Die Wölfin im Schafspelz
Natürlich gibt es auch das genaue Gegenteil, nämlich Frauen, die sich instinktiv das suchen, was sie wirklich brauchen. Da ist zum Beispiel Rita: Rita ist das unglaublichste Stück Weib, das man sich vorstellen kann. Sie strahlt eine Art von Humor, Fröhlichkeit und Souveränität aus, die sehr selten ist. Und sie liebt Männer, wirklich. Vielleicht ist das das ganze Geheimnis ihrer ungeheuren Anziehungskraft auf Männer: „Sind die nicht süß, sie sind so hilflos.“
Rita arbeitet als Chefsekretärin und wenn es eine geborene Chefsekretärin gibt, dann ist das Rita. Sie ist die rechte und linke Hand ihres Chefs, sie ist die rechte und linke Gehirnhälfte ihres Chefs und sie ist das gute und schlechte Gewissen ihres Chefs, seine Mutti, seine Komplizin, seine Repräsentantin, seine geheime Abwehrwaffe. Dafür kassiert sie das Gehalt einer gehobenen Führungskraft, dafür verbringt sie die meisten Nächte und Wochenenden im Büro. Wer Rita als Sekretärin hat, der ist ein Glückspilz.
Ein noch größerer Glückspilz ist, wer Rita als Ehefrau hat.
Obwohl Ehe zu Rita eigentlich nicht passt. Das erzählt sie freimütig. Von Rita stammt der sagenhafte Satz: „Na, hör mal, ich kann doch nicht mit meinem eigenen Mann ins Bett gehen.“ Nein, so was tut Rita nicht. Sie vögelt sich in ihrer knapp bemessenen Freizeit quer durch ihre Fangemeinde und die ist groß. Irgendwie ist Rita ihr ganzes Leben lang auf der Suche nach dem richtigen Mann. Aber diese Suche genießt sie eingehend.
Ihre Fangemeinde besteht aus interessanten, weltgewandten und überaus erfolgreichen Männern, die ihr alles zu Füßen legen. So wie einst ihr Vater, der es mit seiner Firma zu beachtlichem Wohlstand gebracht hat.
Zuerst hat Rita sich nebenbei einen Studenten gehalten. Dem hat sie das Studium, das Auto, sein Leben finanziert. Dafür brachte er ihr zur Nachtschicht mal eine Currywurst vorbei. Als der Student endlich Erfolg hatte und mit seiner eigenen Firma viel Geld verdiente, hat sie die Beziehung beendet.
Eines Tages überraschte Rita mich mit der Ankündigung, dass sie heiraten wolle. Sie kannte den Mann ganze drei Monate und in diesen drei Monaten hat sie mir erzählt, was für ein unglaublicher Versager dieser Mann sei. Sie heiratete ihn. Zu diesem Zeitpunkt war er ein arbeitsloser Psychologe, der seine Tage lieber mit Segeln als mit Arbeiten verbrachte.
Nach der Eheschließung änderte sich einiges: Rita hatte zwar weiter ihre Lover, arbeitete weiter ihre achtzig Stunden, aber der Ehemann hörte auf zu segeln und fing an zu arbeiten. Rita hatte ein paar Bewerbungen für ihn geschrieben und aus dem arbeitslosen Psychologen wurde ein Arbeitstier. Er konnte sich kaum retten vor Patienten. Wenn er endlich Feierabend hatte, dann brachte er seiner Frau Currywurst im Büro vorbei. Später kaufte er ihr teuren Schmuck, Pelze, Lederwaren. Bald versuchte er, sie dazu zu bewegen, ihren Job aufzugeben. Und Rita suchte weiter nach dem idealen Mann.
Nach ihrer Scheidung lebte sie genauso weiter wie bisher. Ein Wochenende in New York, eine Nacht in Chicago, ein Kurztrip nach Timmendorf. Dort lernte sie den nächsten Ehemann kennen. Er war Beamter (für die unkonventionelle Rita fast schon ein Schimpfwort) mit vielen Nachtschichten (für die freiheitsliebende Rita ein Segen). Also heiratete sie ihn. Kaum waren die beiden verheiratet, machte ihr Mann Pläne. Ein Altenheim kaufen und betreiben, Unternehmer werden, Geld verdienen, gemeinsam etwas aufbauen. Rita vögelte weiter mit ihrer Fangemeinde und lächelte.
Bevor ihr Mann zur Nachtschicht ging, brachte er ihr Currywurst im Büro vorbei. Fast wäre auch diese Ehe gescheitert. Denn wenn Rita einen erfolgreichen Unternehmer hätte heiraten wollen, dann hätte sie bloß einem ihrer Lover das Ja-Wort geben müssen.
Aber manchmal spielt das Leben einen Genie-Streich: Ihr Ehemann erkrankte und wird bis zum Ende seines Lebens arbeitsunfähig sein. Rita ist gut drauf. Natürlich wird sie ihren Ehemann nie verlassen, auch wenn sie ihn im Rollstuhl durch die Gegend fahren muss. Sie arbeitet weiter wie bisher, vögelt weiter wie bisher, aber wenn sie nach Hause kommt, dann hat sie für immer das, was sie ihr Leben lang gesucht hat: einen süßen, hilflosen Mann.
Das sind nur ein paar Beispiele dafür, dass Frauen an die Wahl ihrer Partner instinktiv herangehen, wobei die Väter offensichtlich eine entscheidende Rolle spielen. Die einen haben Glück mit ihren Instinkten, das heißt, sie suchen sich den Partner, mit dem sie auch leben können. Andere stoßen genau diesen Partner ab, weil er nicht ihrem inzwischen überholten Weltbild entspricht.
Für eine Frau zwischen vierzig und fünfzig wird es allmählich Zeit, sich ihre wirklichen Bedürfnisse klarzumachen. Also, erst denken, dann zuschlagen.