Innere Mentoren und Saboteure
»Das Leben ist doch kein Wunschkonzert!« –
»Wer sagt das?« Stefanie steht mit mir vor dem Flipchart. In großer
Schrift habe ich ihren Zielvisionssatz dort aufgeschrieben: »Ich
lebe meine
wahren Stärken in meinem Beruf voll und ganz!«
wahren Stärken in meinem Beruf voll und ganz!«
Stefanies Augen haben geleuchtet, als sie den
Satz vorgelesen hat, ihr Bauchgefühl hat »ja« gesagt. Jetzt steht
Stefanie auf einmal mit hängenden Schultern vor dem Flipchart. »Was
ist denn?«, will ich wissen. »Na ja«, meint sie kleinlaut, »ich hab
ja noch nicht mal Abitur! Was heißt hier ›meine Stärken leben‹? Ist
doch alles utopisch!«, verzieht sie verächtlich den Mund. Es ist,
als ob plötzlich eine andere Seite aus Stefanie spricht, sogar
nonverbal in ihrer Mimik. Ich erkenne ein »inneres Teammitglied« in
ihr, einen Saboteur, der Stefanies fundierter Zielvision nicht
freundlich gegenübersteht – aber eben auch ein Teil von ihr ist.
Daran, dieses Teammitglied in einen Unterstützer zu verwandeln,
werde ich mit Stefanie eine Zeit lang arbeiten. Und zum Glück
finden wir auch noch einige andere, unterstützende Stimmen, ihre
inneren Mentoren.
Vielleicht haben Sie sie auch schon einmal oder
öfter vernommen, Ihre inneren Stimmen zu Ihrer eigenen beruflichen
Veränderung. Vermutlich hat eine von ihnen Sie sogar veranlasst und
ermutigt, zu diesem Buch zu greifen: »Na los, mach schon. Den
Leidensdruck, der durch die gegenwärtige Atmosphäre im Team
hervorgerufen wird, kannst du nicht länger ignorieren. Und du weißt
aus Erfahrung, dass Verdrängen und Aussitzen noch nie das geeignete
Mittel der Wahl waren. Du schaffst es, hol dir Unterstützung, wenn
du aktiv etwas verändern möchtest!« Hier hatten Sie einen guten
Ratgeber, der sich eventuell gegen Ihre inneren Skeptiker
durchgesetzt hat. Aber sobald Sie Ihre Zielvision aufgeschrieben
haben, melden sich auch die zweifelnden Stimmen wieder zu
Wort.
Die Formulierung der ersten Zielvision diente
zum einen der praktischen Anwendung dessen, was Sie im ersten Teil
erfahren haben. Zum anderen ist sie eine Art Einstimmung
beziehungsweise der Ausgangspunkt für die Karriereplanung in Form
konkreter Schritte, wie Sie sie am Ende des Buches vorbereiten:
damit Sie Ihr Ziel – die richtige Weichenstellung für den richtigen
Job zum richtigen Zeitpunkt – auch erreichen. Nun ist es Zeit, dass
Sie Ihre inneren Mentoren und Saboteure kennen lernen, die entlang
Ihrer Wegstrecke lauern beziehungweise Sie unterstützen.
»Was spricht da alles in mir?« Bestandsaufnahme mit dem »Inneren Team«
Zunächst einmal ist es völlig normal, dass
wir zu einer so komplexen Sache wie einer beruflichen Veränderung
mehrere »Stimmen« in uns haben. Das kennen Sie sicher schon in weit
einfacheren Situationen, zum Beispiel morgens, wenn Sie aufwachen
und eine Stimme sich meldet: »Och, noch keine Lust aufzustehen«,
aber eine andere meint: »Na los, nun mach schon!« Diese
unterschiedlichen Stimmen in uns hat der Kommunikationspsychologe
Friedemann Schulz von Thun »Inneres Team« genannt.
Sie selbst haben aus einem ganz bestimmten
Grund zu diesem Buch gegriffen. So mag es ein »strenger Lehrer«
gewesen sein, der Sie dazu angetrieben hat; ein »Zauderer« hat
vielleicht warnend den Zeigefinger erhoben, weil Sie in Erwägung
ziehen, Ihre Komfortzone zu verlassen; ein »Förderer« hat Sie zu
diesem ersten Schritt ermutigt. Jedes Mitglied dieses »Teams«, das
auf unterschiedliche Anteile in Ihrem Innern zurückgeht, hat seine
eigene Meinung zu Ihrem Vorhaben und äußert sich dazu, wobei sie
sich einander auch durchaus widersprechen können. Gelingt es uns,
mit diesen unterschiedlichen Stimmen bewusst umzugehen, sorgt das
hinsichtlich Kommunikation und Entscheidungen für Klarheit nach
innen und außen.
Manche innere Stimmen unterstützen ein
Vorhaben, andere sprechen dagegen, wieder andere verhalten sich
neutral. All diese »Saboteure« und »Mentoren«, wie ich sie nenne,
gehen zurück auf Menschen, die im Laufe Ihres Lebens
Autoritätspersonen waren – manches ist auch gesellschaftlich
geprägt. Typische Aussagen haben Sie in Gestalt sogenannter
Glaubenssätze verinnerlicht, die ganz bestimmte Konzepte ausdrücken
– etwa wie wir die Welt sehen, was geht und was nicht. Wieder
andere Stimmen lassen sich auf Vorbilder zurückführen. Die
entsprechenden Glaubenssätze sind positiver Natur, weil sie Sie
unterstützen. Und auch Charakterstärken, Werte oder Kompetenzen
tauchen manchmal als eigene Anteile, als Stimmen im Chor unseres
Inneren Teams auf. Das Innere Team ist somit eine Möglichkeit, ganz
plastisch unsere Stärken und Ressourcen zu erleben.
Achtung Gefühle!
Bevor Sie die folgende Übung zum »Inneren
Team« machen, möchte ich Sie noch darauf hinweisen, dass diese
Übung auch starke Gefühle hervorrufen kann. Handeln Sie also
eigenverantwortlich und wenden Sie sich gegebenenfalls an einen
professionellen Coach, der Sie bei diesem Schritt unterstützen
kann.
Im Coaching stellt die Methode des Inneren
Teams eine Möglichkeit dar, unterschiedliche Facetten der
Innerlichkeit zu einer Fragestellung, einem Problem oder einem Ziel
bewusst zu machen und damit zu arbeiten. Dabei können je nach
Kontext und Fragestellung unterschiedlich tiefe Schichten der
Persönlichkeit erreicht werden, bis hin zum Wesenskern eines
Menschen. Manchmal kommen sehr persönliche und emotionale Prozesse
in Gang. Ziel ist es, Mitglieder des Inneren Teams bildlich und
emotional als Träger von mentalen und emotionalen Konzepten
erlebbar zu machen. Sie sind deshalb auch mit körperlichen
Reaktionen verbunden, auch wenn dies nicht immer bewusst ist.
Wenn Sie sich also der Hauptaussagen Ihres
Inneren Teams bewusst werden, kann dies möglicherweise körperliche
Reaktionen hervorrufen, positiv wie negativ. Sie werden die
Statements auch körperlich verorten können. Beispielsweise hat der
einschränkende Satz »Schuster, bleib bei deinem Leisten« – so er
auch in Ihrer Biografie gefallen ist – Ihnen vielleicht aufgrund
seiner mahnenden Wirkung die Kehle zugeschnürt. Hören und fühlen
Sie also genau in sich hinein. Es ist wichtig, dass Sie in und mit
dieser Übung achtsam mit sich sind.
Übung 27: Das Innere Team
zu meiner Zielvision
Um für sich selbst und in der
Auseinandersetzung mit anderen Personen auf Ihrem Weg zum richtigen
Job Klarheit zu gewinnen, müssen Sie Ihr Inneres Team zunächst
kennenlernen. Kein Mitglied soll im Hinblick auf eine anstehende
Entscheidung übergangen werden, sonst könnte es passieren, dass man
hinterher die getroffene Wahl bereut oder im schlimmsten Fall den
falschen Entschluss gefasst hat. Diese Übung soll Ihnen helfen,
sämtliche Mentoren und Saboteure ausfindig zu machen und an einen
Tisch zu bringen, wenn es um das Herausfinden der Tätigkeit geht,
die jetzt zu Ihnen passt. Ich empfehle Ihnen, sich Notizen zu
machen, damit Sie den Überblick über die verschiedenen
Teammitglieder und Aussagen behalten.
Was Sie brauchen:
-
Ein DIN-A4- oder besser noch DIN-A3-Blatt. Sie können eine Figur mit einem großen Bauch darauf zeichnen, der fast das gesamte Blatt einnimmt – in ihn schreiben Sie dann die Sätze und die Namen der Teammitglieder.
-
Größere Haftnotizen oder Pinnkarten für Aussagen und Namen der Figuren. Schreiben Sie auf eine Karte jeweils nur ein Figur und ihre Aussage, da Sie die Figuren nachher umgruppieren werden.
Schritt
1: Teammitglieder einladen, sich zu zeigen.
Ausgangspunkt der Übung ist Ihr Zielvisionssatz. Bei Stefanie war
dies: »Ich lebe meine wahren Stärken in meinem Beruf voll und
ganz!«
Nun stellen Sie sich die Frage:
-
Wenn ich diesen Satz lese oder ausspreche, was meldet sich da in mir?
Schließen Sie eventuell die Augen und
haben Sie Ihren Stift griffbereit. Notieren Sie einfach bitte den
Satz, der Ihnen als erster in den Sinn kommt, welche Stimme sich
als erste meldet, wenn Sie an den Zielvisionssatz denken: »Hast du
nicht schon lange Lust auf etwas Neues?«
Ich leite Sie durch den Prozess mit
Stefanie. Diese hörte gleich hintereinander zwei äußerst kritische
Sätze: »Du? Du hast nicht mal Abitur!«, und »Schuster, bleib bei
deinem Leisten.«
Schritt
2: Teamspieler erkunden. Nun geht es darum,
sich jedem einzelnen Teamspieler der Reihe nach zuzuwenden. Ziel
ist es, sich mit den Teamspielern so weit vertraut zu machen, dass
Sie ihnen einen Namen geben, ihre Hauptaussage notieren und
vielleicht sogar ein konkretes Bild vor Augen haben. Folgende
Fragen/Anregungen können Sie darin unterstützen:
-
Was ist seine Hauptaussage? Vielleicht »Ich zeig’s euch allen«?
-
Von wem kommt denn die Aussage, dass …? Wie sieht er/sie aus?
-
Wie könnte ich denn dieses Teammitglied nennen? Passt eventuell die Bezeichnung »der Enthusiast«?
-
Hat er oder sie vielleicht Ähnlichkeiten mit jemandem aus meinem Umfeld? Gib es Ähnlichkeiten? An wen erinnert er/sie mich?
-
Wie alt ist dieses Teammitglied?
Stefanie fand Folgendes heraus über
die ersten beiden Aussagen, die sie sofort hörte, sowie über zwei
weitere Stimmen:
»Du? Du hast nicht mal Abitur!« Dieses
Teammitglied nannte Stefanie »Der unbarmherzige Kritiker«. Sie sah
einen alten grantelnden Mann – ihrem Vater nicht unähnlich. Und von
ihrem Vater kannte sie auch den Satz selbst. Jetzt aber lebte der
»unbarmherzige Kritiker« in ihr.
Den zweiten Satz »Schuster, bleib bei
deinem Leisten« ordnete Stefanie einer Figur zu, die sie »Der
Traditionelle« nannte. Dieses Teammitglied war weniger beißend
sarkastisch, sondern eher väterlich besorgt. »Wie ein Großvater in
mir, der mich liebevoll ermahnt, dass ich keinen Unsinn machen
soll«, sinnierte sie.
Zum Glück meldeten sich gleich auch
noch zwei andere Stimmen, als Stefanie ein weiteres Mal an Ihren
Zielvisionssatz dachte:
»Wow, das ist es!«, – diese Stimme
nannte Stefanie »Die Enthusiastin«. Dann gab es noch eine Stimme,
die sagte: »Ich wünsche dir, dass du glücklich wirst« – die den
Namen »Die Mütterliche« bekam.
Ich schrieb für Stefanie jeweils die
Aussage und den Namen der Figur auf Haftnotizen und klebte diese
auf das vor uns liegende Blatt. Dabei folgte ich Stefanies Angaben,
wie sie die Anordnung der Figuren haben wollte.
Wie Sie sehen, können Sie sehr kreativ
und intuitiv mit diesen inneren Stimmen arbeiten. Stellen Sie die
einzelnen Teammitglieder also gern auch noch visuell dar. Gibt es
ein Bild, eine Figur, die ihnen jeweils entspricht? Sie können sie
auch zeichnen. Hängen Sie Abbildungen von ihnen gut sichtbar auf
oder versammeln Sie die sie versinnbildlichen Gegenstände vor sich.
Führen Sie das so lange fort, bis die wichtigsten Teamspieler
erhoben sind. Schauen Sie dazu immer wieder auf den Zielvisionssatz
und warten Sie auf eine innere Reaktion. Nach einer Zeit werden Sie
merken, wie der Strom der inneren Stimmen langsamer wird, so als ob
alles gesagt sei zu dem Thema. Warten Sie dann einen Augenblick und
lesen Sie nochmals Ihren Zielsatz oder fragen Sie leise in sich
hinein: »Und wer ist da noch?«
Schritt
3: Weitere (leise) Teammitglieder ausfindig
machen. Wen gibt es noch »in Ihnen«? Hat Ihr eigener
Enthusiast etwa Gegenspieler? Auch hier können Sie sich
fragen:
-
Was sagen diese Gegenspieler? Was genau ist ihre Aussage?
-
Gibt es noch andere, die dem »mitreißenden Enthusiasten« etwas entgegnen?
-
Jede Stimme darf und soll ihre ganz eigene Aussage machen. Sie wird ihren Grund haben, sich zu melden und einzumischen.
Geben Sie auch diesen Stimmen einen
Namen, schreiben Sie ihre Kernaussagen auf und stellen Sie sie
visuell dar. Wie gesagt, es ist wichtig, dass jede Stimme ihre
eigene Meinung zum Thema vertreten darf und nicht von anderen
inneren Stimmen »zensiert« wird.
Bei Stefanie waren die Stimmen in der
zweiten Runde folgende:
»Du bist super!« – Der Fan
»Ich habe da Ideen, wen man ansprechen
kann!« – Die Ideenreiche
»Vertrau dir doch – du kannst es« – Die
Intuitive.
Und ganz zaghaft zuletzt noch: »Wirst
du damit auch wirklich sicheres Geld verdienen?« – Die
Vorsichtige
Wenn Sie zu den Menschen zählen, die
bislang weniger in sich hineingehört haben, sollten Sie vor Schritt
4 die Bekanntschaft mit Ihrem Inneren Team und die gewonnenen
Eindrücke zunächst nachwirken lassen. Auf manche warnenden Stimmen
sollten Sie vielleicht wirklich hören, diese könnten auf Risiken
aufmerksam machen. Andere Stimmen bringen Ideen, aber nur, wenn Sie
diese auch auffordern und zulassen. Wieder andere tragen wirklich
veraltete Botschaften in Ihnen mit sich herum. Dazu kommen wir im
zweiten Teil dieses Kapitels, bei der Arbeit an
Glaubenssätzen.
Sie sehen also, wie wichtig das Wissen
um Ihre inneren Anteile in Anbetracht Ihrer bevorstehenden
beruflichen Neuorientierung ist. Machen Sie sich miteinander
vertraut – nehmen Sie sich bitte ausreichend Zeit dafür. Bedanken
Sie sich bei den Teammitgliedern, dass sie sich gezeigt haben. Und
verabreden Sie sich für weitere Treffen, vor allem dann, wenn es
nötig und wichtig ist.
Die nächsten Schritte mit dem Inneren
Team können Sie je nach Befinden entweder sofort weiter umsetzen
oder zu einem späteren Zeitpunkt. Bewahren Sie daher Ihre Notizen
auf.
Schritt
4: Das Team strukturieren. Wie Sie es aus
beruflichen und privaten Zusammenhängen sicher kennen, unterliegen
Teams einer gewissen Ordnung, sprich es gibt unterschiedliche
Rollen und eine Hierarchie. So verhält es sich auch mit Ihrem
Inneren Team. Wenn es nun darum geht, eine gute Entscheidung und
kräftige Handlungsschritte für Ihr berufliches Ziel einzuleiten,
müssen Sie quasi ordnend eingreifen.
Sie selbst werden dabei die Rolle des
Moderators übernehmen.
-
Gruppieren Sie nun die Stimmen, die zusammengehören und sich in ihren Aussagen unterstützen.
-
… Stimmen, die Ihr Anliegen unterstützen.
-
… Stimmen, die warnende Aspekte oder Risiken ansprechen.
-
… Stimmen, die rundweg dagegen sind.
-
… Stimmen, die … .
Stefanie unterteilte ihre
Teammitglieder in vier Gruppen:
Die vorsichtig warnenden
Stimmen:
-
»Wirst du damit auch wirklich sicheres Geld verdienen?«
– Die Vorsichtige -
»Schuster, bleib bei deinem Leisten«
– Der Traditionelle
Die harte
Kontra-Fraktion:
-
»Du? Du hast nicht mal Abitur!«
– Der unbarmherzige Kritiker
Die vollen
Unterstützer:
-
»Wow, das ist es!«
– Die Enthusiastin. -
»Du bist super!«
– Der Fan -
»Ich habe da Ideen, wen man ansprechen kann!«
– Die Ideenreiche -
»Vertrau dir doch – du kannst es«
– Die Intuitive
Die leisen
Unterstützer:
-
»Ich wünsche dir, dass du glücklich wirst«
– Die Mütterliche
Gruppieren jetzt auch Sie Ihre
Teammitglieder.
Schritt
5: Gemeinsam handeln und entscheiden – der Innere
Dialog. Bei Ihnen geht es darum, dass Sie bezüglich Ihrer
Zielvision ins Handeln kommen. Dazu brauchen Sie so weit eine
Einigkeit im Inneren Team, dass nicht einzelne Stimmen das Vorhaben
ganz blockieren oder ständig eine Pattsituation herstellen. Die
Inneren Teammitglieder sind letztlich ja nur eine Metapher für
innere psychische Anteile von Ihnen. Und insgesamt geht es darum,
dass Sie als ganze Person handlungsfähig werden.
Um eine für alle Stimmen vertretbare
Entscheidung zu treffen und mögliche Konflikte zu lösen, arbeiten
Sie bitte nun mit einer Art innerem Dialog. Wenn Sie nicht sehr oft
solche »inneren Dialoge« geführt haben, könnte Ihnen das komisch
vorkommen. Probieren Sie es einfach einmal. Sie können verschiedene
Wege nutzen. Ganz analog zu einer Situation in einem äußeren Team,
werden Sie nun verhandeln.
-
Sprechen Sie über Ihr Visionsziel mit jeder Figur einzeln.
• Fragen Sie, was passieren müsste, damit die Figur Ihr Vorhaben auch unterstützt (wenn sie dagegen ist).
• Stellen Sie sich vor, was die einzelnen Teammitglieder sagen könnten. -
Bringen Sie einzelne Teammitglieder miteinander in Dialog.
• Legen Sie dazu vielleicht die beiden Figuren oder Symbole dafür auf zwei Stühle vor sich.
• Was sagt der Kritiker zum Enthusiasten? Wie lässt er sich anstecken?
• Auf welche Ideen kommen Sie als »Oberhaupt«, wenn Sie den Stimmen zuhören?
• Notieren Sie Ihre Ideen.
Am Ende solch einer Übung haben Sie
einen Überblick über das, was genau in Ihnen vor sich geht. Sie
können daraus nächste Schritte für sich festlegen,
beispielsweise:
-
Mehr Informationen einzuholen, um die Bedenken kritischer
Stimmen zu adressieren -
Gezielt die positiven Stimmen in Ihnen stärken: Was tut diesen Anteilen in Ihnen gut – also auch Ihnen als Person? (Zum Beispiel nicht mehr so viel mit der kritischen Freundin über Ihre Pläne zu reden …)
-
Eine situative Kommunikationsstrategie festlegen. Es ist eine Sache, eine kritische Stimme in sich zu tragen, aber eine andere, ob diese sich nun gerade in einem Bewerbungsgespräch zu Wort melden muss. »Eigentlich mache ich das ja auch noch nicht so lange …«
-
Vor wichtigen Gesprächen sich die wichtigsten Teamitglieder vor Augen rufen und die derzeit nicht benötigten temporär »beurlauben«. Das geht erstaunlich gut!
-
Um die aktuelle Fragestellung zu beantworten oder das Ziel zu erreichen, muss allen »Beteiligten« klar sein, wer sich wann zu Wort melden darf, und zwar so, dass sich alle respektiert fühlen.
Generell gilt:
-
Keine Stimme wird aus dem Team ausgeschlossen!
-
Man kann aber mit Teammitgliedern zeitlich begrenzte Verabredungen treffen.
-
Sie können eine vertiefte Arbeit mit einzelnen Stimmen – auch mit Unterstützung eines Coachs – angehen.
Stefanie entschied, sich mit dem
»unbarmherzigen Kritiker« und dem »Traditionalisten« in ihr näher
zu befassen.
Hinderliche Glaubenssätze als Saboteure
Wir Menschen sind komplexe Wesen. Jede
Sekunde geschehen in uns tausende von biologischen Prozessen, um
unsere vitalen Lebensfunktionen aufrechtzuerhalten, ohne dass wir
einen bewussten Gedanken daran verschwenden müssen. Unser autonomes
Nervensystem erledigt das ganz unbewusst für uns. Ähnlich ist es
mit Gedanken und Gefühlen. In den wenigsten Fällen sind wir uns
darüber bewusst, was wir gerade denken, geschweige denn, welchen
Auslöser dieser oder jener Gedanke hatte und welche Gefühle damit
verbunden sind. Denn neben flüchtigen Gedanken, die kommen und
gehen, weist unser Gehirn auch relativ fest etablierte innere
Strukturen auf. Das sind Nervenverbindungen, die wir oft benutzen
und die daher funktionieren wie gut ausgebaute Autobahnen – schnell
und automatisch.
Die menschliche Wahrnehmung und damit die
Prozesse der Entscheidungsfindung werden in großem Maße von solchen
unterliegenden inneren Strukturen beeinflusst. Ich bezeichne sie
als innere Konzepte. Sie sind uns natürlich nicht bewusst, sondern
funktionieren ähnlich unbewusst wie die Prozesse, die gerade Ihr
Herz schlagen oder Ihr Blut zirkulieren lassen. Konzepte
funktionieren wie getönte Brillen. Tragen wir die sprichwörtliche
rosarote Brille, ist rosa Licht aktiviert und wirft ein
optimistisches Bild auf unsere berufliche Zukunft. Solche Konzepte
können wir – wenn wir uns wie in der letzten Übung darauf
konzentrieren – eventuell als innere Stimmen, als Mitglieder
unseres Inneren Teams hören. Stefanies »Wow, das ist es«-Stimme war
getragen von so einem optimistischen Konzept.
Konzepte entstehen durch eindrückliche
Erfahrung, entweder einzelne oder sich wiederholende Vorgänge meist
im Kindes- und Jugendalter, aber auch später. Wie das Leben auch
ist dies ein ständiger Prozess und Konzepte sind ein wesentlicher
Bestandteil des Lernens. Wir können also auch umlernen, das ist
wesentlich dabei. Und deshalb arbeiten wir auch im Coaching mit
solchen Konzepten.
Wichtig zu wissen ist, dass es sich bei inneren
Konzepten nicht nur um mentale Phänomene handelt, sondern um
körperlich und emotional gespeicherte Erfahrungen. Man nennt sie
auch Schemata, die ein automatisches Reaktionsmuster
aktivieren.
Viele innere Konzepte oder auch
Reaktionsschemata sind äußerst hilfreich für unser Leben. Ein
Reaktionsmuster wie »Nur bei Grün über die Straße zu gehen, um heil
über die Kreuzung zu kommen« oder der Gedanke »Ich helfe dir, dann
hilfst du mir«, um in der Welt sozial akzeptiert zu sein, sind
Beispiele für gut funktionierende Konzepte.
In Bezug auf Ziele und ihr Erreichen gibt es
jedoch auch hinderliche Schemata. Beispielsweise gibt es stark
verallgemeinerte Vorstellungen darüber, wie etwas im Leben ist oder
nicht ist, sein kann oder darf oder auch nicht; diese gilt es zu
bearbeiten. Manchmal, etwa als Aussage wie »Schuster, bleib bei
deinem Leisten«, sind sie offensichtlich. In der Regel sind sie uns
aber nicht bewusst, wobei sie unser Verhalten trotzdem
steuern.
Wichtig ist außerdem zunächst die Erkenntnis,
dass die individuelle Wahrnehmung immer von inneren Strukturen
bestimmt wird. Wahrnehmung findet immer nur sozusagen hinter einer
getönten Brille von Strukturen statt. Daher ist Wahrnehmung
letztlich auch immer subjektiv. Erweist sich also ein Konzept als
hinderlich, sollte es im besten Fall ersetzt werden. Die Bildung
neuer Konzepte hängt aber von den vorhandenen ab. Das heißt, ich
muss die Bestehenden erst verändern, bevor neue, besser geeignete
Konzepte an deren Stelle treten, sodass ich am Ende mein Ziel
erreiche.
Veränderung von Konzepten und Glaubenssätzen
Als Glaubenssatz bezeichne ich den Teil
der inneren Konzepte, der sich in Worten ausdrücken lässt. Wobei
immer gilt, dass diese Worte mit Emotionen und Körperreaktionen
verbunden sind, daher sind sie auch so mächtig. Die Summe
individueller Glaubenssätze ist ein System aller Konzepte und
Überzeugungen, das sich im Laufe eines Lebens durch Lernen und aus
Erfahrung herausgebildet hat. Es kommt immer auf den Zusammenhang
an, ob ein Glaubenssatz positiv oder negativ ist. »Geh nur über die
Straße bei Grün, denn dann kommst du heil an« mag in Deutschland
ein sehr nützlicher Glaubenssatz sein, doch er ist in Italien
vielleicht schon weniger und in einer afrikanischen oder
asiatischen Millionenstadt überhaupt nicht mehr hilfreich, um sich
zu orientieren. Hinsichtlich eines Ziels oder eines angestrebten
Verhaltens kann er eine unterstützende/konstruktive oder
hemmende/destruktive Funktion haben. »Schuster, bleib bei deinem
Leisten – denn dann bist du sicher« ist in der alten Arbeitswelt
des 20. Jahrhunderts vielleicht ein Sicherheitsgarant gewesen,
heute gewiss nicht mehr.
Inzwischen ist wissenschaftlich nachgewiesen,
dass Glaubenssätze über die Nervenverbindungen im Gehirn und die
Körperzellen im menschlichen Körper verankert sind. Zellen sind in
der Lage, unterbewusste Informationen und Emotionen zu speichern.
Daher liegt es nahe, sämtliche Ebenen – die mentale, emotionale,
physische sowie verhaltensorientierte – miteinzubeziehen, wenn an
Glaubenssätzen gearbeitet wird. Egal, mit welcher Dimension man
beginnt, jede für sich kann den primären Zugang liefern.
Wenn man sich wie Sie beruflich neu orientieren
möchte, kann es hilfreich, wenn nicht sogar erforderlich sein,
seine Glaubensätze zu erkennen, ihre Herkunft und Wirkung zu
verstehen und sie bei Bedarf zu verändern. Spätestens wenn Sie das
Gefühl haben, dass sie Sie beeinträchtigen, sollten Sie Ihre alten
Annahmen kritisch hinterfragen und versuchen, sie durch neue,
positive zu ersetzen.
Wenn ich mit Klienten ihre Glaubenssätze
erarbeite, bitte ich sie zunächst, mir eine Situation ihres
Datencharts zu beschreiben, in der eine oder mehrere Überzeugungen
Wirkung zeigen. Ich halte mich zurück und höre ihnen erst einmal
nur zu.
Manchmal hake ich nach, indem ich entweder eine
Aussage wiederhole, wie etwa die Behauptung, jemand sei nicht
musikalisch. Oder ich zitiere den Anfang eines Glaubenssatzes, den
mein Gegenüber bereits ausgesprochenen hat, zum Beispiel bei
Stefanie der Satz »Schuster, bleib bei deinem Leisten«. Dann frage
ich: »Weil …?«, oder: »Was ist dann?«, um die gedankliche
»Wenn-dann«-Aussage herauszuarbeiten, die den Glaubenssatz erst so
wirksam macht. Stefanie stutzte und antwortetete: »Weil man dann
auf der sicheren Seite ist und kein Risiko eingeht, zu
scheitern.«
Anschließend möchte ich wissen, worauf die
Annahme basiert, auf wen sie zurückgeht und warum der- oder
diejenige das glaubt. Den einen oder die andere macht das bereits
stutzig. Man nimmt plötzlich die Brille in die Hand, durch die man
vorher durchgesehen hat. Stefanie wurde sofort klar, dass diese
Aussage auf Ihren Großvater zurückging, den Stefanie gar nicht mehr
kennen gelernt hatte. Ihre Mutter erzählte jedoch oft: »Und dann
hat der Großvater immer gesagt: Schuster, bleib bei deinem
Leisten.«
Ist der Satz in seiner »Wenn-dann«- oder
»So-weil«-Form identifiziert, versuche ich den Klienten die mit
dieser Aussage verbundenen Körpererfahrungen und Emotionen fühlen
zu lassen. Ich frage dann direkt nach den Gefühlen und dem Ort im
Körper, wo er oder sie den Gedanken spürt, und wie es ihm in dieser
Situation geht. Stefanie spürte bei dem Satz eine schwere Last auf
ihrer Brust. Sie war nicht motiviert, sich zu verändern. Sie fühlte
sich eingesperrt und gefangen.
Schließlich wollte ich wissen, was diese
Aussage so problematisch macht, was damit möglich oder eben nicht
möglich ist. Bei Stefanie war deutlich, dass dieser vielleicht
»liebevoll« gemeinte Satz ihres Großvaters keine Veränderung im
beruflichen Leben zuließ. »Risiko ist in unserer Familie beruflich
überhaupt nicht erwünscht. Alle haben das immer vermieden. Es gibt
ein schwarzes Schaf im weiteren Familienumfeld, darauf wurde dann
immer hingewiesen.«
Danach arbeiteten wir an der Veränderung des
Glaubenssatzes. Die Übung dazu stelle ich Ihnen gleich vor.
Überzeugungen auf den Grund zu gehen und mit
ihnen aktiv zu arbeiten, ist eine zentrale Arbeit im Coaching. Aber
auch Sie können sich Ihre Glaubenssätze bewusst machen, damit Ihr
Ziel nicht nur eine Vision bleibt.
Zusammenfassung Glaubenssätze
-
Glaubenssätze (der verbale Teil von Konzepten) entstehen durch Erfahrungen vor allem
• unter Einwirkung von Autoritäten
• bei hoher Emotionalität
• wenn am Ende ein situationsbedingter Erkenntnisgewinn steht
• in der Kindheit
• während Lernprozessen -
Glaubenssätze sind der mentale Anteil einer inneren Struktur und drücken sich auf allen Ebenen aus.
• Sprachlich in Form von »Wenn-dann«- oder »So-weil«-Aussagen
zu Sachverhalten
• In der Stimmfärbung und Artikulation
• In der Stimmung und Emotionalität
• Non-verbal: in der Mimik und Körperhaltung
• In der Energie und der Körperreaktion -
Glaubenssätze haben häufig etwas Absolutes, Verallgemeinerndes.
-
Glaubenssätze können konstruktiv oder destruktiv sein, je nach Kontext und Ziel.
Übung 28: Die eigenen
Glaubenssätze erkennen und verändern
Der Einstieg in diese Übung ist ähnlich
wie der zum Inneren Team. Um loslegen zu können, rufen Sie sich
bitte zunächst noch einmal Ihr Inneres Team in Erinnerung und dabei
ein Teammitglied, das negativ zu Ihrem Ziel aufgestellt war. Ich
erläutere den Prozess wieder an dem Beispiel von Stefanie.
Schritt
1: Erkennen der relevanten Glaubenssätze.
Welche Überzeugungen und Grundsätze – bezogen auf sich und andere –
kommen Ihnen in den Sinn, wenn Sie an besagte Situation denken?
Welche Aussagen treffen Sie in diesem Zusammenhang über sich,
andere oder über das Umfeld? Schreiben Sie sie bitte auf. Suchen
Sie nach der »Wenn-dann«-Aussage oder einer ähnlichen Verknüpfung
wie »Das muss so sein, weil …«
Fragen Sie:
-
Weil … ?
-
Denn … ?
-
Was ist, wenn nicht … ? Ja, dann …
Stefanies »Wenn-dann«-Verknüpfung für
»Schuster, bleib bei deinem Leisten« war: »weil du dann dein Leben
lang beruflich sicher bist und dein Auskommen hast«.
Schritt
2: Hinterfragen des Wahrheitsgehalts, der absoluten
Gültigkeit der einzelnen Glaubenssätze. Um diese
Überzeugungen zu überprüfen, hilft Ihnen vielleicht die
Beantwortung der folgenden Fragen:
-
Sind die jeweiligen Aussagen wirklich wahr?
-
Vorausgesetzt, Sie haben die Frage mit Ja beantwortet, wie können Sie das wissen?
-
Treffen die Aussagen immer und grundsätzlich zu?
Stefanie musste gleich lachen. »Mein
Großvater war sicher ein sehr lieber Mann, aber den Arbeitsmarkt im
21. Jahrhundert hätte er gewiss nicht verstanden.«
Schritt
3: Hinterfragen des Ursprungs der einzelnen
Glaubenssätze. Auch hier gibt es eine Reihe von Fragen,
mit deren Hilfe Sie Näheres über die Herkunft Ihrer Überzeugungen
erfahren:
-
Worauf geht die Überzeugung zurück, wann ist sie entstanden?
-
Von wem haben Sie das gelernt oder übernommen?
-
Wer in Ihrem Umfeld hat es erstmals ausgesprochen oder immer so gesagt?
-
Woher kann der- oder diejenige das wissen?
Hier fiel Stefanie die Antwort leicht:
Es war ihr Großvater. Interessant war allerdings, dass sie ihn als
Person nie kennen gelernt hatte. Der Glaubenssatz wurde allein
durch ihre Mutter weitergetragen. Der Großvater hatte viel
Autorität bei der Mutter besessen, daher gab diese seine Sätze
bereitwillig und mit viel Überzeugung weiter.
Schritt
4: Erfahrung und Beschreibung der Wirkung des
Glaubenssatzes. Dies fühlt sich nicht »gut« an, aber hier
geht es darum, die Wirkung des Glaubenssatzes auf allen Ebenen zu
spüren, um sich danach besser davon trennen zu können.
Überlegen Sie bitte,
-
wie es Ihnen ergeht, wenn diese Überzeugungen im Einzelnen aktiv sind, die Glaubenssätze »wirken«,
-
was Sie denken und fühlen, wenn Ihnen diese Überzeugungen bewusst werden und diese tatsächlich wahr sind,
-
wie Sie reagieren. Wie werden andere auf Sie beziehungsweise Ihre Reaktion vermutlich reagieren?
Stefanie konnte spüren, wie beengend
der Glaubenssatz auf sie wirkte. Mit ihm war eine berufliche
Veränderung, wie sie sie plante, gar nicht denkbar. Körperlich
wirkte Stefanie gedrückt, kleiner, wenig energievoll.
Schritt
5: Erfahrung und Beschreibung wie man sich fühlt,
wenn dieser Glaubenssatz die bisherige Überzeugungen gar nicht
existieren würden. Überlegen und schreiben Sie bitte
auf,
-
wie es Ihnen gehen würde, wenn eine Überzeugung, ein Konzept oder Glaubenssatz nicht mehr gültig wäre,
-
was Sie dann denken und fühlen würden,
-
inwiefern Sie sich verändern würden,
-
welche Möglichkeiten Sie dann hätten und
-
wie andere auf Sie reagieren würden.
Wichtig ist, dass Sie bei der
Beantwortung der Fragen im Konjunktiv bleiben. So nehmen Sie sich
selbst von vornherein den Druck, wenn Sie die Notwendigkeit einer
Veränderung erkannt haben. Aber Sie versetzen sich in die Lage,
einmal zu fühlen, wie es wäre, ohne diesen Glaubenssatz zu
leben.
Jetzt atmete Stefanie hörbar auf.
»Wow«, sagte sie, »das ist ja ein ganz neues Lebensgefühl. Ich sehe
plötzlich viel mehr – auch gerade hier vom Raum. Ich habe plötzlich
tausend Ideen, was ich tun könnte!«, sprudelte es aus ihr
hervor.
Schritt
6: Etablierung eines neuen, erweiterten,
realitätsnahen Konzepts. Hier reflektieren Sie bitte die
Ergebnisse von Schritt 2, das heißt, hinterfragen Sie bitte den
Wahrheitsgehalt beziehungsweise die absolute Gültigkeit der
einzelnen Glaubenssätze. Ein Teil der Aussagen eines Glaubenssatzes
kann ja richtig sein. An jeder Sache ist oft ein Körnchen Wahrheit.
Es geht hier darum, eine Formulierung zu finden, die weniger
absolut ist und die mehr Raum bietet, neue Handlungsweisen
auszuprobieren.
Suchen Sie eine Formulierung, eine
Aussage des Glaubenssatzes, die mehr der Wirklichkeit entspricht.
Dies kann Aspekte beinhalten wie Aussagen über Sie selbst, über
andere oder das Umfeld und Fakten des Lebens. Formulieren Sie bitte
die Aussage und halten Sie sie schriftlich fest.
Stefanie überlegte. »Nun ja, wahr an
dieser Aussage ist, dass man durch Übung gut in einer Sache ist und
als Anfänger erst mal weniger geübt. Übung macht ja wirklich den
Meister. Also insofern sollte ein Schuster, der umsattelt, auch in
dem neuen Beruf wirklich gut werden.« Sie formulierte den Satz neu:
»Schuster, wenn du deinen Leisten wechselst, dann übe recht viel in
dem neuen Feld, dann wirst du auch dort erfolgreich sein«. Sie
grinste. Der Satz gab ihr sichtlich Energie. Schließlich fand Sie
eine Kurzform, die sich besser memorieren ließ: »Schuster, übe mit
deinem neuen Leisten recht fleißig – so wird’s gut!«
Schritt
7: Überprüfen der Möglichkeit der Etablierung des
neuen Konzepts. Wenn alles für ein neues oder verändertes
Konzept spricht, sollten Sie herausfinden, wie Sie es verankern und
nutzen können. Dabei können Sie folgende Anhaltspunkte
unterstützen:
-
Gibt es einen Grund, der für das Festhalten an der alten Überzeugung spricht?
-
Sind Sie eventuell nicht wirklich bereit, vom alten Konzept abzulassen?
Wenn Sie beide Fragen mit Ja
beantwortet haben, sollten Sie eventuell noch einmal zu Schritt 1
gehen und die Übung erneut durchlaufen.
Stefanie spürte keinen Widerstand, sie
wollte das neue Konzept, den neuen Glaubenssatz testen.
Schritt
8: Test des neuen Konzepts in der Realität.
Sollte Ihre Antwort in beiden Fällen Nein gewesen sein, ist es Zeit
für die Anwendung des neuen Glaubenssatzes. Denken Sie über dafür
infrage kommende Situationen nach, wobei der Grad der
Herausforderung nicht zu hoch sein sollte. Nehmen Sie sich fest
vor, Ihren neuen Überzeugung entsprechend zu handeln. Im Anschluss
daran notieren Sie bitte Ihre Erfahrungen und steigern Sie von Mal
zu Mal die Anforderungen.
Stefanie nahm sich drei Situationen
vor, in denen sie sich innerlich den Satz sagen wollte.
-
Wenn sie das nächste Mal recherchierte – statt resigniert aufzugeben und zweifelnde Stimmen in sich zu nähren
-
Wenn Sie das nächste Mal mit ihrer Mutter über eine mögliche berufliche Veränderung sprechen würde
-
Und am schwierigsten: Wenn sie mit ihrem Vater darüber sprechen würde
Fazit: «Love it, leave it or change it«
Ein Teil Ihrer Mentoren, die hilfreichen
Stimmen, konnten Sie bereits in der Übung »Das Innere Team zu
meiner Zielvision« kennen lernen. Der Fokus im zweiten Teil dieses
Kapitels lag dann auf den Saboteuren, die unser Verhalten indirekt
beeinflussen und hemmen. Sie sind es, die uns daran hindern können,
unser Ziel zu erreichen. Daher sollten Sie Ihre Saboteure, die
negative Glaubenssätze vertreten, kennen und verändern. Oder Sie
nehmen warnende Hinweise auf und schärfen daran Ihre Zielvision.
Auch eigentlich positive, starke Glaubenssätze können ihren Zenit
überschritten haben und müssen verändert werden. So war es bei
Christina, die in sich die Überzeugung trug: »Du kannst alles
schaffen, wenn du willst«, doch als ich fragte: »Weil …?«, kam als
Antwort nur: »Weil das bisher immer so war!« Die Sozialmanagerin
erreichte mit Anfang vierzig ganz klassischerweise zum ersten Mal
die Grenze des »Machbaren«. Das ist ein Lebensthema für Menschen ab
vierzig. Die Allmachtsgedanken und Allmachtsfantasien weichen einer
realistischeren Einschätzung. Ja, vieles können wir möglich machen,
oft mehr, als wir glauben. Aber nein, wir können nicht andere
Menschen kontrollieren oder das gesamte Umfeld, auch nicht unsere
Gesundheit. Manche Entscheidungen sind und bleiben unfair, wie die
von Christinas Geschäftsführung. »Love it, leave it or change it«,
sagt man. Christina entschied sich für »leave it«.
Und wie entscheiden Sie? Welche Glaubenssätze
können Sie verändern? Welche bleiben? Am Ende soll für Sie die
Tätigkeit stehen, die jetzt die richtige für Sie ist und
Ihnen in Ihrer aktuellen Situation am meisten entspricht.
Nicht immer ist die aktuelle Situation
offensichtlich schlecht. Dennoch können Sie unzufrieden sein. So
wie es bei Thomas der Fall war, der als erfolgreicher
Fernsehschauspieler eigentlich einen Traumjob hatte. Oder es geht
Ihnen wie Juliane, die als Lehrerin immer glücklich war, bis sie
glaubte, dass Heilpraktikerin doch ihre »Berufung« sei. Diesen
beiden Aspekten, der »Berufungsfalle« und der »Karrierefalle«,
widmet sich das folgende Kapitel. Wenn Sie glauben, damit nichts zu
tun zu haben, dann blättern Sie einfach weiter zu den konkreten
nächsten Schritten im letzten Kapitel.