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Die Macht der Musik

Die Wachen hängten PJ in einer kleinen Höhle an den Armen auf und verriegelten die Tür. Neben ihm hing Slurp.

»Argh«, knurrte der Hauptmann in sich hinein.

»Warum jammerst du so?«, entgegnete PJ. »Ich hatte einen simplen Plan: den Jungen und die Feuerwerkskörper zu holen, ein paar davon hochzujagen und dann rasch zu verschwinden. Du hast alles vermasselt.«

»Ja, das habe ich.« Der Gnom-Hüne hing schlaff da, die Augen niedergeschlagen. Irgendwie tat er PJ leid. Er kam ihm vor wie ein stolzes Tier – dumm, hässlich und beim Sprechen spuckte er, aber er war eben stolz. Er hatte mehrere Wachen k.o. geschlagen und den übrigen erbitterten Widerstand geleistet. Dass er nun angekettet an der Wand hing, war irgendwie gemein.

»Gräm dich nicht«, sagte PJ. »Du hast dort draußen einen beeindruckenden Kampf geliefert.«

Slurps ließ das Kinn auf die Brust sinken. »Ich gräme mich nicht … ich fühle überhaupt nichts mehr.«

PJ beschloss, ihn in Ruhe zu lassen, und so hingen sie eine Weile schweigend da. Dann begann PJ, leise vor sich hin zu summen.

»Was?«, fragte Slurp.

»Ich hab nichts gesagt«, antwortete PJ.

»Aber was sind das für Geräusche, die du da machst?«

»Musik«, sagte PJ. »Kennt ihr keine Musik?«

Slurp runzelte die Stirn. »Was ist das?«

PJ musterte seinen haarigen Zellengenossen. »Stampf mit dem Fuß auf den Boden.«

Slurp betrachtete ihn argwöhnisch.

»Du kannst hier etwas Neues lernen«, sagte PJ, »wahrscheinlich das Beste überhaupt.«

Sogar besiegt und angekettet konnte Slurp nicht der Versuchung widerstehen, etwas Neues zu lernen. Behutsam begann er, mit dem Fuß auf den Steinboden zu stampfen. Stampf-stampf-stampf.

PJ begann mitzusummen, folgte Slurps Takt.

Plötzlich hörte Slurp auf. »Argh! Was ist das? Am Anfang waren es nur Geräusche, aber dann war da noch etwas anderes.«

»Das war ein Rhythmus«, erklärte PJ. »Man kann dabei alles Mögliche fühlen – man ist glücklich oder traurig, sanft oder erregt, zufrieden oder niedergeschlagen –«

»Das fühle ich!«, platzte es aus Slurp heraus. »Ich bin niedergeschlagen.«

»Dann stampf das Gefühl doch einfach aus dir raus, Mann«, sagte PJ. »Lass deinen Gefühlen freien Lauf.«

Slurp fuhr fort, mit dem Fuß aufzustampfen. Bumm-bumm-bah … bumm-bumm-bah …

PJ fing wieder an mitzusummen.

Nach einer Weile nickte Slurp und grinste erfreut. »Das gibt mir … Kraft.«

»Ein gutes Lied kann einem das Gefühl geben, alles schaffen zu können«, sagte PJ. »Zum Beispiel hier auszubrechen. Du bist doch so eine Art Anführer-Typ, stimmt’s?«

»Du verstehst das nicht«, erwiderte Slurp. »Ich kann nicht der Anführer meines Volkes werden. Ich stamme aus dem zweiten Wurf des Großen Gnoms. Eww-yuk war im ersten Wurf, und deshalb ist er der erste Anwärter auf den Thron. Er ist der einzige Überlebende aus seinem Wurf. Als seine Brüder noch ganz klein waren, sind sie alle von einer Felsklippe gestürzt.«

»Mann, das klingt übel.«

»Ja. Sie sind alle verschwunden – meine Halbbrüder Rotty, Rank, Stank, Dank und der kleine Pew. Seltsamerweise war Eww-yuk der Einzige, der nicht abgestürzt ist.« Slurp seufzte. »Es waren fünf der zotteligsten und neugierigsten kleinen Gnom-Welpen überhaupt. Ich sehe es förmlich vor mir, wie sie an der Felskante stehen und runterschauen und Eww-yuk grinsend hinter ihnen steht. Ich höre seine Stimme im Kopf: ›Macht nur, schaut hinunter, geht noch ein bisschen näher ran. Noch ein bisschen.‹ Dann beugen sie sich vor und … sie haben alle ganz dicht beieinandergestanden, und so bedurfte es nur eines kleines Schubses, und plötzlich ist Eww-yuk der einzige Thronanwärter.«

»Kannst du das beweisen?«

Slurp überlegte einen Moment. »Ich war schon immer der Meinung, dass Eww-yuk bei der Sache seine Pfoten im Spiel hatte«, erklärte er. »Nach dem, was er vorhin in seiner Halle zu mir gesagt hat, bin ich mir ganz sicher. Aber es spielt keine Rolle. Er ist der Thronanwärter. Für einen Gnom, der aus dem zweiten Wurf stammt und Thronfolger werden möchte, gibt es nur eine einzige Möglichkeit, nämlich zu –«

»Zu kämpfen?«, schlug PJ vor.

»Genau. Wenn ich der Anführer aller Gnome werden will, dann muss ich Eww-yuk in einem Kampf auf Leben und Tod besiegen, Gnom gegen Gnom. Aber er ist verschlagen, und ich bin nicht so klug, wie es scheint.«

»Keine Sorge«, sagte PJ. »So klug kommst du gar nicht rüber. Weißt du, Eww-yuk mag ja ein großer Brocken sein, aber ich wette, er ist verweichlicht, seit er nur noch rumsitzt und sich von seinen Untergebenen bedienen lässt. Er ist nicht mehr draußen an vorderster Front, stürmt keine Mauern mehr, prügelt sich nicht mehr selbst herum, sondern lässt die Drecksarbeit von seinen Leuten erledigen. Verstehst du, was ich meine?«

Slurp warf ihm einen leeren Blick zu.

PJ versuchte es noch einmal. »Wann hat er zum letzten Mal gegen jemanden gekämpft, ohne seine Leibwächter dazugerufen zu haben?«

Slurp neigte den Kopf zur Seite, wurde plötzlich hellhörig.

»Ich habe dich kämpfen sehen«, sagte PJ. »Du hast deine Gnome nichts tun lassen, was du nicht auch selbst tun würdest.«

»Natürlich nicht«, blaffte Slurp.

»Genau. Du bist jemand, der sein Leben selbst in die Hand nimmt, statt andere für sich schuften zu lassen.«

»Du bist genauso.« Slurp nickte.

PJ hielt inne. »Äh, na ja, nicht ganz.«

»Aber du warst sehr mutig und klug, als es darum ging hierherzukommen«, sagte Slurp. »Und du machst Musik. Du musst unter den Menschen großen Respekt genießen.«

PJ lachte, dann verfiel er einen Moment lang in Schweigen. »Nein«, sagte er schließlich, »man gewinnt nicht den Respekt seiner Mitmenschen, nur weil man ab und zu etwas Kluges tut. Man muss sich beweisen, wenn die anderen wirklich auf einen zählen.«

»Arrgh … und das werde ich!«, knurrte Slurp. Er begann wieder, rhythmisch mit den Füßen auf den Boden zu stampfen.

»Wow«, sagte PJ. »Gute Energie. Aber ich glaube, wir müssen uns an diesem Punkt die Realität vor Augen führen. Vergiss nicht, wir sind Gefangene, wir haben keine Waffen, wir sind angekettet, und Eww-yuk ist viel zu schlau, um sich auf einen Kampf mit dir einzulassen.«

»Realität? Ja. Genau. Du bist … ein Freund.«

»Ich fühle mich geehrt.«

»Und ich habe noch viele andere Freunde«, sagte Slurp.

»Freunde, die man sich einbildet zu haben, zählen nicht«, entgegnete PJ.

»Ich habe aber viele Freunde!«, beharrte Slurp.

»Beruhig dich«, sagte PJ. »Ich behaupte doch gar nicht, dass deine Soldaten dich nicht mögen. Mir ist nur nicht klar, wie uns das im Moment weiterhilft.«

Kling!

In dem Moment schwang die Tür auf, und ein stämmiger Gnom kam herein. Er trug ein großes, scharfes gebogenes Werkzeug, das an eine Sense erinnerte. Im Halbdunkel der Zelle sah der Neuankömmling aus wie eine zottelige Version des Sensenmanns.

Garstige Gnome
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