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Sie sind im Dunkeln, Louis. Überall um dich herum. Schleimige grässliche Wesen, die Kinder fressen, die ihre Zähne an Knochen schärfen und ihre Höhlen mit Menschenhaut schmücken. Wach auf! Wach auf, du blöder Idiot, du bist in der Kannibalenküche, du bist in der Ogerhöhle, du bist in dem muffigen, verfault riechenden Keller der bösen Hexe und ihrer bösen Brut …
Louis öffnete die Augen und kämpfte gegen den Schlaf. Er hatte längst aufgegeben. Er war geschlagen, geschnitten, durch die Straßen gezogen, von einem Höhlenmädchen trocken gefickt und dann von ihrer Mutter vollgepisst worden. Für ihn schien es nicht mehr viel zu geben, für das es sich zu leben lohnte, weil die Welt sich in die eigene Hose geschissen hatte und er hier der Gefangene dieser verdammten Gestalten war.
Aber er öffnete seine Augen.
Etwas tropfte in sein Gesicht. Kühl, feucht. Es tropfte schon wieder. Er sah nach oben und da, von den Dachsparren herunter, hing die Leiche eines Mannes … ein Teil eines Mannes eigentlich. Seine Beine waren nirgends zu sehen. Er hing mit dem Kopf nach unten, angekettet und ausgeweidet, grauenhaft bleich. Und was in Louis’ Gesicht getropft war … war etwas, das aus einer seiner leer gefressenen Augenhöhlen sickerte.
Louis schreckte zurück und wandte sich ab, so gut er es mit gefesselten Knöcheln und Handgelenken vermochte.
Er schaute sich um.
Die Mutter – von der er jetzt vermutete, dass es Maddie Sinclair war, obwohl sie so stark degeneriert war, dass es zuerst schwer zu erkennen war – war nirgends in Sicht. Ihre Töchter, deren Namen Louis nicht mehr einfielen, waren auch nicht hier.
Die Luft roch widerlich, schwer, moschusartig: der rohe Viehgeruch der Frauen. Die Art von Geruch, den man mit der vollgeschissenen, blutüberströmten, mit Knochen übersäten Höhle eines Wolfsrudels in Verbindung bringen könnte.
Aus zehn Minuten, in denen er ruhig dalag, wurden 20 und er weigerte sich, sich irgendwelche Hoffnungen zu machen, dass sie ihn verlassen hatten. So viel Glück konnte er nicht haben. Er wartete. Er atmete. Er versuchte an etwas ganz anderes zu denken, versuchte so zu tun, als rieche er die Pisse der Frau auf ihm nicht.
Etwas biss in seinen Knöchel.
Er zuckte zusammen und ein Nagetier flitzte davon. Eine Ratte?
Es musste eine gewesen sein. Das Tier war zu groß, um etwas anderes zu sein. Louis schaute sich im Keller um. Wäre er ein Anthropologe gewesen, hätte er das urzeitliche Elend der Urmenschen würdigen können. Aber er würdigte es keinesfalls. Knochen und Tierhäute, menschliche Überreste, Leichen und Teile davon, die von den Dachsparren hingen. Ein Beutel – was ein menschlicher Magen gewesen sein musste, der mit etwas vollgestopft und zugenäht worden war – hing an einem Dreifuß über dem Feuer.
Widerwärtig, es gab dafür kein anderes Wort.
Mit den ganzen Kisten und Säcken und dem Gerümpel, das sich überall auftürmte, war Maddie Sinclairs Keller schon zuvor ein Saustall gewesen.
Das stelle man sich vor! Der Keller der hochnäsigen, versnobten, kleinen Miss Perfect Maddie Sinclair war ein Rattennest. Ach, die Geheimnisse, die wir vor unseren Nachbarn verstecken!
Er hörte ein Geräusch und fuhr zusammen. Er rechnete damit, dass sie zurückkamen, diese weiß angemalten Gespenster mit ihren Halsketten aus menschlichen Skalps und Fingern. Er rechnete damit, dass sie zu ihrer Beute zurückkehrten … und zu ihren Gefangenen. Und dieses Mal würde es vielleicht keinen simplen Trockenfick einer übereifrigen jugendlichen Wilden geben. Vielleicht würde es jetzt echt passieren.
Falls Macy wirklich tot und er der letzte zivilisierte Mensch in Greenlawn war, dachte er, dann wäre es besser, wenn er einfach hier und jetzt krepierte.
Aber so zu sterben, gehäutet und gevierteilt werden.
Seine Sinne arbeiteten in den letzten Stunden sehr wachsam. Also horchte er. Überdachte alles. Draußen in der Ferne konnte er Schreie des Entsetzens oder wahrscheinlich der puren, hemmungslosen Freude hören. Zirpende Grillen. Sonst nichts. Eine ruhige Nacht. Warm, angenehm.
Du siehst lieber zu, dass du hier wegkommst!
Du hast nicht mehr viel Zeit.
Er spürte die zahlreichen Schnittwunden und Prellungen an seinem Körper; jede einzelne schmerzte auf eine andere Art. Vor wenigen Tagen hätte dies Lebensunfähigkeit bedeutet, aber jetzt diente der Schmerz allein dazu, seinen Lebenswillen zu stärken. Er lebte noch. Er war ein Mann. Männer wie er würden gebraucht werden, um das hier wieder in Ordnung zu bringen – falls es jemals so weit kam.
Er musste leben.
Er krümmte sich auf dem Boden und er roch die Pisse und den Kot im Dreck, den Maddie und ihre Töchter im Sand vergruben. Herrgott!
Schritte.
Mist!
Die drei kamen die Treppe heruntergetappt – ja tappten, denn sie gingen nicht mehr aufrecht wie Frauen, nicht wie menschliche Wesen, sie schlurften wie Affen oder rannten wie jagende Wölfe – und drängten sich jetzt durch den Eingang.
Maddie kam näher und hockte sich einen Meter vor ihm hin. In ihrer Hand hielt sie einen Knochen, der der Größe und Form nach wie ein menschlicher Oberschenkelknochen aussah. Er war braun beschmiert und ein Ende war gespitzt geformt, um damit zustechen zu können. Sie sagte etwas, eine Reihe von gutturalen Belllauten, die er nicht zu entschlüsseln vermochte. Sie grunzte und starrte ihn an, während sie auf eine Reaktion wartete.
Als er nicht reagierte, hämmerte sie mit ihrem Knochen auf den Boden.
Er schüttelte seinen Kopf.
Sie hämmerte noch ungestümer mit dem Knochen.
So gefährlich die Situation auch war, erinnerte sie Louis an die Szene aus 2001: Odyssee im Weltraum. Er hätte über die Absurdität lachen können, wäre er in diesem Moment den Tränen nicht so nahe gewesen.
Es gab etwas, das er verstehen sollte. Sie hämmerte weiterhin mit dem Knochen herum und warf ihm ein breites Pavian-Grinsen zu.
Maddie Sinclair war eine attraktive Frau gewesen, bevor das hier mit ihr geschah. Ja, elitär und aufgeblasen, aber auch die Art Frau, die die Männer anstarrten und geil fanden. Sie war nicht dürr und gertenschlank wie irgendein Supermodel aus dem Fernsehen, sondern kleiner, mit wohlgeformten Hüften und Hintern, ziemlich großen Brüsten, langem bronzefarbenem Haar und großen, schwarzen Augen. Sexy. Das war das passende Wort. Sie hatte es und sie brachte es gut rüber und das war alles, was es dazu zu sagen gab.
Aber jetzt … gütiger Gott! Nackt und weiß angemalt, diese glänzende rote Kriegsbemalung in ihrem Gesicht und auf ihren Brüsten und Lenden, die Streifen aus getrocknetem Blut und Dreck, die sie sprenkelten. Ihre Haare hingen wie nasse Strohsträhnen in ihrem Gesicht, ihr Mund war zu einem verdrehten, bösartigen, anzüglichen Grinsen wie aus einem Gruselkabinett verzerrt. Und diese Augen – konnte man sie wirklich Augen nennen? –, boshafte Spalten, die in eine pestartige Schwärze stierten.
Sie drängte sich näher heran und klatschte das Gelenk des Knochens in ihre Handfläche.
So wie sie lächelte, lächelten keine menschlichen Wesen. Es war das schreckliche, eingeritzte Grinsen eines Krokodils. Ein Lächeln aus Zähnen und knochenzermahlendem Hunger. Sie rutschte auf Händen und Knien heran und ihr Gestank reichte aus, um bei Louis einen Brechreiz auszulösen. Ihr Atem roch stechend wie Rattengift.
Sie hatte ihn und es gab keinen Ausweg.
Trotz der kriechenden Bestie, die sie war, war der fiese, lüsterne Blick in ihren Augen unmissverständlich. Sie wollte keine Liebe machen, keineswegs. Sie wollte vögeln, ficken. Und selbst das war für ein Nagetier wie sie viel zu würdevoll. Sie wollte sich wie Wildschweine im Schlamm brunften, sich wie Wölfe im Gebüsch und wie Affen auf den Bäumen fortpflanzen. Paarungszeit. Sie war läufig und sie wollte, was er hatte.
Und wenn er ihr das nicht gab?
Die Antwort darauf kannte er. Diejenigen, die sich geweigert hatten, brodelten in den Töpfen oder hingen von den Dachsparren – gesalzen, gekocht, gebraten.
Maddies Mund war geöffnet und er konnte sehen, wie sich ihre Zunge inmitten des geschwärzten Fleisches da drinnen wie eine Made schlängelte. Sie kroch näher heran. Ihre Brüste schwenkten wie die Zitzen einer Kuh von links nach rechts. Louis konnte die Hitze spüren, die sie abgab. Sie war fiebernd, krank und ekelerregend. Nicht die Art von Hitze, die man dem menschlichen Körper zuordnete, sondern eher einem abkühlenden Motorblock.
Er versuchte sich von ihr wegzudrehen und das gefiel ihr nicht.
Sie hechtete auf ihn drauf, packte ihn wie einen Lausejungen an den Ohren und knallte seinen Kopf fünf-, sechsmal auf den Boden. So nahe war sie der absolute Horror … ihre glitschige Berührung, die begehrliche Rotation ihres Körpers, die Hitze, die aus ihren Poren strömte und schlimmer, oh Gott ja, ihr Gestank, der wie das verdreckte Stroh in einem Affenkäfig roch. Eine abnorme und ekelhafte Ausdünstung von Urin, Hautabschürfungen und affenartiger Dränage.
Nicht übergeben, Louis! Jesus Christus, wag es ja nicht!
Sie grinste ihn mit diesem obszönen, geifernden Blasloch eines Mundes an und er drehte fast durch. Manche Wesen sollten niemals lächeln, und sie war eines davon.
Sie fasste ihn überall an, fummelte an ihm herum, während er bei ihrer Berührung zusammenzuckte und sein Mageninhalt im Hals blubberte. Es gab kein Entkommen und das war das Schrecklichste und Erniedrigendste von allem. Sie begraptsche seine Eier und drückte seine Schenkel. Sie schlug auf seine Brust und packte seine Schultern, während sie ihr Becken an ihn klatschte, bis er fühlte, dass seine volle Blase gleich platzte. Sie presste ihr stinkendes Leichengesicht an seines, knabberte an seinem Hals und übersäte ihn mit sudeligen Küssen, leckte ihn ab und probierte ihn mit einer Zunge, die rau und sandig wie die einer Katze war. Und wenn sie sich zurückzog, hinterließ sie einen Spuckefaden, der nass gegen seine Wange klatschte.
Das Ganze war weniger ein Missbrauch oder eine angedeutete Vergewaltigung als das Gefühl ein Stück Fleisch zu sein: gewürzt und weich gekocht, bereit für den Schmortopf.
Oder vielleicht in diesem Fall für das Ehebett.
Sie kroch davon und er sah jetzt erst, wie dreckig ihr Arsch war. Sie drehte sich um, sah, wie er sie anschaute, grinste beinahe kindisch und spreizte ihre Beine. Sie steckte einen Daumen in sich hinein, schob ihn rein und raus und es stand außer Frage, was sie im Sinn hatte.
Louis pinkelte an seinem Bein hinunter.
Er hatte sich in seinem Leben noch nie so unrein gefühlt, verseucht durch ihre Berührung, ihren Geruch und durch seine eigene Hilflosigkeit.
Sie kroch zum Feuer hinüber.
In ihrer Hand hielt sie eine Schüssel.
Sie zerschnitt ein paar Nähte des Beutels mit der Füllung aus Eingeweiden und öffnete ihn. Der austretende Gestank roch nach Fleisch und Blut. Sie schöpfte etwas mit ihren Fingern heraus und brachte die Schüssel zu ihm hinüber. Sie wollte ihn füttern. Aus der Schüssel dampfte es, der Saft darin war ranzig und fettig, das Fleisch selbst wabbelig und farblos. Er konnte nicht sagen, was es war … ein Stück Lunge? Ein Streifen Herzfleisch? Eine Nierenscheibe?
Er wandte sich ab.
Sie öffnete ihren Mund mit einem Sägezahn-Grinsen und klappte ihren Kiefer laut zu. Für sie war alles so simpel: Fleisch war Fleisch. Es gab keine Hemmungen gegenüber Kannibalismus, gegenüber ihresgleichen aufzuessen. Sie kannte absolut keine kulturellen Tabus, weil sie auf ihrer psychologischen Evolutionsstufe noch nicht erfunden worden waren.
Sie hielt die Schüssel vor sein Gesicht und etwas von dem Saft schwappte über und rann an seinem Kinn hinab. Es roch wie frische Kotze.
Louis würgte.
Wieder hielt sie die Schüssel an seinen Mund, doch er schlug sie mit seinem Kopf aus ihren Händen. Die Schüssel fiel auf den Boden, mitten in den Dreck. Sie knurrte wütend, fischte schnell nach einem Stück Fleisch und presste es in sein Gesicht.
Nein!
Ich werde das nicht essen, du widerliche, verfluchte Fotze. Mir ist es egal, was du mir antust, aber ich werde kein menschliches Fleisch essen! Also … verpiss … dich … jetzt!
Sie sah den Trotz in seinen Augen und sprang ihn an, kratzte mit ihren Fingernägeln tiefe Furchen in sein Gesicht. Wenn er das angebotene Fleisch nicht wollte, dann musste er etwas anderes wollen. Sie packte seine Hose und kämpfte mit dem Reißverschluss, während er gegen sie ankämpfte. Es nützte nichts. Mit gefesselten Händen und Beinen war er so offensiv wie ein zappelnder Wurm. Sie riss die Hose runter und er konnte spüren, wie er zusammenschrumpfte. Sie ging mit ihrem Gesicht hinunter und beschnüffelte seinen Sack. Sie stieß mit ihren Fingern hinein, kniff schmerzvoll zu, aber sie machte sofort weiter, wie irgendein verwirrtes, freches Kind, das nicht verstand, warum sein Spielzeug nicht funktionierte.
Dann setzte sie sich rittlings auf ihn.
Sie rieb sich an ihn, während ihre Töchter mit atemloser Faszination zusahen. Sie drückte ihre Brüste in sein Gesicht und hinterließ helle Streifen auf seinen schmutzigen Wangen. Sie küsste ihn, leckte ihn ab, verschmolz ihren ranzigen Körper mit seinem. Und als sie ihre fressende Zunge in seinen Mund steckte, tat er das Einzige, was er tun konnte.
Er biss hinein, bis Blut floss.