Das Kompetenzdefizit
Nachdem du ihn zurück zu Mutti geschickt und dieses zum Schluss mehr als unerfreuliche Kapitel deines Lebens abgeschlossen hattest, war endlich Zeit, dich – Volldampf voraus – um deine eigene Karriere zu kümmern. Schließlich warst du begabt, gut ausgebildet und jetzt erst recht voller Elan.
Also hast du dich ins Business-Kostüm gezwängt, deine Walle-walle-Mähne zu einem dezenten Zopf gebunden und bist Richtung Vorstandsetage marschiert. Komisch war nur, dass sie dich trotz deines dezenten Outfits so gar nicht ernst genommen haben. Irgendwie warst du für alles zu jung. Und außerdem eine Frau.
Sobald du in einer Sitzung zaghaft die Stimme erhoben hast, haben dich alle mitleidig angeschaut. Ach Gott, die Kleine, haben sie gedacht. Deine Verbesserungsvorschläge wurden mit Kommentaren wie „Das haben wir schon immer so gemacht“ im Keim erstickt. Deine Konzepte ließ man wohlwollend „einfließen“, was nichts anderes hieß, als dass sich jemand die Mühe machte, jeden Satz, den du geschrieben hast, so umzuformulieren, dass er zwar den Sinn behielt, sich aber schlechter anhörte. Man wollte, dass du Kaffee kochst und ansonsten das Büro dekorierst.
Sollte es dir mit der Tarnung sämtlicher weiblicher Attribute (Busen mit Blazer bedecken, Hosen statt Strapse, Nivea statt Prada, Klarsicht- statt Rotlacknägel, Labello statt Rouge absolut) gelungen sein, in einer überdurchschnittlichen Position Fuß zu fassen, durftest du regelmäßig Kunden- oder Mitarbeitermeetings besuchen.