Einfach lächerlich
Neben deinem Lieblingssessel solltest du wirklich immer Papier und Bleistift deponiert haben. Wann immer irgendwelche Selbstzweifel dich packen, mache dir eine Liste. Liste doch mal auf, was du in deinem Leben schon so alles geleistet hast. Alles, worauf du immer so stolz warst. Da kommt ganz schön was zusammen. Und einer solchen Frau mit Tatkraft und Mut traust du nicht zu, so lächerliche Probleme wie deine jetzigen zu lösen?
Steck dir genüsslich eine Zigarette an oder – falls du inzwischen zur Nichtraucherin geworden bist – einen Bonbon in den Mund. Davon wirst du auch nicht gleich platzen. Und jetzt überlege mal, seit wann es dir so bescheiden geht. Genau: Wechseljahre. Die treffen zusammen mit der Vergreisung deiner Eltern und dem Auszug oder schlimmstenfalls mit der Pubertät deiner Kinder. Und genauso treffen sie zusammen mit dem Höhepunkt deines Lebens. Was bedeutet, dass es dir noch nie so gut gegangen ist. Was aber auch bedeutet, dass du jetzt etwas zu verlieren hast.
Wechseljahre heißen deshalb Wechseljahre, weil du ohne Vorwarnung von dem ehrgeizigen Mädchen, das versucht, seine Träume zu verwirklichen, zu einer erwachsenen Frau wechselst, die ihre Träume schon lebt und dieses Leben um jeden Preis behalten will. Vom Aufbauen zum Bewahren. Dass dich das irritiert, ist vollkommen klar. Früher hast du selig von genau der Zukunft geträumt, die du heute lebst. Und schon hast du Angst, die Zukunft hinter dir zu haben. Das ganze passierte sozusagen über Nacht.
Wenn wir jetzt mal die hormonelle Seite vergessen, dann gibt es überhaupt keinen Grund für Depressionen. Warum eigentlich solltest du morgen das Geld, das du heute verdienst, nicht mehr verdienen? Bei deiner Erfahrung! Warum sollte jemand dir deinen Job wegnehmen, wo du gerade genau die Routine hast, die man braucht, um ihn zu behalten. Ich sage dir warum. Weil du zum ersten Mal in deinem Leben erkannt hast, dass alles endlich ist. So wie deine Eltern. Wie deine Jugend. Das macht dir unheimliche Angst.
Und nun denk einmal daran, wie du dein Leben aus dem Nichts aufgebaut hast. Angst hattest du keine, weil du ja nicht wusstest, was auf dich zukam. Am Anfang stand also nur eine Vision.
Dein wirkliches Problem ist, dass du nicht mehr weißt, wo du mit deinem süßen kleinen Hintern noch hin willst. In solchen Nächten glaubt man leicht, die gesamte Fülle des Lebens bereits ausgekostet zu haben. Irrtum! Suche dir neue Visionen, statt dich im Kreis zu drehen.
Glaubst du im Ernst, dass du jetzt, wo du in den Wechseljahren bist, nicht mehr leistungsfähig bist und reif für die Mülldeponie? Den Quatsch kannst du bei akutem Rückfall deinem Friseur erzählen. Aber wenn du ehrlich bist, hast du den Sprung zu deinem wirklichen erfüllten Leben in den letzten drei, vier Jahren gemacht. Trotz oder vielleicht sogar wegen akuter Hormonschwankungen. Äh? Du führst nicht das Leben, das du dir gewünscht hast? Lügnerin!