ich in Paris gesehen habe, konnte man bis zu acht Stunden laufen lassen. Man konnte es so präzise einstellen, daß es praktisch auf die Minute genau detonierte.«
»Aber da muß man doch was hören. Ticken die Dinger nicht?«
»Nicht lauter als eine Armbanduhr.«
»Und was passiert, wenn sie detonieren?«
»Da wird ein chemischer Brandsatz gezündet, der schnell und mit hoher Temperatur verbrennt. In wenigen Sekunden breitet sich das Feuer über eine begrenzte Fläche aus und kann mit normalen Mitteln nicht gelöscht werden. Ein Schlafender hat so gut wie keine Chance, sich zu retten. Und in neun von zehn Fällen wird Rauchen im Bett als Ursache angenommen…« Hjelm machte eine Kunstpause, bevor er den Satz beendete: »Wenn nicht der Kriminaltechniker, der den Fall untersucht, besonders wach und versiert ist.«
»Nein«, fuhr Kollberg plötzlich auf. »Das ist doch völlig absurd. Jetzt aber Schluß mit den Zufällen. Willst du mir einreden, daß dieser Mahn nach Hause gekommen ist und alle Rauchabzüge und Ritzen abgedichtet, dann das Gas aufgedreht und sich aufs Bett gelegt hat, in dem ein anderer schon eine Höllenmaschine versteckt hatte? Und er sich das Leben nahm und schon tot war, als er ermordet wurde? Und daß die Bombe das Gas entzündet hat und das Haus in die Luft flog und drei andere Menschen verbrannten, und das alles direkt vor der Nase des dümmsten Detektivs der Kriminalgeschichte? Der dabeistand und große Augen machte? Wie willst du das erklären?«
»Das ist kaum meine Sache«, entgegnete Hjelm ungewöhnlich freundlich. »Ich kann euch nur Fakten vorlegen. Die Erklärung müßt ihr schon selbst finden. Dazu ist die Kriminalpolizei doch da, oder?«
»Wiedersehen«, sagte Kollberg nur und warf den Hörer auf die Gabel.
»Was ist denn los?« fragte Skacke. »Ist jemand gestorben? Rönn war übrigens nicht…«
»Schnauze«, rief Kollberg. »Und das nächste Mal, wenn du in das Zimmer eines Vorgesetzten reinkommst, klopft du vorher an. Denk dran, wie es Stenström ergangen ist!«
Er stand auf und ging zur Tür. Zog den Mantel an und setzte den Hut auf. Dann wies er mit seinem dicken Zeigefinger auf Skacke und sagte: »Ich hab eine Reihe von sehr wichtigen Aufträgen für dich. Ruf beim Polizeichef an und sag Martin Beck, daß er sofort die Konferenz verlassen soll. Sieh zu, daß du Rönn und Hammar erreichst, und hol Melander ran, auch wenn du die Klotür aufbrechen mußt. Sag jedem einzelnen, daß er gleich den Abteilungsleiter Hjelm beim Staatlichen Kriminaltechnischen Laboratorium anrufen soll. Das sagst du auch zu Ek und Strömgren und allen, die du von der 1. Abteilung erreichen kannst. Wenn du damit fertig bist, setzt du dich in dein Zimmer und rufst selbst Hjelm an und fragst ihn, was los ist.«
»Willst du weggehen?« fragte Skacke.
»Dienstlich«, antwortete Kollberg und blickte auf die Uhr. »In zwei Stunden bin ich in der Kungsholmsgatan zu erreichen.«
Schon auf der Västbergaalle wäre er beinahe wegen zu schnellen Fahrens angehalten worden.
In der Wohnung in der Palandergatan kam seine Frau aus der Küche, und eine Woge aromatischer Düfte strömte ihm entgegen.
»Du siehst aber komisch aus«, meinte sie unbekümmert. »Das Essen ist noch nicht fertig, 'ne Viertelstunde haben wir noch Zeit.«
»Nein«, entgegnete Kollberg mit einem Blick in das Schlafzimmer, »nicht da. Die Matratze könnte explodieren.«