Ein Gesicht, das zu dir passt
Und nachdem du jetzt deine Produktpalette auf ein erträgliches Maß heruntergeschraubt hast, gehe frohgemut ans Werk: Du kennst das ja von der Kosmetikerin. Reinigen, pflegen, grundieren. Und dann machen wir mal den Lichttest. Ich wusste doch, dass dein Make-up zu dunkel ist. Das hast du dir nach den unendlich vielen Solarium-Stunden gekauft, die du im letzten Winter genommen hast. Hat dir keiner gesagt, dass dunkel alt macht? Was mit zwanzig ein entzückendes Haselnussbraun ist, wirkt mit fünfzig wie ein elefantöses Kokosnussbraun. Schmeiß es weg!
Bitte verstehe mich richtig: Solarium ist okay. Aber nur ein bisschen. Das hilft gegen schlechte Laune, Lichtmangel und Kreislaufstörungen. Aber dann solltest du die Bräune etwas blasser überschminken. Aber nicht zu dick, damit du nicht aussiehst wie ein Gruftie und dir beim Niesen nicht die Tapete abplatzt. Ich bin inzwischen mit BB-Creams absolut glücklich, die pflegen die Haut und decken alles ab, was mich stört. Und was damit nicht abgedeckt wird, erhält noch einen Tupfer Concealer.
Wenn du nun dein interessantes Gesicht im Spiegel sozusagen pur wie eine Leinwand mit Grundierung anschaust, vergiss nicht, was wir oben geübt haben: Bauch rein, Brust raus, gerade sitzen, mit den Augen lächeln. Gar nicht so übel, was?
Jetzt der Griff zum wichtigsten Schönheitsmittel einer Frau: ägyptische Erde. Kann auch afrikanische sein oder eines von den nachgemachten, sehr viel teureren Produkten, die die großen Kosmetikfirmen als Rouge anbieten. Vorsicht ist nur für Allergiker geboten. Wenn du aber nicht zu Allergien neigst, dann solltest du einen Pinsel nehmen, einstäuben und jetzt musst du probieren. Vergiss doch einfach mal die Stellen, auf die du den Puder sonst so applizierst. Schaue dir ruhig und konzentriert in dein freundliches Gesicht und überlege, wo die richtigen Stellen sein könnten, die deine Augen noch strahlender und dein Gesicht noch markanter machen. Wem diese Art der geistigen Kreativität nicht gegeben ist, der kann es auch praktisch versuchen. Bitte lege also vorab Waschschwämmchen in Massen bereit, um Fehlversuche ohne lästiges Aufstehen in Sekundenschnelle ungeschehen zu machen. Innerhalb einer halben Stunde dürftest du so oder so eine optimale Rouge-Strategie gefunden haben. Sollte im Moment eine Farbe angesagt sein, die dir nicht steht, so kaufe sie bitte erst gar nicht. Und was dir nicht steht, das weißt du inzwischen. Lass dir also nichts von diesem Teenager in der Parfümerie erzählen. Angesagt war gestern, jetzt ist Individualität gefragt. Schließlich hängst du dir auch keine rosa Vorhänge in deine ansonsten gelb eingerichtete Wohnung, nur weil sie angesagt sind.
Nachdem der Rahmen geschaffen worden ist, können wir uns mit deinen schönen Augen beschäftigen. Okay, ja, die Wasser-Ansammlungen darunter sind nicht so super attraktiv. Versuch es mal mit diesen wunderbaren Wacholderpillen, rezeptfrei in jeder Apotheke zu haben. Die entwässern natürlich, ohne die Nieren anzugreifen. Wenn du sie nicht vergisst, dann wirken sie besser als jede Entwässerungstablette vom Onkel Doktor. Wer auf gesund steht, kann es ja auch mit Tee versuchen, das ist Geschmackssache. Zwei Tassen Grüner Tee wirken kleine Wunder.
Deine Lider fangen jetzt an, ein bisschen zu hängen, was dir an guten Tagen den Ausdruck eines gutmütigen Bassetts verleiht, an schlechten Tagen aber irgendwie an Simone Signoret erinnert. Also, ich persönlich fand das Gesicht von der Signoret immer faszinierend. Aber auch das ist Geschmackssache. Egal wie, blauer Lidschatten mit dunklem Lidfaltenstrich, der jetzt wieder so enorm in ist, ist einfach nichts mehr für dich. Erstens setzt sich der Quatsch in den Lidfalten ab und zweitens drückt er deine Lider noch mehr runter. Also, Ablage Müll.
Versuche es doch mal pur mit diesem erdfarbenen Rouge (aber bitte nicht zu viel, sonst siehst du aus wie Winnetous Schwester). Das hat den Vorteil, dass du nicht mehr als einen Tiegel brauchst, den gleichen Pinsel benutzen kannst und deine Augen strahlen noch mehr. Wenn dir das nicht steht, dann kannst du ganz auf Lidschatten verzichten. Oder greife zu einem kleinen Pinsel und Puder in sanftem Dunkel (je nach Augenfarbe kann das Grau, Dunkelblau, Moosgrün, Anthrazit oder Dunkelbraun sein). Damit male dir einen verwischten Lidstrich. Denn merke: Was von Anfang an gekonnt verwischt ist, kann nicht noch mehr verwischen.
Es gibt ja Virtuosen im Umgang mit diesen Bleistiften für die Augen. Ich jedenfalls kann das nicht, deshalb empfehle ich es auch nicht. Das flüssige Zeugs kannst du gleich vergessen, es krümelt wie Streuselkuchen. Damit siehst du aus, wie Nina Hagen schon vor 20 Jahren lieber nicht ausgesehen hätte.
Zur Krönung dann das Wichtigste: Wimperntusche. Auf die hat schon Mutti nicht verzichtet. Nachdem diese tolle Spucktusche vom Markt genommen wurde, gab es lange Zeit nichts mehr, was nicht verschmierte. Schon mit Zwanzig sah man mit dieser verlaufenen Wimperntusche aus wie ein trauriger Clown. Das kannst du dir jetzt wirklich nicht mehr leisten. Vor allem, wo sich jetzt die gesamte Augenpartie tendenziell zusammenfaltet, ist die Rutschgefahr für Wimperntusche immens. Ich verrate dir mein bestgehütetes Geheimnis: 38 Grad Wimperntusche. Die löst sich nicht durch Öl, sondern nur durch warmes Wasser oder durch heiße Tränen. Da du letztere nicht mehr in der Öffentlichkeit weinen wirst, bestimmst du alleine, wie lange sie hält. Das einzige Produkt der japanischen „Supersonderangebote“, das sich wirklich rechnet.
Zum Schluss nehmen wir uns das Kussmäulchen vor. Auch hier hilft nur probieren. Wenn deine Lippen schmal sind, bitte, wirf diese blutroten Lippenstifte weg. Wenn sie nicht schmal sind, trenne dich von diesen brombeereisfarbenen Dingern, die dich aussehen lassen, wie kurz vor dem Herzinfarkt.
Schau dir mal deine Zähne an. Zu viel geraucht? Dann solltest du alle Orangetöne meiden, die lassen die Zähne noch gelber leuchten. Sind deine Zahntaschen auf Wanderschaft gegangen? Dann denke daran, dass jeder auffällige Lippenstift den Blick des Betrachters auf die neuen Lücken im Lächeln lenkt.
Wenn die äußeren Konturen nicht mehr ganz so deutlich zu erkennen sind, versuche es doch mal mit einem Konturstift. Und dann nimm diese long lasting Lippenstifte. Die verbessern deine Konturen zwar auch nicht, aber sie halten länger. Denn alle dreißig Minuten nachschminken ist nun wirklich unter deiner Würde. Von Lippenstift auf den Zähnen ganz zu schweigen.
Aber bitte denke daran, dass du dich an keine Regeln mehr halten musst. Jahrzehntelang haben sie dir erzählt: entweder die Augen betonen oder die Lippen. Beides gleichzeitig gehe gar nicht. Das ist Quatsch mit Sauce! Es gibt eine Menge Frauen, die mit nudefarbenem Lippenstift einfach krank aussehen, egal wie schön die Augen geschminkt sind. Ich gehöre in diese Kategorie, in den letzten zwanzig Jahren habe ich das Haus ohne knallroten Lippenstift nicht mehr verlassen. Also merke: Es gibt keine allgemeingültigen Regeln. Was geht und was nicht, entscheidest ausschließlich du selbst.
Okay, jetzt hast du endlich wieder ein Make-up, das sozusagen up to date ist. Exklusiv für dich. Wobei es wichtig ist, dass du dich wirklich anschaust und nicht in alte Gewohnheiten zurückfällst. Experimentiere ruhig ein wenig herum, probiere Dinge aus, die du noch nie gemacht hast.
Erinnere dich mal an deine Mutter, als sie in unserem Alter war. Die trug noch immer das gleiche Make-up wie zur Trümmerfrauenzeit. Kirschrote Lippen (zumindest das, was davon übrig geblieben war), ausrasierte Augenbrauen mit gemaltem Bogen und fünfundzwanzig Millimeter losen Puder auf der Nase. Und das war eigentlich das Einzige, was Mutti so alt gemacht hat, stimmt’s?
Solltest du festgestellt haben, dass du trotz mehrerer Gläser Wein und mehrmaligem Korrigieren noch nicht so richtig mit deinem Make-up zufrieden bist, dann schau doch mal, ob dir nicht ein Visagist helfen kann. Und wenn du findest, dass zu deinem Gesicht gar kein Make-up passt, dann ist das auch gut. Du musst dich wohlfühlen in deiner Haut!