Den Stier bei den Hörnern packen

Erwachsen miteinander umgehen. Leichter gesagt als getan. Aber ist es nicht so, dass wir in den Wechseljahren unseren Standort neu bestimmen? Wozu sollten die endlosen schlaflosen Nächte, die Depressionen und Wutanfälle sonst gut sein? Wir überprüfen das, was wir erreicht haben, und überlegen, was wir noch erreichen wollen. Und genau das dürfte der richtige Ansatz für ein Gespräch mit dem Liebsten sein. Denn wenn du nicht aufpasst, dann galoppierst du ihm einfach davon. Während er dich immer noch dort wähnt, wo er gewohnt war, dich zu finden, bist du schon in einer Staubwolke verschwunden. Das ist der Tod jeder Beziehung und wir sollten anfangen, uns klar zu machen, dass die Wechseljahre auch einen Wechsel in der Beziehung zum Mann mit sich bringen. Von der sexuellen Beziehung zur sozialen Beziehung, was nicht heißt, dass ihr jetzt keine dirty moments mehr miteinander verbringt. Aber die soziale Komponente der Beziehung wird einfach wichtiger.

Haben wir noch die gleichen Interessen, marschieren wir in die gleiche Richtung? Oder haben sich da, zugemüllt vom täglichen Kampf, das Leben auf die Reihe zu bringen, solche Gräben aufgetan, dass sie nur noch mit Mühe zu überbrücken sind?

Wenn wir also unserer besseren Hälfte schon zumuten, sich in ein so leidiges Gespräch verwickeln zu lassen, dann sollten wir uns vorher genau überlegen, was wir wirklich wollen.

Schauen wir uns mal zum Beispiel Regine und Georg an. Die beiden haben zwei Kinder, die in einer anderen Stadt studieren. Georg freut sich auf ein ruhigeres Leben und die finanziellen Belastungen, die die beiden Studenten immer noch mit sich bringen, dürften auch bald der Vergangenheit angehören. Er träumt davon, endlich den Segelschein zu machen und mit seiner Frau wunderschöne Tage auf einem Boot zu verbringen, das er nun endlich kaufen kann.

Regine hat seit fünf Jahren einen Job als Sekretärin bei einem Immobilienmakler. Da sie sowieso das Meiste der Arbeit macht und Verkaufen ihr im Blut liegt, träumt sie davon, sich als Maklerin selbstständig zu machen. Dafür brauchte sie natürlich Geld. Seit einiger Zeit schreibt sie Kurzgeschichten und hat auch schon die ein oder andere verkauft. Am liebsten möchte sie an den Wochenenden nichts anderes tun, als vor ihrem Computer sitzen und neue Welten erfinden. Weder von ihrem Traum, sich selbstständig zu machen, noch von der tiefen Befriedigung, die Regine im Schreiben findet, ahnt Georg etwas. Für Georg ist klar, dass sie sich bald ihren alten, großen Traum vom Shippern erfüllen werden.

Nicht, dass die beiden nicht miteinander reden: Sie quatschen jeden Tag über das, was war und das, was morgen sein wird. Nur um das Thema Träume und ihre Erfüllung machen beide einen weiten Bogen.

Er, weil er nicht mal im Ansatz auf den Gedanken kommt, dass Regine überhaupt keine Lust hat, das ganze Wochenende unterwegs zu sein und Karrieregelüste verspürt. Sie, weil sie den gemeinsamen Traum vom Boot längst vergessen hat, lag er doch in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren außerhalb ihrer finanziellen Reichweite.

Was sehen wir da? Einen grandiosen Interessenskonflikt. Und der hat wirklich nur ganz partiell etwas mit der hormonellen Umstellung der Frau in den Wechseljahren zu tun.

Wie könnte die Geschichte weitergehen? Georg gibt den Traum vom Boot zugunsten der Selbstständigkeit seiner Frau auf und leidet für den Rest seines Lebens unter seinem unerfüllten Jugendtraum. Regine gibt nach, arbeitet weiterhin beim Makler und wird sich bis an das Ende ihrer Tage fragen, ob sie nicht die ganz große Chance verpasst hat. Außerdem sitzt sie ständig schlecht gelaunt auf dem „blöden Boot“ und fragt sich, ob ihr nicht gerade eine preisverdächtige Kurzgeschichte flöten geht. Oder beide geben ihre Träume auf und suchen sich gemeinsam einen neuen. Oder sie finden sich beide damit ab, dass sie die Wochenenden eben nicht mehr gemeinsam verbringen werden und nehmen einen Kredit auf, der ihnen beiden weiterhilft. Nun, ich bin sicher, Regine und Georg werden zu einem Ergebnis kommen. Aber nur, wenn sie darüber reden und der eine nicht in seinem Lehnstuhl in Gedanken Bootskataloge wälzt und der andere im blauen Licht des Bildschirmschoners von der großen Karriere träumt. Denn wenn sie so weitermachen, dann wird Georg sein Herz an eine Segelschülerin hängen und Regine sich in den jungen Literaten, den sie im Internet kennen gelernt hat, verlieben.

Mein letzter Tampon
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