5
In den frühen Morgenstunden trat Elspeth durchkältet und müde aus dem Wald heraus und starrte eine Zeitlang auf den steilen Erdwall des crog. Aus der Kolonie erklangen Rufe und Schreie; und die bitterkalte Nachtluft (es war zwei Stunden vor Tagesanbruch) war punktiert von scharfen Hammerschlägen: Die Künstler hinter der Düne meißelten mit spitzen Knochen Ornamente und Symbole ein, um die Ängste zu bannen, die in der Aerani-Siedlung aufstiegen.
Das massige Schiff stand ein paar hundert Yards entfernt am Rande der natürlichen Lichtung, halb über dem spärlichen Pflanzenbewuchs, halb eingehüllt in eine flache Höhlung, die es sich selbst geschaffen hatte. Um seine Mitte erstrahlten Lichter; Menschen eilten die Laderampe auf und ab. Der Duft bratenden Fleisches hing in der Luft, und Elspeth dachte, es könne etwas Gutes zum Frühstück geben. Das Wasser lief ihr im Munde zusammen. Es war gar nicht so lange her, daß sie richtiges Protein gegessen hatte, aber ihr kam es vor, als seien es Jahre. Schwarzflügler, ihre Standardkost der letzten paar Tage, schmeckten nicht viel anders als Leder und waren entsprechend zäh. Sie hatte fast vergessen, wie zivilisierte Speisen dufteten.
Zwei Aerani standen auf der äußeren Düne und starrten stumm auf die Fremdweltler. Sie konnte sie nicht erkennen, doch es waren jedenfalls Männer. Der eine war alt, der andere schien jung zu sein. Beide trugen Krummschwerter aus Knochen, auf denen manchmal der Schein der Schiffslichter gelblich aufblitzte. Elspeth rührte sich nicht, als die beiden Männer um die Brustwehr herumkamen und auf die Lichtung vor dem crog blickten. Sie sahen Elspeth nicht, und nach ein paar Minuten blieben sie wieder stehen, wechselten unhörbare Worte und verschwanden dann im Dünengraben.
Elspeth schoß aus ihrem Versteck hervor und rannte um die Basis der äußeren Brustwehr bis zu der großen Lücke, die als Eingang diente. Ihr Schatten, den die Scheinwerfer des Schiffes gegen die Fläche des schwarzen Erdwalls warfen, der sich neben ihr erhob, war nur schwach. Daß sie vielleicht von den Fremdweltlern im Schiff beobachtet wurde, störte sie nicht weiter. Wenn sie sich in der Erdburg sehen ließ, würde man sie vielleicht sofort hinrichten. Dem aus dem Wege zu gehen, war ihre einzige Sorge. Immerhin – und das mußte sie sich ständig ins Gedächtnis zurückrufen – wußte sie ja nicht, inwieweit ihre Gesetzesübertretung, trotz allem, was Darren ihr gesagt hatte, den Aerani bekannt war.
Das äußere Tor war nicht bewacht. Das war bedrückend, denn es zeigte, daß die Anwesenheit des Schiffes bereits Ritual und Sitte durcheinandergebracht hatte.
Als sie in den Graben zwischen der inneren und der äußeren Wand kam, wurde das Rufen und Streiten lauter.
In fast völliger Dunkelheit, obwohl eine Fackel, die in einiger Entfernung an der inneren Düne flackerte, spärliches Licht gab, das jedoch Elspeth nicht traf, kletterte sie an der inneren Wand hoch und spähte sehr vorsichtig zum glosenden Feuer hinunter. Die Luft war schwer vom Gestank der Fackeln, die in einem großen Kreis um die Feuergrube und auch um die Krone der inneren Düne brannten. Die Feuergrube selbst war kalt und leer, um sie saßen Gruppen von Männern und Frauen, alten und jungen (viele waren in die einfachen Mäntel gewickelt, welche die Aerani aus dem Leder der Schwarzflügler machten); es waren ihre Stimmen, die so laut tönten. In einiger Entfernung saßen oder standen in besonderen Gruppen die übrigen Angehörigen des crog und sahen lautlos zu; Reihen eindrucksvoller Gesichter, die den Streit beobachteten. Jenseits der niedrigen Decke aus Blaurindenstämmen über der eigentlichen Feuer-Halle glommen ein paar Feuer zwischen den zusammengedrängten Schlafstätten des Dorfes. Irgendwo dazwischen werkte der einsame Künstler geräuschvoll und eifrig.
In der mittleren Gruppe, direkt unter ihr, saßen sich zwei wütende Männer gegenüber. Elspeth glaubte, Darrens böses Gesicht zu erkennen, doch in dem ungenügenden Fackellicht war es schwer auszumachen. Den anderen Mann, der mit dem Rücken zu ihr saß, konnte sie überhaupt nicht identifizieren. Sie rutschte die Düne wieder hinunter in den Graben, rannte herum zum inneren Tor und schlich sich hinein, unbemerkt, wie sie hoffte, obwohl sie ja jetzt das Recht hatte, hier zu sein. Eine Hand berührte sie, und sie sprang vor Angst in die Höhe; doch als sie sich umdrehte – bereit, um ihr Leben zu kämpfen –, da war es Moir, die sie tränenüberströmt ansah.
„Sie werden kämpfen“, schluchzte sie. „Oh, Elspeth, sie kämpfen wegen der Ehre, und Darren wird bestimmt gewinnen …“
Kämpfen wegen der Ehre. Elspeth wurde richtig übel bei diesen Worten. Dann fragte sie: „Darren wird kämpfen?“ Sie spähte in die Menge, doch sie konnte den jungen Mann nicht sehen. „Aber wenn du meinst, er gewinnt – warum regst du dich dann so auf?“
„Er kämpft gegen Engus“, antwortete sie, und aufs neue flossen ihre Augen von Tränen über. Jetzt wußte Elspeth, wer der Untersetzte war, der mit dem Rücken zu ihr saß: Engus, Moirs Liebster, ihr ‚fester Mann’. Und Darren, ihr Bruder. Bei der starken Familienbindung der Aerani mußte ihr dieses Duell, ganz gleich wie es ausging, tödlichen Schmerz bereiten.
Arme Moir.
Elspeth nahm sie in die Arme, alle Gedanken um die eigene Sicherheit waren weg. Nach einiger Zeit zog sich die Menge von der Feuerstelle zurück. Nur Darren und Engus blieben am Rande der Grube hocken und starrten wortlos in die tote Asche des Feuers von gestern.
Elspeth setzte sich auf die Basis der inneren Düne. Still weinte Moir an ihrer Brust. Mann für Mann beobachteten die Aerani stumm, doch mit unverkennbarer Erregung das Zentrum der Feuergrube. Elspeths Blicke wurden von den Hunderten von Nischen angezogen, wo die abgetrennten Häupter der in ehrenhaftem Streit Gefallenen aus leeren, knöchernen Augenhöhlen auf die Stelle hinunterstarrten, wo der Kampf bald beginnen würde. Irgendwo in diesem Ring der höchsten Ehre wurde vielleicht soeben eine neue Nische ausgehoben. Sie konnte zwar nichts Derartiges sehen, doch einer würde bei diesem Duell sein Leben lassen, so daß man sicher schon jetzt mit den Vorbereitungen für das Beisetzungsritual beginnen würde.
Wer würde in ein paar Minuten aus der Erde starren? Sie konnte den Gedanken, daß Darren in so einem Duell sein Leben aufs Spiel setzte, kaum ertragen; und doch stand ihr gespenstisch sein Schädel vor Augen, der sie angrinste, Würmer in den Ohrlöchern, Erde, wo das Hirn gewesen war … die Vision wollte nicht weichen, als wolle eine Wesenheit sie auffordern, sich zu wappnen für die Tragödie, die gleich beginnen würde.
Sekundenlang schloß sie die Augen, kämpfte gegen die plötzliche Angst an, die in ihre Eingeweide kroch und nicht weichen wollte. Dann öffnete sie die Augen wieder und zwang sich, in die Arena hinunterzuschauen. Sie und Moir hielten sich bei den Händen, die Finger fest verschlungen. Das Mädchen weinte nicht mehr. Was mochte Moir für eine Vision haben, fragte sich Elspeth. Im Herzen wünschte sich das Mädchen zweifellos, daß Engus siegte, ihr Liebhaber, selbst um den beängstigend hohen Preis des Todes ihres Bruders. Sah sie also das schreckliche Bild von Engus’ abgeschnittenem Kopf? Hatte ein Etwas sie auf das Schlimmste vorbereitet?
Was immer dieses Etwas sein mochte – und im geheimen wußte sie, daß es bloße Phantasie war, ihr eigener Geist, der sich von ihrer eigenen Angst nährte –, es müßte ja tatsächlich um den Ausgang des Kampfes wissen, denn diese seltsame Welt gebot über die absolute Voraussage …
Wo mochte wohl der Seher sein? Las er in diesem Moment irgendwelche Runen? Befand er sich unter der Erde, im Leib der Mutter, die im geheimen über den Tod eines ihrer Kinder weinte, einen Tod, den sie in Bildern, Zeichen oder Symbolen gesehen hatte?
Ich bin für Darren, dachte sie. Komm ran, Kleiner!
Das Ritual des Todes und der Ehre begann, und Elspeth rutschte auf den Knien weiter vor. Es war jetzt seltsam still in der Luft, nur ein Höhenwind sang; ab und zu knisterte eine Fackel. Das laute Meißeln hatte aufgehört. Die Schatten der beiden jungen Männer, die dort unten standen, Angesicht zu Angesicht, tanzten über den Erdboden, obwohl sie bis jetzt nur geistig kämpften. Ihre Körper bewegten sich nicht. Sie waren natürlich nackt, und Engus wirkte groß und athletisch; Elspeth war das noch nie so aufgefallen. Sein langes Haar hing ihm strähnig über die Schultern, er hatte es aus der Stirn zurückgestrichen, die er sich anscheinend mit dunkler Farbe bemalt hatte. Sein Gesicht war eine Maske des Hasses (und sie waren doch so gute Freunde gewesen!), mit geballten Fäusten starrte er auf seinen Gegner. Darren sah nicht so kräftig aus wie Engus, und doch wirkte er gelassener. Sein Körper war völlig reglos, sogar ohne die Anpassung, die in Engus’ Kampfhaltung so deutlich zum Ausdruck kam. Elspeth wünschte sich, er möge doch nur einmal kurz zu ihr herübersehen, doch seine Augen waren fest auf den Gegner gerichtet, während die tödlichen Waffen herbeigebracht wurden: lange gebogene Knochenschwerter, gelblich glänzend, vorn breiter als am Griff – es war überhaupt kein Griff, da gab es nur ein paar Kerben für die Finger am schmaleren Ende des Knochens. Die Schneiden sahen grausam scharf aus. Von welchem Tier sie stammten, wußte Elspeth nicht. Kein Schwarzflügler, soviel war sicher, diese Knochen stammten von etwas Großem.
Jeder hatte ein Tangelkraut um den linken Arm gewunden; friedlich ruhte es in der Achselhöhle in diesen Minuten vor Kampfesbeginn.
Man brachte jedem einen Steinsplitter, scharf, spitz. Beide lehnten ab und nahmen statt dessen ihre Kristallmesser, die sie an der Schnur um den Hals trugen. Mit diesen machte sich jeder einen Schnitt in den Unterarm, so daß das Blut, allen sichtbar, frei vom Gelenk auf die Schwertschneide lief und von dort in das trockene Moos tropfte. Dann wurde ein runder Stein, abgemeißelt, um die natürliche Rundung noch zu vervollkommnen, herbeigebracht und zwischen die Kämpfer plaziert. Darren und Engus knieten sich an den gegenüberliegenden Seiten des Steines hin und begannen jeder, ein kompliziertes Spiralmuster auf den Stein zu schmieren …
Bald konnte Elspeth erkennen, wie kompliziert das Muster wurde. In Blut aufgemalt, kein falscher Strich, keine Linie oder Kurve an falscher Stelle … drei Doppelspiralen …
Ein Todessymbol? War der Erdwind also ein Todessymbol, nicht mehr und nicht weniger?
Beide standen jetzt auf. Das Blut rann immer noch reichlich aus dem Schnitt am Unterarm. Warum fingen sie nicht an, warum brachten sie es nicht hinter sich?
Plötzlich fiel Elspeth ein, daß sie keine Ahnung hatte, warum sie eigentlich kämpften. Sie fragte Moir danach, doch die sah sie an, als verstünde sie die Frage nicht.
„Es muß doch einen Grund geben. Um wen oder was geht es?“
Moir blickte ins Lager zurück und sprach mit einer Stimme, so grau wie der Himmel: „Darren kämpft für unsere Familie, Engus für seine.“
„Ja, aber warum?“
„Engus’ Familie will den Tod der Jenseitler. Sie wollen das Himmelshaus angreifen und alle umbringen.“
Das wollte Engus? Elspeth war enttäuscht. Das war ein so unvernünftiger und primitiver Wunsch – die Zerstörung eines Unerwünschten mittels roher Kraft. Und natürlich würden die Aerani bald merken, daß die Unerwünschten auch einige Tricks auf diesem Gebiete kannten. „Und Darrens Familie vertritt diejenigen, die den Jenseitlern gehorchen wollen?“
„Nicht gehorchen“, verbesserte Moir, „sondern nichts mit ihnen zu tun haben wollen.“
Es war alles so sinnlos. Diese beiden jungen Leute kämpften um etwas, worauf sie sowieso keinen Einfluß hatten. Aber es war zu spät, um etwas zu ändern, zu spät, sie eines Besseren zu belehren.
Also sahen sie zu, verkniffen, Kälte auf der Haut, verkrampft (Moir zitterte, aber sie weinte nicht mehr), wie Darren und Engus auf das Morgenrot warteten, um ihre private Schlacht zu beginnen.
Fast bevor es richtig angefangen hatte, war es schon vorbei.
Die Sonne kam hinter dem Wald herauf, der Himmel wurde heller; die Fackeln wurden gelöscht, und die beiden Kämpfer standen auf. Ein paar Sekunden lang umkreisten sie den Stein, sich verfolgend. Darrens Tangelkraut schoß auf den Gegner zu, doch Engus parierte die lebendige Ranke mit der flachen Klinge. Sein eigenes Tangelkraut verharrte fest um seinen Arm gerollt. Dann blitzte das Licht auf den blankpolierten Klingen, sie schlugen mit lautem Knall über dem Stein in zweifacher Parade aufeinander. Darren lief vor, Engus schlug eine Finte; wieder knallten die Knochenschwerter aneinander, beide schwangen ihre Waffe mit voller Kraft und zielten dabei auf des Gegners Haupt. Immer noch ließ Engus sein Tangelkraut nicht in Aktion treten, als warte er einen Moment ab, wo er es möglichst unkonventionell einsetzen konnte. Darren schien die Zurückhaltung seines Gegners nichts auszumachen. Er versuchte, sein Tangelkraut zum Einfangen von Engus’ Unterarm zu benutzen, doch Engus war zu flink.
Auge in Auge umkreisten sie den Stein, hieben die Schwerter aneinander und machten blitzschnelle Ausfälle. Das scharfe, knallende Aufeinandertreffen der Schwerter erfüllte die Luft.
Die Zuschauer gaben keinen Laut von sich; kein Murmeln war zu hören, kaum ein Atemzug. Aber Darren atmete laut, und zweimal, wenn sie über dem Stein aufeinander loshieben, grunzte Engus vor Anstrengung, wenn er sein Schwert auf den etwas kleineren Gegner niedersausen ließ.
Da fand Darrens Tangelkraut einen Halt um Engus’ Nacken und zog sich deutlich fest. Doch in Sekundenschnelle hieb Engus das Pflanzenwesen durch – jetzt schoß sein Tangelkraut vor, bekam festen, schmerzhaften Halt um Darrens Leib und zog ihn herum, auf den Stein zu. Engus holte aus zum tödlichen Hieb (Elspeth schrie auf), doch als Darren mit einem dumpfen Aufprall und einem Schmerzensschrei an den Stein gerissen wurde, war es seine Klinge, die ihr Ziel fand.
Vielleicht hatte er darauf gewartet, daß Engus gerade das tun würde, was er tat, vielleicht war es einfach die überlegene Duelltaktik Darrens: Im Augenblick, als Engus zu triumphieren glaubte, rollte sein Kopf über den Sand und starrte die Zuschauer blicklos, blutleer an.
Der enthauptete Leichnam von Moirs Liebhaber sank über dem blutigen Stein zusammen, das Knochenschwert immer noch in den fest verkrampften Fingern. Der unnötige Streit hatte sein blutiges Ende gefunden.
Darren machte sich los, stand auf und wischte die rote Schmiere von seiner Klinge, so daß sie wieder blank war.
Moir schluchzte krampfhaft zuckend, doch so leise, daß niemand ihren Schmerz vernahm. Sie hielt Elspeth umschlungen, und Elspeth merkte auf einmal, daß sie aus Mitgefühl mit dem Mädchen ebenfalls weinte. Sie sah, wie der Sieger stolz das glimmende Feuer umschritt und Engus’ starräugiges Haupt am langen Haar herumschwenkte. Er war jedoch so taktvoll, daß er die Trophäe verbarg, als er Elspeth tränenüberströmt hinunterblicken sah und Moir in ihren Armen erkannte. Er wandte sich ab.
Als sich die Menge, vorwiegend wortlos, zerstreute, versuchte Elspeth, ihre Gefühle über das, was sie gesehen oder besser, wobei sie zugesehen hatte, zu analysieren. Wie konnte sie Darren böse sein? Was er getan hatte, gehörte zu seinem Ritual-Erbe, es war völlig natürlich und mit jedermann im Einklang, Moir eingeschlossen. Und doch – welche Bösartigkeit, welch ein primitives Verhalten! Sie wurde sich bewußt, und nicht zum erstenmal, wie sie sich eingestehen mußte, daß ihr der Gedanke, mit einem solchen Barbaren so etwas wie einen Liebesakt vollzogen zu haben, höchst unsympathisch war. Doch das war vermutlich Kultursnobismus.
Sie durfte es Darren eigentlich gar nicht so schrecklich übelnehmen, daß er einen Freund auf so groteske Weise enthauptet hatte, doch beim Anblick seines Triumphes wurde ihr regelrecht schlecht. Wieder und wieder hatte sie diesen letzten grausamen Hieb vor Augen – ein Hieb nur! Welch eine Kraft! –, und jedesmal starrte sie der durch die Luft wirbelnde Kopf immer obszöner an, spritzte das Blut (es war nur ein kurzes Aufsprudeln gewesen, viel weniger, als sie sich eingebildet hatte) näher an sie heran. Auch die Erinnerung an Darrens Gesicht verfremdete sich, sein Grinsen, sein triumphierendes Lächeln schien ihr eher verzerrt als nur übertrieben sieghaft.
Sie mußte sich übergeben und wandte sich ab von Moir, die jetzt still geworden war, ganz still, totenstill.
Das ist Angst, dachte sie, als sich ihr revoltierender Magen endlich beruhigte. Das ist richtige Angst, das Ursymptom der Angst, ein ganz neues Erlebnis. Bei meinem zweiten Besuch hier – Wundschmerz, Angstschmerz. Wachse ich oder schwinde ich, wenn ich hierbleibe? Erlange ich die wahre Menschlichkeit oder verliere ich sie? „Elspeth …?“
Vor Jahren, auf dem Neu-Anzar:
Sie waren bis ans Ende der Stadt gegangen. Jetzt schritt die Familie durch den transparenten Tunnel, der über die Eisflut führte. Ihre Mutter weinte; ihr Bruder hielt die alte Dame aufrecht in den Armen und konnte selbst die Tränen nur schwer zurückhalten. Ab und zu warf er einen Blick auf Elspeth. Sie schritten den Weg der Schandbefleckten.
Mein Vater hat Schande über sich gebracht; ich sollte ihn verachten, ich sollte ihn beschimpfen, seine Ohren mit meiner Verachtung, meinem Haß füllen; doch wie kann ich das? Ich liebe ihn. Alex müßte ihn schlagen, sich für seine eigene Schande an dem Manne rächen, der sie verursacht hat Wegen dieses Mannes werden wir immer in Schande leben, und auf diesem Gang zum Tode sollten wir die Gelegenheit nutzen, ihn zu schlagen, unseren Gefühlen, unserem verwundeten Stolz Luft machen. Aber wie können wir das? Wir lieben ihn doch alle.
Ein alter Mann, der die Höhe des Mannesalters um zwanzig Jahre überschritten hat, gebeugt jetzt, doch nicht vom Alter, sondern von der Schande. Er schritt voran, den leeren Tunnel entlang, manchmal zur Seite oder nach oben blickend, in die treibenden Eisnadeln, den wirbelnden Schnee. So weit nördlich, im unbewohnten Außenbezirk der Clan-Stadt, gab es keine Wärme, weder Gefühlswärme noch physische. Niemand wohnte hier, nicht einmal ein Einsiedler. Kein Mensch betrat diesen Tunnel, außer denen, die nicht verdienten, zurückzukehren.
Mein Vater … mein armer Vater. (So klar erinnerte sie sich an diesen Tag, mit Tränen, wenn nicht in den Augen, so doch im Geiste. So bald nach ihrer Initiation, so bald nach ihrem stolzesten Tag …)
„Ich habe Schande über meinen Rang gebracht“, hatte er zu ihnen gesagt. „Ich kann diese Forderung nicht annehmen. Ich habe keinen Mut mehr.“
Keinen Mut mehr! Ein Mann, der in den nördlichen Clan-Kämpfen gefochten hatte, der – noch früher – mit denen sterben wollte, die den Elektranern widerstanden hatten, der bei seiner Freilassung öffentlich geschworen hatte, daß er nie vergessen würde, was den Männern und Frauen angetan worden war, die gegen die Invasoren gesprochen hatten?
In seinem Alter wäre ein Amts-Duell Selbstmord. Diese Forderung durch einen viel jüngeren Mann war nur erfolgt, damit der Senat etwas zu lachen hatte; es gab humanere Verfahren, die Amtsnachfolge zu regeln. Doch da die Forderung bestand, mußte sie auch angenommen werden; und er hatte sie nicht angenommen. Die Schande war zu groß gewesen.
Er hatte den Selbstmord durch Duell abgelehnt und ging nun dem Selbstmord entgegen, um seiner Familie ihren guten Namen, seinem Sohn und seiner Tochter ihren Rang zu erhalten.
Elspeth war noch zu jung, um es völlig zu verstehen, doch sie wußte, daß sie diese Stadt haßte und diese Welt auch; sie wußte, daß sie hier weg mußte, weg von dieser lächerlichen Ritualbarbarei. Es schmerzte sie, daß Alex darin anderer Meinung war, daß er sie ein gedankenloses Kind nannte, das keine Ahnung habe.
Am Ende des Tunnels war ihr Vater, ohne sich noch einmal zu seiner Familie umzuwenden, ohne einen letzten Kuß, eine letzte Umarmung, mit einem ganz leichten Schaudern beim Unterdrücken eines Angstrufes, in die Luftschleuse getreten und hatte die Tür hinter sich geschlossen.
Elspeth war zur Mauer gestürzt und hatte mit den Fäusten an die harte Fläche gehämmert, hatte geschrien, der Vater solle doch, nur für einen Moment, noch einmal zurückkommen. Alex hatte sie weggerissen, sie angeschrien, sie solle den Mund halten und sich ansehen, welch großen Mut ein großer Mann hatte, der nicht entehrt, der ohne Schande war, ganz gleich, was der Stadt-Senat gesagt hatte.
Ihre Mutter brach zusammen; Alex legte sie sanft und bequem auf den Boden.
Ihr Vater hatte den Mantel abgeworfen, nackt, mit gebeugtem Kopf trat er in Eis und Wind. Elspeth erinnerte sich, wie sie dem schmalen, dunkelhäutigen Manne nachgesehen hatte, den der Wind an die Luftschleusentür zurückwarf; seine Kontur schimmerte unscharf durch die dicken, transparenten Tunnelwände, doch sie sah, wie er wieder in den Wind hineinging, sich gegen ihn lehnte, reglos dastand, wie die Eisnadeln seine Haut zerfetzten, sein Fleisch. Rotes sprühte gegen die äußere Tunnelwand, die Weiße des Schnees wurde verdunkelt von Blut. Ein paar Sekunden stand der alte Mann auf dem bösartigen Polareis, dann hob er die Hände vor das Gesicht und brach zusammen. Wie ein Bündel blutiger Lumpen wurde sein Körper gegen die Luftschleusentür geworfen; dann war das bißchen menschliches Leben fort, weggeblasen in den Schneenebel, in die Eiswelt jenseits der Stadt – verweht, vergessen.
Eisig und schwer hing der Frühnebel über der Erdburg. Die Luft stank. Der bittere Geschmack in ihrem Munde erinnerte sie auf unangenehme Weise daran, wo sie war. Sie schluckte und sah, daß Moir nicht mehr da war.
Jetzt war kein Mensch mehr zu sehen; doch da kam Darren von der Feuer-Halle her auf sie zu. Er ging zögernd, unsicher, schaute sie an, als er über das Gras schritt, über die noch sichtbare Blutlache. Elspeth sah ihn nicht an; sie fragte sich, wo Moir sein mochte, was mit ihr geschehen würde, was sie jetzt tun müßte, nachdem ihr ‚fester Mann’ ihr genommen war.
„Kannst du mir verzeihen, Steinfrau?“ Er war vor ihr auf die Knie gefallen und suchte nun ernsten Auges ihren Blick.
„Was? Daß du Engus getötet hast?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nicht meine Vergebung brauchst du, Darren.“
„Daß ich dich geschlagen habe“, sagte er, „es war ganz in der Ordnung, und doch …“
„Und doch fühlst du dich schuldig“, beendete Elspeth seinen Satz. Alle ihre fraulichen Instinkte rieten ihr, die Demütigung des Jungen anzunehmen, doch etwas in ihr, dem der Gedanke, von einem Wilden beschlafen worden zu sein, immer noch widerlich war, ließ sie kühl, fast säuerlich reagieren.
„Ich habe dir etwas mitgebracht“, sagte Darren lächelnd. Er war nicht mehr der brutale Krieger, der er vor Minuten noch gewesen war. Kindlich blitzten seine Augen, und er hielt Elspeth die Linke entgegen. Sie blickte auf seine geschlossene Faust (es war erst einige Stunden her, da hatte diese geballte Faust sie rücklings in den eisigen Fluß geschmettert).
„Was hast du da?“
Darren öffnete die Faust. In der Handfläche lag eine kleine, zerquetschte Pflanze, und als sie ratlos darauf blickte, zerrieb er die Pflanze mit dem Daumen, hob Elspeth die Hand entgegen; sie schrak etwas zurück und sah den Jungen verwirrt an.
„Riech mal“, forderte Darren sie auf. Sie nahm sein Handgelenk, hob seine offene Handfläche näher an ihr Gesicht und roch den Duft der Pflanze. „Wunderschön“, sagte sie, und das Aroma erfüllte ihren Kopf mit Zauber. Wie keine Blume, die sie je gerochen hatte, erregend wie kein ihr bekanntes Parfüm. „Ist das ein Aphrodisiakum?“
„Ist es – was?“
„Wie wirkt das auf mich? Macht es, daß ich dich liebe? Was für eine Magie bewirkt es?“
„Nichts dergleichen. Nur ein angenehmer Duft. Es riecht wie du, wenn du zurückkommst von …“ Er blickte hinauf zum Himmel.
Elspeth lächelte. „Danke schön, Darren.“ Sekundenlang starrten sie einander in die Augen. Elspeth merkte, daß sie immer noch zitterte, immer noch von Engus’ Tötung und der gespenstischen Erinnerung an den Selbstmord ihres Vaters erschüttert war. „Sind wir dann also wieder Freunde?“
Darren zögerte, doch offensichtlich war das sein Wunsch; das Geschehene verwirrte ihn, aber es war klar, daß er bereute, was er getan hatte. „Ich möchte schon“, sagte er, „für eine Jenseitlerin …“ Er brach ab. „Ja, für eine Jenseitlerin hast du eine sehr starke Wirkung auf mich. So sagtest du doch neulich, nicht wahr? Eine sehr starke Wirkung. Du bist nicht wie die anderen, und ich fände es sehr schade, wenn du weggingest.“
„Aber die anderen … du willst sie doch vertreiben?“
„Ich will sie nicht umbringen. Engus wollte sie totmachen … dich auch. Wir wollen sie nur nicht in unserem Land.“
Elspeth nahm seine Hände in die ihren. „Ich will das auch nicht, Darren, und ich werde selbst mein Bestes tun, damit sie weggehen.“
„Wir wollen das nicht, was sie uns vorschlagen. Wir erlauben nicht, daß sie diese … diese Dinger herbringen.“
„Ich weiß.“ Sie küßte seine duftende Handfläche. „Schön, daß wir wieder Freunde sind“, sagte sie mit Wärme. „Ich war sehr einsam ohne dich.“
Nachdenklich nickte er, doch in Sekundenschnelle wurde seine weiche Miene wieder hart, männlicher, kriegerischer. „Aber in Zukunft mußt du tun, was ich sage. Ist das klar?“
„Jawohl, klar.“
Er sieht immer noch so beunruhigt aus, dachte sie.
„Darren …?“
Er kratzte seinen gelbroten Pelz dort, wo er oberhalb des Halses in den dichten gelben Flaum seines Jünglingsbartes überging. „Moir ist jetzt gerade bei den Ungenn, und mit dem Seher wird sie wahrscheinlich auch sprechen. Er wird böse sein.“
„Weil du nicht vorher mit ihm gesprochen hast?“
„Das hat Engus auch nicht getan.“
Elspeth war verwirrt. „Du meinst, ihr hättet ihn fragen sollen, wer gewinnt?“
Und von diesem sonderbaren Orakel auf dieser sonderbaren Welt hätten sie es wohl auch erfahren.
Darren schüttelte den Kopf. „Das ist nicht erlaubt. Aber der Seher hätte es wissen müssen, er selbst hätte es wissen müssen.“
„Also ist er jetzt böse. Warum geht Moir zu ihm?“
„Wahrscheinlich aus dem gleichen Grunde.“
Wieder die kalte, gespannte Erwartung. Darren wollte auf Umwegen auf irgend etwas Unklares hinaus. Was war es, das Elspeth nicht wußte? Aber – was wußte sie überhaupt von dieser Gesellschaft? „Muß Moir jetzt ein Revancheduell ausfechten? Mußt du jetzt der Ehre und von Gesetzes wegen deine eigene Schwester töten?“
Bedrückt erwiderte er: „Ich habe ihren Liebhaber in einem Ehrenduell getötet. In so einem Fall muß die ‚feste Frau’ – oder der ‚feste Mann’ natürlich – den festen Partner des Siegers herausfordern. Das ist … das bist du.“
Ihr Erstaunen über eine solche Revanche verdeckte sekundenlang eine merkwürdige Tatsache. Plötzlich ging ihr ein Licht auf. „Willst du damit wirklich sagen, daß du mich als deine ‚feste Frau’ betrachtest? Das ist eine Unverschämtheit!“
Darren machte ein Gesicht, als fühle er sich nicht recht wohl dabei. „Ich weiß ja, daß du es in Wirklichkeit nicht bist, aber darum geht es nicht. Denn das wissen ja nur du und ich. Für mein Volk bist du meine ‚feste Frau’. Und ich dein ‚fester Mann’. Ich dachte, das wüßtest du … Glaubst du denn, du wärest sonst so leicht aufgenommen worden?“
Das war ja durchaus logisch. Was mochten wohl seine Eltern von dieser Verbindung halten, fragte sie sich halb amüsiert.
Und dann fiel ihr wieder das Duell ein. „Dann kann mir also Moir jeden Moment eine Forderung überbringen lassen?“
„Jeden Moment.“
Es war ein schauderhafter Gedanke: sich mit Tangelkräutern peitschen, mit zwei Schwertern aufeinander losschlagen, sich zerfleischen … das konnte sie nicht, sie wußte es ganz genau, und niemals in all den Jahren, die ihr blieben, könnte sie dazu erzogen oder programmiert werden, so grausam zu sein.
„Ich nehme nicht an“, sagte sie glatt. „Ich kämpfe nicht gegen Moir.“
„Du kannst eine Forderung nicht ablehnen!“ sagte Darren.
„So? Kann ich nicht?“
Darren starrte sie an, und mit jeder Sekunde wurde er kälter. Schließlich sagte er gelassen: „Wenn du ablehnst, töte ich dich. Das muß ich von Gesetzes wegen tun – aus einem anderen Grunde würde ich es nicht tun, Steinfrau.“
Elspeth zügelte ihren aufsteigenden Zorn. „Du setzt zuviel voraus, Darren“, erwiderte sie, und ihre Stimme klang so drohend wie seine. „Wenn ich mich entscheide, von hier wegzugehen und nach … dort oben zurückzukehren, dann hat sich’s damit. Du hast nur die Rechte an mich, über die wir uns beide einig sind.“
Er lächelte, und es war fast das gleiche triumphierende Lächeln wie vorhin. „Diese Schande nehme ich nicht auf mich, Elspeth. Wenn du gefordert wirst, nimmst du an – oder ich töte dich.“ Er faßte die Lederschnur an seinem Hals und tastete nach dem Kristallmesser, das sonst immer dort gehangen hatte. Elspeth hatte bis jetzt noch gar nicht bemerkt, daß es nicht mehr da war. Darren war darüber offensichtlich beunruhigt, wandte sich zum glimmenden Feuer hin und suchte. Elspeth nutzte die Gelegenheit, um ihre Situation zu überdenken. Es war weit bis zum Ausgang, und sie würde nie über den Wall klettern können, wenn sie sich dabei eines entschlossenen jungen Kriegers erwehren mußte. Verzweifelt begann sie: „Darren, ich habe keine Ahnung, wie man mit so einem Schwert kämpft. Sie würde mich sofort umbringen.“
Er blickte sich nach ihr um, die Finger noch an der Lederschnur. „Nicht wenn du deine Feuerwaffe nimmst.“
„Du tust ja, als ob du willst, daß Moir stirbt. Sie ist doch deine Schwester.“
Er schüttelte den Kopf. „Sie war meine Schwester. Als ich Engus tötete, schied sich unser Blut. Und es bleibt für immer geschieden, es sei denn, sie lehnt es ab, dich zu fordern.“
Der Blick, der zwischen ihnen hin und her ging, war weder feindselig noch freundlich, sondern einfach herausfordernd.
Elspeths Widerwille, als Darrens ‚feste Frau’ zu gelten, gewann wieder die Oberhand in ihren Gefühlen. Ganz offenbar fand er es von Elspeth, der älteren von beiden, höchst unpassend, daß sie ihn in Schwierigkeiten brachte, indem sie sich weigerte, gegen seine Schwester anzutreten. Der Streit wäre vielleicht wieder losgegangen – da kam Laurian von der Feuer-Halle herbeigerannt. Er sah Darren, rannte zu ihm hinüber, blieb stehen und warf einen verstohlenen Blick auf Elspeth. Er war kein so eindrucksvoller Jüngling wie Darren, und seine Angst war ihm leicht anzusehen: an den hängenden Lippen und seiner Miene überhaupt. Darren, der noch auf den Knien lag, blickte hoch. „Nun?“
Schwer atmend und bedrückt sah Laurian die beiden an. „Sie will Elspeth nicht fordern.“
Elspeth fühlte eine kurze, heiße, unbeherrschte Welle der Erleichterung (weißt du noch – die Erleichterung, als Vater die Forderung ablehnte … der Stolz bei der Jungfrauenweihe … und wie schnell er versank …). Dann riß Darrens wütendes Schreien sie aus ihren Gedanken. Langsam, schwerfällig stand er auf und starrte Laurian an. „Sie will nicht?“ schrie er. Wieder tastete seine Linke an der Lederschnur, und wieder vergaß er für den Moment seine Wut, als er das Messer nicht an seinem Ort fand.
„Es tut mir leid, Darren“, sagte Laurian, „wirklich, es tut mir leid.“
Darren fuhr herum und starrte Elspeth an. Sein Gesicht war die gleiche Maske der Wut wie vor ein paar Stunden am Flußufer: mit tiefen Falten, von einem Zornesgrinsen entstellt.
„Das ist noch nicht alles“, sagte Laurian. Eine kleine Gruppe junger Aerani hatte sich langsam um sie gesammelt und beobachtete Darren gespannt.
„Sprich weiter!“
„Der Seher hat das Orakel wegen der Jenseitler befragt. Das Orakel hat gesagt, wir sollen uns einverstanden erklären mit dem, was die Jenseitler wünschen. Die Ungenn sprechen gerade mit ihm.“
Wieder kreischte Darren durchdringend vor Wut. „Dann ist es wertlos! Dann taugt es nichts! So etwas würde kein gutes Orakel verlangen!“
„Es hat es aber verlangt“, sprach eine unbekannte Stimme. Darren fuhr herum, und Elspeth erblickte den Seher, der sie anstarrte. Neben ihm stand Ashka und lächelte dünn, als er sie gewahrte. Wie sie so nebeneinander standen, fiel Elspeth auf, wie ähnlich sie sich waren – beide alt, ja greisenhaft, beide mager –, ihre tiefliegenden Augen, ihr ganzer Gesichtsausdruck legten ein greifbares Zeugnis ihrer speziellen psychologischen Fähigkeiten ab. Ashka verlor sich, wie immer, in seiner bauschigen Robe. Der Seher, ein schmaler, weißpelziger Greis, war jetzt in breite Streifen Schwarzflüglerhaut eingewickelt, die Beine, Arme und zum Teil auch den Oberleib verdeckten.
Ashka, der Elspeth immer noch anstarrte, fuhr fort: „Das ching verlangt es auch. Ich habe es befragt, und es sagt das gleiche: Sie sollen unser Angebot annehmen.“
Irgendwo, man konnte es nicht sehen, jammerte eine Frau, vielleicht bestattete sie das Haupt ihres Sohnes, der vielleicht noch am Leben wäre, wenn man, wie es das Ritual verlangte, vorher den Seher befragt hätte.