Lebensstranganalyse:
Der rote Faden in der Berufsbiografie

Unser erster Protagonist, Thomas, kommt mit 37 Jahren in meine Coachingpraxis. Er weiß, dass viele Bekannte und auch Fremde ihn um seinen Beruf beneiden: Thomas ist ein bundesweit bekannter Schauspieler, der in Fernsehserien zu sehen ist und auch im Theater und einigen Filmproduktionen mitgewirkt hat. Er verdient als Synchronsprecher zusätzlich gutes Geld. Aber seit er Vater geworden ist, wird ihm immer deutlicher, dass sein Lebenskonzept des »Familienmenschen« sich nicht mit der zeitlichen Abwesenheit für Fernsehdrehs vereinbaren lässt. »Ich will etwas machen, das die Familie ernährt und mich interessiert. Schade, dass ich mit einem ›Traumberuf‹ nicht zufrieden sein kann, auch wenn das manche Leute vielleicht nicht verstehen. Aber was ist hier der nächste Schritt?«
Isabelle ist Produktmanagerin in einem weltweit tätigen Mischkonzern. Mit ihren 37 Jahren zählt sie zur mittleren Führungsebene mit Aussicht, den Sprung in die erste Führungsetage in der deutschen Tochtergesellschaft zu schaffen. Ihr berufliches Umfeld ist von Männern dominiert. Studiert hat sie Kommunikationsdesign, doch heute besteht ihre hauptsächliche Aufgabe darin, Produktmargen zu kalkulieren, Vertriebsstrategien zu entwickeln und auszurollen. Ihr beruflicher Schwerpunkt hat sich mit jedem Karriereschritt immer weiter weg von ihrer ursprünglichen Berufsausbildung entwickelt. Isabelle erfasst ein leises Unbehagen bei der Aussicht, dass sich dies in der nächsten Führungsebene noch weiter verstärken wird. »Dann bin ich nur noch mit allgemeinen Managementfragen beschäftigt. Will ich das?«
Unsere zweite Protagonistin, die Bilanzbuchhalterin Stefanie, hat in ihrem gesamten Berufsleben immer nur mit Zahlen gearbeitet. Ihr Herz aber schlug schon immer für Themen der Kommunikation und Personalentwicklung. Durch die unerwartete Chance, als interne Trainerin in einem Projekt zu arbeiten, ist sie »ganz aus dem Häuschen«. »Das ist es!«, sagt sie. Und hat doch Zweifel. Manche Personen aus ihrem Umfeld bestärken diese Zweifel noch. »Du kannst das doch so gut mit den Zahlen und hast ein Händchen fürs Team. Bleib dabei!«
Noch drastischer formulierte es Michael für sich, der mit 30 seine »erste Million« gemacht hatte. »Erfolgreich bin ich, aber wofür?«, äußert er mit Bedauern. »In mir wohnt eigentlich ein kleiner Idealist, der mal raus will.«
Menschen wie Thomas, Stefanie, Isabelle und Michael stellt sich an Wendepunkten die Frage nach den Entscheidungskriterien für den nächsten Schritt. Soll man dem vagen Bauchgefühl folgen? Oder den Zweifeln nachgeben? Wie ist man eigentlich vom Anfang seiner Berufsausbildung dort gelandet, wo man jetzt ist?
Solche Fragen sind die nach dem roten Faden auf dem Berufsweg. Durch die Arbeit mit dem Datenchart haben Sie bereits erfahren, dass man das Leben in unterschiedliche Bereiche gliedern kann, die sogenannten biografischen Stränge, die im Erleben eines jeden einzelnen Menschen zur individuellen »Lebenskordel« zusammengedreht sind.
Wenn wir genau hinschauen, erkennen wir mehr Details. Im biografischen Coaching können die einzelnen Teile dieser Lebenskordel auch separat betrachtet werden, um jeweils den roten Faden zu finden, der sich durch die einzelnen Stränge zieht. So kann ich mit der Nacherzählung des Berufsstrangs der Frage nachgehen: »Wie hat sich mein berufliches Leben über die Zeit entwickelt?« Man könnte auch das Zusammenwirken zweier Lebensstränge anschauen: »Wie haben bestimmte Ereignisse im privaten Bereich meine Arbeitsbiografie beeinflusst?«
Von den zentralen Fragen, die ich ganz zu Beginn des Buches erwähnt habe, sind wir jetzt bei »Woher komme ich?« angelangt. Wer bin ich über die Zeit geworden? Was befindet sich im Zentrum des Lebensfadens? Die Frage nach dem Sinn und den Zusammenhängen stellt sich Menschen ganz besonders an Wendepunkten des Lebens. Und vor einem solchen Wendepunkt stehen Sie, wenn Sie über einen beruflichen Wechsel nachdenken. Auch wenn Grundannahmen über sich selbst, das jeweilige Umfeld oder die Welt infrage gestellt werden, treten Aspekte wie Stimmigkeit und Kohärenz der eigenen Biografie deutlich in den Vordergrund unserer Wahrnehmung, zum Beispiel: Inwieweit hat sich mein Denken über Führung verändert, seit ich schlechte Führung durch einen Vorgesetzten oder Mentor erleben musste? Oder vielleicht kennen Sie jemanden oder haben sogar selbst schon die Erfahrung gemacht, dass eine unvorhergesehene gesundheitliche Beeinträchtigung Sie alles hat überdenken lassen: Wer bin ich heute, nachdem bei mir eine lebensverändernde oder gar lebensbedrohliche Krankheit diagnostiziert wurde?

Die Karriereanker

Das Aufspüren des »roten Fadens« ist häufig ein Anliegen im biografischen Karrierecoaching. Für den Schauspieler Thomas war dieser Punkt wichtig, da er vor einem Wechsel in ein neues Berufsfeld stand. Und auch für Stefanie, um den Mut für den Absprung zu finden.
Wenn Sie beispielsweise einen Stellenwechsel in Erwägung ziehen, kann es entscheidend sein, was Sie bei früheren Wechseln jeweils motiviert hat, eine Stelle anzunehmen oder zu verwerfen. Was hat Sie gereizt, was abgeschreckt? Sie werden nach dieser Übung verstehen, warum Sie bestimmte Entscheidungen bereut haben und ein zunächst verlockend scheinender Wechsel sich als Pleite herausstellte. Letztlich spielt hier eine ganze Reihe von Aspekten hinein, wie Werte, die sich erfüllen sollten, Kompetenzen, die Sie hoffen einsetzen zu können, sowie die Meinung Ihres Umfelds.
Die nächsten Kapitel sind der ausführlichen Auseinandersetzung mit Ihren Kompetenzen und Ihren Werten gewidmet, doch die folgende Übung bietet Ihnen bereits einen ersten Überblick über Ihre allgemeinen Muster in Karriereumbrüchen.
Die Methode der Karriereanker geht auf den amerikanischen Organisationspsychologen Edgar Schein zurück. Schein fand heraus, dass sich bei Menschen in beruflichen Entscheidungssituationen ganz spezifische Schwerpunkte und Präferenzen zeigen, vorausgesetzt, dass sie eine reale Wahl hatten und nicht lediglich unter reinem Gelddruck oder wegen des Angebots vor Ort zum nächstbesten Job gegriffen haben. Grundsätzlich werden Karriereentscheidungen beeinflusst von unseren Werten, Talenten und Kompetenzen, also von dem, was wir wollen und was wir können. Edgar Schein nennt diese Schwerpunkte »Karriereanker«, weil an ihnen unsere berufliche Identität verankert ist. Manche Menschen sind eben mit Leib und Seele Fachexperten, andere wollen eher mit Managementaufgaben ganze Einheiten führen, für wieder andere ist die Work-Life-Balance wichtiger – und all dies beeinflusst berufliche Entscheidungen.
Im Allgemeinen sind zwei bis maximal drei Karriereanker bei einer Person deutlich ausgeprägt, einer jedoch vordringlich. Die Inhalte dieses Karriereankers müssen in einer beruflichen Situation erfüllt sein, damit wir zufrieden und motiviert sind. Entscheidungen entgegen unserer Karriereanker führen generell zu großer Unzufriedenheit und Demotivation, egal wie verlockend die Begleitumstände aussehen mögen.
Damit Sie aus Ihrer Berufsbiografie Ihre dominanten Karriereanker herausfiltern können, gebe ich Ihnen zunächst einen Überblick darüber, was mit den einzelnen Ankern konkret gemeint ist. Vermutlich werden Sie bereits beim Lesen für sich ganz spontan entscheiden, welche dieser Anker für Sie und Ihre Berufsentscheidungen zutreffen und welche eher nicht. Im zweiten Schritt werden Sie anhand von Fragen sowie einem Auswertungsbogen eine noch präzisere Einschätzung treffen können. Diese Einschätzung kann Ihnen dabei helfen, frühere berufliche Entscheidungen besser zu beurteilen und zu verstehen, warum Sie mit mancher Wahl zufrieden, mit anderen Situationen jedoch ganz unzufrieden waren. Und natürlich können Sie für Ihren nächsten Schritt darauf achten, dass bei der ins Auge gefassten Stelle die Bedingungen für Ihre dominanten drei Karriereanker gegeben sind.
So stellen sich die Karrierreanker dar:7
  • Technische/Funktionale Kompetenz: Dabei handelt es sich um eine fachliche Kompetenz. Ihnen geht es darum, sie in Ihrem Bereich auszuüben beziehungsweise weiterzuentwickeln. Erst wenn Sie sich fachlich herausgefordert fühlen, sind Sie zufrieden. Mitarbeiter in Ihrem technischen oder funktionalen Bereich zu führen, schließen Sie nicht per se aus. Jedoch vorwiegend allgemeine Managementaufgaben zu übernehmen ist für Sie nicht erstrebenswert.
  • Befähigung zur Führungskraft als »General Manager«: Ihr Ziel ist es, für ein Gesamtergebnis verantwortlich zu sein. Das heißt, Sie streben eine Hierarchieebene an, wo Sie die Bemühungen von Mitarbeitern unterschiedlicher Abteilungen koordinieren und für einen Teilbereich des Unternehmens die Verantwortung übernehmen. Dessen Erfolg und Ihre Tätigkeit fallen für Sie zusammen, das heißt, Sie wollen nicht nur für einen speziellen Fach- oder Funktionsbereich die Führung übernehmen, und auch nicht hauptsächlich fachlich tätig sein. Sie wollen mehr.
  • Selbstständigkeit/Unabhängigkeit: Sie möchten Ihre Arbeit so verrichten, wie Sie es für angemessen halten, und daher eine Funktion ausfüllen, die Ihnen das ermöglicht. Konkret bedeutet das flexible Arbeitszeiten und die Freiheit, auf Ihre eigene Art und Weise vorzugehen. Sollte Ihnen dies nicht im gewünschten Rahmen möglich sein, so suchen Sie eine Beschäftigungsmöglichkeit beispielsweise in der Lehre oder übernehmen eine beratende Tätigkeit. Ihre Unabhängigkeit ist Ihnen wichtiger als der Aufstieg innerhalb des Unternehmens, sodass Sie gegebenenfalls auf Beförderungen verzichten oder ein eigenes Geschäft oder einen Betrieb eröffnen, um unabhängig entscheiden zu können und selbstständig zu bleiben.
  • Sicherheit/Beständigkeit: Ein fester Arbeitsplatz und die Aussicht, langfristig in einem Unternehmen beschäftigt zu sein, sind für Sie essenziell. Ohne das Gefühl, »es geschafft zu haben«, »einen festen Platz zu haben«, geht für Sie gar nichts. Sicherheit bezieht sich vor allem auf ein dauerhaft gewährleistetes finanzielles Auskommen, Beständigkeit drückt sich aus in Form von Loyalität gegenüber Ihrem Arbeitgeber, wenn Ihnen der dauerhafte Verbleib im Unternehmen fest zugesagt wurde. Dann sind Sie zu vielem bereit. Das Erreichen einer höheren Position oder der Inhalt dessen, was Sie machen, fällt für Sie weniger ins Gewicht. Sicherheit und Beständigkeit sind zentral, insbesondere wenn größere Anschaffungen anstehen oder der Ausstieg aus dem Erwerbsleben näher rückt.
  • Unternehmerische Kreativität: Sie machen sich mit einem eigenen Unternehmen selbstständig, wenn sich Ihnen die Gelegenheit bietet. Dabei vertrauen Sie Ihren eigenen Fähigkeiten, können sich vorstellen, Risiken einzugehen, mögliche Hindernisse zu überwinden und wollen Chancen nutzen. Ihr Umfeld soll sehen, dass Sie in der Lage sind, ein lukratives Unternehmen zu führen, um Ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.
  • Dienst oder Hingabe für eine Idee oder Sache: Sie möchten »die Welt verbessern«, und das, was Sie tun, soll »wertvoll« sein. Das heißt, Sie müssen die Möglichkeit haben, Leid zu verringern, Mitmenschlichkeit und das Miteinander zu fördern oder Umweltprobleme zu lösen. Dafür sind Sie sogar bereit, Aufstiegsangebote abzulehnen oder den Arbeitgeber zu wechseln.
  • Totale Herausforderung: Unmögliches möglich zu machen ist Ihr Antrieb – egal, ob es sich dabei um scheinbar unüberwindliche Hürden, überlegene Gegner oder vermeintlich unlösbare Probleme handelt. Sie müssen entweder intellektuell herausgefordert sein oder mit Mitarbeitern und Kollegen konkurrieren. Je komplexer, schwieriger und unbekannter die Aufgabe oder Situation, umso besser. Sobald Sie sich langweilen, steigen Sie aus.
  • Lebensstilintegration: Ausgewogenheit ist für Sie unerlässlich. So müssen Ihre eigenen sowie die Bedürfnisse Ihrer Familie mit den beruflichen Anforderungen in Einklang sein. Ihre Tätigkeit muss Ihnen dazu die Möglichkeit bieten, wobei Sie bereit sind, dafür Ihre berufliche Entwicklung zu vernachlässigen. Erfolg im Job ist für Sie nicht alles, Ihnen geht es ums Ganze, Ihre gesamte Lebenssituation, was etwa Ihre familiäre Situation oder die Wahl des Wohnorts einschließt.
Übung 5: Finden Sie die Karriereanker in Ihrer Berufsbiografie heraus
In der folgenden Übung zu Karriereankern wird es nun konkreter.
Was Sie brauchen:
  • Ihr KAIROS-Datenchart – mit Blick auf den Berufsstrang
  • Ein Auswertungsblatt, DIN-A4 (kopieren Sie die Vorlage im Anhang oder erstellen Sie selbst eine)
Auf dem Auswertungsblatt sind die Karriereanker, die ich Ihnen gerade vorgestellt habe, untereinander geschrieben. Rechts neben dieser Auflistung bieten mehrere Spalten – je eine für den Berufseinstieg und jeden Stellenwechsel – Platz zum Eintragen einer Punktzahl; eine weitere Spalte ist für die Endsumme dieser Werte vorgesehen. Überschlagen Sie anhand Ihres KAIROS-Datencharts, wie viele Berufswechsel (inklusive des Einstiegs) Sie benötigen werden.
Beantworten Sie nun für Ihren Berufseinstieg und für jeden Berufswechsel die folgenden Fragen. Für jede Station vergeben Sie Punktzahlen: drei Punkte für den am deutlichsten eingesetzten Karriereanker (nutzen Sie die Definitionen zur Orientierung), zwei Punkte für den zweiten, einen Punkt für den dritten. Die übrigen Anker lassen Sie bei dieser Station unberücksichtigt. Führen Sie dies für jede berufliche Station durch. Jedes Mal bewerten Sie neu, welche Top-3-Karriereanker Sie genutzt haben. Am Ende vergeben Sie Bonuspunkte: drei Punkte, für den Anker, der Ihnen am wichtigsten erscheint, zwei Punkte für den zweitwichtigsten, einen Punkt für den drittwichtigsten. So können Sie noch einmal das Gesamtergebnis korrigieren. Orientieren Sie sich an der Realität, nicht an Ihrem Wunschdenken. Wenn »Sicherheit« bisher ein dominanter Anker bei beruflichen Entscheidungen war, vergeben Sie entsprechende Punkte. Denken Sie nicht: »Wie langweilig, gern wäre ich anders …« Bilden Sie am Ende die Gesamtsumme; nun haben Sie Ihren ersten, zweiten und dritten Karriereanker herausgefunden.
Folgende Fragen stellen Sie sich für jede berufliche Station, um Ihre Karriereanker zu bestimmen:
  • Was hat mich dazu veranlasst, meine erste Ausbildung/mein Studium zu wählen? Gab es einen Anlass, was hat mich gereizt? Hatte ich Vorbilder?
  • Wie habe ich mich danach in dem Job entwickelt? Welche Aspekte der Arbeit haben mir gefallen, welche nicht?
  • Was hat mich dazu veranlasst, den Arbeitgeber oder den Beruf zu wechseln? Gab es einen Anlass, was hat mich gereizt am neuen oder abgeschreckt im alten Job?
  • Was hat der Wechsel mit sich gebracht? Habe ich etwas Bestimmtes gelernt?
  • Was habe ich mir von dem Wechsel erhofft?
  • Was hätte es bedeutet, den alten Job zu behalten?
  • Wie habe ich mich danach in dem Job entwickelt? Welche Aspekte der Arbeit haben mir gefallen, welche nicht?
Wiederholen Sie die Fragen für jede Station des Berufswechsels und vergeben Ihre Punkte. Als Ausblick auf den geplanten Wechsel können Sie auch noch die folgenden Fragen für sich selbst beantworten:
  • Was erhoffe ich mir von dem bevorstehenden Wechsel?
  • Werden meine wichtigsten Karriereanker hier berücksichtigt?
  • Was würde es bedeuten, den alten Job zu behalten?
Um Ihnen die praktische Bedeutung dieser Übung zu zeigen, schildere ich Ihnen am Ende dieses Kapitels, wie ich sie im Coaching mit den drei Protagonisten für deren berufliche Orientierung genutzt habe, außerdem, welche weiteren Schritte sich daraus ergeben haben. Lassen Sie sich von den Beispielen anregen, was nun Ihre nächsten Schritte sein könnten.

Fallbeispiele: Karriereanker als roter Faden in der Berufsbiografie

Für Christina waren die Karriereanker klar ausgeprägt.
  • Karriereanker 1: Selbstständigkeit/Unabhängigkeit
  • Karriereanker 2: General Management
  • Karriereanker 3: Unternehmerische Kreativität
Da Christina ein Verbleib in ihrer bisherigen Position fast unmöglich erschien, war Selbstständigkeit von Beginn an ein Thema im Coaching gewesen. Oder sollte sie doch nach einer neuen Anstellung Ausschau halten?
Der Blick auf Ihre favorisierten Karriereanker gab eindeutig grünes Licht für Ihre Pläne, in die Selbstständigkeit zu wechseln. Wobei der Karriereanker »Selbstständigkeit/Unabhängigkeit« nicht unbedingt die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit bedeuten muss. Bei vielen angestellten Sales-Vertretern oder Beratern beispielsweise lässt sich dieser Karriereanker trotzdem feststellen, da sie ihre Arbeitsbedingungen sehr unabhängig gestalten können. Das war bisher auch in Christinas Arbeitsverhältnissen immer der Fall gewesen. Hingegen konnten einige gute Ideen von ihr nicht umgesetzt werden: »Ich bin eigentlich so eine Ideenfabrik«, so die Sozialmanagerin. Darin kommen ihre beiden zweitstärksten Anker, nämlich Unternehmerische Kreativität und General Management zum Ausdruck. In Christinas Karrierecoaching ging nach der Übung mit den Karriereankern alles in Richtung einer Planung der Selbstständigkeit. Dafür brachte dann die spätere Wertearbeit zusätzliche wertvolle Informationen.
Stefanies Karriereanker boten ein völlig anderes Bild:
  • Karriereanker 1: Sicherheit/Beständigkeit
  • Karriereanker 2: Lebensstilintegration
  • Karriereanker 3: Technische/Funktionale (fachliche) Kompetenz
In Stefanies Karriereanker-Interview fiel uns gemeinsam sofort eines auf: Sie hatte sich in ihrem bisherigen beruflichen Leben eigentlich nie »für« etwas, sondern immer »gegen« eine Situation entschieden. Die vordringlichste Motivation hatte immer darin bestanden, eigenes Geld zu verdienen, von zu Hause und auch von Partnern unabhängig zu sein. Es war Stefanie nicht angenehm zu sehen, dass Sicherheit bisher ein Hauptkriterium Ihrer Berufswahl gewesen war. Der zweite Anker Lebensstilintegration folgte daraus, dass sie sich inhaltlich in ihrem Beruf nie richtig ausgefüllt gefühlt hatte. »Dann wollte ich wenigstens etwas privat erleben«, zum Beispiel durch Reisen mit ihren Freundinnen. Heute weiß Stefanie, dass sie eine große fachliche Neugier hat – auf die Themen Kommunikation und die Arbeit mit Teams als Trainerin. Es war in Stefanies Entscheidungen für eine Position schon immer mitgeschwungen, »ob ich da auch etwas mit Menschen zu tun haben würde«. Nun wollte Stefanie eine Entscheidung für diesen fachlichen Karriereanker treffen, denn »Zahlen sind nun wirklich nicht meine Leidenschaft«. Noch einen wichtigen Hinweis ergab die Arbeit mit den Karriereankern: Sicherheit ist und bleibt ein wichtiges Bedürfnis. Dies wiederholte sich dann auch in ihrer Wertearbeit. Den Angestelltenstatus möchte Stefanie nicht aufgeben. Wir waren also über die Richtung, in die ihr Berufswechsel gehen sollte, in zwei Aspekten klar: fachlich im Bereich der Kommunikation und Training, und das in angestellter Tätigkeit.
Damit war Stefanie eine klassische Anwärterin auf einen Quereinstieg in einen neuen Beruf. Für ihren weiteren Weg durch das Coaching stand fest, dass wir auf jeden Fall mit einer systematischen Kompetenzanalyse weitermachen würden. Denn Stefanie brauchte bei einem neuen Arbeitgeber vor allem gute Argumente, warum sie als Quereinsteigerin für den Job geeignet sein könnte. Und zwar nicht nur durch die einmalige gute Referenz als Co-Trainerin, sondern durch eine Kompetenzbasis, die sich durch ihre Biografie belegen ließ. Auch die Analyse ihrer Charakterstärken stellte im weiteren Verlauf des Coachings einen wichtigen Baustein dar. Charakterstärken machen uns als Person aus. Sie sind der Treibstoff, auf den wir in Zeiten der Veränderung besonders zurückgreifen können.
Thomas Karriereanker ließen ihn auflachen. »Ja, das bin ich: eigentlich eine faule Socke, aber mit einem Schuss Mutter Teresa.«
  • Karriereanker 1: Technische/Funktionale (fachliche) Kompetenz
  • Karriereanker 2: Lebensstilintegration
  • Karriereanker 3: Dienst oder Hingabe für eine Idee oder Sache
Thomas’ erste Berufswahl war ganz klar fachlicher Natur gewesen. Sein Interesse für das Schauspielen bestand darin, Figuren wahrhaftig zum Ausdruck zu bringen; ein Thema, das sich sowohl in seinen Werten als auch als sein ganz individuelles Lebensthema bestätigte. »Aber ich wollte mich auch nie totmachen«, kommentiert er seinen zweiten Karriereanker »Lebensstilintegration«. »Ich hätte die große Karriere vielleicht machen können, aber das war nie mein Ding. Da hätte ich mich eingeengt gefühlt. Dann habe ich doch eher Rollen gewählt, die zwar interessant waren, die mir aber Zeit für Freunde und dann meine Familie ließen.« Und schließlich gibt es noch die Neigung zu »Dienst oder Hingabe« als Karriereanker und Motivation, etwas anzufangen. Für Thomas hatte der Schauspielberuf immer auch etwas mit dem Dienst für Menschen zu tun, mit dem Ausdruck von Wahrheit und Freiheit: »Ich bin kein Glamour-Schauspieler. Tatsächlich wäre für mich die einzige Alternative gewesen, Arzt zu werden. Aber heute würde ich das mit Blick auf die Familie nicht mehr machen wollen«, räumt Thomas ein. Nach seiner Karriereanker-Auswertung bekamen wir eher eine Bestätigung, dass Thomas bisher immer gut gewählt hatte, gut für sich sorgte. Eine zwingende Richtung für den nächsten Schritt bot das Ergebnis noch nicht, eher Ausschlusskriterien. Im folgenden Coaching wollte er für sich klären, was es eigentlich mit seinem nachlassenden Interesse an der Schauspielerei auf sich hatte. Mehr Klarheit dazu fanden wir für Thomas in der Wertearbeit und der Analyse seiner Lebensthemen.