SIEBZEHNTES KAPITEL

Abbildung

Burleighs zufällige Rückkehr in London nach seinem Verschwinden in Italien hatte unterschiedliche Konsequenzen für unterschiedliche Personen. Für die charmante Salonlöwin Phillipa Harvey-Jones, seine schwer geprüfte Verlobte, bedeutete die Rückkehr, dass ihr das Herz gebrochen wurde, als der junge Lord schließlich die Hochzeit abblies. Für seine Klienten bedeutete es, dass sie nun aus einem wahrhaft gewaltigen Schatz an seltenen und kostbaren Kunstobjekten auswählen konnten, von denen jedes einzelne Teil bewunderungswürdiger war als sein Vorgänger. Für seinen Bankmanager bedeutete es grenzenlose Freude, da das Vermögen des Earls immer mehr wuchs und der Inhalt der Geldtruhen rasant anschwoll. Denn jetzt, da er das Ley-Reisen entdeckt hatte, setzte Burleigh seine bemerkenswerte Fähigkeit heimlich dazu ein, um durch den Erwerb von seltenen und kostbaren Artefakten ein Vermögen anzuhäufen. Und welchen besseren Ort gab es, um unschätzbare Altertümer zu erwerben, als das Altertum selbst? Die frühen Experimente Seiner Lordschaft mit dem Ley-Reisen wichen rasch einer alles verzehrenden Obsession; und daher hatte er keine Zeit mehr für Phillipa. Wer könnte ihm deswegen Vorwürfe machen? Wenn seine neu entdeckte Fähigkeit, in Parallelwelten zu springen, schon zu etwas so Profanem führen konnte wie der Gewinnung von teuren Nippsachen, die sich an eine hungrige Kundschaft im London des späten neunzehnten Jahrhunderts verkaufen ließen – was mochte da diese Fähigkeit sonst noch bewirken? Lord Archelaeus Burleigh, Earl of Sutherland, befand sich auf der Suche, das herauszufinden.

***

»Lord Burleigh«, intonierte der Kammerdiener Seiner Lordschaft, »vergeben Sie mir mein Eindringen.«

»Was gibt es, Swain?«

»Ein Brief von Sotheby’s ist eingetroffen.« Der Gentleman des Gentlemans streckte den Arm aus und präsentierte ein kleines Silbertablett, auf dem sich ein cremefarbener Umschlag befand, der an den Earl of Sutherland adressiert war. Es gab keine Briefmarke; der Umschlag war also eigenhändig zugestellt worden. »Ich dachte, Sie würden lieber früher als später benachrichtigt werden, Sir.«

»Selbstverständlich.« Burleigh nahm den Umschlag, öffnete ihn und überflog die wenigen Zeilen, während der Diener stehen blieb und wartete. Dann legte der Earl den Brief sowie den Umschlag neben sich auf den Tisch und erhob sich. »Informieren Sie Dawkin, die Kutsche vorzubereiten. Ich gehe aus.«

»Sehr wohl, Sir.«

Noch innerhalb derselben Stunde saß Burleigh im Büro von Mr Gerald Catchmole, dem Chefhändler des Auktionshauses Sotheby’s. Ihm waren Whiskey und eine Zigarre angeboten worden, doch aufgrund der Tageszeit hatte er abgelehnt und stattdessen den danach angetragenen Tee angenommen. Während sie auf den Tee warteten, plauderten sie über die jämmerlichen Qualitätsmängel der Objekte, die gegenwärtig aus der Levante kamen.

»Wir sind natürlich verpflichtet, sie zu versteigern«, schnaubte Catchmole, »aber das geht mir irgendwie gegen den Strich.«

»Doch es ist ja nicht so, dass ihr durchschnittlicher Klient den Unterschied kennt«, erwiderte Burleigh. »Sie bekommen nichtsdestotrotz Ihre Provision, wage ich zu behaupten.«

»Aber Sie kennen nur zu gut den Unterschied, Mylord«, erklärte Catchmole in einem schmeichlerischen Tonfall. »Dies ist auch der Grund, weshalb ich Sie kontaktiert habe, sobald dies hereinkam.« Es klopfte an der Tür, und eine Frau mittleren Alters trat ein, die ein Tablett mit Teegeschirr trug. »Sie dürfen uns eingießen, Mrs Rudd«, wies der Händler sie an. »Und lassen Sie das Tablett hier, wenn es Ihnen recht ist. Wir bedienen uns dann selbst.«

Sie goss den Tee ein, verteilte die Tassen und zog sich anschließend ohne ein Wort zurück.

Als sie fortgegangen war, nahm Catchmole einen Schluck aus seiner Tasse und stellte sie dann zur Seite. »Ich dachte, Sie sollten der Erste sein, der das zu sehen bekommt«, sagte er und erhob sich. Er ging zu seinem Schreibtisch hinüber, holte eine hölzerne Zigarrenkiste hervor und reichte sie Burleigh. »Schauen Sie sich das mal an.«

Lord Burleigh nahm die Schachtel und öffnete den Deckel. Innen drin lagen, eingebettet in Seidenpapier, drei kleine Gegenstände: ein ägyptischer Skarabäus, die Statuette einer Frau in einem langen, mehrfach gestaffelten Stufenrock, die zwei sich windende Schlangen hielt, und eine geschnittene Gemme, die einen Mann mit einem Lorbeerkranz darstellte. Es handelte sich in der Tat um genau die Art von Objekten, die gegenwärtig in Mode waren – Imitationen davon überfluteten gerade im Moment den Antiquitätenmarkt in ganz Europa.

Burleigh blickte zum Händler hoch. »Ja und?«

»Schauen Sie bitte genauer hin«, forderte Catchmole ihn mit einem Lächeln auf.

Der Earl, der die Schachtel auf seinen Knien balancierte, ergriff die Statue. Sie war ungefähr sechs Zoll hoch und mit akribischem Geschick bemalt worden: Die Augen der Frau waren groß und weit geöffnet, ihre dunklen, auf ausgeklügelte Weise geflochtenen Haare lagen in Schichten übereinander; und die Schlangen – sie hielt in jeder Hand eine – ringelten sich mit weit aufgerissenen Mäulern um ihre Arme. Die kleine Statue war zumeist grün bemalt; der lange, hochtaillierte Rock war blau-grün gestreift. Die Glasierung der Figurine entsprach einem hohen Standard.

»Ich sehe, was sie meinen«, sagte Burleigh leise. »Sechzehntes Jahrhundert vor Christus – die Votivfigur der minoischen Schlangengöttin. Außergewöhnlich gut erhalten. Sie sieht aus, als könnte sie erst gestern hergestellt worden sein. War es das?« Er hob seine Augenbrauen und schaute zum Händler auf, der lediglich auf das nächste Objekt zeigte.

Burleigh ergriff den Skarabäus. Er war aus einem einzigen makellosen Stück Lapislazuli von tiefstem Blau angefertigt worden. Die Bearbeitung des Steins war exquisit, die Hieroglyphen wirkten neu und sauber. Zudem gab es eine Kartusche, die den Namen Nebmaatra enthielt. An der Unterseite befand sich ein winziges eingeritztes Auge, das einen Stab und einen Dreschflegel überragte: Diese Bildsymbole stellten eine Signatur des Künstlers dar. Nachdenklich lenkte sich die Stirn Seiner Lordschaft in Falten.

»Neb-Ma’at-Ra«, sinnierte er; während er versuchte, den Namen einzuordnen, sprach er ihn laut aus. »Auf mein Wort«, keuchte er und schaute zu Catchmole auf, der ihn interessiert beobachtete. »Das ist aus der königlichen Werkstatt von Amenophis – von den Handwerkern des Pharaos.«

»Ich wusste, dass Sie beeindruckt sein würden«, gluckste Catchmole, nickte und lächelte. »Wenn irgendjemand Gold von Tand unterscheiden kann, dann Sie, Lord Burleigh.«

»Woher haben Sie diese Stücke?«, wollte Burleigh wissen. Er klappte den Deckel der Kiste zu. Sie war ein ganz gewöhnliches Behältnis aus Holz für eine mittelmäßige Zigarrensorte: ein geschmackloses Transportmittel für solch einen Schatz.

»Darf ich die Aufmerksamkeit Ihrer Lordschaft auf das verbliebene Stück lenken?«

Burleigh klappte den Deckel wieder auf und hob die winzige Steingemme heraus. Wie der Skarabäus war es ein elegantes, fein gearbeitetes Kunstwerk, allerdings aus einem tiefroten Karneol geschnitten. Es zeigte das Profil eines Mannes, der die Lorbeerblatt-Krone eines römischen Kaisers trug. Es gab keinerlei Zweifel, dass dieses Schmuckstück einst im Besitz eines antiken Bürgers von bedeutendem Reichtum und fraglos von großem Geschmack gewesen war. Auf der Rückseite befand sich eine Inschrift: G. J. C. A.

Burleigh starrte darauf. »Außergewöhnlich«, hauchte er. »Caesar Augustus?«

»Kein anderer; jedenfalls hat mir das Searle-Wilson gesagt. Unser ansässiger Experte versichert mir, dass es nicht mehr als ein Dutzend davon geben kann.«

»Ich vermute, da hat er recht.« Der Earl hielt die Gemme ins Licht. Damit ließe sich ein prächtiger Ring oder eine in Gold gefasste Brosche herstellen. »Woher haben Sie diese Stücke?«, fragte Burleigh erneut.

»Ich darf also annehmen, dass Ihr Interesse hinreichend geweckt worden ist?«, sagte Catchmole selbstgefällig.

»Sie sind echte Kunstwerke von höchster Qualität – natürlich bin ich interessiert. Doch ich muss wissen, wie Sie daran gekommen sind.«

»Was das anbelangt, ist mir gegenwärtig nicht gestattet, darüber etwas zu sagen«, erwiderte der Händler und nahm die Schachtel wieder in seinen Besitz. »Ich kann sagen, dass ich autorisiert bin, sie auf einer Auktion anzubieten.« Er hielt inne, und seine Augen richteten sich unwillkürlich auf die Tür, als ob er befürchtete, dass jemand ihn belauschte. Dann fragte er mit gesenkter Stimme: »Ich frage mich, ob wir vielleicht zu einer eher privaten Vereinbarung kommen könnten.«

»Ich will sie haben«, offenbarte Burleigh und erhob sich aus seinem Sessel. »Ja, selbstverständlich will ich sie haben. Ich will alle drei haben – doch nur unter der Bedingung, dass Sie mir sagen, woher Sie sie haben.«

Catchmole zögerte. »Ich habe mein Wort gegeben, dass dieses Geschäft unter strengster Vertraulichkeit abgewickelt wird.«

»Und so wird es auch sein«, entgegnete Burleigh. »Bei der Durchführung des Geschäfts sind notwendigerweise drei Personen einbezogen: der Verkäufer, der Händler und der Käufer. Und lediglich diese drei Personen brauchen jemals davon zu erfahren.«

Der Auktionator betrachtete voller Sehnsucht die Schachtel. »Man möchte nicht gerne einen Klienten enttäuschen …«

»Es ist nicht erforderlich, dass irgendjemand enttäuscht sein muss. Erzählen Sie mir, wo Sie diese Gegenstände bekommen haben, und ich werde augenblicklich eine Einzugsermächtigung für mein Konto veranlassen.«

»Ich kann Ihnen sagen, dass sie von einem jungen Mann aus Oxford kommen«, enthüllte Catchmole, der seine Fingerspitzen oben auf die Schachtel legte. »Ein Student an der Universität. Ich weiß nicht, wie er daran gekommen ist. Man stellt eben nicht solche Fragen.«

»Sei’s drum; wenn wir uns auf einen Preis einigen sollten, muss ich mich der Herkunft dieser Artefakte vergewissern«, erklärte Burleigh. »Sie könnten am Ende aus einer Privatsammlung gestohlen worden sein.«

»Auf mein Wort, Sir!«, protestierte der Händler. »Wenn bekannt wäre, dass ich an so etwas beteiligt –«

»Es ist bekannt, dass so etwas passiert«, fiel der Earl ihm ins Wort und holte seine lederne Geldbörse aus der Innentasche seines Gehrocks hervor. »Ich fürchte, ich muss darauf bestehen, dass ich den Namen des Burschen erfahre.« Er zog zwei Fünf-Pfund-Noten heraus und legte sie auf den Schreibtisch.

»Charles«, seufzte der Händler, der nun aufgab. »Charles Flinders-Petrie.«

»Wo kann ich ihn finden?«, fragte Burleigh und fügte zwei weitere Banknoten hinzu.

»Ich glaube, er ist Student am Christ Church.« Der Händler schob die Zigarrenschachtel über die polierte Schreibtischplatte auf den Earl zu und sammelte die Banknoten ein. »Mir wurde gesagt, sie sind Erbstücke aus einer Familiensammlung.«

»Ich bin sicher, dass es sich so verhält.« Burleigh hob vorsichtig die Zigarrenschachtel hoch und klemmte sie fest unter seinen Arm. Dann machte er auf dem Absatz kehrt, um fortzugehen. »Sie werden bei dieser Sache gut abschneiden, Catchmole. Ich mache das schon.«

»Es ist mir lediglich eine überaus große Freude, Ihnen zu Diensten zu sein, Mylord.«

»Ich wünsche Ihnen einen guten Tag.« Burleigh öffnete die Tür und trat aus dem Büro. »Wie immer ist es ein einzigartiges Vergnügen gewesen.«

»Ich versichere Ihnen, das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite«, erwiderte der Händler, faltete die Banknoten und steckte sie in seine Tasche.

Draußen vor Sotheby’s stieg Burleigh in die wartende Kutsche. Als er sein Stadthaus im Bezirk Belgravia erreichte, hatte der Earl entschieden, wie er weiter vorgehen wollte. »Bringen Sie die Kutsche nicht fort, Dawkin. Noch innerhalb dieser Stunde werde ich wieder wegfahren.« Er eilte die Stufen hoch, platzte durch die Eingangstür herein und rief: »Swain, kommen Sie sofort hierher!«

Augenblicklich erschien der Diener; das Heben einer Augenbraue war die einzige Veränderung in seiner gewohnheitsmäßigen Nonchalance. »Gibt es etwas, Sir?«

»Ich fahre weg – mit dem nächsten Zug nach Oxford. Machen Sie sofort einen Reisekoffer bereit: Kleidung zum Wechseln und die nötigsten Sachen für eine Nacht. Los!« Als der ältere Diener wegtrottete, änderte Burleigh den Befehl ab. »Warten Sie! Treffen Sie Vorkehrungen für zwei oder drei Tage, falls ich in Schwierigkeiten gerate.«

»Selbstverständlich, Sir.«

Bevor die Uhr im Foyer zur nächsten Stunde geschlagen hatte, war der Reisekoffer Seiner Lordschaft gepackt und der Earl selbst auf seinem Weg zum Bahnhof Paddington, um den nächsten Zug nach Oxford zu erwischen. Nach einer angenehmen Reise durch die hügelige Landschaft kam er am späten Nachmittag in der Universitätsstadt an. Er schickte den Reisekoffer zum Randolph Hotel zusammen mit der Anweisung, ein Zimmer für ihn zu buchen. Dann spazierte er vom Bahnhof in die Innenstadt und nahm dabei den warmen Schimmer des prächtigen Cotswolds-Steins in sich auf, aus dem die größeren Gebäude der Stadt errichtet waren. Er traf am Christ Church ein, fand das Tor geöffnet vor und hielt an, um am Pförtnerhaus Nachforschungen anzustellen.

»Guten Tag, Pförtner«, grüßte er. »Ich bin gekommen, um meinen Neffen zu sehen.«

»In Ordnung, Sir«, erwiderte der Pförtner und trat an sein Fenster. »Und wer soll das sein?«

»Flinders-Petrie«, antwortete Burleigh. »Charles Flinders-Petrie.«

Der Mann überflog ein Gästebuch. »Ich sehe nicht, dass irgendjemand erwartet wird.«

»Es ist ein Überraschungsbesuch.« Er entnahm seiner Brieftasche eine Visitenkarte und reichte sie dem Pförtner, der augenblicklich unterwürfig wurde, als er den Titel und den Namen sah, die auf der Karte gedruckt waren. »Glauben Sie, dass Sie mir sagen könnten, wo er zu finden ist?«

»Natürlich, Mylord.« Der Mann setzte seinen schwarzen Bowlerhut auf und trat aus dem Pförtnerhaus. »Ich werde Sie persönlich dorthin bringen. Direkt hier entlang, Sir, wenn Sie mir folgen wollen. Direkt hier entlang.«

Er führte den Earl über den weitflächigen Collegehof, dann durch ein Gewirr aus Korridoren, Gärten und Fluren und schließlich zu einer schmalen Steintreppe. »Hier entlang, Sir«, wies der Pförtner an. »Direkt diese Stufen hoch.« Der College-Bedienstete brach zur Tür auf.

»Einen Augenblick, guter Mann«, sagte Burleigh. Er kramte etliche Münzen aus seiner Tasche und legte sie auf seiner Handfläche zu einem Stapel. »Ich habe zuerst ein oder zwei Fragen.«

»Natürlich, Sir«, erwiderte der Pförtner und bemühte sich, nicht direkt auf das Silber in der Hand Seiner Lordschaft zu schauen. »Wenn ich in irgendeiner Weise helfen kann …«

»Ich habe Charles’ Vater versprochen, ihm bei meiner Rückkehr Bericht zu erstatten. Es ist spät, und ich bin nicht besonders begierig darauf, mich dem Ärger auszusetzen, Jagd auf Tutoren und anderes Lehrpersonal zu machen.« Er betastete den Stapel Münzen. »Ich habe gehofft, Sie könnten mich aufklären.«

»Nun, Sir, ich kann Ihnen sagen, dass er ein guter Bursche ist. Stets heiter. Hat immer ein Lächeln oder einen Scherz für die Pförtner und andere Leute übrig.«

»Ich werde das annehmen für das, was es wert ist«, merkte Burleigh trocken an. »Was ist mit seinen Studien?«

»Über diese Dinge weiß ich nichts, Sir. Über so etwas müssen Sie seine Tutoren fragen.«

»Und was hält man von Charles’ Leben in der Stadt?« Als der Pförtner zögerte, drängte er rasch: »Aber die Wahrheit jetzt. Keine Sorge – Sie werden durch mich nicht in der Patsche landen.«

»Ich mag es nicht, über irgendjemanden schlecht zu sprechen …«

»Vermerkt«, sagte Burleigh. »Aber?«

»Aber … Nun, Sir, es hat Anlässe gegeben, als ich aufgefordert worden bin, den jungen Mann aus einigen – wollen wir sagen – weniger zuträglichen Orten zu holen.« Er legte seinen Finger an die Nase. »Wenn Sie wissen, was ich meine.«

»Ich glaube, ich kann es erraten. Sonst noch was?«

»Neulich sind Männer herübergekommen, um Schulden einzutreiben.«

»Welche Art von Schulden? Für Essen, Getränke, Kleidung – die üblichen Sachen?«

»Glücksspiel, Sir.«

»Ach was!« Burleigh heuchelte, überrascht zu sein. »Sind Sie sich sicher, was das anbelangt?«

»Ich fürchte, ja, Sir. Es gibt mehrere Spielclubs in der Stadt. Es ist schwierig, die jungen Gentlemen davon fernzuhalten.«

»Und sind Sie sehr groß – diese Schulden?«

»Ich weiß es wirklich nicht, Sir. Wir lassen sie nicht durchs Tor, verstehen Sie, und sie lehnen es ab, eine Nachricht zu hinterlassen.«

»Nun«, knurrte Burleigh missbilligend, »wir werden sicherlich ein ernstes Wörtchen darüber sprechen.«

»O, ich würde nicht zu hart mit ihm sein, Sir«, sagte der Pförtner entschuldigend. »Ein junger Gentleman muss sich die Hörner abstoßen. Das scheint mir der Gang der Welt zu sein.«

»Zweifellos. Gibt es sonst noch etwas?« Burleigh wurde übereifrig. »Kommen Sie, ich muss alles wissen, wenn ich irgendeinen Einfluss in dieser Angelegenheit haben soll. Was noch?«

»Es gibt nur noch die Sache mit den Kämpfen, Sir.«

»Ich kann Ihnen nicht mehr folgen.«

»Die Kämpfe – dabei wettet man Geld, das man verlieren kann, Sir«, erklärte der Pförtner. »Der Schatzmeister kann Ihnen die relevanten Einzelheiten geben, doch es gibt noch Schulden für Getränke und Ähnliches innerhalb des Colleges.«

»Ich verstehe.«

»Möchten Sie, dass ich Sie jetzt nach oben führe?«

»Danke schön, nein. Ich kann den Weg selbst finden.« Burleigh lächelte und ließ den Stapel Silbermünzen in die Hand des Dieners fallen. »Belassen wir es dabei, dass dies eine Überraschung ist, nicht?«

»Sehr wohl, Sir.« Der Pförtner steckte die Münzen in die Tasche. »Es ist oben der erste Raum auf der rechten Seite. Bitte, tun Sie sich keinen Zwang an und gehen Sie hoch, wann immer Sie wollen.«

»Dann Guten Abend«, verabschiedete sich Burleigh.

Der Pförtner zögerte. »Ich möchte nur noch erwähnen, Sir, dass er vielleicht jetzt gerade beim Abendessen im Speisesaal ist … das heißt, falls er es vorgezogen hat, früh zu essen. Die meisten jungen Männer machen das. Wenn Sie möchten, kann ich nach dem Gentleman schicken lassen.«

»Es macht mir nichts aus zu warten«, entgegnete Burleigh und gab dem Mann mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er gehen sollte. »Wenn Charles nicht da ist, mach ich es mir bequem, bis er zurückkehrt.« Der Earl begann, die Treppe hochzusteigen. »Nochmals vielen Dank, Pförtner. Sie sind sehr hilfsbereit gewesen.«

Als der Mann fortgegangen war, stieg Burleigh die Stufen hoch. Oben an der Treppe fand er zwei Türen. An einer von ihnen befand sich in einer eleganten Messinghalterung eine Visitenkarte, die anzeigte, dass der Bewohner tatsächlich ein gewisser Charles Flinders-Petrie war. Burleigh klopfte leise an, und als niemand darauf reagierte, versuchte er selbst, die Tür zu öffnen. Sie erwies sich als unverschlossen, und er trat ein. Er befand sich in einem großen rechteckigen Zimmer mit einem Fenster, von dem aus man die Christ-Church-Wiese überblickte und dahinter einen von Weiden gesäumten Streifen des Isis River, wie die Themse hier hieß. Auf der Wiese waren Kühe, die für die Nacht von einem Hirten mit Stab und einem Hund in Richtung Scheune getrieben wurden.

Einen Augenblick lang stand Burleigh nur da und betrachtete das Innere. An jeder der beiden Seiten eines großen, offenen Kamins gab es einen großen, dick gepolsterten Ledersessel. Zwischen den beiden Sitzmöbeln befand sich ein kleiner, runder Tisch, auf dem ein Silbertablett mit einer Kristallkaraffe für Portwein und vier Gläsern war. An der Wand hing ein Bild, das ein ländliches Motiv zeigte, und aus einem unordentlichen Schrank quollen Kleidungsstücke hervor. An einem Garderobenständer neben dem Kleiderschrank hingen ein schwarzer Studententalar, eine Satinweste, ein langer Übermantel, zwei Hüte – der eine aus schwarzem Biberfell, der andere aus grauem Filz – und die unterschiedlich gestreiften Schals von mehreren Colleges; keiner davon trug jedoch die Farben von Christ Church. Eine Wand wurde von einem Bücherregal eingenommen, das vom Boden bis zur Decke reichte und zur Hälfte mit Büchern gefüllt war. Auf den unteren Brettern lagen Kleidungsstücke, ein Paar Schuhe, ein zerbeulter Strohhut, ein Kricketschläger, ein Ball und Handschuhe. Burleigh trat näher heran, um die Regale zu überfliegen; nach den Buchtiteln zu urteilen, behandelten die meisten Werke historische Themen. Auf den Büchern lag viel Staub.

Das Bett, das auf der anderen Seite des Raums stand, war zwar gemacht worden, doch alles war zerknittert. Direkt daneben lag auf dem Boden ein kleiner Haufen Kleidungsstücke: eine Hose, ein Hemd, eine Weste und eine schwarze Krawatte. Auf einem Lesetisch am Fenster waren ein schmutziger Teller mit einer Käserinde und Brotkrümeln, ein leerer Becher mit Teeflecken und ein angebissener Apfel. Unter dem Tisch stand eine leere Weinflasche auf dem Boden. An einem der Haken an der Tür hing eine lederne Umhängetasche.

Alles in allem war dies das Zimmer eines jungen Burschen, der darin wenig Zeit verbrachte – und noch weniger Zeit dem Studium widmete. Also ein mehr oder weniger typischer Student, befand Burleigh, als er ein letztes Mal seine Umgebung in sich aufnahm. Dann ließ er sich in einen der abgenutzten Ledersessel am Kamin nieder.

Ganz allmählich wurde das Licht trüber, während die Nacht hereinbrach. Eine unangenehme Kühle schlich sich in den Raum; und Burleigh überlegte bereits, ob er nicht ein Feuer auf dem Kaminrost anzünden sollte, als er Stimmen auf der Treppe hörte. Im nächsten Moment gab es ein klickendes Geräusch am Griff der Tür, die sich sogleich öffnete; und ein junger Mann mit rotblondem Haar trat ein, der sich seine Dinnerjacke achtlos über die Schulter geworfen hatte. Er war groß, aber nicht schlaksig, und schlank, aber nicht hager. Seine Gesichtszüge waren regelmäßig und wohlgeformt, und man hätte sie als ziemlich unauffällig bezeichnen können, wären da nicht seine Augen gewesen: Sie waren ein wenig ovalförmig und ein ganz bisschen schräg, sodass sie ihm fast ein orientalisches Aussehen verliehen.

Der Jugendliche warf seine Jacke aufs Bett und begann, sein Hemd aufzuknöpfen.

»Hallo, Charles«, begrüßte ihn Burleigh.

Der junge Mann zuckte zusammen und wirbelte herum. »Du meine Güte! Wer zum Teufel sind Sie denn?«

»Vergeben Sie mir, dass ich Sie erschreckt habe«, erwiderte sein Besucher und erhob sich langsam zu seiner vollen, imposanten Größe. »Mein Name ist Burleigh … Earl of Sutherland. Ich glaube, wir haben ein gemeinsames Interesse.«

»O«, sagte Charles misstrauisch. Er machte keine Anstalten, näher zu kommen. »Und was könnte das sein?«

»Antiquitäten.«

»O, das!«, entgegnete Charles abweisend.

»Ja, das«, bekräftigte der finstere Besucher. »Wieso – was haben Sie erwartet, was ich sagen würde.«

»Ich weiß nicht. Bärenhetzen und Hundekämpfe, vermute ich. Glücksspiel … Was Sie haben wollen.«

»Nichts, das ganz so aufregend ist.« Burleigh drehte sich um und füllte zwei Gläser mit Portwein aus der Kristallkaraffe auf dem Tisch. »Kommen Sie«, sagte er und streckte dem jungen Mann ein Glas entgegen. »Setzen Sie sich zu mir. Lassen Sie uns ein wenig über Kunstwerke reden. Antike Kunstwerke.«

»Ich glaube, da haben Sie den Falschen erwischt«, empörte sich Charles. Doch er trat vor und nahm das angebotene Glas entgegen. »Ich weiß nichts über Antiquitäten, worum auch immer es gehen mag.« Er plumpste in einen der Sessel. »Das liegt mir überhaupt nicht, verstehen Sie.«

»Mir jedoch liegt es«, sagte Burleigh und setzte sich wieder hin. »Ich handle mit solchen Dingen.«

»Prächtig.« Charles hob sein Glas. »Yum sen!«

Burleigh trank und stellte sein Glas ab. »Ich möchte Ihnen nicht mehr zur Last fallen als unbedingt notwendig, doch ich bestehe darauf, dass Sie bei einer Angelegenheit von einiger Wichtigkeit mir aus Höflichkeit Beistand leisten.« Nach diesen Worten griff Burleigh in seine Manteltasche und holte ein Etui aus schwarzem Samt hervor. Er öffnete es und brachte den Lapislazuli-Skarabäus, die sumerische Votivfigur und die Karneol-Gemme von Augustus zum Vorschein. Die drei Gegenstände legte er neben sich auf den Tisch.

Charles blickte auf die Objekte und heuchelte Gleichgültigkeit. »Reizend«, meinte er. »Doch ich habe den Eindruck, dass es nur fair ist, Sie zu warnen: Wenn Sie beabsichtigen, mir diese Spielereien zu verkaufen, dann ist das von Anfang an eine dumme Sache.« Er nahm einen weiteren Schluck. »Hab kein bisschen Kohle, verstehen Sie. Ist gerade ausgegangen. Bin total pleite.«

Burleigh betrachtete den jungen Mann aufmerksam. Sein Verhalten war nicht so, wie er es erwartet hatte; der Bursche spielte ihm eindeutig etwas vor. »Sie sind nicht aufrichtig«, bemerkte der Earl. »Könnte es sein, dass Sie sich immer noch an die falsche Auffassung klammern, ich hätte die Herkunft dieser Gegenstände nicht erraten?«

Der Student legte den Kopf zurück und gab ein schwaches Lachen von sich. »Herkunft, Sir? Wieso – wovon reden Sie? In meinem ganzen Leben habe ich diese Kinkerlitzchen nie gesehen.«

»Wir wissen beide, dass dies eine Lüge ist«, entgegnete Burleigh, der dabei seine Stimme nicht erhob und ruhig blieb.

»Was unterstehen Sie sich!«, rief Charles, doch seine Erwiderung klang kraftlos. »Ich möchte, dass Sie wissen –«

»Bitte verschonen Sie mich damit«, unterbrach ihn der Earl. »Mit Antiquitäten dieser Art handle ich bereits länger, als sie leben, und ich weiß, wovon ich spreche.« Burleigh ergriff die Votivfigur der Schlangengöttin und hielt sie ins Licht. »Diese Gegenstände sind echt. Darüber hinaus sind sie in einem nahezu fehlerlosen Zustand – sie sind unberührt vom Zahn der Zeit und nie in einer Begräbnisstätte gewesen. Kurzum, sie wurden weder in den Wüsten von Ägypten oder Babylon ausgegraben noch aus einem Grabmal geborgen.« Er fixierte den jungen Mann mit einem strengen, festen Blick. »Ich werde Ihnen in einfacher Sprache die Frage stellen: Wie sind Sie an diese Objekte gekommen?«

Charles trank mit einem Schluck sein Glas aus und füllte es erneut. Er fläzte sich weiterhin in seinem Sessel, und mit gezwungener Lässigkeit erklärte er: »Das geht Sie überhaupt nichts an.«

»Ich habe Ihnen doch gerade gesagt, dass es mich sehr wohl etwas angeht.« Obwohl Burleighs Stimme immer noch ruhig klang, hatte sie einen stählernen Unterton angenommen. »Warum beharren Sie auf Ihren schwächlichen Versuchen, mir etwas vorzutäuschen? Das ist Zeitverschwendung.«

Der junge Mann starrte seinen Besucher wütend an, blieb jedoch schweigsam.

»Lassen Sie uns noch einmal von vorne beginnen.« Burleigh legte die Figurine zurück und nahm den Skarabäus in die Hand. »Ich bin glücklich, dass ich einen fairen Preis für dieses Stück bezahlen kann – und ebenso für die anderen. Und zwar mehr, als Sie bei einer Auktion bekommen würden.«

Bei diesen Worten wurde Charles munter. »Wie viel mehr?«

Burleigh lächelte ihn mürrisch an. »Genug, um mir das Recht zu geben, heute Abend mit einem Angebot hierherzukommen. Ein sehr attraktives Angebot, wie ich hinzufügen möchte.«

»Und nun?«

»Ich bin bereit, alle Stücke aus Ihrer Sammlung zu kaufen, einzeln oder als gemischte Posten, und zwar zu einem fairen Marktpreis plus fünfzehn Prozent. Natürlich nach Maßgabe einer Überprüfung der Objekte … Nein, lassen Sie uns plus zwanzig Prozent nehmen. Ein Auktionshaus würde mindestens so viel als Provision einstreichen. An deren Stelle können genauso gut Sie diesen Gewinn einstreichen.«

»Zwanzig Prozent über dem Marktwert?«, hakte Charles nach. »Und wer, wenn ich fragen darf, bestimmt den Marktwert? Sie, vermute ich?«

»Jeder, den Sie nehmen möchten«, antwortete Burleigh. »Doch wenn Sie meine Meinung hören wollen – Catchmole von Sotheby’s wird Sie nicht in die Irre führen. Ich vertraue ihm.«

Der liederliche junge Mann legte die Stirn in Falten, während er sich das Angebot durch den Kopf gehen ließ.

»Es gibt allerdings Bedingungen«, fuhr Burleigh nach einem Moment fort. »Sie werden mir erzählen, wie Sie an diese Objekte gekommen sind – und an alle anderen, die ich auf der Grundlage unserer Vereinbarung erwerbe. Des Weiteren werden Sie sich verpflichten, niemals Kunstwerke dieser Art irgendeinem anderen zu verkaufen.«

»Unverschämter Halunke, sehen Sie –«

»Von jetzt an bin ich Ihr einziger Partner im Antiquitätenhandel.« Burleigh schenkte ihm ein kaltes Lächeln. »Ein fairer Preis plus zwanzig Prozent und ein rascher Absatz. Sie werden sich niemals den Launen eines wankelmütigen Publikums aussetzen müssen.«

»Sie wollen nicht viel, oder?«, spottete Charles. »Sonst noch was?«

»Nur dass Sie keiner Menschenseele auch nur ein Sterbenswörtchen über unsere Partnerschaft sagen werden.«

Charles goss den Rest seines Portweins hinunter. Dann veränderte er seine Gesichtszüge zu einer Maske des Trotzes und verkündete: »Das werde ich nicht tun. Ich lehne Ihr Angebot ab.«

Mit der geschmeidigen Anmut einer Katze, die sich auf ihre Beute stürzt, sprang Burleigh aus seinem Sessel. Er packte den jungen Studenten an der Kehle und riss ihn hoch. »Hör mir gut zu, du verschwenderischer, eingebildeter Schnösel. Ich weiß nur zu gut, wozu du in der Lage gewesen bist. Ich weiß, dass du dem Glücksspiel verfallen bist, dass du säufst und zu Huren gehst. Ich weiß, in welchen Etablissements du gewesen bist und in welcher Gesellschaft du verkehrt hast.«

»Lass mich los, du Schurke –«, begann Charles, der sich sichtlich ängstigte, mit gepresster Stimme.

Doch Burleigh verstärkte seinen Griff und schnürte so jeden weiteren Protest ab. »In der ganzen Stadt stehst du bei Leuten in der Kreide, und es haben bereits Männer herumgeschnüffelt, um deine Schulden einzutreiben. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie dich kriegen werden, und dann endest du tot in einem Graben, mit einem zerschlagenen Schädel oder einem Messer im Rücken.«

Charles zerrte an der Hand seines Angreifers, doch Burleigh hielt ihn fest.

»Hör mir sehr sorgfältig zu. Du wirst den Bedingungen zustimmen, die ich dargestellt habe; und du wirst deinen Mund geschlossen halten. Nick mit dem Kopf, wenn du mich verstanden hast.«

Charles, dessen Gesicht rot anlief, nickte schwach.

Burleigh ließ ihn los und warf ihn in den Ledersessel zurück. Der junge Mann beugte sich vor, umfasste seinen Hals und schnappte nach Luft. Nach einem Augenblick waren seine Gesichtsfarbe und die Atmung wieder normal.

»Ist nicht nötig, mich so wütend anzustarren wie jetzt; schließlich sind Sie nicht verletzt«, sagte Burleigh, der vor Charles stand und auf ihn hinabblickte. »Und jetzt erzählen Sie mir, woher Sie diese Stücke haben.«

»Privatsammlung«, murmelte Charles, der sich den Hals rieb. »Sind seit einer Ewigkeit in der Familie.«

»Wer hat sie gesammelt?«

»Mein Großvater. Es gibt eine ganze Kiste, die mit diesem Zeug voll ist.«

»Wo hat er sie bekommen?«

»Hab nicht die leiseste …«, begann Charles, dann aber sah er, wie Burleigh seine Hände anspannte, und änderte rasch seine Antwort. »Er ist viel gereist … verbrachte die meiste Zeit auf Schiffen, die ins Ausland fuhren. Hatte ein Auge für die merkwürdigen Kinkerlitzchen. Er hat sie gesammelt«. Er streckte sein Kinn vor. »Zufrieden? Oder werden Sie mich erneut würgen?«

»Sein Name. Dieser Großvater von ihnen – wie lautete sein Name?«

»Arthur«, antwortete der verkommene junge Mann. »Arthur Flinders-Petrie.«

»Wo kann ich ihn finden?«

»Das können Sie nicht.« Charles schüttelte seinen Kopf. »Er starb, bevor ich geboren wurde. Hat sich ein Fieber oder so was eingefangen auf einer seiner Reisen. Das ist alles, was ich weiß.«

»Und Ihr Vater? Wie heißt er? Was sagt er dazu, dass Sie die Familienerbstücke verscherbeln?«

»Mein Vater verschied letztes Jahr. Doch ich bezweifle, dass er dies befürworten würde. Er befürwortete nicht viel, mein Vater – zumindest was mich anbelangte. Sein Name war Benedict. Sonst noch was?«

»Arthur und Benedict Flinders-Petrie«, sagte Burleigh, der sich die Namen genau einprägte. »Das ist alles für heute.« Er ging ein paar Schritte von Charles fort. »Ich werde Kontakt mit Ihnen aufnehmen, wenn ich noch etwas anderes brauche.«

»Was ist mit dem Geld?«

»Sie werden Ihr Geld bekommen. Es ist bereits durch Catchmole von Sotheby’s arrangiert worden. Alles, was wir noch tun müssen, ist, uns auf einen Preis zu einigen. Ich werde es ihm sagen, und er wird den Rest machen. Er wird für sein Schweigen und für seine Diskretion bezahlt. Wie hoch sind Ihre Spielschulden?«

Charles blickte finster. »Fünfzig Pfund – mehr oder weniger.«

»Und Ihre Kampfwetten?«

»Weitere zwanzig, vielleicht.«

»Dann runden wir das Ganze auf glatte Hundert auf«, entschied Burleigh. »Und schauen Sie nicht so enttäuscht. Es ist mehr, als irgendein anständiger Arbeiter in einem Jahr verdient – und mehr, als Sie bei einer Auktion bekommen hätten. Also, begreifen Sie endlich? Ich habe Ihnen endlosen Ärger erspart.«

Der junge Mann runzelte die Stirn. »Na fein, war’s das jetzt?«

»Seien Sie guten Mutes! Und sehen Sie das Ganze einmal in dieser Weise: Sie haben nun einen neuen und höchst einflussreichen Geschäftspartner, und Ihre finanziellen Sorgen sind vorüber.« Er schritt auf die Tür zu. »Dennoch würde ich nicht noch einmal in der Stadt so große Schulden anwachsen lassen: Es könnte nämlich sein, dass ich beim nächsten Mal nicht so großzügig bin.«

»Was, wenn ich keinen Partner möchte?«

Burleigh warf den Kopf zurück und lachte. »Lebe wohl, Charles.« Er öffnete die Tür und ging hinaus auf den Treppenabsatz. »Bis wir uns wieder treffen.«

»Wie nehme ich mit Ihnen Kontakt auf?«, wollte Charles wissen, der dem Earl zur Treppe gefolgt war.

»Das brauchen Sie nicht. Wenn es sich ergeben sollte, dass ich Sie sehen muss, werde ich Kontakt mit Ihnen aufnehmen.«

»Wenn ich noch etwas verkaufen will …«, deutete Charles an, »wie erreiche ich Sie dann?«

»Wann auch immer Sie etwas zu verkaufen wünschen«, erwiderte Burleigh und begann, die Treppe hinabzusteigen, »wenden Sie sich an Catchmole. Er wird sich dann um alles kümmern.«

»Warum machen Sie das?«, rief Charles der entschwindenden Gestalt seines Besuchers hinterher.

»Das habe ich Ihnen doch bereits gesagt«, antwortete Burleigh, der weiterhin die Stufen hinunterging. »Das ist mein Geschäft.«

»Geht es nur ums Geschäft? Nicht um mehr?«

Burleigh stieß ein lautes Lachen aus, als er in der Dunkelheit verschwand. »Sie haben ja keine Ahnung, wie weitreichend meine geschäftlichen Interessen sind!«