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Der Spegel
Sams Vater hatte ihm einmal einen Rat gegeben, wie er sich verhalten solle, wenn man ihn in die Enge trieb. Er hatte Sam gesagt, er solle als Erster zuschlagen, falls ihm ein Angriff drohe. Natürlich war sein Dad betrunken gewesen, als er es ihm gesagt hatte, und sein Dad war nach jeder Prügelei im Gefängnis oder Krankenhaus gelandet. Aber es war nun mal die eiserne Regel seines Vaters, sich nichts gefallen zu lassen, und es war der einzige Ratschlag, den Sam zu dem Thema jemals erhalten hatte.
Mit festem Griff umfasste er die Steinstange, während er an der Decke nach Bewegungen Ausschau hielt. Er nannte das Wesen einen »Spegel«, die Kombination aus Spinne und Blutegel, aber er nahm an, dass die Bezeichnung nur so lange in Gebrauch sein würde, wie das Wesen benötigte, um ihn zu fangen und zu verspeisen.
Etwas regte sich in der Dunkelheit über ihm. Er sammelte sich, und als er plötzlich ein dürres Bein ins Licht herabhängen sah, stieß Sam die Stange mit aller Kraft in die Höhe.
Die Schlinge am Ende der Stange legte sich um das herabhängende Bein, und Sam riss sie ruckartig herunter. Einen Moment lang spürte er einen heftigen Widerstand, dann fiel der aufgeblähte Leib des Spegels aus der Dunkelheit herab und landete mit einem lauten Platsch neben ihm auf dem Boden.
Taumelnd stellte sich das Wesen auf seine vielen Beine. Sam wich zurück, kam an mehreren Pferchen vorbei, dann begann der Spegel ihm hinterherzutorkeln. Die Schlinge umschloss immer noch sein Bein. Sam stieß instinktiv die Stange nach vorn, und das Wesen blieb abrupt stehen. Mit dem umschlungenen Bein konnte es nicht näher kommen, als die Steinstange erlaubte. Sam wich weiter zurück, während er sich den Spegel vom Leib hielt. Das Wesen fletschte die dreieckigen Zähne und schlug mit seinen stockartigen Gliedmaßen nach Sam, bekam aber nur dessen Ärmel zu fassen und riss ihn auf. So vollführten sie einen ruckartigen, ungelenken Tanz, bei dem der Spegel auf Sam zustelzte und Sam ihn mit der Stange wieder zurückstieß.
Wenigstens ist er nicht klug, dachte Sam, während er sich mit einem kurzen Schulterblick orientierte. Auf beiden Seiten sah er Tierpferche. Große Tierpferche. Da richtete der Spegel sein Augenmerk plötzlich auf die Stange und ließ die Vorderbeine darauf herabsausen. Knack! Sam zuckte zusammen, als sie in seinen Händen zu zerbrechen begann. Immer wieder sprang das Wesen mit voller Wucht auf sie nieder. Knack-knack-knack!
Die Stange zerbarst. Sam blieb keine Zeit davonzurennen. Er warf die Stange zu Boden und hechtete in den nächstbesten Pferch.