Montag
Die morgendliche Dienstbesprechung fand, wie schon seit Längerem, auch an diesem Montag in einem reduzierten Kollegenkreis statt. Schuld war der Sommer. Für die ersten Urlaubsrückkehrer waren jetzt andere Kollegen des Kommissariats in die Sommerpause gegangen. Manfred Stellfeldt sah gebräunt und erholt aus. Saskia Baumann hingegen war von ihrer Grippe genesen und auch wieder unter den Anwesenden. Neugierig lauschten alle, was Wünnenberg und Hackenholt über den toten Stadtstreicher aus dem Reichswald zu berichten hatten.
»Soso. Da haben wir also wieder mal einen toten Sandler«, seufzte Stellfeldt, während er seine Glatze massierte, auf der sich die Haut nach einem abklingenden Sonnenbrand schälte. »Zumindest sieht es dieses Mal nicht nach einem Übergriff von Neonazis aus. Kann der Mord etwas mit dem Beruf von Herrn Gruber zu tun haben? Er war doch Arzt. Unter normalen Umständen lebt diese Spezies nicht völlig verarmt auf der Straße.«
Hackenholt zuckte mit den Schultern. »Wir stehen noch ganz am Anfang der Ermittlungen. Im Moment können wir noch überhaupt nichts ausschließen; auch wenn es zugegebenermaßen auf den ersten Blick nicht nach Neonazis aussieht. Ralph und ich werden nachher versuchen, den Obdachlosen am Weißen Turm aufzuspüren. Gestern war er nicht da. Außerdem müssen wir noch in der Notschlafstelle der Caritas nachfragen, ob der Professor dort bekannt ist.«
Stellfeldt nickte zustimmend.
»Un mir? Wos sollnern edzadla mir machn?«, fragte Saskia Baumann voller Tatendrang.
»Ihr habt heute Bürodienst: Papierberge abarbeiten ist angesagt«, grinste Wünnenberg. »Da hat sich in den letzten zwei Wochen nämlich ganz schön viel Kleinkram angesammelt, den ich dir auf deinen Schreibtisch gestapelt habe.«
Zu Fuß gingen die zwei Kripobeamten die wenigen Schritte vom Jakobs- zum Ludwigsplatz hinüber. Hackenholt genoss das sommerliche Wetter. Am liebsten hätte er sich in eins der Straßencafés gesetzt und einfach die vorbeihastenden Touristenströme beobachtet. Der Weiße Turm, der Mitte des 13. Jahrhunderts als Teil der vorletzten Stadtbefestigung errichtet worden war, ragte vor ihnen auf. Hackenholt erinnerte sich, dass Sophie ihm unlängst, als sie beim Einkaufen hier vorbeigekommen waren, erzählt hatte, der Turm sei früher mit weißem Kalkputz verkleidet gewesen, damit man das Mauerwerk nicht sah, da dies als unschicklich galt. Erst im Zuge der Renovierungsarbeiten in der Nachkriegszeit waren die Steine wieder freigelegt worden.
Wünnenberg und Hackenholt umrundeten die vorgelagerten kleinen Türmchen, die Barbakane, und gelangten zum östlichen Toreingang. Dort, gleich neben den Rolltreppen, die hinunter zur U-Bahn führten, trafen sie auf zwei Stadtstreicher: Ein blonder Mann in Lederjacke und mit einer Baseballmütze lag stumm vor sich hin lächelnd auf einer der zwei Bänke, neben ihm saß ein älterer Mann mit Spazierstock, festen Schuhen und einem Wanderhut. Er trug trotz der warmen Temperaturen nicht nur einen langärmligen Pullover, sondern darüber auch noch eine dünne Regenjacke aus Plastik. Zu seinen Füßen stand eine geöffnete Flasche Bier.
Hackenholt stellte sich und Wünnenberg vor und fragte höflich, ob er ihn zu einer Tasse Kaffee einladen dürfe, sie würden sich gerne mit ihm unterhalten. Dabei wies er zu den Sonnenschirmen des Cafés »Der Beck«.
Der Obdachlose blickte Hackenholt erschrocken an. »Dafür bin ich heute aber wirklich nicht fein genug angezogen. Die würden nicht wollen, dass ich mich da hinsetze.«
Fasziniert beobachtete Hackenholt, wie der Stadtstreicher einen alten, abgenutzten Rollwagen – den normalerweise ältere Herrschaften für ihre Einkäufe nutzten – näher zu sich heranzog. Aus der Tasche ragten drei nicht mehr taufrisch aussehende Stangen Lauch heraus. Als der Mann, der von den Polizisten Schorsch genannt werden wollte, Hackenholts interessierten Blick sah, erklärte er stolz, er habe das Gemüse am Vortag von einem Bauern auf dem Hauptmarkt geschenkt bekommen.
»Wenn man ganz spät hingeht, also dann, wenn sie gerade am Zusammenpacken sind, dann verschenken sie manchmal das, was sie nicht verkaufen konnten. Den Porree koche ich heute Abend in der Unterkunft. Oder möchten Sie ihn vielleicht haben? Man kann ihn auch gut roh essen.« Mit einer einladenden Geste bot er Hackenholt großherzig das gammelige Gemüse an. »Sie haben sicher eine richtige Küche zu Hause, nicht wahr?«
Hackenholt lehnte lächelnd ab. »Wir wollten Sie wegen etwas ganz anderem sprechen, Schorsch. Sie kennen doch den Professor, oder?«
»Ja, aber wissen Sie was? Da stimmt was nicht. Den hab ich jetzt schon eine ganze Zeit lang nicht mehr gesehen. So langsam mache ich mir Sorgen. Sonst ist er immer alle paar Tage hier vorbeigekommen, auch wenn er auf Urlaub war. Ich habe mir schon überlegt, ob ich mal nach Mögeldorf fahren und nachsehen soll.« So wie der Mann das sagte, klang es nach einer wahren Weltreise. »Aber dann dachte ich, dass er vielleicht dieses Jahr einfach nur woanders Ferien macht.«
»Wann haben Sie ihn denn das letzte Mal gesehen?«
»Ja, wissen Sie, das ist auch so eine Sache.« Schorsch rückte den Hut zur Seite und kratzte sich am Kopf. »So genau nehme ich es nicht mehr mit der Zeit. Aber es ist bestimmt schon eine ganze Weile her. Auf alle Fälle vor dem großen Regen. Oder? Was sagst du?«, wandte er sich an den neben ihm liegenden Kumpel, der ihn jedoch nur sanft lächelnd ansah und nicht weiter reagierte. Schorsch machte eine wegwerfende Handbewegung. »Der ist debil. Sie wissen schon. Nicht ganz richtig im Kopf.«
Hackenholt nickte. »Wie haben Sie das vorhin eigentlich mit dem Urlaub gemeint? Das habe ich nicht so ganz verstanden. Ist der Professor tatsächlich manchmal weggefahren?«
Schorsch grinste wissend. »Ja, also, das ist eine Eigenheit von ihm. Im Sommer, sagt er immer, da fährt alle Welt in den Urlaub. Das gehört sich einfach so. Also macht er das auch.«
»Und wo ist er da immer so hingefahren?«
»Meistens nach Mögeldorf.«
»Hatte das einen bestimmten Grund? Kannte er dort jemanden, oder hat er jemanden besucht?«
Schorsch zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, das hat er mir nie verraten. Aber es muss da eine Gartenlaube geben, in der er immer wieder übernachtet.«
Hackenholt nickte. »Sie wissen aber nicht, wo genau sich diese Gartenlaube befindet, oder?«
Der Obdachlose schüttelte den Kopf.
»Hat er Ihnen manchmal etwas von seiner Familie erzählt?«
Wieder kratzte sich Schorsch am Kopf, bevor er seinen Hut zurechtrückte. »Über so etwas reden wir nicht. Da hat jeder sein eigenes Päckchen zu tragen.« Er wischte sich über die Augen.
»Wir haben im Wald in der Nähe vom Tiergarten einen Toten gefunden, von dem wir glauben, dass es sich bei ihm um den Professor handelt«, sagte Hackenholt mit leiser Stimme. »Falls er Angehörige hat, müssen wir sie verständigen. Aber im Moment wissen wir noch gar nichts über ihn.«
Der Obdachlose starrte auf den Boden und nickte ein paarmal kaum merklich. »Wenn Ihnen jemand weiterhelfen kann, dann Schwester Felicitas im ›Domus‹. Sie hat ihn im Winter gepflegt, als er so krank war.«
Die Ordensschwester war eine kleine, schlanke Frau, weit in den Sechzigern. Ihr schwarz-weißes Habit und das silberne Kreuz, das sie an einer Kette um den Hals trug, verliehen ihr klerikale Würde. Sie führte die Beamten in ein zweckmäßig eingerichtetes Beratungszimmer im Erdgeschoss.
»Schwester Felicitas, wir haben am Samstag im Lorenzer Reichswald einen Toten gefunden, von dem wir annehmen, dass es Herr Dr. Heinrich Gruber ist. Ein Obdachloser namens Schorsch sagte uns, dass Sie den Professor kennen und ihn im letzten Winter gepflegt haben«, kam Hackenholt zur Sache.
Für einen Moment schloss die Schwester die Augen. Hackenholt hatte den Eindruck, dass sie im Stillen ein kurzes Gebet sprach. Als sie den Blick wieder auf ihn richtete, nickte sie ihm kurz zu. »Das stimmt. Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?«
Hackenholt zog eine der Fotografien, die in der Rechtsmedizin gemacht worden waren, aus seinem Aktenkoffer. »Ist er das?«
Die Schwester betrachtete lange das Foto, bevor sie nickte. »Allerdings ist es kein besonders schönes Bild, das Sie da von Herrn Dr. Gruber haben.«
Ein wenig steif in den Gliedern stand sie auf und ging zu einer Glasvitrine, in der mehrere Fotoalben standen. Sie nahm eines davon heraus, trug es zurück zum Schreibtisch, blätterte einen Augenblick darin herum, dann drehte sie es so, dass Hackenholt und Wünnenberg die Fotos sehen konnten. Sie deutete auf ein Bild rechts unten auf der Seite. Es zeigte einen Mann, der direkt in die Kamera blickte, das Gesicht zu einem freundlichen Lächeln verzogen, was man jedoch nur an den Fältchen um seine Augen erkennen konnte. Der Mund wie auch die meisten anderen Gesichtszüge wurden von einem sehr langen grauen Vollbart verdeckt. Das ebenfalls lange graue Haar schaute unter einer schwarzen Baseballkappe hervor und hing ihm strähnig über die Ohren. Er trug ein kariertes Holzfällerhemd, in dessen ausgebeulter Brusttasche eine Packung Tabak steckte. Das Hemd hatte er leger bis zur Brust aufgeknöpft, die Hemdsärmel bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt.
»Das war im letzten Winter, kurz nach Weihnachten.«
»Dürfen wir es uns ausleihen? Es wäre einfacher, wenn wir dieses Bild anstelle von unserem herumzeigen könnten. Sie bekommen es selbstverständlich zurück.«
Die Ordensschwester nickte ergeben. »Es ist auch noch Post für Herrn Dr. Gruber hier, die er in den letzten Wochen nicht abgeholt hat. Möchten Sie die auch mitnehmen?«
Hackenholt sah sie erstaunt an.
»Obdachlose erhalten genauso Post wie Sie und ich«, sagte sie erklärend. »Manche lassen sie sich zu irgendwelchen Angehörigen schicken, manche postlagernd, und wieder andere geben unsere Adresse an.«
Als sie diesmal aufstand, ging sie zu einem Aktenschrank, dem sie eine Handvoll Kuverts entnahm. Langsam blätterte sie den kleinen Stapel durch. Für den Professor waren eine Postkarte und ein Brief gekommen. Der Text auf der Karte begann mit »Lieber Onkel Heinrich« und war mit »Viele Grüße, Sandra« unterzeichnet. Soweit Hackenholt den Poststempel entziffern konnte, war die Ansichtskarte Anfang Juni in Italien aufgegeben worden.
»Wann war Herr Gruber denn zum letzten Mal hier?«, fragte der Hauptkommissar neugierig. Auch wenn die Postlaufzeiten in Italien unberechenbaren Schwankungen unterlagen und nicht annähernd so kurz waren wie die in Deutschland, musste die Karte schon geraume Zeit auf Heinrich Gruber gewartet haben.
Schwester Felicitas schaute in ihrer Liste nach. »Am 28. Mai hat er zum letzten Mal hier übernachtet. Aber da war ich bei meiner Schwester in Heilbronn. Persönlich habe ich ihn zum letzten Mal Anfang Mai gesehen.«
»Können Sie uns etwas über seine Angehörigen sagen? Er muss ja zumindest eine Nichte gehabt haben, falls die Anrede ›Onkel Heinrich‹ kein Überbleibsel aus frühen Kindertagen ist.«
Wieder blickte die Schwester in die vor ihr liegende Liste. »Heinrich Gruber war ein sehr schweigsamer, in sich gekehrter Mensch. Er hatte einen großen Verlust erlitten und haderte nicht nur mit Gott und der Welt, sondern auch mit sich selbst. Das merkte man ganz deutlich, aber wenn unsere Bewohner nicht über ihre Sorgen und Nöte sprechen möchten, dann respektieren wir ihren Wunsch. Ein Mal erwähnte er allerdings, dass alle, die ihm etwas bedeutet haben, gestorben sind. Deswegen steht in meinen Unterlagen nur der Name und die Adresse von einer Schwägerin in Neumarkt.«
»Und wie war Herr Gruber sonst so? Ich meine, wie kam er mit den anderen Obdachlosen zurecht?«
»Wie schon gesagt, er war sehr ruhig und verschlossen. Ein Einzelgänger, aber das sind sie eigentlich alle. Er war immer höflich und wurde auch im Suff nicht aggressiv. Zum Beispiel ist er nie auf einen seiner Zimmergenossen losgegangen, falls Sie das meinen. Die anderen Bewohner haben ihn sehr geschätzt, das zeigt auch schon der Name, den sie ihm gegeben haben: Professor. So wird hier keiner ohne Grund genannt, auch wenn er einen offiziellen Titel hat.«
»Er hatte also keine Neider? Ist nie bedroht worden?«
Schwester Felicitas schüttelte den Kopf. »Davon ist mir nichts zu Ohren gekommen. Und ich höre viel«, sagte sie mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln.
Als Hackenholt und Wünnenberg schon dabei waren, sich zu verabschieden, hielt sie die Schwester noch einmal kurz zurück.
»Wurde der Leichnam denn schon identifiziert? Ich meine, falls Sie jemanden dafür brauchen«, sie räusperte sich verlegen, »ich würde das natürlich übernehmen. So könnte ich mich auch noch persönlich von ihm verabschieden.«
Hackenholt dankte ihr und versprach, dass ein Kollege sie anrufen und einen Termin mit ihr vereinbaren werde.
Schon in der kurzen Besprechung, die sie am Nachmittag abhielten, konnte Hackenholt berichten, dass er Grubers Schwägerin erreicht und mit ihr ein Treffen für den kommenden Vormittag in Neumarkt vereinbart hatte. Anschließend diskutierten die Beamten, ob sie Heinrich Grubers Bild in der Zeitung veröffentlichen lassen sollten. Sie mussten unbedingt Personen finden, die sich genauer als Schorsch daran erinnern konnten, wann und wo sie den Obdachlosen zuletzt gesehen hatten.
»Ich denke, wir haben nichts zu verlieren«, stimmte Stellfeldt Hackenholts Vorschlag zu, das Foto noch am selben Tag über die Pressestelle an die Medien herauszugeben. »Je früher es in den Zeitungen erscheint, desto besser. Schließlich liegt die Tat schon einige Tage zurück. Außerdem fangen in zwei Wochen die Sommerferien an, dann macht sich keiner mehr Gedanken, ob er einen Obdachlosen gesehen hat oder nicht. Du solltest es allerdings erst noch mit dem Staatsanwalt abklären, aber warum sollte er nicht zustimmen?«
»Wie schaut es denn allgemein mit den Anlaufstellen für Obdachlose aus?«, fragte Wünnenberg, während er ein paar Tropfen Milch in seinen Kaffee rührte. »Können wir dort nicht auch einen Aufruf aushängen? Die Zeitungsartikel werden nur wenige Bewohner lesen. Außerdem haben wir bisher nur mit einer Handvoll Mitarbeitern persönlich gesprochen.«
»Ralph hat recht. Schwarze Bretter gibt es in allen Einrichtungen«, informierte Stellfeldt das Team. »Die Möglichkeit sollten wir unbedingt nutzen. Und zwar in wirklich allen Unterkünften, auch in denen, die sich auf Drogenabhängige spezialisiert haben. Die Menschen auf der Straße kennen sich, egal ob sie drogen- oder alkoholabhängig sind.«
Hackenholt nickte und machte sich eine weitere Notiz auf seinem Schreibblock.
Sophie saß auf der Terrasse, umgeben von einem Sammelsurium bunter Flyer, Heftchen, Stifte und Textmarker. Zuoberst lag ihr Terminkalender. Hackenholt begrüßte sie mit einem Kuss auf die Augenbraue.
»Bist du am Arbeiten?«
Sophie schüttelte den Kopf. Bei den sich vor ihr auftürmenden Faltblättern handelte es sich ausnahmsweise nicht um Unterlagen, die sie als freiberufliche Übersetzerin in eine andere Sprache bringen musste, vielmehr waren es alle möglichen Programmhefte der mannigfachen Veranstaltungen, welche die Metropolregion ihren Einwohnern und Besuchern in den Sommermonaten bot.
»Ich versuche mir gerade einen Überblick über die vielen Konzerte, Lesungen, Theatervorstellungen und Kinovorführungen, Kirchweihen und sonstigen Events zu verschaffen und mir aufzuschreiben, wann ich wohin will, damit ich im Nachhinein nicht feststellen muss, dass ich etwas verpasst habe, was ich unbedingt sehen wollte.«
»Das klingt ja so, als würde mächtiger Freizeitstress auf uns zukommen.« Hackenholt grinste und fuhr Sophie liebevoll durchs Haar, um ihr zu zeigen, dass er sie nur ein bisschen ärgern wollte.
»Das sagst du nur, weil du Ignorant bisher die schönsten kulturellen Seiten des Nürnberger Sommers links liegen gelassen hast. Klassik Open Air. Bardentreffen. Brückenfestival.« Bei jeder einzelnen Veranstaltung schnaufte Sophie theatralisch. »SommerNachtFilmFestival. Rittertreffen. Poetenfest. Okay, Letzteres findet in Erlangen statt, aber trotzdem! Nirgendwo bist du bisher hingegangen.«
»He! Wenn ich mich richtig erinnere, waren wir die letzten Monate ständig unterwegs. Blaue Nacht. Rock im Park. Fürth Festival. Stadtverführungen. Internationales Figurentheaterfestival. Hab ich etwas vergessen?«
Sophie wurde rot. »Du hattest ja auch jede Menge nachzuholen«, sagte sie dann grinsend. »Nächstes Wochenende steht jedenfalls das Klassik Open Air im Luitpoldhain auf dem Programm. Da warst du doch auch noch nie, oder?«
»Nein«, gab Hackenholt zu. »Sind da nicht immer so schrecklich viele Menschen?«
»Aber genau die machen doch gerade die Atmosphäre aus. Sich alleine auf eine Picknickdecke setzen, das kann schließlich jeder. Aber zusammen mit fünfzigtausend Gleichgesinnten und toller Musik ist das ein riesiges Ereignis. Außerdem zelebrieren das manche so richtig stilvoll mit Tisch, Tischdecke, Porzellan und Kandelabern. Alleine all die Leute zu beobachten ist schon eine Riesengaudi. Ich gehe jedenfalls am Sonntagabend hin. Elke kommt mit ein paar Freundinnen mit, und Susanne hat auch gefragt, ob ich vorbeischaue. Du kannst es dir ja noch überlegen. Aber jetzt sei so lieb und schmeiß den Grill an, sonst bekommst du heute Abend keine Bratwürste zum Kartoffelsalat.«
Hackenholt strahlte, denn frisch gegrillte Nürnbergerle waren seine Leibspeise. In der Hitliste seiner Lieblingsgerichte rangierten sie sogar noch vor Schäufele – allerdings nur in der klassischen Variante der »Drei im Weggla« und nicht als »Nürnburger« im Fastfood-Restaurant.