13 erSetzT

»Du hast dich verändert«, bemerkte Sara, als wir am Freitag nach Hause fuhren.

»Was meinst du denn damit?«

»Keine Angst, nichts Schlechtes«, antwortete sie schnell. »Ich glaube, es liegt an Evan – er macht dich irgendwie … glücklicher. Es gefällt mir, dich so zu sehen.« Ich nahm ihre Worte mit zusammengekniffenen Augen auf. »Warum seid ihr eigentlich nicht zusammen?«

»Bist du fertig?«, fragte ich.

»Wie bitte?«

»Sara, ich kann mit niemandem zusammen sein«, erklärte ich. »Vergiss Evan Mathews. Und all deinen Mutmaßungen zum Trotz will auch er kein Date mit mir.«

»Em, du musst blind sein. Nenn mir einen Grund, warum er das nicht wollen könnte. Er verbringt doch jede Sekunde mit dir!«

»Wir sind eben Freunde«, betonte ich.

»Was immer du sagen musst, um dich selbst zu überzeugen«, meinte Sara kopfschüttelnd. »Aber hast du gewusst, dass ihn schon mehrere Mädchen gefragt haben, ob er mit ihnen ausgeht, und dass er sie alle links liegenlässt?«

Ich zuckte die Achseln, aber ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Sara musterte mich immer noch kopfschüttelnd, als wir vor meinem Haus hielten.

»Ich hol dich morgen um zwei ab«, sagte Sara, als ich ausstieg.

»Viel Spaß bei dem Spiel heute Abend«, sagte ich und beugte mich noch einmal zurück ins Auto. »Zur Halbzeit werden alle Nominierten aufs Feld gerufen, stimmt’s?« Sie verdrehte die Augen bei der Vorstellung, vor dem Publikum zur Schau gestellt zu werden.

 

Am nächsten Morgen erledigte ich meine Pflichten im Handumdrehen. Ich freute mich, das Haus zum letzten Spiel vor der Meisterschaft zu verlassen und danach noch mit Evan und Sara heimlich ein Eis zu essen. Nachdem ich in der Küche den Müllbeutel gewechselt hatte und mich wieder umdrehte, sah ich, dass Carol mir den Weg versperrte.

»Was hast du denn vor?«, wollte sie wissen.

»Wie meinst du das?«, antwortete ich bedächtig, erkannte aber das Feuer in ihren Augen. Mein Körper spannte sich an, schätzte ihre Haltung ein, und ich versuchte zu erkennen, ob sie etwas in der Hand hielt. Aber ihre Hände waren leer und in ihre Hüften gestemmt.

»Vögelst du mit jemandem?«, fragte sie voller Abscheu. Mir blieb der Mund offen stehen. »Ich weiß nicht, was du im Schilde führst, aber du scheinst dich nur um dich selbst zu kümmern – noch mehr als gewöhnlich. Wenn ich es rauskriege, wirst du dir wünschen, du hättest mich niemals so respektlos behandelt.«

In meine Verwirrung mischte sich Angst, die Anspannung wuchs. Ich fand nicht die richtigen Worte, um ihre unlogischen Vorwürfe angemessen zu beantworten.

»Vielleicht solltest du mehr Zeit im Haus verbringen, damit ich weiß, was du tust.«

»Entschuldige«, platzte ich heraus, weil ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte. Der Gedanke, noch länger hinter diese Mauern eingesperrt zu werden als ohnehin schon, versetzte mich in nackte Panik, und es war das erste Wort, das mir über die Lippen kam. Dann traf ihre Faust mein Kinn, und mein Kopf wurde nach rechts geschleudert.

Unwillkürlich fuhr meine Hand schützend zu der Stelle, meine Augen tränten.

Jemand schnappte nach Luft, aber ich war es nicht. Als ich mich nach dem Wimmern umschaute, sah ich Jack und Leyla, die uns schockiert anstarrten. Leyla begann zu weinen und hielt sich die Hand vor den Mund. Dicke Tränen rannten über ihre weichen, runden Wangen. Jack gab keinen Laut von sich, aber der Blick in seinen weit aufgerissenen, erschrockenen Augen war schlimmer als Leylas unbändiges Schluchzen. Mir brach es fast das Herz, und ich ging auf die beiden Kinder zu, um sie zu trösten. Aber Carol packte meinen Arm und riss mich zurück.

»Schau, was du angerichtet hast«, knurrte sie und starrte mich wütend an. »Geh mir aus den Augen.« Bevor ich mich in mein Zimmer zurückzog, brannte sich das herzzerreißende Bild von Leylas und Jacks entsetzten Gesichtern unauslöschlich in mein Gedächtnis.

In meinem Zimmer warf ich mich aufs Bett und weinte in mein Kissen. Mein Herz tat weh, ich bekam das Bild nicht aus dem Kopf. So etwas durften die Kinder nicht sehen. Es durfte sie nicht berühren. Mein Schluchzen wurde stärker, schüttelte krampfhaft meinen Körper, aber ich konnte es nicht zurückhalten, sosehr ich es auch versuchte. Schuldgefühle zerfraßen mich, bis ich nicht mehr weinen konnte und in einen erschöpften Schlaf fiel.

Doch dann zog sich mein Körper unter einem Schmerz zusammen, der von der Rückseite meiner Beine ausging. So gut ich konnte, schüttelte ich den Schlaf ab – ich war nicht sicher, ob ich nicht vielleicht nur geträumt hatte. Doch der zweite Schlag auf meine nackte Haut bestätigte mir, dass dies meine albtraumhafte Wirklichkeit war.

»Du egoistische Fotze.« Ich erkannte die Stimme, die die Beleidigung hinter zusammengebissenen Zähnen hervorgestoßen hatte.

So schnell ich konnte, zog ich die Beine an den Bauch und legte die Hände schützend über meinen Kopf. Aber mein Rücken blieb ihr ausgesetzt. Bei jedem wütenden Schlag zuckte mein ganzer Körper zusammen, und ich konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken.

»Wie konntest du ihnen bloß so weh tun?«, fragte sie mit einer Wut, die ihre Worte fast unverständlich machte. »Ich wusste, ich hätte dich niemals auch nur einen Fuß in mein Haus setzen lassen dürfen – du hast alles zerstört.« Mit jedem Schlag, der auf meinen Rücken niedersauste, entlud sich ihr Hass. Ich konnte kaum atmen, aber ich biss die Zähne noch fester zusammen, spannte mich jedes Mal, wenn sie ausholte, noch mehr an, unfähig zu fliehen.

»Du verdammtes nutzloses Stück Scheiße. Wärst du doch nie geboren worden!« Sie fuhr fort, mich zu beschimpfen, aber ich hörte sie nicht mehr, sondern blieb zusammengerollt in meiner Schutzhaltung liegen, blendete ihre Stimme ebenso aus wie das Feuer, das mich verbrannte – das war mein einziger Ausweg. Immer tiefer zog ich mich zurück, bis ich nicht mehr im selben Raum war wie sie. Ich verdrängte den Schmerz, die Wut und die Tränen, die von meiner Nase tropften.

»Ich will dich den Rest des Tages nicht mehr sehen«, knurrte sie schließlich erschöpft und verließ mein Zimmer.

Noch eine Minute verharrte ich regungslos und lauschte meinem unregelmäßigen Puls, der in meinen Ohren dröhnte, und meinem Atem, der zitterte, wenn ich Luft holte. Schließlich richtete ich mich auf und setzte mich auf die Bettkante. Mein Rücken brannte wie Feuer. Ich schaute auf meine Hände hinab, die von roten Striemen überzogen waren.

Ich beugte mich vor, die Unterarme auf die Oberschenkel gedrückt, und presste langsam und regelmäßig Luft in meine Lungen. Jetzt entdeckte ich auch den Ledergürtel, der zusammengerollt auf dem Boden lag. Zorn überkam mich und schlang sich um mein Herz. Mit zusammengebissenen Zähnen zwang ich mich, weiter ruhig und tief zu atmen. Von Hass erfüllt, gestattete ich dem Gift, einen Moment leidenschaftlich durch meine Adern zu pulsieren. Ich hatte nicht mehr die Kraft, es wegzudrücken. Stattdessen ließ ich es unter meiner Haut verharren, ließ es meine müden Muskeln mit Energie versorgen. Dann stand ich auf, um mich auf mein Spiel vorzubereiten.

 

Sehr vorsichtig stieg ich in Saras Auto und setzte mich aufrecht hin, um jeglichen Kontakt mit dem Sitz so weit wie möglich zu vermeiden.

»Hi«, begrüßte sie mich fröhlich, hielt dann aber abrupt inne und wurde ernst. In ihren Augen sah ich das gleiche Bild, das ich vorhin im Spiegel gesehen hatte. Durch die dunklen Augenringe wirkte mein ausdrucksloses, leeres Gesicht noch blasser. Meine Lippen waren so schmal wie sonst nie, weil ich sie aus Angst, vor Schmerz zu stöhnen, fest zusammenpresste. Ich konnte Sara nicht ins Gesicht sehen, aber ich versuchte auch nicht, ihr etwas vorzumachen.

Langsam fuhr sie los, brachte zunächst aber kein Wort heraus. Nach einer Weile sagte sie: »Du musst mir bitte sagen, was passiert ist.« Ich starrte durchs Seitenfenster, ohne zu sehen, was draußen vorbeirauschte.

»Bitte, Emma.« Die Verzweiflung in ihrer Stimme war unüberhörbar.

»Es ist nichts, Sara«, erwiderte ich ausdruckslos, wollte sie aber immer noch nicht anschauen.

Ohne ein weiteres Wort erreichten wir die Schule. Geistesabwesend lief ich zum Spielfeld, ohne zu merken, dass Sara neben mir herging, bis ein paar Mädchen uns grüßten. Als wir uns den Sportplätzen näherten, zog ich mir die Kapuze meines Sweatshirts über den Kopf, richtete den Blick zu Boden und zog mich völlig in mich selbst zurück. Heute fand nur das Spiel der ersten Schulmannschaft statt, und sobald der Rest des Teams eingetroffen war, begannen wir mit den Aufwärmübungen.

Die erste Hälfte des Spiels war eine Qual, meine Wahrnehmung verschwommen. Ich konnte mich nicht konzentrieren, und meine Beine versagten mir immer wieder den Dienst, wenn ich nach einem Pass lossprintete. Schließlich beschränkte ich mich darauf, den Ball so schnell wie möglich abzugeben. Ihn einer anderen Spielerin abzujagen, war schlicht unmöglich. In der Halbzeitpause nahm Coach Peña mich beiseite.

»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er besorgt. »Du kommst mir heute so steif vor. Bist du verletzt?«

»Ich glaube, ich hab eine falsche Bewegung gemacht und mir irgendwas im Rücken gezerrt«, log ich mit gesenkten Augen.

»Möchtest du, dass es sich jemand anschaut?«

»Nein.« Das Wort kam so nachdrücklich und überstürzt aus meinem Mund, dass er mich schockiert ansah. »Es geht schon, ehrlich«, beteuerte ich.

»Okay.« Er zögerte. »Dann nehm ich dich in der zweiten Hälfte raus, damit du es nicht übertreibst. Ich kann es mir nicht leisten, dass du beim Viertelfinale am Freitag ausfällst.« Ich nickte stumm.

Wir gingen zurück zum Team, das bei der Bank herumstand. Zur allgemeinen Überraschung informierte Coach Peña die Mannschaft, dass Katie Brennan mich in der zweiten Hälfte ersetzen würde. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, die Hände in den Taschen vergraben, setzte ich mich auf die Bank und wich den fragenden Blicken der anderen aus.

Als der Abpfiff kam, rannte ich in die Kabine, bevor jemand mitbekam, dass ich nicht mehr da war. Da die anderen sich normalerweise zu Hause duschten und umzogen, wusste ich, dass ich die Kabine für mich hatte. Allerdings duschte ich nur kurz, weil das warme Wasser auf meiner entzündeten Haut so höllisch brannte, dass es mir fast den Atem raubte. Als ich gerade dabei war, mich mit dem Rücken zur Tür wieder anzuziehen, hörte ich Schritte hinter mir. Ich hätte den Vorhang zuziehen müssen, aber dafür war es jetzt zu spät.

Ich drehte mich nicht um, und die Person hinter mir sagte auch nichts. Vorsichtig zog ich meinen Rollkragenpullover über den Kopf und verbarg die Spuren meiner Schmach. Aber dann konnte ich der Konfrontation nicht länger ausweichen und wandte mich zu Sara um. Sie saß auf der gegenüberliegenden Bank, Tränen rannen ihr übers Gesicht, ihr Unterkiefer war angespannt. Sie sah völlig fertig aus.

»Ich kann nicht …«, begann sie, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken, und sie musste Luft holen, ehe sie fortfuhr: »Ich kann nicht mehr.« Hilflos sah ich zu, wie sie die Fassung verlor – ich konnte sie nur anstarren. Ein Schutzwall umgab mich und trennte mich von ihr, damit ich nicht ebenfalls zusammenbrach. »Ich kann das nicht ignorieren«, schluchzte sie. »Ich kann nicht so tun, als würde ich nicht sehen, was diese Frau dir antut.«

Sie ließ die Schultern sinken und hob langsam den Kopf. Noch immer strömten Tränen über ihr Gesicht. »Emma, du musst mit jemandem darüber sprechen.« Ihre Stimme klang verzweifelt und eindringlich. »Wenn du es nicht tust, dann tu ich es.«

»Nein, das wirst du nicht«, fauchte ich, und mein eiskalter Ton ließ sie zusammenzucken.

»Wie meinst du das?«, gab sie noch heftiger zurück. »Hast du deinen Rücken gesehen? Beim Spiel ist das Blut durch dein Trikot gesickert. Emma, wenn ich dich morgens abhole, habe ich fast jedes Mal Angst, dass du womöglich nicht mehr rauskommst. Du bist mir wichtig, und ich kann nicht mitansehen, wie sie dich zurichtet.«

»Dann lass es eben«, erwiderte ich kalt. Ich wusste, dass meine Worte Sara wie Dolche trafen, aber ich war von meinen Gedanken und Gefühlen abgeschnitten. Sie zuckte zusammen. Auf eine solche Konfrontation war ich nicht vorbereitet gewesen, aber jetzt waren alle meine Abwehrmechanismen aktiviert, denn ich konnte nicht zulassen, dass sie all das, was ich geopfert hatte, um Leyla und Jack zu schützen, aufs Spiel setzte.

»Du wirst nichts über mich erzählen, und ich werde niemandem verraten, dass du mit jedem Kerl ins Bett gehst, der ein bisschen nett zu dir ist.«

Sara riss die Augen auf. An ihrem schmerzlichen Ausdruck erkannte ich, dass ich ins Schwarze getroffen hatte. »Du bist nicht die Einzige, die gut den Mund halten kann. Ich kenne dich, Sara, also glaub für keine Sekunde, du wüsstest, was gut für mich ist.«

»Du gemeines Biest«, stieß sie hervor. Langsam tat der Schock seine Wirkung. Praktisch vor meinen Augen brach sie innerlich zusammen. »Du verdammtes, gemeines Biest«, wiederholte sie, aber sie konnte mich nicht anschauen und schlug die Hände vors Gesicht, um ihre Tränen vor mir zu verbergen.

»Misch dich nicht in mein Leben ein. Und halt gefälligst die Fresse.« Damit drehte ich mich um und ließ sie einfach sitzen – ein Häufchen Elend, das nach Luft rang und alle Mühe hatte, meine Attacke zu verarbeiten. Meine Tasche fest in der Hand, ging ich davon – ohne wirklich zu begreifen, was ich da gerade getan hatte. Aber in diesem Augenblick war es mir vollkommen gleichgültig.

Als ich das Schulgebäude verließ, warteten dort Jason und Evan.

»Tut mir leid, dass ihr verloren habt«, sagte Evan. Dann sah er mich so bestürzt an, als würde er mich nicht wiedererkennen.

»Kannst du mich bitte nach Hause fahren?«, fragte ich ihn, bevor er irgendetwas sagen konnte.

»Klar«, antwortete er. Anscheinend war er zu der Überzeugung gelangt, die Frage, die ihm offensichtlich unter den Nägeln brannte, lieber nicht zu stellen. Jason schwieg, und wir gingen, während er allein auf Sara wartete.

Als wir den Parkplatz verließen, beschrieb ich Evan mit fremder, monotoner Stimme den Weg.

Aber schließlich konnte er sich die Frage doch nicht mehr verkneifen. »Was ist mit Sara?«

Ich starrte aus dem Fenster. Da ich nicht daran denken wollte, was ich getan hatte, wartete ich einfach, bis die Frage sich in Luft aufgelöst hatte. Evan akzeptierte mein Schweigen als Antwort und fuhr wortlos weiter.

»Möchtest du darüber reden?«, fragte er nach einer Weile sanft. Ich spürte, dass er mich anschaute, starrte aber weiter aus dem Fenster und schüttelte nur stumm den Kopf. Damit er nicht merkte, wie meine Hände zitterten, verschränkte ich sie ineinander.

In angespanntem Schweigen hielten wir vor meinem Haus. Ich stieg aus und knallte die Tür hinter mir zu, ehe mich eine weitere Frage dazu zwingen konnte, meinem Verrat ins Gesicht zu schauen.

Benommen ging ich die Auffahrt zur Hintertür hinauf. Als ich feststellte, dass sie verschlossen war, blickte ich mich verwundert um. Erst jetzt bemerkte ich, dass kein Auto in der Auffahrt stand. Aber ich war viel zu sehr in meine rasenden Gedanken verstrickt – es kümmerte mich nicht, dass ich ausgesperrt war. Langsam ließ ich mich auf der obersten Verandastufe nieder und wickelte mich gegen den kühlen Oktoberabend enger in meine Jacke. Dann zog ich die Knie an die Brust, legte den Kopf darauf und ließ meinem Kummer freien Lauf. Ich weinte, bis die Muskeln in meinem Brustkorb schmerzten und mein Schluchzen keine Tränen mehr hervorbrachte.

Als die Wut weggespült war, fühlte ich mich nur noch traurig, erschöpft und allein. Während ich darauf wartete, dass jemand heimkam, senkte sich die Dunkelheit auf mich herab. Ich fror jämmerlich in dem kalten Wind, der mir ins Gesicht peitschte. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich so dagesessen hatte, als plötzlich Scheinwerferlicht die Auffahrt erhellte und mich aus meiner Leere riss. Schlagartig wurde mir klar, was das bedeuten konnte, und eine lähmende Angst stieg in mir empor.

Als George allein auf mich zukam, atmete ich erleichtert auf.

»Carol übernachtet heute mit den Kindern bei ihrer Mutter«, erklärte er und schloss die Tür auf. Schweigend folgte ich ihm ins Haus. Ehe ich mich in meine Höhle zurückziehen konnte, fügte er noch hinzu: »Ich weiß nicht, was zwischen euch beiden heute vorgefallen ist, aber ich möchte, dass du in Zukunft mehr Rücksicht auf sie nimmst.«

Die Bemerkung schockierte mich, was ihm offenbar nicht entging.

»Sie hat eine Menge Stress bei der Arbeit und muss sich zu Hause entspannen«, erklärte er. »Tu, was du kannst, um es ihr nicht noch schwerer zu machen.«

Eine Sekunde starrte ich ihn wortlos an, dann brachte ich ein leises »Okay« heraus. Er war nie da, wenn etwas passierte – er konnte sich nicht schuldig fühlen für das, was er sich zu sehen weigerte.

Vor Abscheu drehte sich mir der Magen um, während ich in mein dunkles Zimmer zurückging. Ich schloss die Tür hinter mir und machte mir nicht die Mühe, das Licht anzuknipsen. Meine Jacke ließ ich einfach auf den Boden fallen und sank auf mein Bett, wo ich in einen unruhigen Schlaf fiel.

Ich konnte nicht atmen und griff mir an den Hals, um den Strick zu lockern, der sich immer enger um meine Gurgel legte. Im selben Moment wurde ich an den Füßen vom Bett gezerrt. Im Dunkeln konnte ich nichts sehen, aber ich fühlte, wie mein Körper sich mit jedem Ruck des dünnen Seils bewegte, und streckte die Hände aus, um nach oben zu greifen, nach etwas, woran ich mich hochziehen konnte. Aber der Strick schnitt in meinen Hals und zerquetschte fast meine Luftröhre. Mir wurde schwindlig von dem Druck in meinem Kopf, meine Lungen verlangten verzweifelt nach Luft, die sie niemals bekommen würden.