Dienstag, 1. April
Stimmung: verplant
Sound: das Kreisen meiner Gedanken
Thema des Tages: Abschiede
Seit einigen Tagen denke ich über das Thema Junggesellinnenabschied nach. Ähnlich wie beim DJ-Thema habe ich mich bereits einige Male erfolgreich vor der Organisation dieses Events bei anderen Hochzeiten drücken können. Das hat einen einfachen Grund: Ich finde diesen Abend überflüssig, entstammt er doch einer Zeit, in der die Ehe bedeutete, dass man als Paar ziemlich bald Kinder bekommt und nicht mehr getrennt vor die Tür geht. |172|Das sieht – zumindest unter meinen Freunden – zum Glück heute anders aus. Wenn ich möchte, kann ich Männer und Frauen getrennt voneinander sehen und mit ihnen nach wie vor feiern gehen. Vor der Hochzeit noch einmal auf den Putz zu hauen, hat sich meiner Meinung nach überlebt.
Lena hat nichts gegen einen Junggesellinnenabschied, aber die Gestaltung soll möglichst unpeinlich werden. In diversen Foren und auf verschiedenen Internetseiten habe ich mich schlaugelesen: Bedruckte T-Shirts, Verkleidungen, Bauchladen, Penisbackformen, Schnäpse, Kondome und Strings gehören offenbar zur Grundausstattung einer solchen Veranstaltung. Ich grusel mich.
Erschwerend hinzu kommen die Bilder meiner letzten Reeperbahn-Tour, die während meiner Überlegungen vor meinem inneren Auge vorbeiziehen: Horden von Krankenschwestern, Hasen und Playboy-Bunnys, die ihre Kleidung meistbietend veräußern oder zur Aufbesserung der gemeinsamen Kasse eben Kondome, Herren-Strings und Schnaps verkauften. Und dabei ziemlich tief ins Glas guckten … Nach meiner persönlichen Definition ist das alles andere als unpeinlich. Also muss ein anderer Plan her – einer, bei dem Lena sich nicht zum Horst macht, sondern wir einen schönen Tag haben.
Da ich mal wieder nur weiß, was ich nicht will, lenke ich mich ab, indem ich mich durch alte Bilder klicke, ein besonderer Spaß: «Hochzeit Anna und Markus». Vier Jahre liegt deren Feier zurück, und ich erinnere mich an die Diskussionen um ihren Junggesellinnenabschied. Maja war damals Annas Trauzeugin und quälte sich zusammen mit Markus Trauzeugen mit der Planung des letzten Abends in Freiheit. Wochenlang überlegten beide Freundeskreise, wie man diesen Abend gestalten könnte. Fest stand: Zu beiden hätte ein DVD-Abend auf dem Sofa besser gepasst als eine rauschende Partynacht auf der Reeperbahn. Am Ende bekamen die beiden den schönsten Abend, den ich in diesem Zusammenhang jemals erlebt habe.
|173|Das Paar wurde am gleichen Abend getrennt voneinander abgeholt, sie bekamen die Augen verbunden und Kopfhörer mit Musik auf die Ohren. In getrennten Autos fuhren Maja und Anna sowie Markus und sein Trauzeuge Richtung Elbstrand. Immer noch blind und beschallt, führten die jeweiligen Trauzeugen das Paar hintereinander – aber voneinander nichts ahnend – den Strand entlang. Zeitgleich wurden beiden Kopfhörer und Augenbinden abgenommen: Wir warteten mit etwa 50 Menschen, einem riesigen Grillbuffet, Musik und Alkohol auf die zwei. Gefeiert haben wir bis in die frühen Morgenstunden – gemeinsam.
Eine gemeinsame Party kommt bei Lena und Karl nicht in Frage, Karl hat seinen Abend bereits selbst geplant und wird mit seinen Jungs auf ein Konzert gehen. Bevor ich mir weiter Gedanken über ein mögliches Programm mache, stelle ich eine Liste mit Mädels zusammen, die dabei sein sollen.
Beim Blick auf die Personen erhöht sich die Schwierigkeit der Planung um eine weitere Stufe. Die Damen kommen aus dem ganzen Land in die schönste Stadt Deutschlands. Die Anreisenden stellen dabei aber das kleinste Problem dar. Eine etwas größere Hürde ist die Mutterschaft. Einige haben bereits kleine Kinder, die betreut, gefüttert und bespielt werden müssen – zu jeweils unterschiedlichen Zeiten, versteht sich. Andere Mütterprobleme sind Schlafmangel, sodass an nächtliches Feiern nicht zu denken ist, sowie eine unmittelbar bevorstehende Geburt. Da ich wenig Ahnung im Umgang mit geplatzten Fruchtblasen habe, ist es für die Betroffene nur vernünftig, den Tag nicht allzu kräftig mitzufeiern. Aber für Lena hätte ich dann doch gern alle Mädels dabei. Eine Liste könnte helfen. Alle Ideen, die mir seit Tagen im Kopf herumspuken, schreibe ich auf und versehe sie mit von mir geliebten Pro- und Kontra-Argumenten.


|176|In meinem Bestreben, es allen recht zu machen und allen die Teilnahme zu ermöglichen, verbaue ich mir jegliche Chance auf eine realistische Lösung. Also muss ich anders vorgehen.
Erst einmal den Termin festlegen. Ich setze einen Samstag im Mai fest, die Diskussion, wer wann Zeit hat, werde ich mir ersparen. Fragt sich, wie ich mit Lena und ihren Terminen umgehe. Es ist utopisch zu glauben, dass ich über Karl den Termin bei ihr einsteuern und den Grund geheim halten kann. Sie liegt mir sowieso schon seit Tagen damit in den Ohren, dass sie ihren Junggesellinnenabschied mitplanen möchte. Das werde ich natürlich nicht zulassen, aber ich werde eine Ausnahme machen und den Termin mit ihr absprechen.
Ein Telefonat klärt, dass sie an dem Tag auch Zeit hat. Schön, dass sie ihn jetzt kennt, die kommenden Wochen werde ich einem Fragen-Bombardement ausgesetzt sein: «Was macht ihr mit mir? Ich will nichts Peinliches machen. Verkleidungen wäre o. k., aber bitte keine Spiele. Verrat mir doch bitte etwas.» Pustekuchen – zu verraten gibt es ja noch gar nichts, aber das muss sie ja nicht wissen. Jetzt muss ich erst einmal die Mail an die Damen schreiben.
Von: trauzeugin_hh@web.de
An: Verteiler Junggesellinnenabschied
Betreff: Feiern mit der Braut
Liebe Lena-Freundinnen,
die Hochzeit rückt näher. Und somit auch der letzte Abend von Lena im Kreis ihrer Freundinnen – der Junggesellinnenabschied. Ich habe dafür einen Termin festgelegt und möchte euch heute die erste Planung vorstellen:
Samstag, 10. 05.
Wir planen den Tag ein wenig anders, als sonst bei diesen Veranstaltungen üblich, was vor allem beinhaltet, dass der |177|Termin fix ist und Lena Bescheid weiß. Sie möchte diesen Tag genießen und Spaß haben. In jedem Fall ist Hamburg der Ort des Geschehens – die Unterbringung der Anreisenden ist kein Problem.
Was genau wir machen steht noch nicht fest (fest steht allerdings, was wir nicht machen: mit einem Bauchladen über den Kiez laufen) und hängt ein bisschen davon ab, wie viele von euch Zeit und Lust haben, dabei zu sein. Daher gebt mir doch bitte bis zum 27. 04. eine kurze Rückmeldung.
Für eure Planung (Kinder unterbringen, Zugfahrten, Vorrat an Aspirin-Tabletten einpacken etc.) kann ich noch sagen, dass sich nach dem derzeit Stand der Dinge, der Großteil tagsüber abspielen wird – was sich dann gern in den Abend erstrecken kann –, Alkohol spielt natürlich eine Rolle.
Euch allen ein schönes Wochenende und liebe Grüße von der Trauzeugin.
Senden und warten.