Den eigenen
Rhythmus erkennen:
Von günstigen und anderen Momenten
Das ist doch eigentlich seltsam: Als die
Trainerin ihr sagte: »Komm doch vorbei, sprich einmal mit meiner
Chefin über eine Stelle«, zögerte Stefanie – das geht so schnell!
Ist diese Reaktion ernst zu nehmen oder einfach nur unbegründete
Angst?
Ein ähnliches Zögern fühlte Tanja, eine
Vertriebsmanagerin, mit der ich im Coaching zum Thema Führung
gearbeitet hatte. Ihr bot sich plötzlich zwei Jahre früher als
ursprünglich vorgesehen eine Aufstiegsmöglichkeit zur nächsten
Führungsebene. Vom Kopf her sprach vieles dafür, diese Stelle
anzunehmen: Doch etwas in Tanja schien dagegen zu sprechen, auf das
frühzeitige Angebot einzugehen, ihr Bauchgefühl sagte:
»Nein.«
Kairos heißt, das Richtige zum richtigen
Zeitpunkt zu tun. Natürlich steht es jedem frei, sich gegen seinen
Lebensrhythmus zu entscheiden und berufliche Veränderungen auch
gegen das eigene Bauchgefühl anzugehen. Manchmal mutet einem das
Leben auch einfach Veränderungen zu, auf die wir nicht immer
Einfluss haben. Leichter wird das Leben allerdings, wenn wir in
unseren eigenen Fluss kommen. Genau das meint es, dem
KAIROS-Prinzip zu folgen.
Das KAIROS-Prinzip zu kennen, hilft auch, mit
vermeintlichen Verzögerungen ins Reine zu kommen. So saß ich einmal
am Ende eines mehrstündigen Coachingprozesses mit einer Klientin
vor ihren Ergebnissen und wir waren beide ein wenig unzufrieden mit
dem Stand der Umsetzung von nächsten Schritten. Wir hatten viel
herausgefunden, was für die Klientin zentral wichtig war. Sie
wusste, welches Berufsprofil und welche Arbeitsform »eigentlich«
richtig für sie waren. Aber so recht ins Handeln kam sie nicht.
»Ich fühle mich so ›dazwischen‹«, meinte sie. »Ich bin mir sicher,
dass ich etwas verändern werde, aber irgendwie gerade jetzt nicht.
Und das macht mich auch etwas ungeduldig.« Ich schlug ihr vor, dass
wir noch einmal einen Blick auf ihre Lebensrhythmen werfen könnten.
Vorher waren andere Auswertungsschritte in ihrem KAIROS-Coaching
wichtiger gewesen, doch nun war der Moment gekommen, in dem die
Rhythmusanalyse vielleicht eine Einsicht bringen konnte, die bisher
fehlte. Der Methode folgend (die Sie gleich noch durchgehen werden)
untersuchte die Klientin jedes ihrer sieben Zyklusjahre über ihre
gesamte Biografie nach den Gemeinsamkeiten, die ein Zyklusjahr
aufwies, das erste, das zweite und so fort. Für jedes Jahr fand sie
passende Namen. Wir schauten in ihr aktuelles Zyklusjahr, es war
das zweite des Siebenerzyklus. Und dann hatten wir es schwarz auf
weiß: Als typisch für dieses zweite Zyklusjahr über alle
Lebensphasen hinweg identifizierte meine Klientin den Begriff
»Dazwischen«. »Das ist ja schon ein wenig unheimlich«, meinte sie.
»Ist das bei anderen Ihrer Klientinnen auch so, dass das Leben in
solchen Rhythmen verläuft?«
Tatsächlich erlebe ich häufig, dass sich
Lebenszyklen wiederholen. Das Leben, wenn man es denn fließen
lässt, scheint sich in spezifischen, individuellen Rhythmen
einzupendeln. Auf Jahre des Aufbruchs folgen Jahre der Ruhe. In
manchen Zyklusjahren stehen berufliche Veränderungen im
Vordergrund, in anderen sind es eher private Wachstumsphasen.
Ich habe vor vielen Jahren meine eigenen
Lebensrhythmen selbst analysiert, als ich mit einem inzwischen
vergriffenen Biografiebuch gearbeitet habe.25 Ich war davon
fasziniert, zu erleben, wie sich aus der Vielzahl meiner
biografischen Fakten ein Muster, ein Rhythmus
herauskristallisierte. Daraus ergab sich ein Gefühl von Ordnung und
von Eingebundensein. Brüche in diesem Rhythmus erklärten recht
genau mein Unbehagen in früheren Situationen – manche Ereignisse
kommen eben zur »Unzeit«. Unser Leben mit anderen Menschen,
Organisationen und der Gesellschaft entspricht eher dem, was man in
der Musik Polyrhythmik nennt. Ein Polyrhythmus ist »eine Schichtung
von Rhythmen von gleicher Gesamtdauer; er erlaubt die Darstellung
komplexer musikalischer Zeitstrukturen im allgemeineren Sinn des
Rhythmus«26. Eine solche
komplexe »Schichtung« stellt wohl auch unser Leben dar. Wenn Sie
eine Entscheidung wie Ihren beruflichen Wechsel jedoch selbst
beeinflussen können, dann ermuntere ich Sie, dass Sie Ihrem eigenen
KAIROS-Rhythmus folgen. Dabei beinhaltet das KAIROS-Prinzip immer
auch den Bezug zu den übergreifenden Zeitrhythmen. Einen
individuellen, vom restlichen Leben abgetrennten Kairos-Moment gibt
es nicht. Das KAIROS-Prinzip meint vielmehr, dass wir uns in einem
intuitiven Einklang mit dem befinden, was gerade geschehen soll,
was am einfachsten fließt. Und diesen Moment gilt es, intuitiv zu
erfassen.
»Ich bin irgendwie aus dem Takt gekommen«,
sagen wir, wenn es nicht rund läuft in unserem Leben. Wir haben
unseren Lebensrhythmus verloren. Es ist interessant, sich die
Bedeutung dieser Begriffe einmal näher anzuschauen. Ein Takt ist
eine Maßeinheit für Rhythmus. Rhythmus wiederum ist definiert als
Abfolge von Einheiten unterschiedlicher Länge, und dazu gehören
auch die Pausen. In unseren Lebensrhythmen können wir
unterschiedliche Zeiteinheiten betrachten, die unser Leben
gliedern. Der Tagesrhythmus, der durch den Lauf der Sonne mit 24
Stunden beschrieben ist. Der Wochenrhythmus, der unsere Arbeitszeit
– einstmals – gegliedert hat. Monatsrhythmen, die den Mondphasen
unterliegen sowie Vierteljahresrhythmen, die durch die veränderten
Jahreszeiten gekennzeichnet sind. Schließlich wird der
Lebensrhythmus einmal rund, wenn ein Jahr um ist. Diesen besonderen
Tag feiern wir im Jahresrhythmus als Silvester, als Jahresrhythmus
unseres Lebens als Geburtstag. Siebenjahreszyklen wiederum oder
auch 14 Jahre, wie in griechischen Biografiesystemen gezählt wird,
markieren größere Entwicklungseinheiten, die wir auch Lebensphasen
nennen.
Viele Phänomene, die wir heute als »Burnout«
bezeichnen, basieren auch nach Meinung der Forschung auf einfachen
Rhythmusbrüchen in unseren Leben, die tiefgreifende Spuren
hinterlassen. Oft haben wir kein rhythmisiertes, gegliedertes Leben
mehr, in dem Pausen Orientierung geben und dem Organismus Zeit für
Regeneration bieten. Viel zu häufig leben wir gehetzt und sind im
wahrsten Sinne des Wortes pausenlos im Einsatz. Klosteraufenthalte
sind nach meiner Erfahrung auch deshalb so wohltuend, weil dort
alles einem natürlichen und sehr regelmäßigen Rhythmus folgt. Hier
kommen wir wieder »in sync«, wie es im Englischen heißt, werden
synchronisiert mit uns und unserem Leben. Genauso können Sie auch
in den Rhythmus Ihres Lebens für berufliche und private
Lebensentscheidungen zurückfinden.
Diesen Rhythmus herauszufinden, darum geht
es im letzten Schritt Ihrer Datenchart-Analyse. Damit das Vorgehen
für Sie anschaulich wird, füge ich hier noch einmal die Grafik
Die 7 Elemente der KBC-Methode ein. Die Rhythmusanalyse ist
das siebte Element der KAIROS-Auswertung. Für jedes Datenblatt im
Datenchart ist die Siebenergliederung als ordnendes Prinzip
zunächst vorgegeben. Die Erfahrung zeigt, dass diese Einteilung
psychologisch betrachtet und in grafischer Hinsicht die optimale
Übersicht bietet. Um das Muster, Ihr Muster, innerhalb
dieser Siebenerphasen zu finden, betrachten Sie bei der
Rhythmusanalyse jeweils die Spalten eines jeden Datenblattes – die
Zyklusjahre – über alle Lebensphasen. Dann geben Sie diesen
Zyklusjahren Namen.
Das Verfahren der KAIROS-Rhythmusanalyse ist
sehr einfach, aber es erfordert ein wenig Intuition, Überblick und
die Fähigkeit, dem, was man sieht, einen passenden Namen zu
verleihen. Ein bisschen ist es mit der KAIROS-Rhythmusanalyse so,
wie man es von der Weisheit sagt: leicht zu erkennen, aber schwer
zu erreichen.
Auch ist es so, dass sich nicht in allen
KAIROS-Datencharts ein vollkommen eindeutiger Rhythmus finden
lässt, der über alle Lebensphasen durchgängig ausgeprägt ist.
Jedoch stößt man in der Regel auf bestimmte Trends. Und häufig ist
es frappierend, dass sich doch ein deutlicher innerer Rhythmus im
Leben vieler meiner Klienten finden lässt. Und noch einmal: Es ist
Ihr ganz persönlicher Rhythmus!
In den folgenden Übungen geht es darum, die
Rhythmik von Ereignissen zu erarbeiten, die sich in Ihrem Leben
zugetragen haben. Nach einer kurzen Einführung in die Technik werde
ich Ihnen anhand der Rhythmusanalyse unserer Protagonisten die
Namensgebung erläutern.
Übung 23: Die
KAIROS-Rhythmusanalyse
Für die Rhythmusanalyse müssen Sie die
Aufhängung Ihres Datencharts verändern. Statt nebeneinander hängen
Sie die Blätter jeder Lebensphase nun bitte untereinander. Und zwar
so, dass die Spalten möglichst präzise aneinander anschließen, also
Spalte eins unter eins, Spalte zwei unter zwei und so fort. Wenn
eine Reihe auf der Pinnwand oder Zimmerwand ausgeschöpft ist,
machen Sie eine weitere Reihe daneben auf.
Durch die Art der Aufhängung können Sie
nun all das, was sich in einem Zyklusjahr zugetragen hat,
miteinander vergleichen. Was hat sich beispielsweise im ersten
Zyklusjahr jeder Lebensphase ereignet, im zweiten, dritten, … ?
Jedes Zyklusjahr betrachten Sie also über alle Lebensphasen hinweg:
die Ereignisse des ersten Zyklusjahrs für die Lebensphase 1 bis 7
Jahre, 8 bis 14, dann auf dem Blatt mit der Lebensphase 15 bis 21
und so weiter – immer nur das erste Zyklusjahr, also die Spalte mit
der Zahl 1 im Zyklusjahr, wie im Datenchart angegeben.
Versuchen Sie nun nacheinander für
jedes einzelne Zyklusjahr dessen ganz spezifische Natur zu
erfassen. Dabei hat es sich bewährt, zunächst die Lebensphasen ab
15 oder 21 Jahren bis heute zu betrachten und dann nochmals in
Kindheit und Jugend zurückzugehen, um das Typische zu überprüfen.
Da wir in unseren ersten 14 Lebensjahren weitgehend von unseren
Eltern gesteuert sind, bildet sich unser eigener Rhythmus am
deutlichsten ab dem Zeitpunkt aus, ab dem wir unser Leben selbst
gestaltet haben. Allerdings zeigt sich auch immer wieder, dass der
Rhythmus von Kindheit und Jugend manchmal bereits einen Grundstein
für die späteren Rhythmen gelegt hat.
Aus meiner Erfahrung gibt es typische
Färbungen von Zyklusjahren: solche des Aufbruchs, des Ankommens,
der Ruhe, des Verabschiedens und so weiter. Um diese spezifische
Färbung abzubilden, hat es sich bewährt, jedem Jahr einen »Namen«
zu geben.27
Folgende Fragen können Ihnen bei
Herausarbeitung der Namen von Zyklusjahren helfen:
-
Welche Art von Ereignissen häuft sich in diesem Jahr?
-
Häufen sich Ereignisse in einem Lebensstrang in diesem Jahr (zum Beispiel vieles im Berufsleben oder im privaten und gesundheitlichen Bereich)?
-
Gibt es ein erkennbares Thema dieses Zyklusjahres?
Die Benennung der Zyklusjahre kann
sich an Metaphern anlehnen (Jahreszeiten, Pflanzen oder Ähnlichem)
oder ganz frei gewählt werden. Auf diese Weise verfahren Sie mit
jedem Zyklusjahr und tragen seinen Namen in das dafür vorgesehene
Feld in den Kopfzeilen Ihres Datencharts ein.
In der folgenden Liste finden Sie eine
Anregung von Synonymen für solche Zyklusjahre. Dabei sehen Sie
Begriffe aus den Datencharts unserer Protagonisten und anderer
Charts aus meiner Coachingpraxis:
-
Jumpstart, Aufbrechende Unruhe, Fulminanter Start, Neugeburt
-
Suchbewegung, Orientierung, Unruhe
-
Zeit des Dranbleibens, Zeit des Abwartens, Dazwischen-Zeit
-
Fahrt aufnehmen, Flitterwochen, Begeisterung, Dolce Vita
-
Vorläufiger Gipfelsturm, Ende der Flitterwochen, Zwischenbilanz
-
Wieder-Anfänge, Ja-Sagen, Bestätigung, Quittungen
-
Ernte, Bestätigung, Erfolge feiern, Großreinemachen
Die Namensgebung kann bei der
Beantwortung von Fragen helfen wie: Was ist in meinem Leben als
Nächstes dran? Wie ist die Rhythmik meines Lebens? Wie wird sich
eine Entscheidung in diesem Zyklusjahr anfühlen? Welche Färbung
wird diese Entscheidung bekommen?
Bei der Interpretation der Zyklusjahre
kann auch Ihr Geburtsmonat eine Rolle spielen, und zwar insofern,
dass in den kalendarischen Jahren jeweils zwei Zyklusthemen
nacheinander zum Tragen kommen. Biologisch gesehen startet ihr
Zyklusjahr mit Ihrem Geburtstag. Wenn Sie, wie ich zum Beispiel,
Ende Februar geboren sind, dann läuft das vorige Zyklusjahr-Thema
im Allgemeinen noch bis Ende Februar des neuen
Kalender-/Zyklusjahres weiter. Der Einfachheit halber halten Sie
sich aber bei der Namensgebung an die Kalenderjahre. Beobachten Sie
doch einfach einmal selbst, wie Zyklusjahre hinsichtlich ihrer
Stimmung noch bis zum tatsächlichen Geburtstag weitergehen.
Ausnahmen von der Regel: Rhythmusbrüche und
-verschiebungen
In manchen Fällen können Klienten einen
Rhythmus in ihren Datencharts nicht durchgängig erkennen. Es ist in
dem Fall möglich, dass der individuelle Rhythmus, in dem Zyklen
sich wiederholen, vom Siebenerschema abweicht (zum Beispiel dass
ein Zyklus alle fünf Jahre statt alle sieben Jahre wieder von vorn
beginnt). Im KAIROS-Biografie-Coaching gebe ich der individuell
erkennbaren Rhythmik meiner Klienten den Vorrang vor dem
Siebenerschema, das lediglich einen Anhaltspunkt für Lebensphasen
bietet. Wenn sich in einem Zyklusjahr ein Muster erkennen lässt und
dieses dann abbricht, schauen wir, in welchem Jahr eine
Wiederholung dieses Themas eintritt. Sofern Sie Ihr Datenblatt in
einer Datei angelegt haben, könnten Sie die Umbrüche in den Spalten
der Seiten demgemäß auch so verändern, wie es Ihrem Rhythmus
entspricht. In diesem Fall wären dann gegebenenfalls acht oder zehn
Zyklusjahre auf einem Datenchartblatt zusammengefasst. Meiner
Erfahrung nach kommt dies sehr selten vor. Eher ist es so, dass es
einen erkennbaren thematischen Schwerpunkt in einem Zyklusjahr
gibt, der durch einzelne Ereignisse »gestört« wird. Dann sprechen
wir von einem Rhythmusbruch.
Die individuellen Rhythmen innerhalb der
Zyklusjahre können durch eigene Entscheidungen oder äußere
Ereignisse gebrochen werden. Dies kann zum Beispiel durch
berufliche Wechsel, Umzüge, die Geburt eines Kindes oder
einschneidende historische Veränderungen geschehen, denken Sie an
den Fall der Berliner Mauer. Wenn Sie selbst einen solchen
Rhythmusbruch in Ihrer eigenen Biografie erkennen, dann werden Sie
sehen, dass häufig auch die folgenden ein, zwei Jahre davon
tangiert sind. Aus den folgenden Zyklusjahren ergeben sich dann
jedoch häufig Hinweise darauf, wie man seinen Rhythmus wieder
aufnehmen kann beziehungsweise was als Nächstes »dran« ist.
Fallbeispiele: Die Zyklusjahre in den Datencharts der Protagonisten
Bei unseren Protagonisten Thomas, Stefanie
und Christina bedeuteten die Zyklusjahre in mehrfacher Hinsicht
eine Bestätigung oder Erklärung für ihren emotionalen Zustand. (Das
komplette Datenchart von Christina finden Sie im Anhang). Am
deutlichsten konnte Christina erkennen, dass sie mit der
abgelehnten Bewerbung um die Geschäftsführung wirklich »eine
Bruchlandung« hingelegt hatte. Sie erlebte einen klassischen
Rhythmusbruch in ihren KAIROS-Zyklen. Christina taufte ihr erstes
Zyklusjahr »Jumpstart«, womit sie einen energievollen Neubeginn zu
jeder Lebensphase meinte. In den ersten beiden Lebensphasen war
dieses Startjahr zwar auch mit familiären Belastungen verbunden,
wie dem Streit der Eltern und dem Auszug des Vaters. Aber in
Christinas erste Zyklusjahre gehören eben auch wundervolle
Ereignisse wie die erste (heimliche) Liebe zu einer Frau, fast alle
ihre geplanten Umzüge und Neuanfänge in Studium und Beruf.
Besonders prägend und positiv waren die ersten Zyklusjahre mit 22
Jahren, der Umzug nach Berlin sowie der aufregende Neubeginn in
Brüssel sieben Jahre später. Auch mit 35 standen die Zeichen mit
dem erneuten Umzug nach Berlin, der Projektleitung im neuen
Unternehmen und natürlich der großen Liebe zu ihrer späteren Frau,
auf Erfolg.
Ihr jeweils siebtes Zyklusjahr nannte Christina
bezeichnenderweise »Sprungbrett«. Die Bewerbung für die
Geschäftsführung war in den Jahreswechsel von Zyklusjahr sieben auf
eins gefallen. »Diesmal«, so meinte sie inzwischen mit einem Anflug
von Humor, »bin ich dann wohl von einem Sprungbrett in ein leeres
Becken gesprungen. Das tut natürlich weh.« Ihre Enttäuschung und
ihren emotionalen Schmerz konnte sie nun besser akzeptieren – und
damit auch besser loslassen. Außerdem war es für sie beruhigend zu
sehen, dass ihr in den Folgejahren nach dem »Jumpstart« eine Phase
der »Orientierung« und der »Festigung« oft Zeit für Korrekturen
gelassen hatte. Sie nutzte ihr auf das Coaching folgende Jahr der
»Orientierung« diesmal sehr aktiv, um die Gründung ihrer Firma
vorzubereiten. Die darauf folgende »Festigung« gelang, das erste
Geschäftsjahr (in ihrem dritten Zyklusjahr) verlief bereits äußerst
erfolgreich. »Vom Jumpstart, zum Start-up«, lachte die energievolle
Neu-Unternehmerin, als ich sie zwei Jahre nach unserem Coaching zum
Nachgespräch traf.
Bei Stefanies Rhythmusbetrachtung bestätigte
sich, dass Klienten häufig ins Coaching kommen, wenn ihre
Zyklusjahre Themen wie »Suche« und »Orientierung« beinhalten. Das
sechste Zyklusjahr, in dem Stefanie ihr Coaching startete, trug den
Namen »Orientierung«. Und die folgenden zwei Jahre schienen sehr
gut geeignet, um einen beruflichen Wechsel im Fluss ihrer
KAIROS-Zyklen einzuleiten. Stefanies siebtes Zyklusjahr
»Großreinemachen« konnte den Abschied von ihrem Arbeitgeber
beinhalten. Und die Aussicht auf ein erstes Zyklusjahr mit dem
Namen »Fulminanter Neustart« sprach zumindest dafür, dass Stefanie
bisher mit Wechseln zu diesem Zeitpunkt immer gute Erfahrungen
gemacht hat. So war es denn auch gekommen, als ich ein Nachgespräch
mit ihr führte.
Weniger spektakulär, aber beruhigend fühlte
sich die Rhythmusanalyse für Thomas an. Sein typischer Rhythmus, um
Neues anzufangen, beginnt jeweils im Jahr eins seiner Zyklen mit
»Aufbrechender Unruhe«. In diesem Jahr hatte er vor dem Coaching
mit 36 Jahren das Praktikum bei einem Logopäden absolviert und so
die nötige »Suchbewegung« im Zyklusjahr zwei angeworfen. In diesem
Jahr war er dann zu mir ins Coaching gekommen, um diese
Suchbewegung professionell zu unterstützen. Bisher war Thomas
erfolgreich bei beruflichen Veränderungen mit dem Dreischritt
»Anfänge – Dranbleiben – Bestätigung«. Er bereitete sich also auf
drei »Lehrjahre« vor, die er seiner Ausbildung zum Logopäden
widmete. Aufbauend auf all seinen bereits erworbenen Fähigkeiten
wie Synchronsprechen und dem Sprechtraining von Kindern konnte
Thomas dabei das berufliche Lebensthema »Meisterschaft in Serie«
bearbeiten und aus der Kombination seiner Fähigkeiten eine
lukrative Nische mit seiner Logopädischen Praxis besetzen. »Ich
werde wohl ein Suchender bleiben, zeit meines Lebens«, meinte
Thomas sinnierend, als er auf sein KAIROS-Datenchart schaut. »Aber
inzwischen«, fügte er sichtlich berührt hinzu, »habe ich ja einen
Anker in meiner Familie – und – in mir!«
Das Jobangebot annehmen oder nicht? Ein Beispiel aus der Coachingpraxis
Die Frage nach dem Entscheidungszeitpunkt
stand für meine Klientin Tanja in einer Sitzung Ihres
Coachingprozesses im Mittelpunkt. Sie hatte das Coaching bei mir
begonnen, um sich längerfristig auf eine nächste Führungsposition
vorzubereiten. Als Führungskraft im Vertrieb eines internationalen
Technikkonzerns war sie für eine bestimmte Sparte zuständig. Ihr
Team zählte 25 Mitarbeiter, die an vier Standorten weltweit
agierten. Neben ihrer Personalverantwortung hatte die Ingenieurin
viel Kontakt zu Kunden und war in strategische Prozesse
eingebunden. Für eine 37-Jährige hatte Tanja schon eine Menge
Erfahrung, weswegen man ihr erst vor ein paar Monaten in Aussicht
gestellt hatte, dass sie in zwei Jahren die Position ihres
Vorgesetzten einnehmen könnte, der dann in Ruhestand gehen würde.
Nun aber war eine andere Position plötzlich sofort freigeworden,
weil die dortige Führungskraft gesundheitsbedingt früher
ausscheiden musste. Das Management hatte Tanja diese Stelle
angeboten, mit dem Hinweis, dass die Nachfolge ihres Chefs in zwei
Jahren aus internen Gründen vielleicht anders nachbesetzt werden
würde. Jetzt musste Tanja schnell eine Entscheidung treffen.
Generell gefiel ihr der Gedanke, zukünftig mehr
Führungsverantwortung zu haben. Doch irgendetwas ließ sie gerade
jetzt zögern.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir
vor Tanjas Datenchart standen. Ich bat Tanja zunächst, mir ihren
Werdegang unter dem Aspekt beruflicher Veränderungen zu erzählen.
Während ich ihr zugehört habe, fiel mir ein Muster in ihren
bisherigen Entscheidungsprozessen auf. »Früher haben sich die
Entscheidungen ›so ergeben‹, haben Sie mehrmals gesagt. Sie haben
nicht ›bewusst‹ entschieden. Was ist jetzt anders?«, will ich von
ihr wissen. »Ich müsste plötzlich aktiv eine Entscheidung treffen
und mich gegen meine alte Stelle entscheiden. Es wird mir
einerseits offengelassen, ob ich mich entscheide, aber ich spüre
auch einen deutlichen Erwartungsdruck, dass ich die neue Stelle
annehme. Und es besteht das Risiko, dass ich dadurch den Aufstieg
auf längere Sicht hin verpasse. Aber mit diesem Zeitdruck ist mir
nicht wohl dabei«, gibt Tanja zögernd zurück. »Wie äußert sich denn
dieses Unwohlsein? Wo spüren Sie das?«, ermuntere ich sie, dem
Gefühl weiter nachzugehen. »Da ist so ein Knoten im Bauch.« »Was
sagt der ›Knoten‹?«, führe ich die Körperempfindung weiter. »Es ist
nicht richtig, zu früh, lass es lieber …«, forscht Tanja
nachdenklich ihrem Bauchgefühl nach. »Aber dabei erwarten doch
alle, dass ich annehme! In zwei Jahren sollte ich doch sowieso in
die höhere Position wechseln. So ist es vereinbart, ich habe bisher
einen sehr guten Job gemacht, alles scheint zu passen und dafür zu
sprechen!«, schaltet sich jetzt ihr Kopf ein. Ich gebe ihr Recht,
doch es handelt sich um rein rationale Argumente. Das, was sich
vage andeutet und meine Klientin zögern lässt, ist der bislang
weniger bewusste Anteil der Entscheidung. Dieses unbewusste,
intuitive Bauchgefühl versuche ich nun Tanja zugänglich zu machen,
indem ich stärker darauf eingehe: »Aber Ihr Bauch warnt Sie«, gebe
ich diesem Anteil Gewicht. »Lassen Sie uns einmal schauen, ob wir
in Ihren beruflichen Veränderungen einen Rhythmus finden.«
Tanja war sofort einverstanden, wir hängten
ihre Datenchart-Blätter zur Rhythmusanalyse untereinander.
Gemeinsam schauten wir uns nun den Rhythmus der bisherigen Wechsel
in Tanjas beruflicher Karriere an: Alle drei Jahre hat ein
kleinerer Wechsel stattgefunden, alle fünf Jahre machte Tanja einen
größeren Karrieresprung, der jeweils deutlich mehr Verantwortung
bedeutete. Und da fällt es auch meiner Klientin auf: Der nächste
größere Sprung wäre exakt in zwei Jahren »dran«. Ihr Bauchgefühl
war also sehr akkurat mit seiner »Zu-früh«-Aussage.
Die höhere Position jetzt schon anzunehmen,
hätte also nicht Tanjas natürlichem Rhythmus entsprochen. Bei
genauem Hinsehen gab es außerdem ganz objektiv auch einen weiteren
negativen Faktor. Denn Tanja hätte bei dem sofortigen Wechsel einen
neuen Vorgesetzten, der anders als ihr jetziger Chef kein
wohlwollender Mentor für sie sein würde.
Tanja musste sich nun die Frage beantworten, ob
sie sich dieses Mal bewusst gegen das bisherige Zeitmuster
entscheiden und den nächsten größeren Sprung zu diesem Zeitpunkt
wagen wollte.
Ich schlug ihr vor, gemeinsam ihre Biografie
auf persönliche Fähigkeiten und Ressourcen hin zu untersuchen, die
sie früher schon bei beruflichen Wechseln eingesetzt hatte.
Außerdem schauten wir sehr genau, was die unterstützenden Faktoren
bei Tanjas früheren Wechseln waren. Zeigten sich die objektiven
Rahmenbedingungen diesmal ebenso günstig? Könnte sie einen anderen
Mentor aktivieren, der sie in der neuen Position unterstützen
könnte? Außerdem kam es auch auf die Werte und die Lebensthemen an,
die in Tanjas aktueller Lebensphase entscheidend waren. Dieses Mal
stand sie nämlich gerade an dem Punkt, eine Familie zu gründen,
dafür war es jetzt schließlich »höchste Zeit«, wie sie selbst
anmerkte, also Kairos! Dieses Lebensthema war also ebenfalls zu
beachten bei der anstehenden beruflichen Veränderung. Da Tanja
einen Partner hatte, der ihren Kinderwunsch unterstützte, handelte
es sich nicht um reine Luftschlösser.
Durch die Biografieanalyse erhielt Tanjas
Bauchgefühl also eine nachvollziehbare Logik. Und durch die
Umfeldanalyse weitere Argumente. Die dadurch gewonnene Klarheit
ermöglichte es ihr schließlich, eine souveräne Lebensentscheidung
zu treffen – gegen den
Aufstieg zum jetzigen Zeitpunkt. Innerlich in ihrer Überzeugung gestärkt, konnte Tanja diese Entscheidung vor allem auch gegenüber dem Management souverän vertreten. Es fiel ihr leicht, glaubhaft zu vermitteln, dass sie mit zwei Jahren mehr Erfahrung in ihrem jetzigen Job später reif für einen Wechsel wäre. So kam es schließlich auch. Sie trat zwei Jahre später eine andere verantwortungsvolle Position an – übrigens als Mutter eines einjährigen Kindes!
Aufstieg zum jetzigen Zeitpunkt. Innerlich in ihrer Überzeugung gestärkt, konnte Tanja diese Entscheidung vor allem auch gegenüber dem Management souverän vertreten. Es fiel ihr leicht, glaubhaft zu vermitteln, dass sie mit zwei Jahren mehr Erfahrung in ihrem jetzigen Job später reif für einen Wechsel wäre. So kam es schließlich auch. Sie trat zwei Jahre später eine andere verantwortungsvolle Position an – übrigens als Mutter eines einjährigen Kindes!
Fazit aus der KAIROS-Rhythmusanalyse
Natürlich haben nicht alle beruflichen
Entscheidungen ein kurzzeitiges Happy End. Es gibt auch »verpasste
Chancen« im Leben, also Momente, die unwiederbringlich verloren
erscheinen: das Stipendium in den USA, das man mit Mitte zwanzig
leichtsinnigerweise nicht antrat, das abgebrochene Studium, das nie
wieder aufgenommen, und die im Sande verlaufene Promotion, die nie
zu Ende gebracht wurde. Es ist ein heilsamer Teil des
KAIROS-Biografie-Coaching, sich auch diesen Dingen zu stellen und
sich womöglich von ihnen zu verabschieden. Das kann auch bedeuten,
einen Trauerprozess anzunehmen, bevor man wieder nach vorn blicken
kann. Die bittersten Tränen in meinen Coachings erlebe ich dabei
allerdings in persönlichen Belangen. Bei Frauen, die sich
eingestehen müssen, dass sie eine – rückblickend – einmalige
Chance, ein Baby zu bekommen, verstreichen ließen oder sogar aktiv
beendet hatten. Oder bei beruflich erfolgreichen Männern, deren
einseitiges Karrierestreben sie zu Fremden in ihrem eigenen Haus
gemacht hat, in erkalteten Ehen, in denen es sich nichts mehr zu
sagen gibt, mit Kindern, die sie kaum kennen. Die KBC-Methode
bringt durch die Kombination von objektiven Fakten – den Daten der
Biografie – mit dem subjektiven Faktor – dem Benennen von
Lebensthemen, Lebensphasen und Zyklusjahren – solche emotionalen
Realitäten ins Bewusstsein.
Manchmal sind solche »Momente der Wahrheit«
auch ein heilsamer Schock für einen Neuanfang. »Noch einmal
passiert mir das nicht«, sagen Klienten dann, oft mit einer
gewissen Erleichterung. Geht es Ihnen auch so, wenn Sie Ihre
Rhythmusanalyse betrachten?
Notieren Sie nun in Ihrer
KAIROS-Gesamtauswertung auf den vorgesehenen Feldern zentral in der
Mitte zwei Zyklusjahre: das aktuelle und das nächste Zyklusjahr.
Was sagen Ihnen die Zyklusnamen in Bezug auf Ihre berufliche
Orientierungsphase – wofür ist es gerade jetzt »Zeit«?
Glücklicherweise kann ich aus eigenem Erleben
und aus der Arbeit mit meinen Klienten bestätigen, dass der Gott
des günstigen Augenblicks, Kairos, ein gütiger Vertreter seiner
Zunft ist. Er schaut doch öfter mal vorbei und gibt einem die
Chance, das aus dem Takt gekommene Lebensgefühl wieder in Ordnung
zu bringen.