6. Kapitel
Hannibal Frawley, der selbsternannte Bischof der Kirche des Heiligen Wortes, litt unter Heuschnupfen. Er stand neben dem Schild mit der Aufschrift ZU VERKAUFEN und schniefte in sein Taschentuch. Dann machte er sich wieder daran, das Schild von dem Torpfosten zu entfernen. Er nahm es ab und eilte damit zum Haus, schlüpfte zwischen den üppig blühenden Akaziensträuchern hindurch und warf es zu dem übrigen Abfall, der sich unter dem Haus angesammelt hatte.
Er seufzte erleichtert, wischte sich die weichen, rosigen Handflächen an der Hose ab, trat auf die Veranda und warf einen zufriedenen Blick auf den ungepflegten Garten. Ohne den Heuschnupfen wäre Hannibal ein wirklich glücklicher Mann gewesen. Dies war seine letzte Nacht in der Kirche, die ihm auch als Wohnung gedient hatte, denn er hatte das Anwesen gewinnbringend verkauft. Der Käufer war ein Gemeindemitglied, ein überaus ehrenhafter Mann mit großer Familie, der außer sich vor Freude war, weil er ein vom Herrn gesegnetes Haus erwerben durfte. Er hatte – dies war eine Verkaufsbedingung gewesen – mit der Hand auf der Bibel geschworen, das Gebäude mit Respekt zu behandeln, denn Hannibal konnte seine Kirche verständlicherweise nicht an jeden x-beliebigen Interessenten veräußern.
»Es ist immer ein trauriger Tag, wenn eine Kirche schließen muß«, meinte der Käufer, doch die Antwort seines Bischofs heiterte ihn gleich wieder auf.
»Ganz im Gegenteil, dieser Tag ist herrlich. Es wird Zeit, daß ich eine wirkliche Kirche baue. Das prachtvolle Gebäude wird gleich neben unserem Missionsheim an den Hängen des Mount Nebo entstehen. Dort gibt es so viele Kinder und Laienhelfer, die dringend der Nähe ihres Bischofs bedürfen.«
»Gott segne Sie, Herr Bischof«, sagte der Mann, als das Geld den Besitzer wechselte.
Auch du seist gesegnet, dachte Hannibal nun grinsend, trat ins Haus und bediente sich an der Brandykaraffe. Dieser Trottel hatte teuer bezahlt für das Privileg, sein Haus mit dem Herrn zu teilen, und dem Bischof zu einem schönen Profit verholfen.
Auch das Missionsheim war geschlossen. Man hatte die Kinder ins Waisenhaus oder in die Obhut von Laienpredigern gegeben, die sich von nun an auf sich selbst gestellt durchschlagen mußten. Hannibal hatte ihnen in aller Freundlichkeit dargelegt, daß es sich lediglich um einen vorübergehenden Rückschlag handle, da die Pacht für das Missionsgrundstück abgelaufen sei und nicht erneuert werden könne. Sie waren so herrlich leichtgläubig und hatten ihm sogar abgekauft, daß er in Verhandlungen über den Erwerb eines sehr viel schöneren Grundstücks stehe, das in Redcliffe unmittelbar am Strand gelegen war. Dort sollte in vier Wochen die große Wiedervereinigung stattfinden.
Brisbane hatte ihm Glück gebracht; seine Anhänger hatten ganze Arbeit geleistet. Als hingebungsvolle Spendensammler hatten sie in seinem Namen ein kleines Vermögen zusammengetragen, wofür er ihnen überaus dankbar war. Als kleine Anerkennung hatte er jedem von ihnen eine wunderschöne Schriftrolle überreicht mit ihren Namen in goldenen Lettern darauf, die verkündete, daß sie hiermit zu neu geweihten Pastoren der Kirche des Heiligen Wortes ernannt seien. Ihre Freudentränen darüber wären ihm beinahe zu Herzen gegangen.
Doch nun war es an der Zeit, neue Wege einzuschlagen. Bei einem weiteren Brandy überdachte Hannibal seine Pläne. Das Heilige Wort war eine gute Idee, doch die wahre Goldgrube versprachen Wunderheilungen zu werden. Dazu bedurfte es jedoch einer größeren Stadt. Sydney wäre da genau richtig …
Mit Erstaunen vernahm er draußen das Quietschen des alten schmiedeeisernen Tores. Pferde zogen einen verstaubten Wagen in die Einfahrt, und er spürte schon wieder ein Kitzeln in der Nase.
Wer zum Teufel konnte das sein?
Als Hannibal Tom Billings, dessen Frau und den drei schwarzen Rangen entgegentrat, hatte er sich wieder gefangen. Nur das Niesen ließ sich nicht unterdrücken.
»Meine Lieben«, verkündete er schniefend und streckte die Arme zur Begrüßung aus. »Ich freue mich, euch zu sehen. Gesegnet sei der Herr, der euch sicher heimgeführt hat.«
Hannibal hatte das neuseeländische Paar, das er in den Busch geschickt hatte, um bei den Squattern reiche Beute zu machen, völlig vergessen.
»Geht es Ihnen gut, Herr Bischof?« fragte ihn Mrs. Billings besorgt. »Sie sehen krank aus.«
»Vielen Dank, meine Liebe. Ich leide unter einer ganz abscheulichen Grippe. Bitte vergeben Sie mir meinen Aufzug, aber ich habe tagelang im Bett gelegen. Mir ist es sehr unangenehm, Sie in Hemdsärmeln zu empfangen. Treten Sie doch ein, ich werde mich rasch umziehen.«
Doch Billings lehnte das Ansinnen entschieden ab. »Um Gottes willen, nicht doch. Wir kommen schließlich unangemeldet. In Gottes Augen ist ein Mann in Hemdsärmeln ein Mann wie jeder andere. Wir haben immerhin drei Wochen auf der Landstraße hinter uns.« Er lächelte dünn. »Ich fürchte, auch wir sind für den Anlaß kaum passend gekleidet, wollten Ihnen aber auf schnellstem Wege mitteilen, daß wir unsere Mission erfüllt haben …«
»Mit großem Erfolg«, fügte seine Frau hinzu und erntete dafür ein Stirnrunzeln von seiten ihres Mannes. »Durch Gottes Gnade«, verbesserte er sie.
Hannibal mußte sie wohl oder übel hereinbitten. Er entschuldigte sich für die Abwesenheit der Haushälterin, erlitt einen erneuten Husten- und Niesanfall und rieb sich demonstrativ die angeblich fiebrige Stirn. Der Anblick dieser Glaubenseiferer in Begleitung dreier schwarzer, unglücklich dreinblickender Kinder konnte einem aber auch wirklich einen Fieberanfall bescheren. Besonders jetzt.
»Sie Ärmster«, sagte Mrs. Billings. »Kann ich etwas für Sie tun?«
»Nein, danke. Ich befürchte allerdings, daß Sie sich anstecken werden, diese Grippe grassiert derzeit in Brisbane.«
Er legte die Fingerspitzen aneinander und gab vor, den Berichten des Ehepaars zu lauschen, das von seinen Touren und Torturen erzählte. Mit welchem Recht drängten sie sich ihrem Bischof derart auf? Nur das triumphierende Glitzern in Toms Augen hielt ihn davon ab, sie hinauszuwerfen. Hinter diesem Auftritt mußte mehr stecken als die Bekehrung von drei schwarzen Kindern.
Die Jungen drängten sich wie ängstliche Welpen in einem Sessel zusammen. Hannibal mußte den Blick abwenden. Jesus, wie alt mochten sie sein? Höchstens sieben. Sicher, er hatte seinen Laienpredigern eingetrichtert, daß jüngere Kinder schneller Englisch lernten, doch das hier waren noch halbe Babys. Die Kinder in der Mission waren nicht jünger als elf und damit alt genug zum Arbeiten.
Dieser verfluchte Tom Billings! Hannibal fiel ein, daß der Mann jedes seiner Worte als Evangelium betrachtete. Eigentlich wäre er genau der richtige Begleiter für ihn, ein fanatischer Idiot, der keine Fragen stellte.
Worum ging es denn bei seiner ganzen Gottsuche? Er wollte die Leichtgläubigen, die Frommen, die Fanatiker aufspüren, die die Grundfesten seiner Kirche bildeten. Sie arbeiteten für ihn und schafften unermüdlich Geld heran. Billings war der ideale Helfer.
Hannibal gestattete Mrs. Billings, in seiner Küche Tee zu kochen, den sie im Salon servierte. Die Kinder bekamen Wasser und Kekse. Er wartete gespannt auf die guten Neuigkeiten. Und dann rückte Tom Billings mit der Sprache heraus und präsentierte den Scheck des Squatters Austin Broderick.
Er überreichte ihn Hannibal mit großer Geste, dazu noch einen Beutel mit Münzen aus ihren übrigen Kollekten, von denen er die Spesen bereits abgezogen hatte. Mit seinen nächsten Worten verscherzte er es sich jedoch gründlich mit dem Bischof. Er teilte ihm mit, daß Austin Broderick weiterhin seine Hand über die Kinder halten wolle. So hatte sich Hannibal die Sache nicht vorgestellt. Männer, die sich auf solche Vereinbarungen einließen, konnte er als Helfer nicht gebrauchen.
Er gab Tom Billings die Münzen großzügig zurück, die er als Gottes Lohn für einen ehrlichen Mann bezeichnete, und hoffte, sie würden nun ihres Weges ziehen, doch Tom ließ sich nicht so leicht abwimmeln.
»Wir können keine schwarzen Kinder mit in unsere Unterkunft nehmen. Das ist nicht gestattet, Herr Bischof. Sie können sich nicht vorstellen, wie schwierig es war, sie herzubringen, nachdem wir uns von den Viehtreibern getrennt hatten. Selbst auf dem Land gab es keine Unterkunft für sie, so daß wir die Jungen nachts in Schuppen einsperren mußten. Hier in der Stadt wird sie erst recht keine Pension aufnehmen.«
»Nun gut, nun gut«, murmelte Hannibal salbungsvoll. Mrs. Billings hatte auch schon eine Lösung parat.
»Ich weiß, daß wir Ihnen Umstände bereiten, vor allem jetzt, da es Ihnen nicht gut geht, aber wir müssen sie hier bei Ihnen lassen. Uns bleibt leider keine andere Wahl. Morgen fahren wir sie zur Mission hinaus.«
»Das wird wohl das Beste sein«, bekräftigte ihr Mann. »Dann kann ich an Mr. Broderick schreiben und ihm mitteilen, daß die Kinder wie vereinbart untergebracht wurden. Sie müssen wissen, daß er während unseres Aufenthaltes einen Schlaganfall erlitten hat. Zu gut gelebt, würde ich sagen. Der Mann trinkt. Das tun sie alle.«
Zum Glück habe ich noch rechtzeitig die Brandykaraffe versteckt, dachte Hannibal.
Schließlich erklärte er sich bereit, die Kinder bei sich zu behalten, da es der einzige Weg schien, seine Laienprediger loszuwerden. Er würde sie sogar selbst in die Mission bringen. Er gab Mr. und Mrs. Billings seinen Segen sowie eine Woche Urlaub, in der sie sich von der langen Reise erholen konnten.
Dann sprach er ein Gebet, und sie dankten dem Herrn auf Knien für ihr tägliches Brot und den fortwährenden Schutz der Kirche des Heiligen Wortes. Hannibal nickte feierlich, als Billings sein Gebet begann:
»Dies ist nur der Anfang. Das Wort wird in ganz Queensland erschallen. Wir werden in jeder Stadt und jedem Dorf eine Kapelle errichten und einen Pastor zu den Lämmern Gottes senden. Amen, sage ich, und noch einmal Amen.«
»Amen«, echote Hannibal und schob sie zur Tür hinaus. Die Kinder im Sessel knabberten noch an ihren Keksen. Auf diese zusätzliche Belastung, die seine schönen Pläne durchkreuzte, hätte er gern verzichtet. Der fette Scheck des Squatters, den er gleich am nächsten Morgen einlösen würde, war eine nette Dreingabe, doch die Kinder bedeuteten nichts als Probleme.
Er fragte sich, ob er sie einfach laufenlassen sollte.
»War ja nur so ein Gedanke«, schalt er sich selbst. Verängstigt kauerten sie sich noch enger im Sessel zusammen, als er nähertrat.
»Ich werde euch schon nicht fressen«, knurrte er. »Spricht einer von euch Englisch?«
»Ich wirklich gut sprechen«, sagte einer der Jungen.
»Was ist mit deinen Freunden?«
»Nicht Englisch. Sie weinen.«
Hannibal schaute in ihre großen, feuchten Augen und nickte.
»Sie können jetzt damit aufhören. Kein Grund zu weinen. Habt ihr noch Hunger?«
Diese Frage zeigte die erwünschte Wirkung: Ihre Aufmerksamkeit war geweckt. Hannibal führte sie in die Küche und sah nach, was dort zu finden war. An diesem Abend bereitete der Bischof ein Mahl aus kaltem Lammfleisch, Kartoffeln, Tomaten, roter Bete, einer Dose Bohnen und altem Brot, das er dick mit Bratfett bestrich. Er stellte alles auf den Tisch, bediente sich zuerst und überließ den Kindern den Rest, den sie gierig verschlangen.
Ihrem Sprecher, dem Jungen namens Bobbo, schienen Küchen nicht fremd zu sein. Er holte Tassen mit Wasser, wartete, bis seine Freunde alles aufgegessen hatten und wischte ihre Hände und Gesichter mit einem feuchten Lappen ab.
»Mr. Billings kommen wieder?«
»Nein. Er ist weg.«
Bobbo lächelte. »Gut. Er böser Mann. Hat uns geschlagen. Wir jetzt nach Hause gehen?«
Hannibal strich seine schönen, grauen Locken glatt. Diese Geste machte er gewöhnlich, wenn er nach einer angemessenen Lüge suchte. »Noch nicht. Erst müßt ihr schlafen.«
Das Durcheinander in der Küche interessierte ihn nicht weiter, da das Haus ohnehin verkauft war. Er brachte die Jungen in ein Hinterzimmer. »Da sind ein Bett und Decken. Ihr könnt hier schlafen.«
Die drei vermochten sich mittlerweile kaum noch auf den Beinen zu halten und torkelten wortlos ins Bett.
Hannibal kehrte zu seinem Brandy zurück. Was sollte er nun mit ihnen anfangen? Einfach hier zurücklassen konnte er sie nicht; die neuen Bewohner würden nach ihm suchen und sie ihm wiederbringen. Im katholischen Waisenhaus, das bereits einige Kinder aus der Mission aufgenommen hatte, konnte er sie auch nicht abliefern, da die Nonnen die Kinder mehrfach mißhandelt hatten. Vielleicht war es möglich, sie einzeln in verschiedenen Kirchengemeinden unterzubringen, doch er befürchtete Probleme, da die Kinder so aneinander hingen.
Dann fiel ihm eine Lösung ein … das Heim für die Mittellosen, allgemein bekannt als Armenhaus. Er würde sich etwas ausdenken müssen, da man dort für gewöhnlich keine so kleinen Kinder aufnahm.
Vor dem Schlafengehen warf er noch einen Blick in das Zimmer der Jungen in der leisen Hoffnung, sie könnten sich durch das Fenster auf und davon gemacht haben, was leider nicht der Fall war. Die drei schliefen, in Decken eingerollt, friedlich auf dem Boden.
Bei Morgengrauen wanderten sie ziellos im Haus umher. Hannibal gab ihnen eine Tasse Milch und packte seine Habseligkeiten in den zweirädrigen Wagen. Ein freundliches Gemeindemitglied hatte ihm Äpfel und Karamelbonbons geschenkt, die er nun als Bestandteil seines Plans unter dem Sitz des Wagens verstaute. Er spannte das Pferd an, rief die Jungen zu sich, und schon bald klapperten die Hufe des Tieres durch die Gasse hinter dem Haus.
Das Tor in der Mauer des Armenhauses stand offen. Er schob die Jungen hinein und wies sie an, auf ihn zu warten.
»Nicht weglaufen«, sagte er zu Bobbo. »Ihr wart sehr brav, deshalb bekommt ihr auch ein Geschenk.«
Mit großen Augen bestaunten sie die Äpfel und Bonbons und fielen darüber her. Hannibal sprang rasch in den Wagen und fuhr davon.
»Das wird schon klappen«, sagte er zu sich. »Sie werden sie schon irgendwo unterbringen.«
Nachdem er, wie er glaubte, seine Pflicht getan hatte, verschwendete der Bischof keinen weiteren Gedanken an die Kinder. In seiner schönsten Amtstracht – schwarze Jacke, Krawatte und schwarze Reitstiefel – betrat er die Bank, löste den Scheck ein, hob sein beträchtliches Vermögen ab und kündigte das Konto.
Dann begab er sich zum nächsten Schiffsmakler.
Reverend Billings war es in der Zwischenzeit nicht ganz so gut ergangen. Zu seiner Enttäuschung waren alle Kollegen ausgezogen, und die Pension befand sich unter neuer Leitung. Seither hatten sich die Zimmerpreise verdoppelt.
»Hier können wir nicht bleiben«, erklärte er seiner Frau.
»Das ist zu teuer. Andererseits hat es keinen Sinn umzuziehen, bevor uns Bischof Frawley den nächsten Auftrag erteilt hat.«
Eine Woche darauf entdeckte er zu seiner Freude mehrere Arbeiter beim Wohnsitz des Bischofs. Gärtner beackerten das Gelände, Maler strichen das Haus von außen an, aus dem Inneren drang das Hämmern von Zimmerleuten. Er deutete es als Anzeichen für die wachsende Bedeutung der Kirche des Heiligen Wortes. So wie es aussah, würde das Haus mit seinem eindrucksvollen Äußeren die Gemeindemitglieder zu neuen Höchstleistungen anspornen.
Ein Herr trat auf ihn zu. »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
»Ich möchte gern mit Bischof Frawley sprechen.«
»Der Bischof ist leider abgereist. Er lebt nicht mehr hier.«
»Was? Wo ist er denn hin?«
»Er baut eine neue Kirche mit Wohnhaus in der Nähe der Mission, ich glaube, am Mount Nebo. Schöne Gegend.«
»Ach ja, sicher«, sagte er und trat den Rückzug an. »Das hatte ich ganz vergessen. Guten Tag, Sir.«
»Und er hat vergessen, es mir zu sagen«, knurrte Tom Billings leise, als er sein Pferd bestieg. »Na ja, ihm ging es nicht gut, und wir sind unangemeldet hereingeschneit. Es war nett von ihm, daß er uns überhaupt empfangen hat.«
Eine Stunde später ritt der Reverend die Mount Nebo Road auf und ab, doch von einem Missionsgebäude war nirgends eine Spur zu entdecken. Schließlich erkundigte er sich bei einigen Straßenarbeitern und erfuhr, daß man die Mission abgerissen hatte.
»Sie stand da drüben, wo jetzt das leere Grundstück ist«, sagte ein Mann, der sich auf eine Spitzhacke stützte.
»Verstehe«, erwiderte Billings eifrig, »dort wird sicher auch die neue Kirche errichtet.«
Der Arbeiter kratzte sich am Kopf. »Nicht, daß ich wüßte, Mister. Dieses Land gehört dem Ministerium für Forstwirtschaft. Die Kirchenleute hatten die alten Cottages nur gemietet. Wenn wir mit der Straße fertig sind, werden dort Arbeitsschuppen entstehen.«
»Das kann nicht sein«, stammelte Billings. »Dies ist Kirchenland.«
Der Mann zuckte die Achseln. »Wenn Sie meinen«, sagte er und machte sich wieder an die Arbeit.
Tom Billings war besorgt. »Ich kann keinen unserer Leute finden«, berichtete er Amy. »Ich habe auch keine Ahnung, wo der Bischof ist.«
»Dann warten wir hier, bis er sich meldet.«
»Das ist viel zu teuer.«
»Wenn wir umziehen, findet er uns vielleicht nicht wieder. Wir waren eine ganze Weile weg, die Dinge ändern sich.«
Ihr Mann schaute verdrießlich aus dem Fenster. »Wir hätten niemals so lange in dieser Lasterhöhle bleiben dürfen. Jetzt müssen wir für das Luxusleben bei diesen abscheulichen Brodericks bezahlen. Wir werden dafür bestraft. Und dir hat es auch noch gefallen! Ich hoffe, du bist nun zufrieden. Möglicherweise hat Bischof Frawley entschieden, daß wir nicht mehr würdig sind, zu seiner Herde zu gehören.«
»Oder die anderen wollen uns einfach nicht mehr dabeihaben.«
Wochen später war dem Reverend und seiner Frau gerade noch genügend Geld für die Rückfahrt nach Neuseeland geblieben. Auf dem Schiff mußten sie sich eine miserable Kabine mit fürchterlichen Menschen teilen und überquerten die Tasman-See bei stürmischem Wetter. Amy litt auf der gesamten Überfahrt unter Seekrankheit, und Tom brach sich ein Bein, als er auf der Gangway ausrutschte. Nach ihrer Ankunft in Wellington kratzten sie nur mit Mühe das Geld für den Rest der Heimreise zusammen und mußten überdies erfahren, daß Pastor Williams gestorben war und mit ihm auch seine Kirche.
Für Buster Giles war es nichts Neues, ausgesetzte Kinder auf dem Hof vorzufinden; sie trafen in allen Größen und Hautfarben ein, von winzigen Babys bis hin zu zerlumpten Lausejungs. Die Menschen schienen das Armenhaus für einen sicheren Zufluchtsort zu halten, doch darin täuschten sie sich gewaltig.
Es war eher ein Irren- als ein Armenhaus.
Buster, ein ehemaliger Boxer, hatte wegen seiner Trinkerei schon mehr als einen Job verloren. Daher war er dankbar für seine Arbeit als rechte Hand des Leiters dieser Anstalt, die ihm auch ein Dach über dem Kopf bot. Seine Schwester, die ihm die Stelle besorgt hatte, leitete die Frauenabteilung. Buster hatte ihr versprechen müssen, den Schnaps aufzugeben, da er nun, wie sie es nannte, eine verantwortliche Position innehatte. Allerdings hatte er bald begriffen, daß die Angestellten dieser Institution eigentlich nichts taten außer ihr Gehalt zu beziehen und die Insassen davon abzuhalten, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Der Leiter, ein ehemaliger Bankdirektor mit bewegtem Vorleben, verbrachte den ganzen Tag in seinem Büro über Journale, Hauptbücher und Akten gebeugt und wagte sich nur selten vor die Tür, von einem Kontakt mit den Insassen ganz zu schweigen.
Also diente ihm Buster als Laufbursche. Er verteilte die Dienstpläne, übermittelte Anweisungen an die unfähigen Arbeiter in der sogenannten Schuhfabrik, informierte Insassen, wenn sie das Armenhaus verlassen mußten, hielt sich von der stinkenden Küche fern und griff in Auseinandersetzungen ein. Es war ein furchtbarer Ort, doch wie alle anderen hatte auch er keine Wahl. Immerhin erhielt er fünf Pfund pro Woche für seine Arbeit.
Das Armenhaus trieb scheinbar jeden dem Alkohol in die Arme. An Schnaps herrschte beileibe kein Mangel, sogar der Leiter griff zur Rumflasche, um seine Nerven zu beruhigen. Alle übrigen tauschten, stahlen, bettelten und prügelten sich um jeden Tropfen, der auch nur nach Fusel roch.
Buster, der seine Fäuste noch immer zu gebrauchen wußte, hatte sich zum Beschützer der wenigen Abstinenzler entwickelt und dabei entdeckt, daß er darüber selbst die Lust am Schnaps verloren hatte. Es war wie eine Erleuchtung über ihn gekommen. Buster Giles empfand seine Umgebung als derart abstoßend, daß er nie wieder einen Tropfen anrührte und sich richtig gut dabei fühlte. Allmählich glaubte er, diese Position tatsächlich ausfüllen zu können.
Doch zunächst mußte er sich um diese Kleinen hier kümmern.
»Wo kommt ihr her?« fragte er sie.
»Busch, Boß. Wir kommen aus Busch«, sagte einer.
»Woher? Aus welchem Busch?«
Kleine Hände zeigten in unbestimmte Richtungen.
»Wer hat euch hergebracht?«
»Weißer Boß. Bringt uns nach Hause.«
»Wo ist denn euer Zuhause? Wo sind eure Mamis?«
Die beiden anderen Jungen brachen in Tränen aus.
»Im Lager«, sagte ihr Sprecher. Buster begriff, daß er es tatsächlich mit Schwarzen aus dem Busch zu tun hatte. Zwei von ihnen brabbelten nur in ihrer eigenen Sprache. »Na, wunderbar«, sagte er und brachte sie zu seiner Schwester in die Frauenabteilung.
»Sie können nicht hierbleiben!« rief sie aus.
»Das weiß ich auch, aber ich muß jetzt meine Runde machen.«
Danach ging die alte Leier los. Das Armenhaus appellierte an Kirchen und Waisenhäuser, an Privatschulen und jeden anderen, der geneigt war zuzuhören, doch diese Kinder waren sehr viel schwerer unterzubringen als niedliche Babys und arbeitsfähige größere Kinder. Also blieben Bobbo, Jagga und Doombie, Herkunft unbekannt, wochenlang im Armenhaus. Gelegentlich kümmerten sich einige der Frauen um sie, die den kleinen Ausgestoßenen das wenige boten, das sie besaßen, nämlich Zeit.
Der Sommer brachte eine erstickende Hitzewelle sowie Moskitos, Fliegen und Horden gigantischer Küchenschaben, die durch die heißen Schlafsäle und Schuppen wimmelten. Sie verursachten epidemieartige, verheerende Krankheiten und Fieber. Die Frauen konnten sich nicht länger um die drei schwarzen Kinder kümmern, von Molly Giles ganz zu schweigen. So blieben sie sich selbst überlassen, irrten durch das labyrinthartige Gebäude und suchten jeden Winkel nach etwas Eßbarem ab.
Endlich gelang es Buster, den kleinen Bobbo, da er des Englischen mächtig war, in einem Waisenhaus der Methodisten unterzubringen. Die beiden anderen Jungen waren strikt abgelehnt worden.
Buster wußte, daß es schwierig sein würde, die Kinder zu trennen, und brachte Bobbo heimlich in der Nacht weg.
Seine Freunde weinten am nächsten Morgen stundenlang, und ihr Geheul mischte sich mit dem Stöhnen und Klagen der kranken Frauen, doch die Aufseherin konnte nichts für sie tun.
Jagga fand sich nach ein paar Tagen mit den veränderten Umständen ab und zog weiter durch die Flure, wobei er ein altes rotes Kissen fest an sich drückte. Für Doombie war es jedoch zuviel. Er blieb auf ihrem Lager, einem Haufen ausgemusterter Decken, die in der äußersten Ecke eines Schlafsaals aufgestapelt lagen, und rührte sich nicht von der Stelle. Die Aufseherin verzweifelte allmählich auch. Sie litt unter Fieberschüben und wußte, daß sie nicht mehr lange durchhalten würde. Der einzige Lichtblick des Tages bestand für sie in den Besuchen gutsituierter Frauen aus den Wohltätigkeitsvereinen, die Körbe mit Nahrungsmitteln und Medikamenten für die Insassen mitbrachten. Die meisten wollten wirklich helfen und betrachteten die Zustände im Armenhaus voller Entsetzen. Die Aufseherin verließ sich mittlerweile völlig auf ihre Großzügigkeit.
Ihr war durchaus bewußt, daß einige dieser Frauen nur kamen, um sich zu zeigen, alberne, zimperliche Geschöpfe, die sich ihrer guten Taten rühmten, sich aber nur selten aus den gemauerten Empfangsräumen in die baufälligen, hölzernen Konstruktionen für die Insassen wagten. Andere jedoch besuchten die Kranken, knieten neben den Pritschen und fütterten sie mit Suppe; sie reinigten die Schuppen mit Besen und Scheuerlappen und scheuten auch nicht vor den Gemeinschaftstoiletten zurück. Sie sorgten dafür, daß Ärzte die Patienten untersuchten; sie betraten ohne Hemmungen die Männerunterkünfte und forderten das Personal auf, diese zu putzen; auch die Küchen blieben nicht verschont. Vor allem aber machten sie dem faulen Leiter die Hölle heiß und plagten ihn unablässig mit ihren gerechtfertigten Beschwerden über die Zustände in seiner Institution.
Die Aufseherin liebte diese Frauen. Sie waren einzigartig und schreckten auch nicht davor zurück, ihre Drohungen in die Tat umzusetzen. Sie verfaßten einen Bericht über die Lage im Armenhaus, den sie dem Premierminister vorlegten, und verlangten die Entlassung des Leiters, der durch einen kompetenten Verwalter ersetzt werden sollte. Molly Giles wußte, daß es über kurz oder lang dazu kommen würde, doch so lange konnte sie nicht mehr durchhalten.
Als sie eines Morgens wie gewöhnlich die Damen in der Eingangshalle begrüßte, hatte Jagga es sich in den Kopf gesetzt, sie für keinen Augenblick aus den Augen zu lassen. Er hing an ihrem Rockzipfel und spähte zu den Neuankömmlingen mit ihren schweren Körben hinauf. Dann schien ihn irgend etwas an seine Vergangenheit zu erinnern. Die meisten Frauen hatten schwarze Kleider und Schürzen an. Eine von ihnen, die offenbar zum ersten Mal hierherkam, trug ein hübsches, blaues Kleid und hob sich mit dem blonden Haar und der hellen Haut deutlich von ihren Begleiterinnen ab. Jagga stürzte auf sie zu und preßte sich an ihre bauschigen Röcke.
»Miss Louisa!«
Die Dame lächelte erfreut.
»Wer bist denn du, mein Kleiner?« fragte sie freundlich.
»Teddy!« schrie er. »Teddy!«
Die Aufseherin lachte und versuchte, ihn zurückzuziehen. »Nein, du bist Jagga.« Sie sah zu der Frau hoch. »Ich habe ihn noch nie zuvor Englisch sprechen hören. Komm, Jagga, laß die Damen vorbei.«
»Was macht er hier?« fragte eine ältere Frau.
»Er ist einfach bezaubernd«, warf Jaggas neue Freundin ein.
»Diese riesigen Augen und herrlichen Locken.«
»Er gehört zu dem Trio, von dem ich Ihnen erzählt habe«, erklärte die Aufseherin. »Man hat die Jungen vor unserer Tür ausgesetzt. Wir haben sie vorübergehend aufgenommen, konnten bisher aber nur einen von ihnen unterbringen.«
»Ist er ein Waisenkind?« wollte die hübsche junge Frau wissen.
»Sieht ganz so aus. Bisher hat ihn jedenfalls niemand zurückverlangt.«
»Dabei ist er so süß. So ein kleiner Liebling.«
Buster war verblüfft, als ihm seine Schwester die Neuigkeit überbrachte. »Ich habe jemanden gefunden, der Jagga nehmen möchte. Eine der Damen vom Wohltätigkeitsverein. Sie will ihn bei sich zu Hause aufnehmen. Ist verheiratet und hat keine Kinder. Könntest du ihn holen und gründlich reinigen, ich habe so viel zu tun. Beeil dich, bevor sie es sich wieder anders überlegt.«
»Guter Gott! Einfach so?«
»Ja. Zum Glück hat Jagga Gefallen an ihr gefunden.«
Als Buster das frisch geschrubbte Kind in schlechtsitzendem Hemd und viel zu langen Hosen vorführte, brach die Dame in Begeisterungsrufe aus.
»Was für ein kleiner Schatz! Du kommst mit mir heim, Jagga, mit deiner neuen Mami.«
»Louisa«, berichtigte er, und sie kicherte.
»Nein, Mami. Und dich werde ich Jack nennen. Das wird alles ganz wunderbar.« Sie sah Buster an. »Ist das nicht herrlich? Jetzt habe ich meinen eigenen kleinen Mohren.«
Buster hatte noch nie von dieser Rasse gehört. »Nein, er ist ein Aborigine.« Er schaute zu Jagga hinunter und legte ihm seine schwere Hand auf die Schulter. »Sei lieb zu der Lady.«
Diesmal gab es keine Tränen. Bobbos Verschwinden hatte das Zusammengehörigkeitsgefühl der Kinder ohnehin zerstört.
»Du siehst in letzter Zeit nicht gut aus«, sagte Buster zu seiner Schwester. »Du solltest dir ein bißchen mehr Ruhe gönnen.«
»Ich weiß etwas Besseres. Ich werde in den Ruhestand gehen.«
»Was?« Buster konnte es nicht fassen. Nach seiner Erfahrung verließ man eine Stelle nur, wenn man gefeuert wurde oder im Zorn kündigte. Wer der Arbeiterklasse angehörte, ging nicht in den Ruhestand.
»Kannst du dir nicht eine andere Stelle suchen?«
Seine Schwester schüttelte müde den Kopf. »Ich will keine andere Stelle. Mir reicht es, ich bin zu alt dafür. Es wird Zeit, daß ich mich zurückziehe.«
»Und wovon willst du leben?«
»Ich habe genug gespart. Außerdem besitze ich das kleine Haus in Camp Hill. Zur Not könnte ich immer noch als Hebamme arbeiten, das wäre sehr schön. Du kannst zu mir ziehen, wann immer du willst.«
»Da brat mir einer ’n Storch. Und wann ist es soweit?«
»Ende dieser Woche. Ich habe dem Leiter schon gesagt, daß ich kündige. Er wurde ziemlich unangenehm und erklärte, das ginge nicht. Er würde mir kein Zeugnis ausstellen.« Sie grinste. »Als ob ich so etwas noch bräuchte.«
»Da brat mir einer ’n Storch«, sagte Buster noch einmal. »Kann ich auch in den Ruhestand gehen, wenn ich fleißig spare?«
Sie ergriff seinen Arm und führte ihn zu einer Seitentür, durch die das Tageslicht hereinströmte. »Du machst deine Arbeit gut, also bleib, so lange es geht. Aber du kannst, wie schon gesagt, jederzeit zu mir ziehen, falls du die Finger weiterhin vom Schnaps läßt.«
In diesem Moment drängte sich eine Frau mit einem Wäschekorb durch die Tür. »Aufseherin, die suchen unten im Schlafsaal nach Ihnen. Sagen, das schwarze Kind wär’ krank.«
Doombie glühte vor Fieber. Molly badete ihn in warmem Essigwasser, machte eine kleine Pritsche frei und flößte ihm eine in Wasser aufgelöste Medizin ein, die sie für Grippefälle bereithielt. Dennoch machte sie sich Sorgen. Er wirkte so klein und zerbrechlich, daß sie an ihren Heilkünsten zweifelte.
In dieser Nacht wurde er von einem harten Husten geschüttelt. Sie rieb ihm die Brust mit Eukalyptus ein und wickelte ihn in weiche Tücher, damit die Dämpfe der Salbe auf Hals und Brust wirken konnten. Sie hob ihn hoch und drückte ihn an sich. Er war fast bewußtlos, doch sie spürte seine Angst … die Angst eines verlassenen, einsamen Kindes in einer furchterregenden Umgebung. Molly wußte, daß er neuen Lebensmut fassen mußte. Sie wich tagelang nicht von seiner Seite, sprach mit ihm, sang ihm Lieder vor und wiegte ihn in den Schlaf.
Die Frauen im Schlafsaal verhielten sich still und hofften auf seine Rettung. Selbst in dieser rauhen, herzlosen Umgebung brachten sie Mitleid auf, eine Form des Widerstands gegen eine erbarmungslose Welt. Sie beteten, wachten, lösten die Aufseherin ab, fanden sogar eine Mischlingsfrau, die sich neben Doombie hockte und in ihrer fast vergessenen Sprache mit ihm redete. Sie sagte zwar, er spreche eine andere Sprache als sie, doch ihre Worte gehörten so deutlich in seine Welt, daß sie auf Drängen der anderen Frauen bei ihm blieb.
Am vierten Tag war das Fieber verschwunden, und Doombie sah sie mit wachen Augen an.
Als es ihm besser ging, bat die Aufseherin die Aborigine-Frau, etwas über seine Herkunft herauszufinden. Diese schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich komme von Norden, Missus. Kann nicht viel verstehen, aber er sagt, er kommt aus Busch. Busch mit großem Fluß. Das ist alles er weiß.«
»Auch Bobbo wußte nicht mehr«, seufzte Molly. »Mein Bruder hat sich schon unter den Aborigines hier in Brisbane umgehört, ob irgend jemand drei Kinder vermißt. Bisher hat sich niemand gemeldet. Sie haben offenbar in einem Stammesverband gelebt, aber wo im Busch? Es ist einfach hoffnungslos.«
Buster lächelte stolz, als seine Schwester nach ihrem letzten Arbeitstag das Armenhaus verließ. Er hatte sich sogar Pferd und Wagen geliehen, um sie zu dem winzigen Holzhäuschen in Camp Hill zu fahren. Doombie thronte zwischen ihnen. Er war noch schwach und dünn, bekam aber nun ein Zuhause. Nachdem sie ihn gesundgepflegt hatte, konnte Molly Giles es einfach nicht übers Herz bringen, ihn im Armenhaus zurückzulassen.
»Er würde auf der Straße landen«, hatte sie Buster erklärt, der dazu nur gütig lächelte, wohl wissend, daß der Kleine seiner Schwester inzwischen ans Herz gewachsen war. Doombie würde es gut bei ihr haben.
So fand die Geschichte ein glückliches Ende. Buster freute sich schon auf seinen eigenen Ruhestand. Bis es soweit war, würde er die beiden an seinen freien Tagen besuchen. Nach all den einsamen Jahren waren sie nun zu dritt, wie eine richtige Familie.
Das Armenhaus war von Mauern umgeben gewesen, doch Bobbo hatte seine Freiheit innerhalb dieser Grenzen genossen. Er und seine Freunde glaubten aufrichtig, daß es nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach Hause sei. Der nette Mann hatte sie aus den Fängen des bösen befreit, der sie von zu Hause gestohlen hatte, und würde sie bald wieder holen kommen. Buster bestärkte sie in ihrem Glauben. Er schlug sie nie, fesselte sie nicht und steckte Doombie auch keinen Knebel in den Mund, wenn er im Schlaf aufschrie. Sie durften dieses riesige Haus nach Herzenslust erforschen und entdeckten bald, daß es einen herrlichen Spielplatz abgab. Sie spielten Nachlaufen und Verstecken in dem menschenüberfüllten, grauen Gebäude mit seinen seltsamen Gerüchen.
Dennoch behielt Bobbo stets das Tor im Auge, das immer offenstand. Menschen kamen und gingen, und die Jungen wußten, daß sie jederzeit davonlaufen konnten.
Nun aber befand er sich an einem anderen Ort. Mitten in der Nacht hatten ihn neue Teufel weggeschleppt, weg von seinen einzigen Freunden.
Auch dieser Ort hatte Mauern, hohe Wände aus Holz, und schwere Tore, die aber stets verschlossen waren. Das machte ihm angst. Allmählich dämmerte ihm, daß alle Weißen sie belogen hatten. Sie würden ihn nicht nach Hause bringen. Jagga und Doombie mochten vielleicht heimkehren, doch seine Chance war dahin.
Jeder Tag brachte neue Erschütterungen. Man steckte Bobbo gemeinsam mit einem Haufen meist weißer Jungs in eine langgestreckte Hütte, die von weißen, riemenschwingenden Bossen regiert wurde.
Bobbo haßte sie von Anfang an. Er wußte nicht, wie er sein Bett machen, mit Messer und Gabel essen oder sich richtig anziehen sollte. Doch es wurde noch schlimmer. Es gab so viele Vorschriften, Schläge und Schreie, daß er aus lauter Verwirrung vorübergehend seine Englischkenntnisse einbüßte. Woher aber sollte er wissen, daß dies die schlimmste Sünde von allen war? Wann immer er etwas in seiner Sprache sagte, wurde er bestraft: in Schränke eingesperrt, ohne Essen ins Bett geschickt oder mit dem Riemen gezüchtigt. Mit Hilfe der anderen Kinder erlangte er seine Kenntnisse allmählich zurück.
Es wurde gebetet, unterrichtet und gelernt. In den ersten Wochen strengte sich Bobbo mächtig an, um den Strafen zu entgehen, doch das schien auf die Bosse keinen Eindruck zu machen; er war ein für allemal als Trottel abgestempelt. Verzweifelt begann er sich zu wehren. Wenn sie ihn durch die Gegend zerrten, trat, spuckte und biß er um sich, forderte damit aber nur weitere Prügel heraus. Bald schon schnappte er Schimpfwörter und Flüche auf, mit denen er seine Peiniger überschüttete, und brüllte sich die Seele aus dem Leib, wenn man ihn in dunkle Räume einsperrte, um ihn gutes Benehmen zu lehren.
Das fröhliche Kind von einst galt nun nicht mehr als Trottel. Dieser Name paßte einfach nicht zu dem neuen, kämpferischen und herausfordernden Bobbo, der seine Verletzungen stolz zur Schau trug.
Dennoch, dies war ein Waisenhaus, und es führte kein Weg hinaus. Die Mitarbeiter wußten, früher oder später würde er sich notgedrungen anpassen müssen. In der Zwischenzeit mußten sie ihn zu einem gottesfürchtigen Christen bekehren, und sie kannten nur ein Mittel, um dies zu erreichen: den Riemen.
Jagga lebte währenddessen von Luxus umgeben bei der freundlichen Frau und ihrem Ehemann. Er schlief in einem Eisenbett auf der hinteren Veranda und wurde jeden Morgen gebadet, gepudert und in komische Kleidung gesteckt. Sie sah zwar hübsch aus, war aber äußerst unbequem, vor allem der seltsame Hut.
Zum großen Ärger der Dame ging er bald dazu über, die Kleidungsstücke nacheinander auszuziehen und im ganzen Haus zu verteilen.
Sie ernährte ihn gut, lehrte ihn geduldig das Essen mit Messer und Gabel, zeigte ihm, wie man auf Stühlen saß. Jagga empfand es als Spiel.
Der Ärger fing mit den Schuhen und Strümpfen an. Die Kleidung war schlimm genug, doch Jagga konnte es einfach nicht ertragen, wenn seine Füße eingezwängt wurden. Die Strümpfe waren eng und warm, die Schuhe drückten. Das Ankleiden wurde zum tagtäglichen, von Tränen und Drohungen begleiteten Kampf.
»Laß ihn doch!« sagte der Mann, der das Theater leid war. »Vergiß die Schuhe.«
»Nein, er muß es lernen«, beharrte die Dame.
Den Mann fand Jagga nicht weiter schlimm. Er schien die Kleiderfrage für einen Witz zu halten und zwinkerte ihm gelegentlich zu. Manchmal nahm er sich auch Zeit, um dem Jungen englische Wörter beizubringen.
Er war allerdings oft unterwegs, und im Haus hatte offensichtlich die Dame das Sagen. Auch sie unterrichtete Jagga und half ihm beim Kritzeln auf der Schiefertafel, die ihm bekannt vorkam. Teddy hatte auch so eine besessen.
Das Schönste an seinem jetzigen Leben waren die Tiere: Er freundete sich mit den beiden Hunden und der Katze an. Die Hunde schliefen in seinem Bett und verwehrten der Katze einen Platz darin, die sich daraufhin schmollend in einem Stuhl zusammenrollte. Es gab auch zwei bunte Papageien in einem Käfig, die sich bei Jagga so lange über ihre Gefangenschaft beschwerten, bis er sie freiließ. Erfreut sah er ihnen nach, als sie davonflogen.
Die Dame war deswegen so wütend auf ihn, daß sie ihn ohne sein Abendessen zu Bett schickte. Das störte ihn nicht weiter. Diese Leute aßen ohnehin zu oft. Er nahm zu, gewann an Stärke, doch als er das Wort ›Zuhause‹ hörte, das Bobbo so oft gebraucht hatte, begann auch er Fragen zu stellen. Er fragte, wann er heimkehren dürfe. Und die Antwort war immer die gleiche:
»Das hier ist dein Heim, Jack.«
Jagga sehnte sich nach seiner eigenen Familie. Er sehnte sich nach Bobbo und Doombie. Er war es leid, den Besuchern in seiner eigenartigen Kleidung vorgeführt zu werden, und an die Stelle von Lächeln und tiefen Dienern trat ein schmollender Gesichtsausdruck. Er machte in die Hose und erhielt eine Ohrfeige. Er rannte davon und versteckte sich, wenn es an der Tür klingelte, so daß ihn die Dame unter dem Bett hervorzerren mußte.
Die hübsche Dame – sie hieß Mrs. Adam Smith und war die Frau eines Zollinspektors – hatte allmählich genug von dem ungezogenen Bengel, der keinerlei Pflichten erlernen wollte und nicht einmal bereit war, ein Tablett zu den Gästen hinauszutragen. Die Haltung ihres Mannes dazu mißfiel ihr sehr.
»Ich habe es dir doch gesagt. Er ist kein Spielzeug, sondern ein Kind.«
Doch sie würde vor ihren Freunden das Gesicht verlieren, wenn sie ihn nun wegschickte, und ertrug daher die Blamage mit aufgesetztem Lächeln. Immerhin lobte man sie für ihre Nächstenliebe.
Allmählich verlor sie das Interesse daran, ihn herauszuputzen. Da ihr der Junge lästig war, übergab sie ihn der Obhut ihrer Haushälterin, die ihm freundlich begegnete.
»Ich weiß nicht, wieso er Ihnen leid tut«, sagte Mrs. Adam Smith erzürnt. »Wie viele Waisenkinder haben es schon so gut wie er?«
»Natürlich haben Sie recht, Madam, aber ich glaube nicht, daß er ein Waisenkind ist. Er sagt immer, er wolle nach Hause zu seiner Mami. Anscheinend heißt sie Nioka.«
»Ja, und vermutlich ist sie tot. Außerdem wissen wir nicht, wo sein Zuhause ist, oder?« Mrs. Adam Smith hätte es jedoch nur zu gern in Erfahrung gebracht und das Kind seinen Eltern zurückgegeben. Auch dafür würde sie das Lob ihrer Freunde einheimsen.
Obwohl sich in der Ferne dunkle Wolken zusammenbrauten, stellte man in der Hoffnung auf einen frischen Windhauch die Tische unter den zerzausten Pfefferbäumen auf, von wo sich ein schöner Ausblick auf den Fluß bot. An Weihnachten war es immer drückend heiß, das verdorrte Land dürstete nach Regen, und die Sonne stieg bereits über dem breiten Hügelkamm auf.
Victor blickte hoch und erschauderte. Manchmal wirkte dieser uralte Hügelkamm beinahe arrogant, als verachte er das zerbrechliche menschliche Leben zu seinen Füßen. Heute bedrückte ihn dieser Gedanke noch mehr als sonst. Nach außen hin ging alles seinen gewohnten Gang. Erwartung lag in der Luft, und es sah so aus, als würde das traditionelle Weihnachtsessen glatt über die Bühne gehen. An diesem Tag nahm jeder, der auf der Farm arbeitete, an der Tafel der Brodericks Platz, denn Austin betrachtete sie alle als Familienmitglieder. Trotz Charlottes Protest fehlten jedoch zwei Stammgäste; Austin hatte seinen Bannspruch gegen Harry und Connie nicht aufgehoben.
Charlottes Weihnachtsessen waren berühmt. Die Tische waren mit Leinentüchern gedeckt, die roten und silbernen Tischdekorationen aufgestellt und die Bäume mit bunten Girlanden geschmückt. Handgeschriebene Speisekarten lagen neben kleinen, selbstgefertigten Körbchen mit Süßigkeiten und Nüssen, obwohl das Menü jedes Jahr das gleiche war. Hühnercremesuppe, Fischfilet mit Zitronensauce, Brathähnchen mit gebackenem Gemüse, als Dessert Trifle aus weingetränktem Biskuit und Plumpudding mit Brandysauce.
Lächelnd betrachtete Victor die stilisierte Schrift auf seiner Karte. Charlotte hatte sich große Mühe gegeben, obwohl sie, was selten vorkam, wirklich zornig auf ihren Mann war. Sie hatte sogar hinter seinem Rücken an Harry geschrieben, der nun als Verwalter auf Tirrabee Station arbeitete, und ihn gebeten, dennoch zu kommen. Harry hatte ihnen allen frohe Weihnachten gewünscht und die Einladung mit der Begründung abgelehnt, er wolle keinen weiteren Ärger verursachen. Victor war ihm insgeheim dankbar, denn es hätte sicher Schwierigkeiten gegeben, zumal sich Rupe auf die Seite seines Vaters geschlagen hatte.
»Ich verstehe nicht, wieso du dich so aufregst«, hatte Victor zu ihm gesagt. »Passiert ist passiert.«
»Er hat uns verraten und verkauft«, erwiderte Rupe erbost. »Du bist ein Schwächling, wirst gleich wieder weich. Wir wollen ihn hier nicht haben.«
»Das bin ich nicht. Ich sehe nur nicht ein, was das ganze Theater soll.«
Zu Victors Freude hatte Harry seinen Neffen jedoch nicht vergessen und dem Jungen eine große Holzeisenbahn geschickt. Teddy liebte den rotbemalten Zug und nahm ihn überallhin mit.
Austin war schlechtgelaunt, da er die Schwarzen vermißte.
»Wo stecken sie?« hatte er Victor mehrfach gefragt.
»Ich weiß es nicht.«
»Aber sie mögen Weihnachten doch«, hatte sein Vater mürrisch erwidert. »Sie kennen unseren Kalender zwar nicht, orientieren sich jedoch an den Jahreszeiten und wissen von selbst, wann Weihnachten ist. Sie haben es noch nie verpaßt. Sie sitzen immer im Schatten am Fluß, feiern ihr eigenes Fest, und wir halten besonderes Essen für sie bereit. Wo stecken sie also diesmal?«
»Vermutlich zu weit weg, um rechtzeitig herzukommen«, sagte Victor, damit sein Vater endlich Ruhe gab.
Als Austin an diesem Morgen entdeckte, daß noch immer kein einziger Schwarzer zurückgekehrt war, sank seine Stimmung auf den Nullpunkt. Er schien ihre Abwesenheit als persönliche Beleidigung aufzufassen.
Victor konnte darüber nur den Kopf schütteln. Er würde froh sein, wenn alles vorbei war. Am Fehlen von Harry, Connie und den Aborigines konnte er ohnehin nichts ändern. Er ging zu einer Gruppe von Viehhütern hinüber und half ihnen, ein Bierfaß für ihre durstigen Kollegen aufzustellen.
Selbst hoch im Norden hatte Minnie nicht vergessen, daß Weihnachten war. An diesem Tag war der weiße Geist geboren worden, der jetzt im Himmel lebte. Es war eine fröhliche Zeit, jeder war guter Dinge, was bewies, daß dieser Jesus ein den Menschen wohlgesonnener Geist sein mußte. Als sie sich nun an ihn erinnerte, scheute sie nicht davor zurück, ihn um die Rückkehr ihres Sohnes zu bitten. Sie legte dazu die Handflächen aneinander, wie es die Weißen taten, wenn sie beteten.
Aber er sandte nicht mehr Hilfe als ihre eigenen Geister, die sie bereits mehrfach angerufen hatte. Ihre Schwermut wuchs. Die anderen schien es nicht weiter zu interessieren. Sie waren zufrieden bei dieser neuen Horde und mit dem Leben in dem bewaldeten Tal, das bessere Nahrungsquellen bot als Springfield, wo die Schafzucht die Natur zurückgedrängt hatte. Viele bezweifelten, daß sie je in ihr angestammtes Lager zurückkehren würden. Als Minnie davon erfuhr, erlitt sie einen Anfall und stürzte besinnungslos zu Boden.
Als sie Tage später aus tiefem Schlaf erwachte, nachdem ihr die Frauen eine übelriechende, weiße Flüssigkeit eingeflößt hatten, mußte sie zu alledem noch Niokas Zorn über sich ergehen lassen.
»Du mußt endlich mit diesem Theater aufhören. Alle regen sich darüber auf. Du arbeitest nicht und suchst nicht nach Essen. Du fischst nicht einmal, sondern liegst nur faul herum und bemitleidest dich selbst. Sieh nur, wie fett du geworden bist! Das gefällt den Leuten nicht. Wir schämen uns deiner. Sie verstehen nicht, warum sie dich durchfüttern sollen.«
Minnie geriet in Rage. »Sie müssen mich nicht durchfüttern. Es ist mir egal. Und über dich weiß ich genau Bescheid! Du hast einen neuen Mann. Du hast gesagt, Männer würden dein Leben nur durcheinanderbringen, und jetzt steckst du pausenlos mit diesem Rangutta zusammen!«
»Das ist kein Geheimnis. Ich habe mich entschlossen, ihn zum Mann zu nehmen.«
»Damit du neue Babys haben und Jagga vergessen kannst!«
»Das ist nicht wahr. Ich werde Jagga nie vergessen. Er kommt eines Tages heim.«
»Wie denn?« schrie Minnie. »Wie sollen sie uns hier finden? Es sind doch nur kleine Jungs.«
Nioka seufzte. »Rangutta hat mit den Ältesten seines Stammes gesprochen. Sie kennen sich aus. Sie sagen, daß die Weißen öfter schwarze Kinder mitnehmen und behalten, als wären es ihre eigenen.«
»Was? Das glaube ich nicht. Sie haben sie in die Schule gebracht und schicken sie in den Ferien nach Hause, genau wie die Söhne der Brodericks.«
»Nein«, sagte Nioka traurig. »Wir haben uns geirrt. Schwarze Kinder bringen sie nicht zurück, das mußt du einsehen, Minnie. Du kannst dich heute noch ausruhen, doch morgen mußt du mit uns arbeiten.« Sie stieß ihre Schwester sanft an.
»Dann verschwindet auch dieses Fett wieder.«
»Zuerst sagst du, ich soll mehr essen, jetzt bin ich plötzlich zu fett. Du weißt gar nicht, wovon du redest. Keiner von euch.« Sie rappelte sich auf. »Ich suche Moobuluk.«
»Sei nicht albern. Wir wissen nicht, wo er ist.«
»Dann faste ich so lange, bis er kommt.«
»Das wird Bobbo auch nicht helfen.«
Minnie schlug mit der Faust nach ihrer Schwester. »Geh weg, du Lügnerin. Du sagst, Bobbo kommt nicht zurück. Du willst mich nur dazu bringen, daß ich arbeite, aber das werde ich nicht tun.« Sie begann zu weinen und schluchzte heftig.
»Ich habe alles verloren. Meinen lieben Jungen. Sogar Weihnachten habe ich verpaßt.«
»Weihnachten?« entgegnete Nioka ungläubig. »Was hat das denn damit zu tun?«
»Geh weg. Ich hasse dich. Ich hasse diesen ganzen Ort.«
Minnie fastete tatsächlich. Sie weigerte sich strikt, auf Nahrungssuche zu gehen, und irgendwann begann Nioka sich ernsthaft Sorgen zu machen. Sie brachte ihrer Schwester gekochtes Fleisch, Fladenbrot mit Honig, Nüsse und ihre Lieblingsbeeren, doch Minnie schob alles beiseite.
Gabbidgee kam, um ihr ins Gewissen zu reden. Er sprach über seinen Sohn Doombie, bat sie zu essen, damit sie bei Kräften blieb. Als alles nichts fruchtete, rief er die Ältesten zusammen, die sich zu Minnie hockten und sie zu überreden versuchten. Doch sie wiederholte immer nur die eine Frage.
»Stimmt es, daß die Weißen unsere Kinder behalten? Wagt es nicht, mich anzulügen, sonst trifft euch die Rache der Geister.«
»Es stimmt«, sagten sie schließlich bedrückt. »Es ist wahr.« Manchmal verschwand Minnie tagelang im Busch und wanderte ziellos umher, bis jemand sie zurückholte. Dann saß sie schweigend am Ufer des Sees.
Nioka tat es inzwischen leid, daß sie Minnie als fett bezeichnet hatte. Sie magerte rasch ab und wirkte bald so hager und ungepflegt, daß sie zur Zielscheibe grausamer Scherze wurde. Die Kinder nannten sie nur die ›Verrückte‹.
»Warum tut sie das?« fragte Nioka die weisen Männer.
»Bobbo kommt dadurch nicht wieder. Es ist so dumm.«
»Sie bestraft sich selbst. Sie denkt, sie hätte den Jungen nicht ausreichend beschützt.«
»Aber wir haben es doch nicht gewußt. Wir dachten, die Jungen seien sicher bei den Familien. Und sie glaubten, der Betmann würde sie einfach nur in seinem Wagen mitfahren lassen.« Sie weinte. »Wie konnten wir wissen, daß etwas so Schreckliches geschehen würde?«
»Das konntet ihr nicht. Euch trifft keine Schuld.«
»Wie lange kann sie so weitermachen?«
»Es dauert lange, bis man tatsächlich verhungert, doch die körperliche Schwäche macht sie anfällig für Krankheiten. Wir sprechen noch einmal mit ihr.«
Doch Minnie hatte sich die Brüste aufgeschlitzt und duldete nicht, daß man ihre Trauer störte.
»Vielleicht ist das heilsam«, sagten die Ältesten zu Nioka.
»Wenn sie den Traditionen folgt, kann sie irgendwann das Weinen hinter sich lassen.«
Nioka schöpfte neue Hoffnung. Der Sommerregen kam; das Tal dampfte in der Hitze, der trockene Wald bekam ein üppig grünes Kleid, dessen leuchtende Farben sich im See spiegelten. Die Schönheit der Landschaft überwältigte Nioka, deren Herz erfüllt was von Liebe zu ihrem neuen Mann, und drängte die Sorge um Minnie in den Hintergrund.
Rupe genoß dieses Weihnachtsfest nicht, ließ es einfach nur über sich ergehen. Der Weihnachtstag zeichnete sich allein dadurch aus, daß man sich durch ein langes, langweiliges Mittagessen und den Austausch unnützer Geschenke quälen mußte. Die Viehhüter bekamen Socken, die Aufseher neue Viehpeitschen und so weiter bis hin zu Austin, der seine neue elegante Tweedjacke als viel zu teuer empfand. Die Frauen schenkten einander modischen Schnickschnack, Teddy bekam Spielzeug und Victor eine Palette neuer Hemden. Der Nachmittag zog sich unerträglich in die Länge.
Dann war endlich alles vorbei, und im Haus kehrte wieder Normalität ein. Rupe hatte den Beginn dieses aufregenden neuen Jahres voller Ungeduld erwartet, die er sich jedoch wohlweislich nicht anmerken ließ. Victor bereitete sich auf die Reise nach Brisbane vor, die er in Begleitung von Louisa und Teddy unternehmen wollte, um dort mit den Anwälten die zu erwartenden Auswirkungen des Gesetzes gegen die Zweckentfremdung von Land zu diskutieren. Er schob seine Abreise allerdings immer wieder auf, so als hätte er keinen Bruder, der ihn würdig vertreten könnte. Er traf alle möglichen Vorkehrungen für Springfield, erteilte den Aufsehern Anweisungen, prüfte die Journale und Zuchtbücher, um sie auf den neuesten Stand zu bringen, untersuchte einfach alles bis hin zum letzten Grashalm – dann endlich wurde ihr Gepäck auf den gefederten Wagen geladen, und sie brachen auf. Aus Höflichkeit begleitete Rupe sie zu Pferd durchs ganze Tal bis zu den Gebirgsausläufern, der äußeren Grenze von Springfield. Unterwegs neckte er Louisa, die ihre Aufregung kaum im Zaum halten konnte, und fragte beflissen:
»Kommt ihr ab hier allein zurecht?«
»Natürlich«, antwortete Victor lachend. »Und vergiß die Pferde nicht. Einige der Zuchttiere könnten ein Päuschen vertragen. Prüf die ganze Herde, wir brauchen ein paar frische Tiere. Du kannst zu Jock reiten und sehen, was er dahat.«
»Das hast du mir bereits gesagt. Los jetzt. Viel Spaß in Brisbane!«
Rupe sah ihnen nach, machte kehrt und ritt in wildem Galopp auf der sandigen Straße dahin. Nun, da Victor aus dem Weg und Austin ans Haus gefesselt war, würde er, Rupe Broderick, das Ruder übernehmen. Jetzt war er der Boß!
Am nächsten Morgen stand er früher auf als sonst, um die richtigen Männer für seine Zwecke auszuwählen. Nur wer dringende Aufgaben zu erledigen hatte, wurde freigestellt.
»Wie ihr alle wißt, hat die Regierung ein Gesetz erlassen, um gute Farmen wie Springfield zu ruinieren. Es ist an der Zeit, daß wir uns dagegen wehren. Die neuen Grenzreiter lernen zwar gerade den Besitz kennen, aber ich möchte sichergehen, daß ihr alle um die genauen Grenzen von Springfield wißt.«
Rupe war klar, daß es irgendwann neue Grenzen zu sichern gelten würde, wenn die einzelnen Abschnitte von Springfield erst einmal genau festgelegt und die für sie unwirtschaftlicheren Gebiete abgetreten wären. Vorerst war der Besitz jedoch unverändert.
Er teilte die Männer in vier Gruppen ein. Zwei von ihnen sollten jeweils an die Aufseher der Außenposten berichten.
»Sagt ihnen, sie sollen euch mit ihren Grenzen vertraut machen. Von jetzt an setzt kein Fremder mehr einen Fuß auf unser Land.«
Einer der Männer wirkte verunsichert: »Aber es führen doch Straßen hindurch. Wir können nicht jeden einzelnen anhalten.«
»Das könnt und werdet ihr! Das gleiche gilt übrigens für die Straße durch dieses Tal. Sie alle sind für Fremde gesperrt. Wir haben die Straßen für unsere eigenen Zwecke gebaut und sie den Reisenden zur Verfügung gestellt, aber damit ist jetzt Schluß. Wenn diese Regierung so verdammt schlau ist, soll sie doch ihre eigenen Straßen bauen – aber nicht hier auf Springfield.«
»Es wird vielen Leuten Unannehmlichkeiten bereiten.«
»Na und?« gab Jack Ballard zurück. »Das hier ist Privatbesitz. Austin hat den Leuten einen Gefallen getan, indem er den Verkehr hier durchließ, aber wer tut ihm denn einen Gefallen? Außerdem können wir unsere Zeit nicht damit verschwenden zu prüfen, wer nur Reisender und wer ein Siedler ist, der hier nach guten Weidegründen schnüffelt.«
»Genau«, bestätigte Rupe. »Die Straßen sind ab sofort gesperrt, und ich will, daß ihr alle Waffen tragt, damit sie auch sehen, daß ihr es ernst meint.«
»Wie lange sollen wir da draußen bleiben?«
»Ein Tag sollte reichen, damit ihr eure Gebiete kennenlernt. Danach brauchen wir lediglich genügend Reiter, um die Grenzen ständig im Auge zu behalten.«
»Warum riegeln wir die Straßen nicht einfach ab? Damit wäre alles erledigt«, schlug jemand vor.
»Wieso eigentlich nicht? Die Reiter mag es zwar nicht abhalten, die Wagen aber schon. Und es spricht sich schneller herum, daß Springfield keine Durchfahrt mehr bietet.«
Er schickte die dritte Gruppe auf die gegenüberliegende Flußseite, die anderen behielt er bei sich. »Wir bewachen die Hauptstraße nach Osten. Schließlich können wir nicht unseren eigenen Zugang zum Tal blockieren. Ihr kennt die Gegend ja, also seht euch einfach nur um, damit ihr wißt, worum es geht.«
Rupe war sehr stolz, mit einem Truppe bewaffneter Viehhüter loszureiten. Nun würde man ihn endlich ernst nehmen. Auf den Straßen im Outback herrschte wenig Verkehr, und einige Tage lang blieb alles ruhig. Dann begann der Ärger. Reiter wurden mit vorgehaltener Flinte zurückgeschickt; Wagen hielten an den Grenzen des Besitzes und verlangten freie Durchfahrt nach Westen; andere Reisende, die an dem von Austin erbauten Damm den Fluß überqueren wollten, wurden abgewiesen. Nur die Gegenwart Bewaffneter verhinderte Schlägereien, obgleich einige der Reisenden ebenfalls Waffen trugen.
Rupe jubelte, als die ersten Berichte eintrafen. »Das wird Wirkung zeigen«, sagte er zu Jack Ballard. »Ich habe selbst eine ganze Wagenladung zurückgeschickt.«
»Aber das war eine Familie«, wandte dieser ein. »Soweit ich hörte, wollten sie nur Verwandte am anderen Flußufer besuchen.«
»Das haben sie jedenfalls behauptet. Man kann heutzutage niemandem mehr über den Weg trauen.« Rupe blieb eisern und bestand darauf, daß man seinen Anordnungen auch weiterhin Folge leistete.
Als der Wagen mit Vorräten für Springfield eintraf, fragte der Kutscher erstaunt: »Was zum Teufel ist denn hier los? In Cobbside heißt es, alle Straßen wären gesperrt. Ich kann euch sagen, die sind ganz schön sauer.«
»Und wenn schon. Springfield ist kein öffentlicher Trampelpfad.«
»Aber du blockierst den halben Bezirk, Rupe. Sag Austin, er soll seinen Griff ein wenig lockern.«
»Ich entscheide hier, wer wann was lockert! Sag den Leuten in Cobbside und Toowoomba, daß die Siedler keine Chance bekommen, auch nur einen Blick auf Springfield zu werfen!«
»Aber es sind nicht alles Siedler.«
Rupe starrte ihn an. »Wie bitte?«
»Du hast mich genau verstanden.«
»Du hast gesagt, es seien nicht alles Siedler. Was denn dann?«
»Weiß nicht, sie wollen vielleicht nur die Weiden vergleichen. Lernen, worauf es dabei ankommt. Springfield hat doch einen guten Ruf.«
»Das will ich wohl meinen. Und wir wollen hier keine Fremden haben. Weiden vergleichen? Meinst du allen Ernstes, wir seien so blöd? Sag ihnen, sie sollen im Botanischen Garten üben.«
Austin erfuhr natürlich von der Blockade, aber nicht durch seine eigenen Männer. Jock Walker ritt höchstpersönlich zu ihm, um sich zu beschweren.
Ungerührt angesichts der Tatsache, daß Austin einsam und verloren auf seiner Seitenveranda saß, kam er gleich zur Sache. »Was zur Hölle soll das?«
»Wovon sprichst du?«
»Ha! Als ob du es nicht ganz genau wüßtest! Ich spreche von der Blockade der Straßen, die durch Springfield führen.«
Austin war zu stolz, um seine Unwissenheit einzugestehen. Jock würde ihm schon auf die Sprünge helfen, wenn er ihn nur reden ließ.
»Das kannst du nicht machen, mein Freund. Sie trampeln jetzt alle über mein Land, lauter schlechtgelaunte Tölpel, die dich und deine Straßensperren verfluchen.«
»Meinst du Siedler?« fragte Austin vorsichtig.
»Woher soll ich wissen, was für Leute das sind? Jedenfalls geben sie mir die Schuld an diesem ganzen Schlamassel. Niemand will einen Umweg von fünfzig Meilen in Kauf nehmen, um Springfield zu umgehen. Das ist unzumutbar. Du mußt damit aufhören.«
»Machst du dir etwa keine Sorgen wegen des Zweckentfremdungsgesetzes?«
»Doch, aber man braucht deswegen nicht gleich mit aller Welt Streit anzufangen.«
»Dann machst du es eben auf deine und ich auf meine Weise.«
Sie unterhielten sich lange über das Gesetz. Austin erfuhr, daß Jock die gleichen Tricks anwandte wie er, indem er sein bestes Land aufteilte und auf Strohmänner überschreiben ließ. Währenddessen baute er Dämme und leitete Flüsse auf die erstklassigen Weidegründe um. Bei ein paar Gläsern Whisky amüsierten sie sich königlich über die Kniffe, die sie ausgetüftelt hatten, bis Jock die Rede auf Harry brachte.
»Mein Sohn ist nicht gerade gut auf ihn zu sprechen«, sagte er grinsend.
Austin fand das gar nicht komisch. »Ich auch nicht.«
Nachdem Jock gegangen war, erwartete Austin wütend Rupes Heimkehr, um ihn zur Rede zu stellen.
»Was sollen diese Straßensperren?«
Rupe bekam keine Gelegenheit zu einer Erklärung, da sein Vater sofort losbrüllte. »Das hier ist noch immer mein Land, nicht deins, du undankbarer Kerl. Wie kommst du dazu, ohne meine Erlaubnis solche Befehle zu erteilen? Hast du etwa geglaubt, ich würde es nicht erfahren? Daß ich ein Volltrottel bin, der nicht weiß, was auf seinem eigenen Grund und Boden vor sich geht? Du wirst hier keine Befehle mehr erteilen. Jack Ballard wird jeden Tag nach Feierabend hier erscheinen und meine Anweisungen entgegennehmen, egal, wie spät es ist. Verstanden? Ich bin hier der Boß, vergiß das nie.«
Doch als Rupe gegangen war, beruhigte sich Austin sehr schnell wieder und mußte sogar grinsen. »So was Dreistes – aber er ist auf dem richtigen Weg. Victor ist einfach zu nachgiebig, er hätte etwas so Tollkühnes nie fertiggebracht. Was Jock tut, ist ganz allein seine Sache, doch wenn Rupe Springfield abriegeln will, bin ich dafür. Wir sperren diese Schweine einfach aus …«
Als Charlotte ihm das Essen brachte, war sie überrascht, ihn in so aufgeräumter Stimmung zu sehen. Sie vermutete, Jocks Besuch habe ihm einfach gutgetan.
Austin schlief noch immer in seinem eigenen Flügel. Obwohl sich sein Zustand sehr gebessert hatte und er mit Hilfe einer Krücke sogar umhergehen konnte, war von einer Rückkehr in ihr gemeinsames Schlafzimmer nie die Rede gewesen. In ihr Bett. Vielleicht bildete sie es sich ja auch nur ein, aber irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, daß er sich hier unten einfach wohler fühlte.
Es regnete eine ganze Woche lang, ein warmer, willkommener Regen. Die Weiden wurden wieder zu einem grünen Teppich. Der schlammige Fluß erwachte durch die Fluten, die sich in den Hügeln sammelten, zu neuem Leben und strömte entschlossen dahin, als wisse er ganz genau, daß diese Wassermengen vor den nächsten Regenfällen verschwinden mußten, um Hochwasserschäden zu verhindern.
Gegen kleinere Überflutungen hatte Austin nichts einzuwenden, vorausgesetzt, die Schafe waren in Sicherheit; wie die Grasbrände waren auch sie ein Geschenk der Natur, das Erneuerung und Verjüngung verhieß. Er saß auf seiner Veranda und lächelte in kindlicher Freude. Er liebte das Prasseln des Regens, das ferne Donnergrollen über dem Tal, und freute sich, daß sie wenigstens bis zum nächsten Jahr dem schlimmsten Feind, der Dürre, getrotzt hatten.
Bei diesem nassen Wetter patrouillierten nur die Grenzreiter auf ihren Abschnitten. Der Fluß, der stellenweise stark angeschwollen und damit unpassierbar geworden war, kam ihnen dabei zu Hilfe. Nur abgehärtete Buschleute, die mit ihren Pferden hindurchschwimmen konnten, benutzten die Uferstraßen; Fahrzeuge mußten sich an die weiter entfernten schlammigen Wege halten. Daher teilte Rupe seine Männer zur Bewachung der offenen Straßen ein, während er selbst den abgenutzten Pfad im Auge behielt, der zum Wasser hinunterführte.
Seit den ersten Auseinandersetzungen mit Reisenden hatte sich die Nachricht von der Sperrung der Straßen wie ein Lauffeuer verbreitet. Nur wenige wagten sich noch über die Grenzen von Springfield, so daß die Männer auf den verlassenen Straßen gelangweilt ihre Strecken abritten. Das heißt, alle außer Rupe. In seinem Hut aus Rindsleder und dem schwarzen Regenumhang setzte er die Suche nach Eindringlingen ohne Rücksicht auf die Witterung fort. Er genoß seine Rolle – vor allem, weil er wußte, daß Austin ungeachtet seines Wutanfalls seine Maßnahmen im Grunde guthieß.
Als er keine Eindringlinge entdecken konnte, ritt er in der Hoffnung, er könne Reisende zurückschicken, bevor sie Springfield überhaupt betraten, in Richtung Cobbside. Er traf jedoch nur den Postboten, der sich über die schlammigen Straßen beschwerte, auf denen sein Wagen bereits zweimal steckengeblieben war.
»Sonst noch jemanden gesehen?« fragte Rupe. »Irgendwelche Fremden?«
»Einige sogar, Reiter. Schwirren im ganzen Bezirk umher.«
Er grinste. »Und ich glaube nicht, daß sie nur ihre Omas besuchen wollen. Es wird viel über die Selektionsrechte geredet, die Burschen meinen es ernst.«
»Ich auch. Hier brauchen sie sich jedenfalls nicht blicken zu lassen.«
»Dann seien Sie auf der Hut. In Cobbside und den anderen Kleinstädten stehen die Leute hinter ihnen.«
»Wieso? Was hat es mit ihnen zu tun?«
»Eine Menge. Je mehr Siedler mit Familien herkommen, desto besser verdienen die Geschäftsleute. Ist gut für die Stadt. Ich selbst bin mir da nicht so sicher, für mich bedeutet es einfach nur mehr Arbeit. Als nächstes teilen sie meinen Bezirk auf und bieten ein Stück davon anderen Leuten an. Wer hat dann wohl das Nachsehen? Sie nennen es Fortschritt, aber ich finde, man sollte lieber alles so lassen, wie es ist. Hier draußen läuft es doch gut. Ich weiß nicht, wieso wir etwas daran ändern sollen.«
Rupe ließ ihn weiterziehen. Die Sache mit den Reitern interessierte ihn. Gedankenverloren ritt er querfeldein zu den gewundenen Straßen am Fluß.
Welchen Weg würde ich denn nehmen, wenn die wichtigsten Straßen durch Springfield gesperrt wären? überlegte Rupe.
Den am Fluß, da er bei diesem Wetter wohl kaum bewacht sein dürfte. Er führt Hochwasser, hat die Ufer aber noch nicht überflutet. Ein guter Reiter kann ihn leicht durchwaten. Er ließ sein Pferd durch das karge Gebüsch traben und über Wasserrinnen springen, während er voller Zorn über die Bewohner von Cobbside nachdachte.
»Sie sind verdammt undankbar. Ohne große Farmen wie Springfield könnten sie gar nicht existieren. Und jetzt wenden sie sich gegen uns.«
Im Nieselregen erreichte er, ganz in seine ärgerlichen Überlegungen vertieft, einen Viehweg. Er war nicht in Eile; die Vermutung, die Reiter könnten diese Route nehmen, war nur eine Möglichkeit unter vielen. Wahrscheinlich besaßen sie gar nicht genügend Grips, um auf diese Idee zu kommen.
Als er die alte Furt erreichte, wo eine kleine Halbinsel in den Fluß hineinragte, stieg er ab und suchte samt Pferd Schutz unter einem Dach, das aus den Ästen der baumähnlichen Kolbenlilien gefertigt war. Diese Konstruktion war nicht dicht; das Dach wurde von sechs Ästen getragen, besaß keine Seitenwände und diente eher dem Schutz vor der Sonne als vor Regen. Für den Moment würde es jedoch reichen. Er nahm die Satteltasche ab und holte seine dicken Sandwiches mit Hammelfleisch und Senf heraus. Rupe biß herzhaft hinein und schaute müßig auf den Fluß hinaus. Ihm fiel Austins Plan über die Aufteilung von Springfield wieder ein, bei der die einzelnen Abschnitte auf Namen von Familienmitgliedern und Scheinkäufern eingetragen werden sollten. Es ärgerte ihn, daß Victor – wenn auch nur nach außen hin – drei Abschnitte besitzen würde, während ihm selbst nur einer gehörte. Dieses Mißverhältnis nagte an ihm. Und wenn Austin nun starb? Jetzt, wo Harry aus dem Spiel war, hätte er die Farm genausogut seinen beiden anderen Söhnen zu gleichen Teilen überschreiben können. Würde Victor nun auf Springfield die Kontrolle übernehmen wollen? Vielleicht hätte er nach Brisbane mitfahren sollen, um ein Auge auf Victor zu haben, der dort sicherlich vor allem seine eigenen Interessen vertrat. Er mußte auf der Hut sein.
Rupe hatte auch nicht vergessen, daß eine baldige Heirat seine Position stärken würde. Dann könnte er im Namen seiner Frau den Abschnitt beanspruchen, der für Fern Broderick reserviert war. Dies wäre immerhin ein Anfang, und wenn dann auch noch ein Kind käme, könnte er mit Victor gleichziehen. Wenn Victor wieder da war, würde er sich frei nehmen und auf Brautschau gehen. Ihm fielen mehrere Mädchen ein, deren Familien ebenfalls Farmen besaßen und die eine ansehnliche Mitgift erhalten würden. Letztere war ebenso wichtig wie die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse, die seit dem Verschwinden der Aborigines weitgehend ungestillt geblieben waren. Er vermißte die Schwarzen. Für einen einsamen Mann gab es nichts Besseres als schwarze, samtweiche Haut, dachte Rupe grinsend.
Er zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich gegen den warmen Leib seines Pferdes, während er von den Freuden des Ehelebens in der Abgeschiedenheit des Busches träumte. Plötzlich hörte er ein Geräusch. Er trat auf die Straße hinaus, die am Fluß abrupt endete, warf die Zigarette weg und schwang sich auf sein Pferd. Das war unverkennbar Hufgetrappel.
Rupe riß sein Gewehr aus dem Halfter, lud es durch und ritt zum sandigen Flußufer. Dann stellte er sich mitten auf die Straße und wartete auf die Reiter. Er würde sie zurückschicken wie alle anderen auch. Leute mit friedlichen Absichten waren auf diesem Weg nicht zu erwarten, und Eindringlingen, die auf dem Land der Brodericks herumschnüffeln wollten, würde er einen passenden Empfang bereiten.
Dann sah er sie; zwei Reiter, die den Abhang herunterkamen. Der Regen hatte sich in einen feinen Nebel aufgelöst, doch sie hatten die Hüte tief in ihre bärtigen Gesichter gezogen, und die Kragen ihrer groben Jacken waren bis zu den Ohren hochgeschlagen. Selbst aus dieser Entfernung konnte Rupe die Gewehre an den Sätteln ausmachen. Er hob seine Waffe zur Warnung. Hinter ihnen tauchte ein weiterer Reiter auf, der sie einzuholen versuchte. Dies war kein Buschmann wie die anderen, er wirkte jünger, war glattrasiert und trug einen schicken neuen Hut, dazu einen maßgeschneiderten Mantel. »Wer bist denn du?« fragte der erste Rupe statt einer Begrüßung. Dies war eine Provokation, und Rupe fühlte sich plötzlich unbehaglich, konnte sich aber dazu zwingen, Ruhe zu bewahren und mit fester Stimme zu antworten:
»Rupe Broderick. Sie befinden sich auf unserem Besitz, der Springfield Station.«
»Na und?«
»Sie müssen umkehren.«
»Komm schon, Kleiner, wir sind hier schon oft entlanggeritten.«
»Ich kenne Sie nicht.«
»Dann sind wir quitt. Wir dich nämlich auch nicht.«
Rupe wich einen Schritt zurück und deutete mit dem Kopf auf den Fluß. »Sie kommen hier nicht rüber, er ist zu tief.«
»Laß das mal unsere Sorge sein, Kumpel.« Der andere bärtige Mann sagte nichts, grinste Rupe einfach nur unverschämt an.
»Was haben Sie hier zu suchen?«
»Das geht dich nichts an.« Der Mann drehte sich um und rief dem dritten Reiter zu: »Komm schon, Charlie. Hier kannst du dir die Stiefel ein bißchen naß machen.«
Der Mann namens Charlie gesellte sich nun zu ihnen. Er wirkte sehr nervös. Vermutlich ein Städter, dachte Rupe. Wahrscheinlich machten sich die Bushies über seine teuren Stiefel lustig, die viel zu elegant waren für dieses Wetter.
»Entschuldigen Sie, mein Name ist Charles Todman. Wir möchten keine Schwierigkeiten machen, aber mit welchem Recht versperren Sie uns den Weg?«
»Er ist der Sohn vom Boß«, lachte der andere.
»Genau. Und Sie betreten unbefugt unser Land.«
»So würde ich es nicht nennen. Wir benutzen öffentliche Straßen.«
»Warum benutzen Sie dann nicht die im Landesinneren?« fragte Rupe mit schriller Stimme zurück. »Jeder Idiot weiß, daß der Fluß Hochwasser führt. Weshalb schleichen Sie ausgerechnet hier entlang?«
Charlies Augen zwinkerten kurz, dann antwortete er: »Weil wir in diese Richtung müssen. Die anderen Straßen sind meilenweit entfernt.«
»Tatsächlich? Und weshalb müssen Sie in diese Richtung? Wer sind Sie überhaupt, Mr. Charles Todman?« Rupe betrachtete das seltsame Trio eingehend und wußte plötzlich, daß ihm diesmal ein wirklich dicker Fisch ins Netz gegangen war. »Ich wette, Sie sind Landvermesser, und dieses saubere Paar dient Ihnen nur als Begleitschutz.«
»Fast richtig, Kumpel«, grinste einer der Bärtigen und deutete auf seinen schweigsamen Partner. »Das hier ist unser Boß, und er ist von weither aus dem Norden gekommen, um sich die Landschaft hier anzusehen. Da werden Sie ihn doch nicht enttäuschen wollen, oder?«
»Dies ist Privatbesitz. Schauen Sie sich gefälligst woanders um.« Rupe hob sein Gewehr und richtete es auf den Sprecher der Gruppe, da Todman unbewaffnet war. »Ich befehle Ihnen umzukehren. Sie betreten unbefugt unser Land.«
Rupe sah in die harten, bösen Augen seines Gegenübers. Der Mann war um die Vierzig, tiefgebräunt, sein blonder Bart gestutzt. Rupe schluckte, gab sich aber nicht geschlagen. »Ich will keine Schwierigkeiten. Ich fordere Sie lediglich auf, umzukehren.«
»Wenn Sie keine Schwierigkeiten wollen«, knurrte der Boß, »sollten Sie die Knarre weglegen.«
Rupe reagierte rasch. Er feuerte auf den Boden, so daß die Pferde scheuten und zurückwichen.
»Sie sind ja verrückt!« schrie Todman. »Aus dem Weg, Sie verdammter Narr.«
Der Boß hatte nach wie vor die Ruhe weg. »Biste auf ’ne Schießerei aus, Söhnchen? Wir sind aber in der Überzahl.«
Rupe berauschte sich an seiner eigenen Kühnheit. »Ich schieße auf den ersten, der sich bewegt.«
»Jesus!« seufzte der Fremde und drehte sich um. Eine Welle der Erregung erfaßte Rupe. Er hatte gewonnen. Sie wußten ebenso gut wie er, daß es nicht lohnte, sich wegen unbefugten Betretens erschießen zu lassen.
Dann hörte er den Schuß.
Es kam aus einem nahegelegenen Gebüsch. Rupe zuckte zusammen, als sei er getroffen. Sein Pferd wurde steif, erschauderte und brach unter ihm zusammen.
Verwirrt stieg Rupe ab, wobei ihm das Gewehr entglitt. Aus dem Augenwinkel entdeckte er einen weiteren Reiter, der nun aus dem Gebüsch auftauchte. Er drehte sich entsetzt zu seinem Pferd um, das sich mit einem schmerzhaften Wiehern auf die Seite wälzte.
Einer der Männer hob sein Gewehr auf, doch das kümmerte Rupe nicht. Er rannte auf den Reiter zu und brüllte: »Du Schwein hast mein Pferd erschossen!«
Der Mann schob ihn verächtlich mit dem Stiefel zur Seite. »Kannst von Glück sagen, daß ich nicht dich getroffen hab’.«
Ohnmächtig sah Rupe ihnen nach, als sie zum Fluß ritten. Der Boß rief Todman zu: »Steig ab, du Idiot! Du kannst nicht auf ihm sitzen bleiben, der Sattel rutscht doch weg. Halt dich an ihm fest, es schwimmt besser als du!«
Sie tauchten ins Wasser, begleitet von Rupes Flüchen. Er drohte Todman mit der Polizei.
»Ihr werdet dafür bezahlen, daß ihr mein Pferd getötet habt, ihr Schweinehunde! Das wird euch teuer zu stehen kommen!«
Keiner von ihnen schaute zurück. Sie waren viel zu sehr mit dem Kampf gegen die Strömung beschäftigt. Rupe hoffte, sie würden ertrinken, und Todman bereitete die Flußüberquerung in der Tat einige Schwierigkeiten, doch ihre Pferde schwammen kraftvoll durchs Wasser.
Rupe beobachtete schadenfroh, wie Todman die Zügel aus der Hand glitten und er sich nur mit Mühe am Schwanz des Tieres festklammern konnte.
Auf der anderen Seite machte einer der Reiter kehrt, um den Landvermesser ans sichere Ufer zu retten.
Rupe warf einen Blick auf sein totes Pferd, das schon von Fliegenschwärmen bedeckt war, und ließ sich wie betäubt am Flußufer nieder.
Er konnte einfach nicht fassen, daß Menschen zu so etwas fähig waren. Bei der Erinnerung an einen seiner Männer, der vor einigen Wochen im Scherz vorgeschlagen hatte, auf ebendiese Weise mit den Pferden der Eindringlinge zu verfahren, zuckte er zusammen. Damals war ihm die Idee vollkommen unwirklich erschienen, prahlerisches Gerede. Nun hatte er es gegen sich selbst gerichtet erlebt und schwankte geschockt zwischen Tränen, Zorn und Enttäuschung hin und her.
Die Männer waren verschwunden und konnten auf dem riesigen Besitz nach Belieben umherstrolchen. Rupe wußte nicht, welche Richtung sie genommen hatten, aber es war ihm egal. Wie hätte er sie auch verfolgen sollen? Es würde zu lange dauern, Verstärkung zu holen. Zweifellos besaß der Landvermesser eine Karte des Bezirks und würde bei seinem Ritt ins Landesinnere schnell die Seitenarme des Flusses und die Wasserlöcher aufgespürt haben, die für jeden Landbesitzer von entscheidender Bedeutung waren.
»Es wird euch nichts bringen!« schrie Rupe in die weite Landschaft hinein. »Bis dahin haben wir alles unter uns aufgeteilt!«
Aber würden sie das wirklich schaffen? Er hatte sich so sehr auf seinen brillanten Plan mit der Sperrung der Zufahrten und seinen Wunsch, endlich einmal den Anführer zu spielen, konzentriert, daß er gar nicht mit den anderen Arbeiten fortgefahren war, auf deren Durchführung er und Victor sich geeinigt hatten. Bäume mußten niedergebrannt und Grenzsteine gesetzt werden, um alle Abschnitte des Besitzes zu kennzeichnen. Und Victor wurde täglich zurückerwartet.
Er sollte sich besser auf den Weg zur Farm machen, und zwar schnell.
Dann traf es ihn wie ein Schlag. Er mußte ja zu Fuß gehen, und es war ein langer Weg! Vor Einbruch der Dunkelheit konnte er es unmöglich schaffen.
Traurig sah er auf sein Pferd hinunter. Der Bursche war ein gutes Treibpferd gewesen. Fluchend zerrte er einige belaubte Äste aus dem Gebüsch, um das Tier notdürftig damit zu bedecken. Dort fand er auch sein Gewehr wieder. Einer der Männer mußte es entladen und weggeworfen haben.
Rupe marschierte los, ließ den Fluß jedoch hinter sich. Wäre er dort entlanggegangen, hätte er irgendwann das Haus erreicht, doch der Weg querfeldein war kürzer.
Diese Männer hatten einen Narren aus ihm gemacht, doch zu Hause würden sie aus lauter Wut über den Tod des Tieres vermutlich übersehen, daß Rupe versagt hatte. Außerdem könnte er die Geschichte ein wenig zu seinen Gunsten abwandeln, vorgeben, er sei überfallen worden und man habe sein Pferd einfach hinterrücks erschossen.
Erst jetzt sah er ein, wie sinnlos es gewesen war, ganz allein drei oder vier Männer aufhalten zu wollen. Angenommen, sie hätten ihm keine Beachtung geschenkt. Hätte er dann ihr Pferd oder sogar sie selbst erschossen?
Rupe bezweifelte es, und der Gedanke, was daraufhin womöglich geschehen wäre, ließ ihn zusammenzucken. Vielleicht konnte er sie morgen mit Hilfe der schwarzen Fährtenleser aufspüren.
Rupe stapfte wütend weiter. Mit welchen Schwarzen denn? Sie waren allesamt verschwunden. Er würde einen von außerhalb holen müssen, und das dauerte viel zu lange.
Er hatte ein furchtbares Durcheinander angerichtet. Austin würde wegen des Pferdes toben und ihm die Schuld an allem geben.
»Ja«, sagte er laut, als er sich den Weg durch das dichte Gebüsch bahnte, »er wird mir die Schuld geben, darin ist er ganz groß. Diese Geschichte wird mir noch lange nachhängen.«
»Überfallen? Wie bitte? Während du Wache gehalten hast? Du bist wohl eingeschlafen, was? Und sie haben dein Pferd erschossen? Das kannst du mir doch nicht weismachen!«
Austin sprach immer noch undeutlich, wenn auch nur ein wenig, doch seiner Lautstärke tat dies keinen Abbruch. Während die Tirade wie erwartet auf ihn niederging, versuchte Rupe aufgebracht, wenigstens das eine oder andere Wort einzuwerfen. Er wünschte, der Schlaganfall hätte seinen Vater ganz der Sprache beraubt, dann ginge es im Haus friedlicher zu.
Zu allem Übel war am späten Nachmittag auch noch Victor eingetroffen. Er hörte aufmerksam zu und mischte sich ständig ein.
»Woher weißt du, daß der Kerl ein Landvermesser war, wenn sie dich ohne Vorwarnung überfallen haben?«
»Ich nehme es halt an. Er war besser gekleidet als die anderen«, stammelte Rupe. Beinahe wäre ihm der Name des Mannes herausgerutscht.
»Sie haben dein Pferd erschossen, und du läßt sie seelenruhig den Fluß überqueren?« fauchte Austin.
»Hätte ich mich etwa auch erschießen lassen sollen?«
»Verdammt, sie haben dein Pferd getötet, das gilt in diesem Land nach wie vor als Verbrechen. Du hättest in Deckung gehen und auf sie feuern sollen.«
Victor griff erneut ein. »Habe ich da irgend etwas verpaßt? Was hattest du überhaupt dort draußen zu suchen? Und wieso überfallen sie dich und reiten dann in aller Ruhe davon? Weshalb warst du da?«
Rupe versuchte ihn über die Notwendigkeit aufzuklären, die Grenzen zu bewachen. Victor starrte ihn fassungslos an. »Bist du von Sinnen?«
»Hast du unterwegs jemanden auf der Straße gesehen?« fragte Austin Victor.
»Ja, ein paar Viehhüter haben uns zugewinkt. Sag jetzt bloß nicht, sie hätten ebenfalls die Straße bewacht.«
»Schön, wenigstens sie haben ihre Arbeit getan«, sagte Austin erfreut und warf Rupe einen mißbilligenden Blick zu.
»Das ist nicht ihre Aufgabe«, empörte sich Victor. »Es sind Viehhüter, sie haben mit den Tieren genug zu tun.«
»Komm mir jetzt bloß nicht so«, warf Rupe ein. »Du selbst wolltest Springfield doch vor Eindringlingen schützen. Wieso beklagst du dich also auf einmal?«
»Weil es der falsche Weg ist. Du würdest für so etwas eine ganze Armee brauchen. Ein paar zusätzliche Grenzreiter, die gleichzeitig noch andere Aufgaben übernehmen, sind in Ordnung, aber die übrigen Männer sollten nur die Augen aufhalten, sonst nichts.«
»Du warst ebenso scharf aufs Bewachen wie wir.«
»Ich hatte keine Zeit, genauer darüber nachzudenken«, gab Victor zu. »Aber deine Dummheit hat mir nun eindrücklich bewiesen, daß es so nicht geht. Gab es sonst noch Probleme?«
»Nur ein paar Auseinandersetzungen auf den Straßen. Sie sind gesperrt. Dad wollte es auch, also laß es nicht an mir aus«, beeilte Rupe sich zu rechtfertigen. »Und wie bist du mit den Rechtsverdrehern verblieben?«
»Sie sind unserer Meinung. Nachdem das Gesetz verabschiedet worden ist, müssen wir den Besitz aufteilen. Seid ihr fertig mit den Karten? Sie machen die Ansprüche für uns geltend, damit sie juristisch wasserdicht sind, und rechnen aus, wieviel wir für den Anfang kaufen können.«
»Ich bin nicht dazu gekommen«, murmelte Rupe.
»Mit dir ist es einfach hoffnungslos!« Victor wandte sich an Austin. »Wir stellen die Karten also jetzt schnellstens fertig, das heißt, falls Rupe sich dazu herabläßt, ausnahmsweise mal etwas Konstruktives zu tun. Davon abgesehen bringe ich schlechte Neuigkeiten. Die Anwälte reichen alle Forderungen zusammen ein, dann beginnt das Tauziehen. Das Landministerium wird nicht eine einzige ohne Diskussion über Größe und Lage durchgehen lassen. Unsere Anwälte werden Gegenargumente bringen, doch es läuft darauf hinaus, daß wir mit den Zahlungen baldigst beginnen müssen.«
»Wir lassen viele Grundstücke nur auf Strohmänner eintragen, da müssen wir sie doch nicht selber bezahlen!« rief Austin entsetzt aus.
Rupe begriff, daß sein Vater die Tragweite der Situation noch immer nicht erfaßt hatte. Er glaubte nach wie vor, er könne sich, was seinen Besitz anging, über alle Regeln hinwegsetzen.
»Wir müssen früher oder später für jedes einzelne Grundstück bezahlen«, erwiderte Victor ruhig. »Ich hoffe natürlich, so spät wie möglich. Das Landministerium wird mit Anträgen überschwemmt werden, aber dennoch … auch die Grundstücke der Scheinkäufer müssen bezahlt werden, wenn das Land frei käuflich wird. Es gibt keinen anderen Ausweg. Ich schlage vor, wir kaufen als erstes das Land, auf dem das Haus steht.«
Austin sank in seinem Sessel zusammen. »Feuert diese verdammten Anwälte. Sie wissen gar nicht, wovon sie reden.«
Doch seine Söhne merkten, daß sein Tatendrang nur gespielt war; er sah bleich und müde aus.
Victor schüttelte den Kopf. »Es hat keinen Sinn.«
»Sie wissen Bescheid, was? Dieser Vermesser, den Rupe angeblich gesehen hat, und all die anderen Aasgeier wissen ganz genau, daß wir es uns nicht leisten können, ganz Springfield zu kaufen.«
»Dazu bedarf es keiner großen Kombinationsgabe«, stimmte ihm Victor zu.
»Dann sind wir ruiniert.«
»Nein, wir machen weiter.«
Austin sah Rupe an. »Du hättest die Schweine erschießen sollen!«
Nach der Auseinandersetzung mit seinem Vater mußte Rupe, ohnehin erschöpft von dem langen Marsch, auch noch die Vorwürfe seiner Mutter über sich ergehen lassen.
»Dein Vater scheint dir überhaupt nichts zu bedeuten. Hast du vergessen, daß er nicht gesund ist? Er sieht furchtbar aus. Das mit dem Pferd mußtest du ihm doch nicht unbedingt sagen, oder? Mit so etwas solltest du allein fertig werden.«
»Das werde ich auch«, gab er zurück. »Und er sieht nur so blaß aus, weil du ihn in diesem verdammten Zimmer gefangenhältst. Er sollte sich mehr an der frischen Luft aufhalten. Er könnte inzwischen sogar wieder auf einem Pferd sitzen, aber du behandelst ihn ja wie einen Krüppel.«
»Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen?«
»Irgend jemand muß es ja tun. Und nun laß mich in Ruhe!«
Für Rupe gab es nur einen Silberstreifen am Horizont. Victor und Louisa hatten eine junge Frau mit nach Springfield gebracht, Teddys neue Gouvernante.
»Sie kommt gleich herunter, sei bitte nett zu ihr«, bat ihn Louisa am nächsten Morgen beim Frühstück. »Was mag sie nur von uns denken, wo ihr euch gestern abend so angeschrien habt. Und Charlotte war auch nicht gerade bester Laune.«
»Keine Sorge, ich werde so nett sein, wie ich nur kann. Wie heißt sie überhaupt?«
»Cleo Murray. Ihrem Vater gehören große Zuckerrohrfarmen oben im Norden …«
»Die heißen Plantagen.«
»Ist doch egal. Jedenfalls hat sie ausgezeichnete Referenzen, vor allem von ihrer Schule …«
»Dem Haleville College für junge Damen?«
»Kennst du sie etwa?«
»Wir sind uns bei einigen Hausparties in Brisbane begegnet.«
»Gut. Rupe, eine Frage, bevor Victor kommt: Wie war das denn nun wirklich mit deinem Pferd?«
»Fang du nicht auch noch damit an.« Er trank seinen Tee, schnappte sich eine Scheibe Toast und machte sich auf den Weg in Victors Büro. Die Landkarten warteten.
Er kannte Cleo Murray nicht wirklich, doch sie war zur selben Zeit am Haleville College gewesen, als er das Internat besuchte. Daher waren sie sich gelegentlich bei gesellschaftlichen Anlässen begegnet. Sie war ein schüchternes, ziemlich unscheinbares Mädchen, und man sprach eher über sie als mit ihr. Angeblich besaß ihr Vater ein riesiges Vermögen. Später hatte Rupe gehört, daß dieser mit ihr auf Europareise gegangen sei, um sie, wie böse Zungen behaupteten, dort mit irgendeinem Adligen zu verheiraten.
Rupe grinste. Offensichtlich hatte es nicht funktioniert.
Die Arbeit an den Karten langweilte ihn. Es waren nun die äußeren Bezirke an der Reihe, die sie vermutlich ohnehin abtreten mußten. Er stimmte Victor daher in allem zu, um so schnell wie möglich fertig zu werden. Als er Miss Murray am Fenster vorbeigehen sah, lief er unter einem Vorwand aus dem Zimmer.
»Guten Morgen, Miss Murray. Ich bin Rupe. Erinnern Sie sich noch an mich?«
Sie sah ihn lächelnd an. »Natürlich. Wie schön, Sie wiederzusehen.«
Er unterzog sie einer prüfenden Betrachtung, während sie Höflichkeiten austauschten. Sie wirkte noch immer unscheinbar. Das glatte, schwarze Haar trug sie mit einer schwarzen Schleife nach hinten gebunden, Gesicht und Augen waren blaß, doch ihre Schüchternheit hatte sie inzwischen abgelegt. Ihr Blick war kühl und direkt, und ihr breiter Mund mit den vollen Lippen wirkte überaus einladend. Rupe lächelte bei dem Gedanken, welche Möglichkeiten sich dahinter verbergen mochten. Cleo war eine gute Partie und freute sich offensichtlich, ihn zu sehen und auf Springfield zu sein.
»Ich hoffe, ich kann Teddy eine gute Lehrerin sein«, sagte sie. »Er ist ein zauberhafter Junge und freut sich schon richtig auf den Unterricht.«
»Sie werden es bestimmt schaffen. Ich meine mich zu erinnern, daß Sie ein Talent zum Unterrichten haben.«
»Vielen Dank für das Kompliment.«
Er begleitete sie zum neuen Schulzimmer, wo Louisa mit Teddys Hilfe gerade Kisten mit Kinderbüchern und anderen Utensilien auspackte. An der Wand hing eine nagelneue Tafel. Rupe wäre gern noch geblieben, aber Victor wartete sicher schon ungeduldig auf ihn.
Weshalb in der Ferne nach einer Frau suchen, wenn das Gute so nahe lag? Und Cleo schien ihn zu mögen. Dennoch mußte er es langsam angehen und nichts überstürzen.
Austin ärgerte sich noch immer über den Verlust des Pferdes und bestand darauf, daß Rupe bei der Polizei in Cobbside eine Klage einreichte.
»Ich schreibe heute nachmittag einen Bericht und schicke ihn hin«, sagte Rupe.
»Nein, du reitest morgen selbst nach Cobbside. Sie sollen diese Mistkerle aufspüren. Ich will, daß sie bestraft werden.«
Schade, daß Cleo erst seit ein paar Tagen auf Springfield lebte, sonst hätte er sie zu einem netten Ausflug einladen können, dachte Rupe auf dem Weg nach Cobbside. Die Gouvernante hatte auch ein Recht auf Freizeit. Wie sie wohl ihre Wochenenden verbringen würde? Die Sonntage auf der Farm waren tödlich langweilig; vielleicht konnte er nach einer angemessenen Wartezeit mit ihr ausreiten. Im Vergleich zu Europa würde ihr der Besitz vermutlich sehr öde erscheinen.
Auf den meisten Farmen wurden die jüngeren Kinder von Gouvernanten unterrichtet, manchmal auch von Lehrern, doch Louisa hatte auf einer Frau bestanden. Vielleicht sehnte sie sich auch nach weiblicher Gesellschaft, denn Charlotte und sie waren nicht gerade Busenfreundinnen. Rupe hoffte, daß Cleo Tennis spielte; darüber würde Louisa sich bestimmt freuen.
Allerdings ertrugen viele junge Frauen auf Dauer die Einsamkeit und die weiten Entfernungen zwischen den einzelnen Farmen nicht. Oft kündigten sie nach kurzer Zeit ihre Stelle, weil ihnen der Großstadtrummel fehlte.
Ich muß dafür sorgen, daß sie sich nicht einsam fühlt, dachte Rupe. Wir suchen ein nettes, kleines Pferd für sie aus, und notfalls bringe ich ihr das Reiten bei.
Für den Ritt nach Cobbside hatte er sein eigenes Vollblut gewählt. Mit Bedauern dachte er an das tote Treibpferd zurück, das ihm gute Dienste geleistet hatte. Er würde nach den Männern Ausschau halten, und dann Gnade ihnen Gott.
Er ritt auf der verlassenen, sandigen Straße geradewegs in die Sonne hinein. Dank des Regens leuchtete der Busch ringsherum in den buntesten Farben; die Schößlinge der Gummibäume sahen frisch aus, zwischen ihrem zarten Grün lugten rote und orangene Blüten hervor. Über ihm bekundete ein Schwarm Brolgas lauthals seine Anwesenheit, die langen Hälse und Beine ausgestreckt. Rupe nickte den Vögeln, die unterwegs waren zu ihren Paarungsrevieren am Fluß, einen Gruß zu. Die großen, majestätischen Tiere führten Jahr für Jahr ihre Balztänze auf, verbeugten sich, sprangen hoch und staksten umeinander herum. Niemand auf Springfield hätte je gewagt, sie dabei zu stören. Es galt als besondere Auszeichnung, wenn man sich anschleichen und sie beobachten durfte.
Verbittert dachte Rupe an den zahmen Brolga, den er als Junge besessen hatte. Austin hatte den hübschen grauen Vogel als verletztes, unterernährtes Jungtier gefunden und gesundgepflegt. Der Vogel betrachtete das Haus als sein Heim und machte keinerlei Anstalten, in die Wildnis zurückzukehren, obwohl seine Flügel geheilt waren. Rupe hatte den Vogel für sich beansprucht und Brolly getauft. Sein neues Haustier folgte ihm überallhin und war noch zahmer als seine Elstern. Doch nach einem Jahr geschah das Schreckliche. Ein Junge namens Luke, der zu Besuch auf Springfield war, hatte einen Stein nach dem Vogel geworfen und ihm das dünne Bein gebrochen. Sie mußten Brolly töten.
Rupe war so wütend gewesen, daß er das andere Kind mit der Peitsche schlug, woraufhin er von Austin eine Tracht Prügel bezog. Die Erklärung seines Vaters war ihm kein Trost gewesen.
»Wenn du kämpfen willst, kämpf mit den Fäusten, aber nie mit einer Reitpeitsche. Der Kleine hatte überhaupt keine Chance.«
Pech, dachte Rupe. Er war noch immer froh über den Griff zur Peitsche.
Er verspürte keine Gewissensbisse, als er Sergeant Perkins in Cobbside eine beschönigte Version seiner Geschichte auftischte. Er gab sich angemessen zornig über den Verlust seines Pferdes, und die Anzeige wurde ordnungsgemäß aufgenommen.
»Es heißt, auf Springfield gehe es im Augenblick drunter und drüber.«
»Kein Wunder, wenn solche Kreaturen sich hier herumtreiben.«
»Was, glaubst du, hatten sie vor?«
»Das möchte ich auch gern wissen. Vermutlich schnüffeln sie auf unserem Land herum und suchen sich die besten Stücke heraus. Oder es waren Schafdiebe. Wir besitzen viele wertvolle Merinos. Der Tod des Pferdes war ja schon schlimm genug, aber wenn einer unserer Zuchtwidder verlorengeht, bricht die Hölle los.«
»Es sind hier in letzter Zeit viele Fremde aufgetaucht«, sagte der Sergeant verdrießlich. »Ich weiß nicht, wohin das noch führen soll. Wie geht es deinem Dad?«
»Er ist wieder einsatzbereit und tobt wegen des Pferdes. Sie kennen ihn ja, ein solches Verbrechen läßt er nicht einfach so durchgehen.«
»Rupe, mir tut es auch sehr leid. Bestell deinem Vater schöne Grüße von mir. Wenn ich in der Gegend bin, komme ich auf ein Bier vorbei.«
Danach begab sich Rupe in den Pub. Auf dem Weg dorthin bemerkte er überrascht die zahlreichen Veränderungen im Dorf. Cobbside besaß nun eine neue Bank, einen Stoffhandel, ein Fahrradgeschäft – ausgerechnet – und irgendein neues Büro. Er schlenderte unter den neuen Markisen hindurch und betrachtete die Zeichen des Fortschritts, bis sein Blick auf das Schild im Fenster des neuen Büros fiel: E. G. Todman & Sohn, Landvermesser.
Er hatte völlig verdrängt, daß er seine Geschichte erneut ein wenig abgeändert und gar nicht angegeben hatte, daß unter den Buschräubern vermutlich auch ein Landvermesser gewesen war. Ein Überfall durch Fremde, die sein Land unbefugt betreten hatten, klang einfach plausibler. Das hatte ihn sein Kreuzverhör durch Austin und Victor gelehrt. Der Polizeisergeant hatte seine verbesserte Version ja dann auch anstandslos geschluckt.
Und nun stieß er hier auf Todmans Büro!
Ohne nachzudenken, trat er ein. Im Büro empfing ihn ein Mann mittleren Alters in gestreiftem Hemd mit Fliege und gestutztem Schnurrbart.
»Was kann ich für Sie tun, Sir?« fragte er höflich.
Rupe ordnete ihn nach einem Blick auf seine billige Kleidung und das kahle Büro als miesen kleinen Geschäftemacher erster Güte ein.
»Wo steckt Todman? Charlie Todman?«
»Sie meinen Charles?« Die Stimme klang ölig. »Er ist im Moment nicht hier. Kann ich Ihnen weiterhelfen? Vielleicht möchten Sie hier in der Gegend Land kaufen? Ich bin ebenfalls Grundstücksmakler.«
Jeder im Bezirk kannte die Brodericks. Seit Rupe sein Pferd an der Polizeiwache abgestellt hatte und zu Fuß in den Ort gegangen war, hatte ihn jeder, der ihm entgegenkam, gegrüßt. Es machte ihn wütend, daß ihn dieser Kerl nicht kannte.
»Sie haben da einen Burschen aus dem Norden an der Hand, der hier Land kaufen will«, sagte er. Es war eine Feststellung, keine Frage.
Er bemerkte das nervöse Augenzucken seines Gegenübers und roch förmlich die Lüge. »Nicht, daß ich wüßte, Kumpel. Wer soll das sein? Wie war Ihr Name doch gleich?«
»Wo ist Charlie?« Rupe hätte das Büro am liebsten zertrümmert, doch dann entdeckte er eine elegante Jacke über einem Stuhl, eine weitere hing an einem Haken an der Wand. Der Besitzer der feinen Stadtkleider konnte also nicht weit sein.
Rupe verließ wortlos das Büro und schlenderte bis zum Fahrradgeschäft, wo er wartete, bis Charlie Todman die Straße entlangkam.
Todman wirkte überrascht, als Rupe ihm den Weg vertrat, fing sich aber schnell. Zu schnell, dachte dieser. »Entschuldigen Sie, Sir. Würden Sie bitte zur Seite treten?«
»Kennst du mich nicht mehr, Charlie?« fragte Rupe und sah von oben auf den Mann hinunter.
»Leider nicht.«
»Solltest du aber. Deine Freunde haben mein Pferd erschossen.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Gehen Sie mir jetzt bitte aus dem Weg.«
»Wo sind denn deine Freunde? Der Boß aus dem Norden und seine Kumpel mit dem lockeren Finger am Abzug? Die, in deren Begleitung du mein Land betreten hast? Ich spreche von Springfield.«
Rupe wollte den Kerl eigentlich am Kragen packen, zur Polizeiwache schleifen, persönlich bei Sergeant Perkins abliefern und die Namen seiner Kumpel aus ihm herausprügeln. Als Todman jedoch nur die Achseln zuckte und grinsend sagte: »Sie müssen mich verwechseln, Sir, ich habe noch nie meinen Fuß auf Springfield gesetzt, wo immer das auch sein mag«, verlor er die Beherrschung. Das Pferd, die Demütigung, der lange Heimweg und die nachfolgenden Vorwürfe und Erklärungsversuche hatten das Faß zum Überlaufen gebracht. Er griff nach der nächstbesten Waffe – einem Stück Bleirohr, das zufällig auf dem Boden lag – und schlug damit auf Todman ein. Er genoß seine Rache, bis Passanten den Landvermesser von ihm wegzogen.
»Er hat es verdient«, sagte Rupe zu dem Sergeant, als dieser ihn in die Zelle führte.
»Aber du sagtest doch, du hättest keinen von ihnen gekannt.«
»Hab’ ihn erkannt, als ich ihn sah. Er war einer von ihnen.«
»Aber er trägt nie eine Waffe bei sich. Wie hätte er das Pferd erschießen sollen?«
»Einer seiner Kumpel ist es gewesen.«
»Welche Kumpel? Er sagt, er sei noch nie auch nur in die Nähe von Springfield gekommen. Du mußt ihn mit jemandem verwechseln.«
»Nein.«
Der Sergeant kratzte sich ratlos am Kopf. »Na, ich weiß nicht recht. Du hast ihm zweimal den Arm gebrochen. Er zeigt dich wegen tätlicher Beleidigung an. Du mußt hierbleiben, bis ich Victor benachrichtigt habe.«
»Na wunderbar! Die töten mein Pferd, und ich werd’ eingesperrt.«
»Nun, ihr Brodericks solltet allmählich lernen, daß euer Wort hier nicht länger Gesetz ist.«
»Und Sie sollten lieber Ihre Arbeit tun. Diese Buschräuber müssen hier in Cobbside gewesen sein. Wenn Sie nicht immer nur im Pub herumsäßen, hätten Sie sie vermutlich bemerkt. Es wird Zeit, daß wir eine richtige Polizei bekommen statt eines Säufers, wie Sie einer sind.«
»Weißt du, was dein Problem ist, Rupe?« knurrte der Sergeant zurück. »Du bist größenwahnsinnig. Irgendwann wird es dir das Genick brechen. Du bleibst erst mal hier und kühlst dich ab, während ich dein Pferd in den Stall bringe.«