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Irgendwie klarte Doris’ Verstand auf und sie fühlte die Höllenqualen, die sich durch ihren Körper zogen. Ihr Herz pochte, dann pochte es erneut. Ihr Verstand schwamm in die Dunkelheit hinein und hinaus, versuchte sich zu konzentrieren, versuchte sich zu erhalten. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt so viel Blut verloren und ein so großes Trauma erlitten, dass sie am Rande eines Schocks schwebte. Sie hörte mehr Schüsse, hörte Schreie, hörte eilige Schritte.
Und als sie mit ihren Augen wieder klar sehen konnte, war Louis verschwunden.
Sie mussten ihn erwischt haben.
Die Luft stank nach Blut, Rauch und entleerten Gedärmen. Sie sah zwei Männer und eine Frau, die in ihrer Mitte stand. Alle waren nackt, angemalt und mit etwas Dickflüssigem und Glänzendem wie Schmierfett bedeckt. Ihre Augen leuchteten mit einem geistlosen, animalischen Hunger. Das Licht reflektierte an den gefeilten Spitzen ihrer Zähne. Sie sahen wie Steinzeitjäger aus.
Als sie merkten, dass Doris tatsächlich noch am Leben war, schlichen sie lautlos vorwärts.
Oh lieber Gott im Himmel, nicht noch mehr, nicht noch mehr, lass mich einfach sterben.
Aber sie starb nicht. Nachdem sie die Träume, die sich in ihren Schädel drängten, fortblinzelte, fühlte sich ihr Körper an, als würde er brennen. Jeder Zentimeter ihres Fleisches war aufgedeckt, so schien es, alles in ihr drinnen zerrissen und ausgehöhlt. Sie versuchte das Blut hinunterzuschlucken, das ihren Mund füllte, aber ihre verletzte Zunge war wie ein Gummilappen. Sie hatte so große Schmerzen, dass sie buchstäblich über alle Schmerzen hinaus war … eine Ebene erreichte, zu einem Ort der schwebenden Leere, an dem sie ihren Schmerz spüren konnte, jedoch scheinbar nicht an ihn gebunden war. So fühlt sich also das magische, chemische Bad in Endorphinen an.
Ein Grunzen, ein Fauchen, ein übel riechender, animalischer Gestank.
Als Doris ihre Augen erneut aufschlug, hockten die drei Wilden bei ihr. Die Frau hielt ein Messer, ein verdammt großes Messer, und grinste. Sie stieß es in Doris’ Bauch, genau unter den Nabel, stemmte ihr Gewicht darauf, bis es tief und sicher hineinschnitt. Während die anderen hinunterstarrten, sägte die weibliche Bestie mit dem Messer bis hoch zu Doris’ Brustbein.
Sie sahen zufrieden aus.
Mit dreckigen Fingern zerrten sie das zerschnittene Fleisch auseinander.
Doris konnte sehen, was sie machten, den Druck und das Gezerre fühlen, jedoch nicht den Schmerz. Er war von ihr getrennt. Sie zerrten die Wunde weit auf, rissen am gelben Fett und an rosa Bindegewebsfäden herum. Sie konnte die funkelnde Beule ihres Magens sehen, die aufgewickelten Stränge ihrer Gedärme. Sie war sich nur dem Druck und dem Gezerre bewusst, während die grunzenden, sabbernden Kreaturen Sachen aus ihr herausrissen, in ihren Eingeweiden herumkramten, suchten, wühlten und forschten.
Sie fanden etwas.
Sie zeigten ihre Begeisterung, indem sie mit ihren Zähnen klapperten und leise stöhnten, was sich beinahe nach einem Orgasmus anhörte. Alle drei hatten jetzt die Hände in ihr drin, zerrten, ruckelten an etwas herum, schnitten es mit dem Messer an und beförderten es schließlich nach draußen und stießen gemeinsam ein lautstarkes Bellen aus. Doris sah es. Sah die gewaltige, fleischige Masse, die sie aus ihr herausrupften … eine schwere, braun-rosafarbene, dicke, bluttropfende Fleischscheibe, die nur ihre Leber sein konnte.
Sie hielten sie wie einen Preis hoch.
Knurrend und grunzend hielten sie sie an ihre Münder und bissen hinein.
Das war das Allerletzte, was Doris sah, bevor die Dunkelheit sie aufnahm.