Kleine Siege
Die Schraube der Selbstsabotage kann man ins Unendliche drehen. Was dabei herauskommt, kennst du zur Genüge. Trotzdem drückst du dich, wo du kannst, vor unangenehmen Pflichten. Allerdings wären diese kleinen, unangenehmen Pflichten gerade jetzt das beste Heilmittel gegen depressive Anfälle. Denn kleine Aufgaben gut zu erledigen, würde dein Selbstwertgefühl auf der Richterskala um mindestens zehn Punkte nach oben katapultieren. Also, ran an den Speck. Komm, wir spielen das Listenspiel.
Was hast du in den letzten Wochen liegen gelassen? Ärzterechnungen nicht an die Krankenkasse eingereicht, Falschparkzettel nicht bezahlt, keine Buntwäsche gewaschen, die Geschirrspülmaschine nicht entkalkt, die regelmäßige Vorsorgeuntersuchung geschwänzt? Wie jetzt, du hast für solche Kleinigkeiten keine Zeit? Und warum sitzt du dann ständig in der Ecke und grübelst über deine Zukunft? Genau. Weil du deine gesamte private Zeit damit verplemperst, entweder miesen Gedanken nachzuhängen oder Vermeidungsstrategien zu erfinden.
Und glaube bloß nicht, dass dir das alleine so geht. Ich verrate dir ein Geheimnis: Dreiviertel dieses Buches habe ich in einem Rutsch runtergeschrieben. Und es dann drei Jahre liegen lassen. Weil ich einfach nicht dazu gekommen bin, bei all dem schrecklichen Stress, den ich hatte. Dass ich in der Zwischenzeit neben meinem Job noch ungefähr zweihundert Romane und einhundert Sachbücher verschlungen, selber einen Kriminalroman geschrieben habe, jeden Tag in meiner Internet-Gemeinde ungefähr zehn E-Mails und jeden Monat mindestens eine Kurzgeschichte geschrieben habe, bleibt aber wirklich unter uns. Es musste erst einmal wieder Silvester werden, damit ich mich an gute Vorsätze erinnern und wieder neu anfangen konnte. Und das Einzige, was mir dabei geholfen hat, war eine Deadline. Ich habe mir nämlich gesagt, verdammt noch mal, du wirst bald fünfzig. Und wenn du bis dahin nicht wenigstens ein Buch veröffentlicht hast, dann bist du eine Flasche. Das hat nachhaltig geholfen.