11. Kapitel

Spielplätze

Flappy purzelte in die Elliot Bay hinaus, von feuchten Luftwirbeln herumgeschleudert, ein Winddämon, den sein eigenes Element drangsalierte. Völlig benommen vom Angriff des Trolls, taumelte die kleine Inkarnation über den salzigen Wassern des Puget-Sund umher. Zum ersten Mal seit Jahren war Flappy außerhalb der engen Grenzen des Hauses und ohne seinen Hüter unterwegs, und er fühlte sich völlig verloren. Gleichzeitig aber kam ihm die Weite seltsam befreiend und vertraut vor. Während er zu den Inseln abtrieb, begann er nach Herzenslust herumzutoben und durch die Gegend zu sausen. Einige Dämonen verfügten über ein Erinnerungsvermögen. Andere, so wie Flappy, trieb es von einer Sache zur nächsten, und sie ließen die Vergangenheit augenblicklich hinter sich, sobald es irgendwo etwas Neues zu erkunden gab. Und der Schwinger des Betonriesen hatte Flappys Gedächtnis auch nicht gerade nachgeholfen.

Unter ihm zogen die Inseln vorbei, die den Puget-Simd der Elliot Bay bis zur Juan-de-Fuca-Straße und darüber hinaus bis zum endlosen fernen Pazifik hin sprenkelten. Allen Beschränkungen enthoben, breiteten sich seine Flügel immer weiter aus, und allmählich genoss er die neu gewonnene Freiheit und vergaß seinen Hüter. Und wie ein Karpfen, der in einen viel, viel größeren Teich hineinschwimmt, begann Flappy zu wachsen.

 

Der Dämonenfresser witterte sie, wenn sie in der Nähe waren oder sich in großer Zahl versammelten, so wie die kleinen Bierwürmer in der Hafentaverne; oder wenn sie zu den Elementardämonen gehörten, die unübersehbare Spuren hinterließen wie zum Beispiel den breiten Bodenspalt, durch den eine seiner angepeilten Mahlzeiten unter die Erde geflohen war. Der Dämonenfresser wusste, dass er sich noch nicht schnell genug durch den Boden wühlen konnte, um sie zu verfolgen. Er musste sich erst bessere Gliedmaßen zum Graben wachsen lassen.

Seattle aber schien ein einträgliches Jagdrevier zu sein. Genau genommen machten für ihn die in dieser eigentümlichen Stadt verborgenen Dämonen einen Großteil ihrer Anziehungskraft aus. Einige hatten sich ja schon als überaus schmackhaft erwiesen, dachte er, und leckte sich über die zuckenden feuchten Lippen. Und sobald sich der Troll das nächste Mal rührte, würde ihm auch der hervorragend munden.

Fürs Erste aber musste er mit dem bunten Wohnwagen vorliebnehmen, den er seit hunderten von Meilen verfolgte. Das Gefährt roch intensiv nach Chaos. Diese junge Menschenfrau schien darin zu wohnen und die dort lebenden Dämonen zu hüten. Sie würde keinen großen Widerstand leisten, sagte sich der Dämonenfresser. Sie flitzte ständig von einem Geschöpf zum anderen und starrte sie bewundernd an; sie sammelte nur die schönen Exemplare, als wären es Wildblumen. Sie kam ihm nicht sehr kämpferisch vor.

Während der Dämonenfresser über künftige Leckerbissen nachdachte, drückte er mit einem langen stachligen Arm fest zu und entlockte dem großäugigen Schulhofdämon, den er energisch ins Gras presste, ein qualvolles Quieken. Die spitzen Stacheln bohrten sich an dutzenden Stellen in das hilflose Geschöpf.

Während drinnen die Schulstunde im Gange war, hatte der Dämonenfresser den munteren kleinen Kerl eingefangen, der allein unter dem Klettergerüst gehockt und freudig auf die große Pause gewartet hatte, in der er die Kinder in fröhliche, kichernde Aufregung versetzen konnte. Damit war es vorbei: Dem freundlichen Dämon quoll bereits grünes Chaos aus den vielen Wunden, und wenn die Schüler nachher herauskämen, dann wäre er längst verdaut.