FÜNFUNDZWANZIGTES KAPITEL
Mit dem Großen Kaffeehaus am Altstädter Ring waren so hohe Erwartungen verbunden, dass sich bei seiner Eröffnung eine lange Schlange von Kunden vom Eingang bis in den geschäftigen Marktplatz hinein erstreckte. Dies erregte natürlich noch mehr Aufmerksamkeit, was dazu führte, dass die Menschenmenge vor dem Kaffeehaus weiter anschwoll. Engelbert und Wilhelmina sowie ihre vier uniformierten Angestellten waren schon sehr bald überfordert von dem Ansturm. Schon am Mittag waren die Regale mit den Torten, Kuchen und anderen Backwaren leergefegt. Danach servierten sie nur noch Kaffee, bis sie bei Sonnenuntergang die Tür zusperrten. Kaum hatten sie die Fensterläden geschlossen, erschien Arnostovi mit einer Flasche Rieslingwein, die er zur Feier ihres Triumphes öffnete.
»Ihr solltet stolz auf Euch sein, meine Freunde«, verkündete er, füllte die Pokale und reichte sie an Mina, Etzel und die Angestellten weiter. »Eine erfolgreiche Geschäftseröffnung in dieser Stadt ist außergewöhnlich selten. Eine solche Nachricht wird die höchsten Ebenen der Gesellschaft erreichen. Schon jetzt verbreitet sich die Neuigkeit in den großen, bedeutenden Häusern. Ihr werdet berühmt sein in Prag.«
»Habt Dank, Herr Arnostovi«, sagte Etzel schlicht. »Wir wissen, dass wir das alles ohne Eure Hilfe nicht zustande gebracht hätten.«
»Ich habe nur meine eigenen Interessen wahrgenommen«, erwiderte Arnostovi. »Weiter nichts.«
»Ihr habt viel mehr als das getan«, widersprach ihm Mina. »Etzel hat recht: Ohne Eure Unterstützung hätten wir niemals so schnell so weit kommen können, Herr Arnostovi. Eure Hilfe in den vergangenen Tagen hat den entscheidenden Unterschied gemacht.«
Erfreut über dieses überschwängliche Lob vollführte der große, dünne Mann eine feierliche, tiefe Verbeugung; den Arm schwang er dabei zu einer weit ausholenden Geste. »Das Vergnügen war ganz und gar auf meiner Seite«, erklärte er, reckte seinen Pokal empor und rief: »Möge Gott Euch jeden Erfolg gewähren!«
Engelbert, der seine eigene Freude nur schwerlich in sich verschließen konnte, schloss sich dem Trinkspruch an. »Es ist richtig, sich in diesem Moment an Gott zu erinnern«, sagte er, nachdem sie den ersten Schluck getrunken hatten. »Denn ohne Gott ist nichts möglich.« Er hob seinen Kelch und sprach: »Auf Gott - unseren weisen Ernährer, Wohltäter und Freund. Mögen all unsere Anstrengungen Seinem Namen Lob und Ruhm bringen!«
Arnostovi lächelte. »Ich bin zwar ein Jude, doch diesen Worten können wir alle zustimmen. Und ich sage zu Euch: ›Amen und nochmals Amen!‹«
Sie tranken die Flasche mit dem süßen Weißwein leer. Anschließend setzte man das Personal an die Aufgabe, den Teig zu mischen und den Backofen für den nächsten Tag vorzubereiten. Wilhelmina und Engelbert wurden von ihrem Geschäftspartner zu einem guten Abendessen eingeladen. Arnostovi führte die beiden zu einem Speisehaus, wo er des Öfteren mit Freunden dinierte. Dort feierten sie in bester Laune den ganzen Abend, und am folgenden Morgen öffneten sie ihre Türen für eine weitere riesige Schlange von neugierigen und begeisterten Kunden.
Für Wilhelmina war der ganze Aufruhr sehr erfreulich, obschon er viel Hektik mit sich brachte. Endlich wurden - zum ersten Mal in ihrem Leben - ihre Fertigkeiten honoriert und sogar gelobt; und das bei einem Geschäft, das sie ganz unter ihrer Kontrolle hatte, wo sie ihre eigenen Wunschvorstellungen in die Tat umsetzen konnte und wo alles exakt nach ihren Vorgaben ablief. So etwas, überlegte sie, wäre damals in London niemals passiert.
An London und ihr früheres Leben dort zu denken versetzte sie in eine melancholische Stimmung - nicht etwa, weil sie es so sehr vermisste ... sondern weil sie es nicht vermisste. Zuerst hatte sie sich gefragt, wie sie solch eine abrupte und extreme Veränderung jemals überleben könnte - immerhin war sie in einer alten, längst vergangenen Epoche und in einem merkwürdigen, fremdartigen Land gestrandet. Doch die Wahrheit sah nun ganz anders aus, wie ihr allmählich dämmerte: Sie hatte nicht nur überlebt, sondern war geradezu aufgeblüht, und zwar weit jenseits aller realistischer Erwartung. Das hatte sie in einem hohen Maße Engelbert zu verdanken, wie betont werden musste, doch ebenso auch dem geschäftlichen Erfolg. Ihr Leben vor dem Sprung in diese Welt hier erschien ihr inzwischen fast wie ein Traum, aus dem sie erwacht war. Und wie ein Traum war jenes Leben in den vergangenen Tagen immer mehr verblasst und zunehmend in weite Ferne gerückt. Ihre Wirklichkeit - ihr Wachzustand - war das Hier und Jetzt; und Mina gefiel dieses Hier und Jetzt wirklich sehr. Wenn sie ganz ehrlich zu sich sein wollte, dann war sie zu der Schlussfolgerung gezwungen, dass sie das London des einundzwanzigsten Jahrhunderts in keiner Weise vermisste: weder ihre Freunde noch ihre Wohnung, weder ihre Familie noch sonst irgendetwas. Nicht einmal Kit. Seit ihrer Ankunft in Prag hatte sie für ihren elenden Freund nicht mehr als einen flüchtigen Gedanken übrig gehabt. Ihr Herz hatte ihn - ebenso wie alles andere aus ihrer rasch dahinschwindenden Vergangenheit - einfach losgelassen. Eigentümlicherweise machte dieser Gedanke sie ein wenig traurig, allerdings konnte sie sich nicht erklären, warum.
Vielleicht enthüllte ja dieses Fehlen von Gefühlen die Armseligkeit ihrer früheren Existenz; und genau das war es, was sie in eine melancholische Stimmung versetzte. Allerdings dauerte diese Anwandlung, in das eigene Innere zu schauen, nicht lange. Mina, die stets eine praktische Person gewesen war, betrachtete solche Grübeleien als vollkommen unproduktiv; und wenn so etwas das eigene Vorankommen zu stören drohte, schob sie Gedanken dieser Art entschieden beiseite. Stattdessen widmete sie sich weiter ihrem Geschäft.
Und was für ein Geschäft das war! Sie, Etzel und ihre Bediensteten fanden sich im Zentrum eines Wirbelwindes aus Aufsehen und Beifall wieder. Die ehrenwerten Bürger von Prag konnten einfach nicht genug vom Kaffee bekommen. Jeden Tag war Engelbert gezwungen, die Fensterläden zu schließen, obwohl draußen immer noch Menschen standen, die hineinwollten. Ihre Kunden waren jedoch weit davon entfernt, sich durch diesen Ausschluss entmutigen zu lassen; vielmehr wurden sie dadurch nur noch entschlossener, das Kaffeehaus aufzusuchen.
Die erste Woche ging in die zweite über und so weiter, der erste Monat in den nächsten, und immer noch versiegte die Flut an Kundschaft nicht. Es ging jedoch ein wenig geordneter zu, als die Menschen herauszufinden begannen, wann die beste Zeit für eine der jeweiligen geselligen Zusammenkünfte war, für die sie sich interessierten. Wilhelmina sah Muster entstehen und war fasziniert von den sich abzeichnenden Gesetzmäßigkeiten. Die Geschäftsleute zum Beispiel, von denen viele als Händler auf dem großen Platz tätig waren, trafen ein, sobald sich die Türen öffneten. Allerdings blieben sie nicht lange da - sie aßen und tranken, unterhielten sich rasch und eilten dann fort, um ihren Geschäften nachzugehen. Im Verlauf des Vormittags setzten sich die Adligen, Möchtegern-Adligen und sozialen Aufsteiger im Kaffeehaus fest; sie verweilten lange über ihren dampfenden Tassen, sodass alle die Kleider, die Begleitung, den Rang und die Manieren eines jeden bewundern konnten. Als Nächstes kamen die gewöhnlichen ehrenwerten und neugierigen Bürger; sie wollten zumeist nur tratschen und an der jüngsten Sensation der Stadt teilhaben. Die Angehörigen der nächsten Gruppe, die das Kaffeehaus kolonisierte, konnte Mina nur als Intellektuelle und Gebildete beschreiben: Es handelte sich um Professoren und Dozenten der Prager Karls-Universität, die zusammen mit einigen der Doktoranden und Studenten aus den höheren Semestern kamen. Mit Einbruch der Dämmerung mischten sie sich unter die Künstler - die Dichter, Maler und Musiker - sowie andere intelligente Zeitgenossen, die noch jung waren und deren Tag gerade erst begann. Als Letzte tauchten diejenigen auf, die Mina als Radikale einstufte: düstere und verstohlen blickende Männer, die sich versammelten, um ihrem Herzen Luft zu machen und sich über gefährliche Ideen auszulassen, welche sich in ihren fanatischen, streitbaren Seelen ausbreiteten.
An den Rändern dieser recht gut voneinander unterscheidbaren Gruppierungen gab es noch weitere Besucher, die kamen und gingen. Sie trieben quasi zwischen den verschiedenen Lagern und Schichten, gehörten jedoch nie voll und ganz einer dieser Gruppen an. Dazu zählten Angehörige bestimmter Berufe, beispielsweise Mediziner und Juristen, die mit jeder dieser unterschiedlichen Gruppierungen verkehren konnten. Es gab auch eine Vielzahl von unteren Hofbeamten, unter denen Wilhelmina einen seltsamen Zirkel ausmachte, den sie nicht so einfach einordnen konnte. Die Kleidung dieser Leute erinnerte vage an akademische Gewänder; alle trugen merkwürdige Hüte mit bizarren Formen und ungewöhnlichen Stoffen, lange Stolen sowie Roben, die mit Pelz verbrämt und mit Kapuzen versehen waren. Bei näherer Betrachtung offenbarte sich jedoch, dass ihre Gewänder ausnahmslos abgenutzt, die Pelze von Motten zerfressen, die Hüte verschmutzt und die Stolen voller Flecken waren. Diese Leute blieben hauptsächlich unter sich und verströmten einen Hauch von harmloser Geheimnistuerei. Stets kamen sie spät und saßen Kopf an Kopf zusammengedrängt über ihren Tassen. Sie sprachen leise und mit ernster Stimme; oft zogen sie Bücher und Pergamentstücke zurate, die sie mitbrachten. Und obgleich sie wie mittellose Exzentriker gekleidet waren, bezahlten sie mit guten neuen Silberstücken.
Fasziniert von ihrer geheimnisvollen Gegenwart, beschloss Mina, herauszufinden, wer diese Leute waren. Eines Abends, nachdem dieser Zirkel sich eingefunden und wieder aufgelöst hatte, näherte sie sich einem der Jüngeren aus diesem Kreis, der noch dageblieben war. Er saß allein am Tisch und hatte behutsam die Hände um seinen Kaffee gelegt.
»Möchtet Ihr noch eine weitere Tasse?«, fragte Mina und schwenkte ihre Zinnkanne. Sie liebte es, durch den Raum zu spazieren, sich mit Gästen zu treffen und ihre Tassen nachzufüllen. »Gratis«, fügte sie lächelnd hinzu.
»Aber gern«, sagte der Bursche. In seinem großen dunklen Gewand und dem Kragen aus Eichhörnchenpelz wirkte er ein wenig verloren. Sein Hut war zwei Nummern zu groß und saß wie ein schlaffes Rhabarberblatt auf seinem Kopf. »Besten Dank, gute Frau.«
»Eure Freunde mussten schon gehen«, merkte sie an und hob die Kanne. Als sie begann, Kaffee einzugießen, entdeckte sie, dass ihr Behältnis so gut wie leer war. Der letzte Rest der Flüssigkeit sprudelte hervor und fiel platschend in die Tasse, und mit ihm auch einiges vom Kaffeesatz - Mina hatte immer noch kein vollkommen zufriedenstellendes Filtersystem entwickelt. »Oh, ich bitte um Verzeihung«, entschuldigte sie sich. »Ihr habt den Rest aus der Kane bekommen. Trinkt das nicht - es ist zu bitter. Ich bringe Euch neuen Kaffee.«
»Das ist aber nicht nötig«, meinte der junge Mann, doch sie war bereits fort.
Als sie mit einer neuen Kanne zurückkehrte, sah sie, wie er in die trübe Brühe auf dem Boden seines Trinkgefäßes starrte. »Hier, ich habe Euch auch eine saubere Tasse gebracht«, erklärte Mina und griff nach der schmutzigen in der Hand des Mannes.
»Bitte«, sagte er und umklammerte weiterhin das Trinkgeschirr mit einer Hartnäckigkeit, die Mina verblüffte. »Dieses Sediment ... Diese bittere Erde ...« Er wies auf den von ein wenig Flüssigkeit bedeckten Schlamm am Tassenboden. »Wie nennt Ihr das?«
»Ähm ...« Wilhelmina dachte nach, wie das richtige Wort auf Deutsch hieß. »Das ist der Bodensatz«, meinte sie achselzuckend.
»Wenn ich so kühn sein darf zu fragen ... Was macht Ihr damit?«
»Womit?« Sie blickte ihn verwirrt an und setzte sich zu ihm an den Tisch. »Warum fragt Ihr?«
»Bitte glaubt mir, wenn ich Euch sage, dass ich weder eine Respektlosigkeit noch eine Bosheit in irgendeiner denkbaren Form im Schilde führe«, erwiderte er. »Tatsächlich verstehe ich nicht nur Eure instinktive Zurückhaltung, sondern lobe sie. Ihr wünscht, diese einzigartige und wundervolle - manche würden sogar sagen: exotische - Kreation zu schützen. Dies kann ich gut verstehen, wie nur irgendjemand es vermöchte ...«
Die wortgewandte, doch weitschweifige Ausdrucksweise des jungen Gelehrten brachte Mina zum Lächeln.
»Es ist nicht zu viel gesagt«, fuhr er fort, »dass ich die allergrößte Wertschätzung, ja sogar Ehrfurcht habe für Euer Gewerbe und Euren Geschäftssinn, solch eine Erfindung zu ihrer augenscheinlichen Reife zu bringen -«
»Das ist es nicht«, unterbrach ihn Mina. »Ich habe mich bloß gewundert, warum Ihr wohl meinen Kaffeesatz haben wollt.«
»Ah!«, entfuhr es dem jungen Mann. »Wenn Ihr wünscht, gute Frau, dann erlaubt mir, Euch aufzuklären. Nichts Geringeres als der Fortschritt der wissenschaftlichen Künste verpflichtet mich, zu fragen.«
»Ich verstehe«, erklärte Mina und unterdrückte ein Lachen.
Nichtsdestotrotz bemerkte der junge Mann ein fröhliches Tanzen in ihren Augen. »Ich erkenne nur allzu gut, dass Ihr nicht vollständig von meiner Wahrhaftigkeit überzeugt seid.« Er schnaubte ein wenig hochmütig. »Aber dennoch - wenn Ihr noch einen Augenblick länger Nachsicht mit mir haben werdet, glaube ich, dass es in meiner Macht liegt, Euren Unglauben zu bannen und jegliche Zweifel zu zerstreuen, die in Eurem Geiste immer noch fortbestehen mögen.«
»Tut es«, erklärte Mina, deren Faszination zunahm. »Fahrt unter allen Umständen fort.«
»Gute Frau«, hob er an und straffte sich, »Ihr sprecht mit einem Mitglied des Hofes Seiner Majestät, Kaiser Rudolf. Meine Name ist Gustavus Rosenkreuz, und ich bin der Hauptassistent des Ersten Oberalchemisten.« Er senkte den Kopf zu einer höfischen Verbeugung. »Zu Euren Diensten, gute Frau.«
»Die Männer, die heute Abend mit Euch waren - sind sie auch Alchemisten?«, wagte Mina zu fragen.
»Sie sind Mitglieder der Gruppe, die der gemeine Pöbel dieser Stadt in seiner vulgären Weise den ›Magischen Kreis‹ nennt«, antwortete er steif. »Doch nicht alle sind Alchemisten. Wir haben Astrologen, Ärzte, Wahrsager, Kabbalisten, Rutengänger und andere Wissenschaftler unter den Mitgliedern unserer angesehenen Bruderschaft.«
Wilhelmina nickte. »Ich würde mich nicht allzu sehr über den gemeinen Pöbel ärgern«, beschwichtigte sie ihn. »Ihr seid alle hier mehr als willkommen.«
»Im Namen aller gelehrten Mitglieder danke ich Euch.« Er ließ seine Tasse kreisen und verwirbelte den Bodensatz darin. »Und ich beeile mich, Euch zu versichern - auf welche Weise auch immer, die Ihr akzeptiert -, dass mein Interesse an dieser Substanz rein wissenschaftlicher Natur ist. Eine meiner Pflichten ist es, die Eigenschaften von verschiedenen Materialien zu bestimmen und ihren möglichen Nutzen für alchemistische Zwecke zu erforschen. Es ist eine Arbeit von großer Bedeutung für unsere Ziele.«
»Oh, wirklich? Ich nehme an, das würde es erklären.«
»Es ist mir in den Sinn gekommen, dass dieses Elixier - dieser Kaffee - ein sehr wirksames, mächtiges und ungewöhnliches Gebräu ist. Zweifellos stehen wir erst an der Schwelle der Entdeckung seiner vielfältigen Einsatzmöglichkeiten. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Stärke dieses Elixiers der primären Masse entstammen muss, mit der Ihr die Flüssigkeit herstellt.«
»Das ist wahr«, räumte Mina ein. »Ihr seid sehr scharfsinnig, mein Herr.«
»Wenn Ihr das einseht, stimmt Ihr meiner Grundprämisse zu«, erklärte Gustavus, der sie scharf beobachtete. »Daraus folgt, dass eine eingehende Untersuchung der Hauptessenz angebracht wäre. Würdet Ihr dem beipflichten?« Als Mina nickte, fuhr er fort: »Deshalb würde ich gerne eine gewisse Menge von dieser bitteren Erde erhalten, um damit Experimente durchzuführen.« In dem Moment fiel ihm etwas ein, von dem er sich vorstellte, dass es ein Hinderungsgrund sein könnte; und so fügte er schnell hinzu: »Ihr werdet natürlich gut entlohnt.«
»Ihr wollt meinen Kaffeesatz kaufen?«
»Wenn man den Wert einer solch seltenen Ware bedenkt, dann ist dies nur angemessen.« Der junge Alchemist, der ängstlich darauf bedacht war, sich ihrer Zustimmung zu versichern, brachte gleich ein weiteres Argument vor. »Eure Kooperation würde ein höchst wertvoller Beitrag für den Fortschritt der Wissenschaft und des menschlichen Wissens sein.«
»Da Ihr es in dieser Weise ausdrückt, sehe ich nicht, wie ich mich Eurem Anliegen verweigern kann«, sagte Mina. »Würden ein Pfund oder zwei für den Anfang genügen?«
Der junge Mann, der seine Freude nicht verbergen konnte, sprang von seinem Stuhl auf, riss sich den seltsamen Hut vom Kopf und verbeugte sich tief. »Gute Frau, ich erweise Euch meine Ehre. Wann würde es Euch passen, das Material zu sammeln?«
»Wartet hier nur einen Moment, und ich werde sofort ein Paket für Euch bereitstellen. Ihr könnt es gleich mit Euch nehmen, wenn Ihr fortgeht.«
Der Alchemist rieb sich vor Freude und Ungeduld die Hände. Dann setzte er sich wieder, um seinen Kaffee zu trinken, während Mina zur Küche ging, um gebrauchten Kaffeesatz zu holen. Als sie zurückkehrte, brachte sie ein Bündel von ordentlicher Größe.
»Nehmt dies als ein Geschenk vom Großen Kaffeehaus«, verkündete sie. »Setzt es ein - mit meinem Segen - für den Fortschritt der Wissenschaft.«
Der junge Mann starrte auf das Paket. »Eure Großzügigkeit überwältigt mich«, sagte er und schaute vom Bündel zu Wilhelmina, wobei er sich die Lippen leckte.
»Gern geschehen«, meinte sie und fügte leise hinzu: »Ich halte es für eine geringe Tat.«
»Das Geschenk wird Euch hoch angerechnet, dessen seid versichert«, beteuerte er. »Alle am Hofe werden von Eurer grenzenlosen Freigebigkeit hören.«
»Erzählt ihnen auch von Etzels ausgezeichneten Kuchen und Backwaren.«
»Das werde ich gewiss tun«, versprach Gustavus. Erneut senkte er den Kopf und nahm dann das Bündel in beide Hände. »Und nun wünsche ich Euch einen guten Abend.« Nach diesen Worten sauste er geradezu auf die Tür zu.
»Gute Nacht«, rief Mina ihm hinterher.
Kurze Zeit später, als die Fensterläden ein weiteres Mal am Ende des Tages geschlossen wurden, erzählte sie Etzel von der Begegnung mit dem jungen Alchemisten.
»Es ist gut gewesen, dass du ihm den Kaffeesatz gegeben hast«, sagte er. »Es hat nichts gekostet, ihn glücklich zu machen. Wir alle sollten so etwas häufiger machen, glaube ich.«
»Glücklich?«, entgegnete Mina. »Er war völlig begeistert. Du hättest sein Gesicht sehen sollen, als ich ihm das Bündel gegeben habe. Ich habe es nicht übers Herz bringen können, ihm zu erzählen, dass wir für gewöhnlich den Kaffeesatz wegwerfen.«
»Eine gute Tat erzeugt weitere gute Taten«, erklärte Engelbert. »Daraus wird Gutes entstehen.«
Und er sollte recht behalten. Am nächsten Tag bekam Wilhelmina kurz vor Geschäftsschluss eine Botschaft von dem jungen Alchemisten.
Das Schreiben wurde von einem livrierten Diener des Hofes abgegeben, der ihnen mitteilte: »Ich wurde angewiesen, auf eine Antwort zu warten.«
Wilhelmina nahm die Botschaft entgegen - ein kleines Quadrat aus Pergament, mit einem roten Band zusammengebunden und mit Wachs versiegelt.
»Ich frage mich, was das sein kann«, meinte sie, drehte das Viereck in ihren Händen und studierte sorgfältig das Siegel.
»Öffne es, und du wirst es herausfinden!«, drängte sie Engelbert, dessen Augen fröhlich strahlten.
Sie brach das Siegel auf, faltete das dicke Pergament auseinander und überflog den mit der Hand geschriebenen Text. »Ich kann die Schrift nicht entziffern«, sagte sie und reichte es Etzel. »Lies du es.«
Der große Mann ergriff das Pergament und hielt es sich nah vor das Gesicht. Dann begann er laut zu lesen, hielt jedoch bald inne, um auszurufen: »Es ist vom kaiserlichen Audienzmeister!« Er starrte auf das Pergament, und seine Augen wurden immer größer. »Hast du verstanden? Wir sind für den morgigen Tag zum Palast zitiert worden - zum Ersten Oberalchemisten des Kaisers, um seinen Dank zu empfangen. Uns wird eine Ehre gewährt.«
Mina drückte ihre Verwunderung über die Vorladung aus und fragte: »Was für eine Art von Ehre?«
Etzel las erneut das Blatt, diesmal sehr sorgfältig. »Das steht hier nicht.« Er blickte zum wartenden Boten, dann zu Mina. »Was sollen wir ihnen antworten?«
»Sag ihnen natürlich, dass wir erfreut sind, ihnen aufzuwarten«, erwiderte sie.
Etzel gab diese Antwort an den Boten weiter, der eine kleine Verbeugung ausführte und ihnen mitteilte, dass eine Kutsche sie abholen werde. Zudem sollten sie sich angemessen kleiden, denn sie könnten davon ausgehen, dass sie mit dem Gefolge des Kaisers dinieren würden.
»Das ist wegen deines Geschenks«, sagte Etzel, als der Bote gegangen war. »Du hast Freunde am Hofe gewonnen - hochgestellte Freunde.«
»Glaubst du das wirklich?«, fragte Mina, die sich geschmeichelt fühlte und zugleich auch beeindruckt war.
»Ungelogen«, erwiderte er ernst. »Was sonst kann diese Einladung bedeuten?«