ZWANZIGSTES KAPITEL
Lord Burleigh wischte sich mit einem weichen Taschentuch die Stirn ab. Er versuchte noch einmal, sich zu erinnern, wie um alles in der Welt er auf die Idee gekommen war, im Hochsommer nach Ägypten zu reisen. »Wenn einen die Hitze nicht umbringt«, sinnierte er, »machen einem die Fliegen den Garaus.« Mit diesen Worten gab er einer weiteren zwanglosen Versammlung der kleinen, stechenden Teufel einen raschen Schlag mit seiner Fliegenklatsche aus Pferdehaaren. »Ihr frechen Quälgeister!«
Aus seinem großen Glas, das mit kühlem Apfeltee gefüllt war, nahm er einen Schluck und löste den steifen Kragen seines Hemdes; es war schon das zweite an diesem Tag. Er saß in einem großen Korbstuhl in der bequemen, von Palmen gesäumten Om-Seti-Lounge des Winter Palace Hotel und sah zu, wie die Leute durch die Lobby nach draußen schlenderten: europäische Geschäftsmänner in dunklen Anzügen und mit Panamahüten, an den Armen dekorative Damen, die mit frischen cremefarbenen Leinenkleidern angetan waren und deren Stöckelschuhe über den polierten Marmorboden klickten. Seine Blicke fielen auf dunkelhäutige Kellner in weißen Kaftanen, die Wasserpfeifen oder kleine Teetassen auf silbernen Tabletts trugen, auf sandalenbeschuhte Hotelpagen in kurzen Satinhosen und mit roten Turbanen, auf Zigarettenverkäufer mit Tabakkästen aus Holz und reiche Araber in makellos weißen Thoben.
Alle bewegten sich matt und träge. Niemand beeilte sich. Wenn schon das bloße Umherschlendern in der Hitze des Tages als töricht betrachtet wurde, wäre ein Hetzen und Rennen geradezu selbstmörderisch.
Oben unter der Decke ächzte ein Ventilator, dessen geflochtene Rattanblätter durch die stickige Luft kreisten. Burleigh zog seine Uhr aus der Westentasche und ließ den Deckel aufschnappen. Er würde, so entschied er, noch eine weitere halbe Stunde hinzugeben und dann die Jagd abblasen. Wenn seine Beute nicht auftauchte, würde er nach unten ins Hafenviertel spazieren und einen Schiffstransport für die Objekte organisieren, die seit seinem letzten Besuch in einem Lagerraum aufbewahrt wurden. Während ihm dieser Gedanke durch den Kopf ging, holte er seine Geldbörse aus der Brusttasche seiner Jacke, die über der Stuhllehne hing. Er öffnete das Portemonnaie, zählte rasch sein übrig gebliebenes Geld und stellte fest, dass er immer noch ein wenig mehr als achttausend ägyptische Pfund besaß.
Das Hauptproblem beim Handel mit antiken Artefakten war, dass jeder seine Hand im Spiel hatte: die Plünderer, die Zwischenhändler, die Lageristen, die Schiffsbesitzer, die Museumskuratoren, die Polizisten und nicht zuletzt die Zollbeamten. Alle mussten ausbezahlt werden, bevor irgendein Verkauf stattfinden konnte. Es war ein teures Geschäft.
Durch harte Arbeit, Umsicht, angeborenen guten Geschmack und durch die unheimliche Fähigkeit, einen Trend zu erschnüffeln, bevor er sich entwickelt hatte, war Burleigh in einem Geschäftszweig erfolgreich gewesen, der von Tag zu Tag immer schwieriger wurde. Der Wettstreit um die besten Stücke wurde von Saison zu Saison härter, weil ignorante, plumpe Freibeuter anrückten, die ohne Notwendigkeit die Preise in die Höhe trieben und eine größere Aufmerksamkeit der Behörden an sich zogen. Man war inzwischen an dem Punkt angelangt, wo keiner es sich mehr leisten konnte, einen Fuß falsch aufzusetzen, wenn er nicht kurz darauf mit dem Gesicht nach unten im Nil dahintreiben wollte.
Keine Ehre unter Dieben, schlussfolgerte Burleigh reuevoll. Die gierigen Idioten würden das Geschäft für alle ruinieren.
Er trank seinen Tee aus und warf einen letzten raschen Blick durch die Hotellobby. Sie war nun menschenleer. Jeder, der noch ein Fünkchen Verstand besaß, ruhte sich von der Hitze aus.
Nachdem er das Glas auf das Silbertablett zurückgestellt hatte, stand er auf und zog seine Jacke an. Er verließ die Lounge und spazierte durch die Lobby zur Rezeption. »Ich werde am Nachmittag außer Haus sein«, teilte er dem Portier mit. »Ich möchte ein kaltes Bad, wenn ich zurückkomme.«
»Natürlich, Sir«, erklärte der Mann hinter der marmornen Tischplatte. »Werden Ihre Lordschaft heute Abend hier dinieren?«
»Ich denke schon ... ja. Bereiten Sie meinen Tisch für acht Uhr vor.«
»Sehr wohl, Sir.«
»Und stellen Sie sicher, dass dort eine gekühlte Flasche Bollinger bereitsteht. Das letzte Mal war sie warm, und das will ich nicht noch einmal erleben.«
Nachdem sich das Hotel auf das Nachdrücklichste entschuldigt und einen besseren Service zugesichert hatte, schlenderte Burleigh zu den sich drehenden Türen und schob sich hindurch. Die Sonne traf ihn wie ein schweißnasser Schlag ins Gesicht, und er erstarrte unter ihrem Angriff. Dann signalisierte er dem weiß gekleideten Dienstmann mit dem federgeschmückten Tropenhelm, ein Taxi für ihn zu rufen. Sogleich hörte er das langsame Klappern von Hufen auf dem Straßenpflaster, und ein von einem Maultier gezogener Wagen fuhr am Fuß der Hoteltreppe vor.
Burleigh kletterte auf den Rücksitz der kleinen Kutsche und befahl: »Bringen Sie mich zum Flussufer. Ich werde Ihnen den genauen Ort sagen, wenn wir dort sind.«
Der Fahrer nickte und ließ die Zügel schnalzen. Sie rumpelten durch die engen Straßen von Luxor: ein totaler Wirrwarr von einer Stadt, die bereits alt gewesen war in den Zeiten, da Moses als junger Bursche in Ägypten gelebt hatte. Die Viertel, durch die sie auf dem Weg zum Fluss fuhren, wurden immer widerwärtiger und fielen auf der Leiter der Respektabilität Sprosse um Sprosse nach unten.
Als sie den Stadtteil mit den Lagerhäusern erreichten, beugte sich Lord Burleigh nach vorne und nannte dem Taxifahrer einen Straßennamen. »Ich werde Ihnen sagen, wenn Sie anhalten sollen«, fügte er hinzu.
Wenige Minuten später näherten sie sich einem großen, verfallenen Gebäude.
»Das ist es«, sagte Burleigh zum Fahrer. Die Kutsche hielt draußen vor der Tür an. »Warten Sie hier, und Sie werden den dreifachen Fahrpreis bekommen.« Burleigh hielt drei Finger hoch, um seine Worte zu unterstreichen.
»So wird es geschehen, Effendi«, erklärte der Fahrer und berührte mit den Fingerspitzen der rechten Hand seine Stirn.
Burleigh schritt zu der breiten Eingangstür und klopfte einige Male dagegen - eine kurze Serie von raschen Schlägen. Er stand da und betrachtete den abblätternden Verputz, während er wartete. Zum Schluss hörte er das Klimpern einer Kette, die entfernt wurde, und das Knarren eines Eisenriegels, den man zurückzog. Die Tür glitt auf, um den Besucher hereinzulassen.
Ein dünner schwarzer Äthiopier mit einem großen roten Fes empfing ihn.
»Lord Burleigh, Allah möge Sie reich segnen«, sagte der Mann. »Marhaban.«
»As-salaamu 'alaikum«, erwiderte Burleigh.
»Es ist gut, Sie wiederzusehen, Sir.«
»Wie immer, Babu, ist die Freude ganz auf meiner Seite.«
Der Diener beugte sich tief und trat zur Seite, damit der Gast eintreten konnte. »Mein Herr Hakim Rassoul erwartet Sie, Sir. Wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
»Nach dir, Babu.« Burleigh folgte im Gleichschritt seinem Führer. »Das Geschäft ist gut?«
»Allah ist stets großzügig, Sir.«
Im Innern des Lagerhauses war es dunkel, die Luft abgestanden, staubig und heiß. Der kleine Diener führte ihn durch Reihen von Regalen, auf denen sich bis oben hin verstaubte Objekte stapelten: steinerne Urnen und Töpfe; Totenschreine; Statuen von Eulen, Katzen und Falken aus Holz und Stein; Schachteln, Truhen, Kisten und mit Hanf umwickelte Bündel in allen Größen. Ali Baba der Großhändler, dachte Burleigh.
Hinter den sich türmenden Stapeln, am anderen Ende des Lagerhauses, gelangten sie zu einer Tür in der unverputzten Backsteinmauer. Babu klopfte leise an und öffnete die Tür. Erneut verbeugte er sich, bevor er den Besucher hineinführte.
Burleigh trat in einen Raum, der eine Kreuzung aus einem Beduinenzelt und dem Büro eines Buchprüfers zu sein schien. Hinter einer großen Platte aus poliertem Mahagoni saß ein schlanker Ägypter mit einem dünnen, scharf geschnittenen Gesicht. Über seiner eng anliegenden Galabija, die bis zum Kinn zugeknöpft war, trug er eine glitzernde Seidenweste. Die Luft war blau vom Rauch einer kurz zuvor ausgelöschten Zigarre.
»Burleigh! Kommen Sie herein! Kommen Sie herein! Der Friede Allahs sei mit Ihnen, mein Freund. Wie gut, Sie zu sehen.«
»As-salaam'u, Abdel Hakim. Sie sehen wie immer glücklich und wohlhabend aus. Wie geht es Ihnen?«
»Erträglich - nur erträglich. Aber warum soll man Gott durch Klagen herausfordern? Babu, du Nichtsnutz, bring uns Whisky!«
»Danke sehr, Hakim, aber keinen für mich«, erklärte Burleigh. »Es ist noch zu früh am Tage.«
»Wirklich?«, fragte Hakim verblüfft. »Nun denn.« Dann befahl er laut: »Babu, bring uns Wein - und Feigen ... und ein paar Datteln.« Er trat um den Tisch herum, fasste Burleigh an den Schultern und umarmte ihn. »Es ist eine lange Zeit gewesen, mein Freund.«
»Nur sechs Monate«, erwiderte Burleigh.
»So kurz nur? Es erschien mir viel länger.« Er lächelte und wies seinen Besucher mit einer wedelnden Geste zu einem geschnitzten Thron aus Buchsbaumholz, der mit dem Vlies einer gefleckten Ziege bedeckt war. »Ich hoffe, Ihre Reise war angenehm.«
»Angenehm genug.«
»Setzen Sie sich! Und erzählen Sie mir die Neuigkeiten der Welt.«
»Sie kennen sie besser als ich, Hakim. Ich bin erst gestern angekommen.«
»Ach ja, wir hatten eine Botschaft von Ihnen erhalten.« Der Antiquitätenhändler ließ sich wieder in seinem Sessel nieder und verschränkte seine Finger vor dem Bauch. »So! Hier sind Sie nun.«
»In der Tat«, stimmte Burleigh ihm höflich zu. »Doch ich muss sagen, dass all das Reisen langweilig wird - und Käufer sind immer schwieriger zu finden. Ich denke daran, das Geschäft aufzugeben und ein anderes Betätigungsfeld zu finden.«
»Unsinn!«, rief der Händler aufgebracht. »Sagen Sie das niemals, mein Freund. Wir haben das erfolgreichste Exportgeschäft diesseits von China. Wir sind Partner, Sie und ich. Wenn Sie aufgeben, wird Hakim and Sons sterben. Wie Trauben, die man an den Reben zurückgelassen hat, werden wir in der heißen Sonne verschrumpeln und sterben.«
»Sie haben viele andere Partner, Hakim. Ich nehme an, Sie werden überleben.«
»Richtig«, gab der Zwischenhändler zu. »Aber keiner meiner Partner ist so erfolgreich wie Sie.«
»Keiner bezahlt Ihnen so viel wie ich, meinen Sie.«
In diesem Augenblick kam Babu mit einem Tablett aus Teakholz herein, auf dem eine Weinflasche, zwei Kristallkelche und Schüsseln standen, in denen sich in Sirup eingelegte Feigen und getrocknete, mit Mandeln gefüllte Datteln befanden. Er stellte das Tablett auf dem Schreibtisch ab, goss Wein in die Kelche und zog sich dann aus dem Zimmer zurück.
»Warum so streitsüchtig, mein Freund?«, fragte Hakim. Mit jeder Hand ergriff er einen der Kelche, hielt sie ins Licht und bot dann einen seinem Gast an. »Kommen Sie, lassen Sie uns trinken - und wie immer auf gute Geschäfte!«
Burleigh ergriff den Kelch. »Auf gute Geschäfte«, wiederholte er und hob seinen Pokal.
Sie führten ihre Unterredung fort, indem sie die Vereinbarungen für eine ganze Anzahl von Objekten besprachen, die der Earl bei seinem letzten Besuch hier im Lager gelassen hatte. Als sie das Gespräch zu Ende geführt hatten, stand Hakim auf und erklärte, er habe einen Riesenhunger.
»Ich könnte ein ganzes Kamel essen«, verkündete er. »Kommen Sie, Burleigh, mein lieber Freund. Speisen Sie mit mir. Ich werde Sie zu einem mir bekannten Ort am Fluss führen, wo man Mahlzeiten zubereitet, die einen solch exquisiten Geschmack haben, dass die Engel voller Neid herabblicken.«
»Ich bin sicher, dass es sehr gut ist«, meinte Burleigh und zog seine Uhr aus der Tasche. »Aber ich hatte gehofft, ein paar neue Dinge zu sehen, bevor ich gehe.«
»Natürlich! Natürlich! Und solche Dinge ...« Er legte die Finger auf seine Lippen und küsste sie. »Wundervolle Dinge! Die besten sogar. Und alle für Sie.« Hakim griff hinter seinen Schreibtisch und brachte einen kleinen Turban aus weißem Satin sowie einen Spazierstock aus Ebenholz zum Vorschein. »Doch ein Mann muss essen, und das Restaurant ist nicht weit entfernt. Der Spaziergang wird Ihren Appetit stärken.« Mit langen Schritten hüpfte er durch sein Büro und warf die Tür auf. »Babu, du Hundesohn! Wir gehen aus. Lass niemanden herein, während ich fort bin.«
Hakim verließ mit seinem Geschäftspartner das Büro. Er verschloss die Tür, drehte sich um und ging zu einer Palme, die man in ein riesiges Messinggefäß eingetopft hatte. An der Wand hinter der Palme hing ein kunstvoller Gebetsteppich. Hakim hob eine Ecke des Teppichs an und enthüllte so eine verborgene Tür. Er schloss sie auf und winkte seinen Gast hindurch. »Diesen Weg. Es ist viel näher.«
Abdel Hakim Rassoul führte seinen Besucher durch eine dunkle Passage, die in einen dämmrigen Fußgängerweg mündete, der eigentlich bloß ein Freiraum zwischen zwei Lagerhäusern war. An seinem Ende lag eine sonnige Gasse, die breit genug für Pferde- und Ochsenwagen war. Der ägyptische Antiquitätenvermittler bog in die Gasse ein und begann, den Grünstreifen an ihrem Rand entlangzugehen. Mit einer Brise, die ein wenig kühler als die sonnendurchflutete Luft der Stadt war, wehte der Geruch des Flusses herbei und ließ sie wissen, dass sich ganz in der Nähe der Nil befand. Eine Querstraße und dann noch eine weitere führte sie zum Flussufer und einem großen alten Haus, das auf Pfeilern errichtet worden war, damit es über dem beständig wiederkehrenden Hochwasser stand. Sie stiegen eine Treppe hoch und wurden oben von einem Kellner in einem kaffeefarbenen Kaftan begrüßt.
»As-salaamu«, intonierte der Kellner. »Gott möge Sie segnen.«
»Salaam«, sagte Hakim Rassoul knapp. »Meinen Tisch, wenn ich bitten darf.«
Der Kellner geleitete sie durch das Restaurant und führte sie auf eine beschattete Terrasse hinaus, von der man den Fluss überblicken konnte. Zwei oder drei andere Tische waren bereits besetzt. Ein alter Mann, der auf einem Hocker in der Ecke saß, bewegte geflochtene Grasmatten hin und her und fächerte so die Luft, wobei er ständig ein leichtes Rascheln erzeugte.
»Aaah«, seufzte Hakim und ließ sich in seinem Sessel nieder. »Ein Refugium für die müde, gramerfüllte Seele.«
»Sie sollten ein Poet sein«, merkte Burleigh an. »Ihre einzige Gram ist die Sorge, ob Sie Ihr geheimes Vermögen jemals aufbrauchen können.«
»Oh, mein Freund«, schmollte Hakim, »haben Sie denn kein Herz? Schauen Sie doch! Betrachten Sie diesen wundervollen Fluss.« Er wedelte mit seiner langfingrigen Hand in Richtung des grau-grünen, träge dahinfließenden Wassers.
In diesem Moment fuhr eine anmutige Feluke mit lohfarbenen Segeln vorbei und schloss sich dem regen Flussverkehr aus Booten und Frachtkähnen an, die stromabwärts zogen. Die federleichten Wedel der Papyrusstauden schwankten im Wind, der über das Wasser wehte und ihre goldenen Köpfe im Gleichklang bewegte.
»Wunderschön, nicht wahr?«, sagte Hakim.
»In der Tat«, stimmte Burleigh ihm zu. »Sehr schön.« Er lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Nun denn, was haben Sie für mich? Was werde ich sehen, wenn wir in Ihr Lager zurückkehren?«
Der Kellner goss Wasser aus einem silbernen Krug in eine Schüssel, die aus dem gleichen Metall bestand, sowie in kleine gläserne Trinkbecher.
»Wir werden essen, was auch immer Hammet heute zubereitet hat«, erklärte Hakim. »Bringen Sie es so rasch wie möglich - und zuvor, während wir darauf warten, eine Schüssel mit gewürzten Oliven.« Nachdem die Bestellung erledigt war, wandte er sich seinem Gast zu. »Was es zu sehen gibt? Nun, Sie wissen, dass in jüngster Zeit alles sehr langsam vonstatten geht. Der Markt ist widerspenstig geworden. Allerdings habe ich eine sehr hübsche Sphinx - hervorragende Details, völlig unbeschädigt, roter Granit mit Augen aus Saphir und goldener Kopfbedeckung, so groß wie eine Hauskatze. Ich hätte sie bis jetzt schon sieben Mal verkaufen können, aber ich habe sie für Sie aufbewahrt, mein Freund. Ich wollte, dass Sie als Erster die Wahl haben.«
»Das klingt teuer. Was sonst noch?«
»Leider ist es, wie ich bereits gesagt habe, eine recht träge Saison gewesen. Trotzdem hat es im vergangenen Winter einige bedeutsame Grabungen in einem der Täler westlich von Luxor gegeben. Ein paar sehr gute Stücke sind gerade jetzt verfügbar geworden.«
»Wer gräbt dort?«
»Ein Mann namens Carter. Er wird von einem reichen Geldgeber finanziert. Irgendein Lord ... Ich habe seinen Namen vergessen ...« Hakim trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Vielleicht Cavanaugh.«
»Carnarvon«, korrigierte ihn Burleigh.
»Sie kennen ihn?«
»Noch nicht. Aber ich hoffe, ihn kennenzulernen, bevor die Woche vorüber ist.«
Der Kellner kehrte mit einer Schüssel zurück, die entkernte, dicke blaurote Oliven enthielt, gefüllt mit einer weißen, breiigen Substanz.
»Kosten Sie diese; und dann wissen Sie, was für eine Wonne eine Olive sein kann«, sagte Hakim und bot seinem Geschäftspartner die Schüssel an.
Burleigh nahm eine Olive und steckte sie sich in den Mund. »Nicht übel.« Er kaute einen Moment. »Finden sie denn etwas? Irgendetwas Wertvolles?«
»Sie graben die ganze Wüste um. Es ist alles streng geheim.« Hakim lächelte und griff nach den Oliven. »Aber natürlich ...«, fuhr er fort und warf sich eine der gefüllten Früchte in den Mund, »... habe ich meine Quellen.«
»Natürlich.«
Hakim schluckte die Olive herunter. Dann beugte er sich vor und senkte seine Stimme, obgleich kein anderer Restaurantgast in Hörweite war. »Man munkelt, dass sie kurz vor einer großen Entdeckung stehen - nichts weniger als ein königliches Grabmal.«
»Ist dem so?«, fragte Burleigh nachdenklich.
Hakim nickte. »Es kann jetzt jeden Tag passieren - so haben mir meine Quellen mitgeteilt.«
»Es scheint, dass ich zur richtigen Zeit gekommen bin.«
»Ein höchst glücklicher Zufall«, stimmte der Zwischenhändler zu. »Der Handel wird bald wieder florieren. Inschallah!«
Drei in Kaftanen gekleidete Kellner kamen an den Tisch, die Arme voller Teller und Platten. Ohne ein Wort zu sagen, begannen sie, das Essen auf den Tisch zu stellen: Das Hauptgericht bestand aus mit Honig glasierten Wachteln, gefüllt mit Pflaumen und Pinienkernen; sie lagen auf einem Bett aus köstlichem, nach Jasmin duftendem Reis, der mit Koriander gewürzt war. Auf weiteren Platten wurden eingelegter, in Scheiben geschnittener Nilbarsch und Tigerfisch mit Zwiebeln und ganzen Pfefferkörnern serviert; zudem gab es hellgrüne Melonenscheiben und Feigen in Wein.
Hakim Rassoul schmatzte mit den Lippen und steckte sich die weiße Leinenserviette in den Ausschnitt seines Gewandes. Mit Begeisterung fiel er über das Essen her, wobei er nicht ein einziges Mal nach Messer und Gabel griff. Sein Genuss an dem Mahl übertraf jegliche Art von Vergnügen und befand sich auf dem besten Wege zur Ekstase. Burleigh, dessen Appetit durch die Hitze geschrumpft war, beobachtete seinen Geschäftspartner voller Verwunderung, und seine eigenen Bemühungen auf diesem Gebiet wirkten vergleichsweise matt.
Es dauerte geraume Zeit, bevor Hakim wieder zu sprechen vermochte. »Der Himmel sollte solches Essen haben«, verkündete er und schob schließlich seinen Teller fort. »Sie sind in der Gegenwart von etwas Bedeutsamem gewesen, mein Freund.«
»Das bezweifle ich nicht«, stimmte ihm Burleigh verhalten zu.
Kaffee wurde gebracht, und sie beendeten ihre Mahlzeit mit einer freundlichen Unterhaltung über den internationalen Antiquitätenhandel. Anschließend kehrten sie zum Lagerhaus zurück, um ihre Geschäfte abzuwickeln.
Es war später Nachmittag, als Burleigh Abschied nahm. Das Taxi wartete immer noch - er musste den Fahrer aufwecken. Tief in Gedanken ließ sich Burleigh hinten auf dem Sitz nieder. Als sie das Hotel erreichten, erhob er sich, gab dem Fahrer ein großzügiges Trinkgeld und ging hinein. Er machte drei Schritte in der Lobby - und dann erspähte er seine Beute: einen großen, schlanken, tadellos gekleideten Mann, der an der Rezeption stand und mit den Fingern auf die Marmortheke trommelte.
Burleigh hielt kurz inne, strich seine Jacke glatt und schritt dann voran. Er stellte sich hinter dem Mann an, der ihm den Rücken zuwandte, und hustete leicht, um sich selbst anzukündigen. Anschließend sagte er mit fester, nachhallender Stimme: »Entschuldigen Sie bitte, aber sind Sie nicht Lord Carnarvon?«
Der Mann drehte sich um, musterte Burleigh mit einem einzigen Blick und lächelte höflich. »Ja? Und mit wem spreche ich?«
»Gestatten Sie mir, mich vorzustellen«, erklärte Burleigh und bot seinem Gegenüber die Hand an. »Ich bin Archelaeus Burleigh, Earl of Sutherland. Mir ist mitgeteilt worden, dass Sie hier logieren. Ich glaube, wir haben gemeinsame Freunde. Darf ich Sie zu einem Drink einladen?«