Das Glas ist noch halb voll
Positiv denken hilft nicht nur in den Wechseljahren. Oder besser gesagt, ist gerade in den Wechseljahren besonders schwer, wenn man siehe oben zugrunde legt. Ich habe da für mich eine eigene Therapie entwickelt. Und die sieht so aus: Wenn ich abends aus diesem staubigen Pflegeheim komme und eine einstündige Unterhaltung mit meiner Mutter hatte, die sich in etwa so anhört:
„Hallo Mutti, mein Schatz, wie geht es dir heute?“
„Ich verstehe gar nicht, wieso Vati nicht kommt. Er hat den ganzen Tag vor der Tür gestanden.“
„Mutti, Vati kann heute nicht kommen, er ist beim Arzt. Und er hat auch nicht vor der Tür gestanden.“
„Also wirklich, dass er so unzuverlässig ist und nicht mal reinkommt, dabei hat er doch schon vor der Tür gestanden.“
„Mutti, das war nicht Vati.“
„Aber wenn ich es dir sage. Ich wundere mich, dass Vati heute nicht kommt. Er hat doch den ganzen Tag vor der Tür gestanden.“
„Mutti, Vati kommt heute nicht.“
„Ich muss mal.“
„Okay, ich helfe dir.“
Also, wenn ich nach solchen ausschweifenden, geistanregenden, duftigen Gesprächen heimfahre, dann denke ich mir, dass ich unbedingt gerade diesen Abend jetzt und heute genießen sollte. Wer weiß, ob ich nicht selbst mal in so einem Pflegeheim dahinvegetieren muss und das Pflegepersonal an den Rand des Wahnsinns treibe. Ich verabrede mich mit meinem Mann beim Italiener, wir essen was Schönes und reden über Gott, die Welt und uns.
Natürlich passiert es mir, dass ich an solchen Abenden ein Gläschen zu viel trinke, und ich rede mir dann ganz kräftig ein, dass ich das ausschließlich aus Freude getan habe, aus Freude darüber, gesund, heil und im Vollbesitz meiner Kräfte zu sein. Denn eins habe ich von meinem Mann gelernt: Ein bisschen Selbstbetrug erleichtert das Leben, absolut.