Judy und Clarence und ihre Freunde — Die Fernsehstars mit Fell und Pfoten ganz privat

Ingeborg Glupp

1970

Sie verdienen Millionen und könnten sich ein Luxusleben leisten: die goldenen Fernseh-Tiere Judy, Clarence, Flipper und ihre Freunde Ben und Samba. Aber sie sind bescheiden geblieben, frei von Star-Allüren. Das macht sie besonders liebenswert. Und darum werdet ihr mit Vergnügen lesen, wie sie leben und arbeiten. In diesem Buch steht alles über die berühmtesten Tiere der Welt.

Inhaltsverzeichnis

Dreharbeiten mit Judy

Judy wird berühmt

 Interview mit Judy, einer Schimpansen-Dame

Judy, der Telestar

Judy gibt eine Sondervorstellung

Judy und ihre »Kollegen«

Judy und Clarence, die beiden Freunde

»Afrika, USA«

»Daktari« auf dem Bildschirm

Clarence bei der Arbeit

Clarence wird ein Star

Interview mit einem Karriere-Löwen

Die Ivan-Tors-Tierfamilie

Clarence fällt aus der Rolle

Zurück in den Dschungel?

Umzug nach Florida

Samba, der Chefkomparse

Sambas großer Auftritt

Die anderen …

Der Riese Ben

Die goldenen Tiere

Ralph Helfer, der Helfer der Tiere

»Ben, sei bitte bitterböse!«

Alle Tiere lieben Ivan Tors

Auf die Palme wegen Flipper

Flipper, das Wunderkind aus dem Ozean

Telefon-Interview mit einem Star-Delphin

Flipper-Susie träumt von einem Baby

Dreharbeiten mit Judy

»Ich weiß nicht, Paula«, sagt der junge Mann gedehnt und bleibt stehen. »Irgendwie gefällt mir die ganze Geschichte nicht.«

Das hübsche Mädchen, das neben ihm durch den afrikanischen Dschungel geht, sieht den jungen Mann mit großen Augen an. »Aber ich weiß, warum dir die ganze Geschichte nicht gefällt, Jack. Weil sie nämlich Judy nicht gefällt.«

»Kann sein, Paula.«

Beide sehen sie Judy nach, der schwarzen Schimpansendame, die laut keckernd vor ihnen durch die Wildnis streift. Hin und wieder blickt sie sich nach den beiden jungen Menschen um. Aber hin und wieder sieht sie auch nach den beiden anderen — nach dem fremden Mann und der fremden Frau, die ihr folgen. Und dann ist ihr Blick gar nicht so zutraulich und freundlich. Dann sieht es eher so aus, als ob ihre dunklen Augen zornig blitzen und als ob sie ihre Zähne fletscht.

Die blonde Paula hält den jungen Mann ein wenig zurück. »Du, Jack — Judy ist so unruhig, nicht?«

»Ja, Paula. Ganz anders als sonst. Irgendwie feindselig.«

»Ja, ich glaube fast, sie will den kleinen Gorilla gar nicht finden.«

»Hm. Vielleicht so lange nicht, wie die beiden fremden Leute bei uns sind.« Er senkt seine Stimme. »Im Grunde, glaube ich, weiß sie längst, wo er ist. Er und …« Er bricht ab, beißt sich auf die Lippen.

Paula bekommt einen wachsamen Gesichtsausdruck. »Er und seine Affenfamilie, meinst du das? Seine Mutter zumindest? Ist es das, was du denkst, Jack?«

Jack packt sein Gewehr fester. »Paula, ich glaube immer weniger daran, daß diese fremden Leute wirklich einen kleinen Gorilla von den Eingeborenen gekauft und anschließend auf der Fahrt durch den Busch verloren haben. Ich denke jetzt eher, daß sie …«

Tapfer fährt Paula fort: »… daß sie gar nicht mit Eingeborenen verhandelt haben, sondern statt dessen vielleicht eine Gorillamutter angeschossen und versucht haben, ihr das Kleine zu nehmen …«

»So kann es gewesen sein, Paula!«

»Jack — das wäre gemein! Aber — wieso baten sie uns dann um Hilfe?«

»Weil sie wissen, daß wir Daktaris sind. Weil sie unsere ärztliche Hilfe brauchen, falls der kleine Gorilla verletzt sein sollte. Und weil sie unsere Judy brauchen, um an ihn herankommen zu können.«

Wieder keckert Judy laut und ärgerlich, so als ob ihr die ganze Geschichte überhaupt nicht gefällt.

»Bist du durch Judys Benehmen darauf gekommen, Jack?« fragt Paula Tracy, die Tochter des leitenden Arztes der Station.

»Ja — sieh doch in ihr wütendes Gesicht, Paula! In ihre zornigen Augen! Judy hat die Leute durchschaut, sie weiß, daß sie Schwindler sind! Vielleicht ahnt sie auch schon, wo der kleine Gorilla steckt. Aber sie denkt gar nicht daran, uns hinzuführen. Erst später, wenn wir diese merkwürdigen Leute los sind!«

Paula nickt. »Gut, Jack, dann bleib du jetzt in Judys Nähe, ich kümmere mich um die beiden Fremden. Vielleicht kann ich sie ablenken.«

»Okay, Paula — prima. Judy, komm her, Judy …«

»Halt, Jack!« donnerte eine Männerstimme aus dem Hintergrund.

___________

»Halt, Jack! Stop, Yale — die letzte Einstellung drehen wir nochmal! Deine Reaktion kam etwas zu schnell, Yale — Cheryl dagegen hätte spontaner reagieren müssen — du ja, ja, du warst in Ordnung, Judy, du warst große Klasse, wie immer!«

Zärtlich krault der Mann mit der Schirmmütze des Regisseurs den dunklen Kopf der Schimpansin, die sich an ihn schmiegt. »Ich bin ganz sicher, daß du deinen Part noch einmal genauso gut hinbekommst, Judy! Und jetzt geh zu deinem Herrchen!«

Das läßt sich Judy nicht zweimal sagen. Sofort läufl sie zu dem breitschultrigen älteren Mann in den Kulissen hinüber, der den großen Affen lachend in seine starken Arme nimmt. Er hält Judy eine Banane hin. »Gut gemacht, mein Kleines«, lobt er.

Judy fletscht die Zähne. Aber diesmal sieht es aus, als ob sie lacht. Und es sieht nicht nur so aus. Sie strahlt vor Stolz.

»Macht euch fertig, Ron«, ruft der Regisseur zu ihnen hinüber. »In fünf Minuten drehen wir weiter.«

»Okay, Boß«, antwortet Ron Oxley. Er läßt Judy erst einmal in aller Ruhe die Banane auffressen. Dann setzt er sie auf den Boden, nimmt sie bei der Hand und geht im Hintergrund des Studios bedächtig mit ihr auf und ab. Die ganze Zeit über redet er leise auf sie ein. Und sie nickt hin und wieder, so als ob sie sagen wollte, sie hätte es verstanden.

»Fertig, Ron?«

»Ja, fertig, Boß.«

»Na, dann komm mal wieder her zu uns, Judy!«

Und sie kommt. Nach einer letzten innigen Umarmung mit ihrem Herrn trottet sie zu den Filmleuten hinüber, baut sich gehorsam neben dem jungen Mädchen Paula auf und wartet auf ihren Einsatz. Da kommen auch schon die ersten halblauten Anweisungen der Kameraleute, der Beleuchter, der Ton-Ingenieure.

»Ruhe — bitte! Licht an, Kameras an, Ton ab!«

»Ton läuft!«

»Klappe!«

Die Klappe wird vor Judys Nase zusammengeschlagen. 4. Szene 2. Einstellung. Untertitel: »Judy und der kleine Gorilla.« Name der Sendung: »DAKTARI«.

Judy wird berühmt

Daktari — das ist eine der großen, international bekannten und beliebten Fernsehserien, in denen Tiere neben den menschlichen Darstellern die Hauptrollen spielen. Daktari — das heißt »Doktor« auf Suaheli, der Sprache der Afrikaner. Daktari — das ist die spannende Geschichte der Buschärzte auf ihrer Urwald-Station, die kranke oder angeschossene wilde Tiere heilen.

Tiere aus dem unwegsamen Dschungel Afrikas. Einst wilde Tiere, die inzwischen gezähmt und dressiert wurden. Daktari — das ist eine Serie, die seit vier Jahren im amerikanischen und seit Januar 1969 auch im deutschen Fernsehen läuft.

Die Schimpansin Judy gehört zu dieser großen Tier-Schauspieler-Familie. Sie ist einer der Stars. Aber sie zeigt weniger Star-Allüren als so mancher Menschen-Star in Schauspielerkreisen.

Judy mit dem großen Schauspiel—Talent kam vor etwa sieben Jahren im afrikanischen Busch von Kenia auf die Welt. Mit zwei Jahren wurde sie von Eingeborenen gefangen und verkauft. Ihr neues Heim fand sie in der Wohnung eines älteren amerikanischen Ehepaares, das eine ganze Menge von Tieren wußte, nicht aber, wie man ein Affenmädchen erziehen sollte, das sich in der guten Stube so benahm, als wäre es im afrikanischen Busch.

Da sich das lebhafle Tier in der Wohnung langweilte und keinen Spielgefährten fand, spielte es eben mit sich selbst. Und zwar: wildgewordener Affe. Das konnte Judy damals noch am besten. Nachdem von der Wohnung nicht mehr sehr viel übriggeblieben war, entschloß sich das überforderte Ehepaar, sich von dem Wildling zu trennen. Man gab Judy in den kalifornischen Tierpark »Afrika, USA« in der Nähe von Hollywood, etwa sechzig Kilometer von Los Angeles entfernt, wo sich das Wameru-Tier-Institut befindet.

Tierpark und Tier-Institut gehören dem tierliebenden Ungar-Amerikaner Ivan Tors, der vor rund sieben Jahren damit angefangen hat, aus seinem unergiebigen, aber paradiesischen und afrika-ähnlichen hundert Hektar großen Besitz ein Paradies für gezähmte Wild-Tiere zu machen.

So gelangte Kenias wildestes Äffchen in die sanften Hände jenes Mannes, der aus ihm machte, was Judy heute ist: ein anerkannter, gutverdienender und von groß und klein auf der ganzen Welt geliebter Tele-Star.

Interview mit Judy, einer Schimpansen-Dame

Reporter: »Judy, Sie sind ein weltbekannter und beliebter Fernsehstar. Sie haben in wenigen Jahren eine ganz tolle Schauspieler-Karriere gemacht. Sie …«

Judy: »Ich weiß, ich weiß. Namen geschaffen. Reich und berühmt geworden. Kann mir jeden Wunsch erfüllen. Wollten Sie doch sagen, nicht?«

Reporter: »Hm, ja — eigentlich …«

Judy: »Geben Sie mir bitte Ihre Bananen!«

Reporter: »Bitte sehr. Ich hatte sie Ihnen sowieso geben wollen.«

Judy: »Und die Nelken? Sind die nicht auch für mich?«

Reporter: »Natürlich. Ich wollte nur zuerst …«

Judy: »Warum geben Sie sie mir dann nicht?«

Reporter: »Bitte sehr — hier — aua …«

Judy: »Verzeihen Sie den kleinen Kratzer. Aber ich habe einen Affenhunger. Ich habe heute morgen noch nicht gefrühstückt. Ich mußte ja so früh raus. Ihretwegen!«

Reporter: »Das tut mir leid. Aber eigentlich — ich meine: es geht doch schon auf Mittag zu …«

Judy: »Für mich ist das früh. Ich pflege immer gegen elf Uhr aufzustehen. Dann brauche ich so meine Zeit. Ich bin nämlich eine Abendschönheit. Ein Nachtmensch. Ein Morgenmuffel.«

Reporter: »Aha. Und was machen Sie so zwischen Aufstehen und der Zeit, bis Sie richtig da sind?«

Judy: »Ich komme langsam zu mir. Ich frühstücke. Ich wasche mich.«

Reporter: »Und was frühst’ücken Sie so — außer Bananen und Nelken?«

Judy: »Bananen und Nelken; Dazu: ein paar Pfund Obst, von allen Sorten etwas. Dazu: zwei, drei Tassen starken Kaffee. Dazu: meinen traditionellen Pfannkuchen. Dazu: mein erstes Gläschen Saft. Dazu: meine erste Schokolade… Und wenn das mal nicht reicht, dann muß ich mir noch einen Kuchen besorgen.«

Reporter: »Hm, besorgen?«

Judy: »Ja, besorgen. Ich weiß schon, wie. Na, und danach wasche ich mich eben.«

Reporter: »Wie?«

Judy: »Sind Sie aber neugierig! Mit Seife! — Aber gut, damit Sie nicht glauben, ich führe einen Affenstall-Haushalt: Zuerst mache ich gründliche Fellwäsche. Dann reihe ich meinen teuren Körper mit wohlriechendem Öl ein. Und dann putze ich mir ausgiebig die Zähne. Danach gehe ich dann arbeiten.«

Reporter: »Endlich, Judy! Ich hätte jetzt gern gewußt: wieviel Filme — wieviel Geld — wieviel …«

Judy: »Wollen Sie das auch noch wissen?«

Reporter: »Eigentlich will ich das die ganze Zeit über wissen!«

Judy: »Na, schön. Aber schnell, ich hab ehrlich Hunger. 18, 30 000, was war noch?«

Reporter: »Wie bitte?«

Judy: »Achtzehn Filme habe ich gedreht! Wieviel Fernsehfolgen das gibt, ist noch gar nicht abzusehen. 30 000 Mark bekomme ich pro Rolle. 1000 Dollar für jeden Drehtag für meinen Trainer und mich. Noch was?«

Reporter: »Ist es wahr, daß Sie bei der berühmten englischen Versicherungs-Gesellschafl Lloyd’s für 400 000 Mark gegen Unfall versichert sind?«

Judy: »Ist wahr.«

Reporter: »Judy, Sie sind das, was man bei uns Menschen einen Millionär nennt. Haben Sie auch das, was menschliche Millionäre ein Lüxusleben nennen?«

Judy: »Jawohl. Ich besitze einen eigenen Wohnwagen mit Klimaanlage, Wasserversorgung und modernstem Mobiliar.«

Reporter: »Nun, Ihr Glück ist Ihnen sicher nicht in den Schoß gefallen, Judy. Sie inüssen hart dafür arbeiten, nicht wahr?«

Judy: »Kann man wohl sagen. Schließlich beherrsche ich 75 verschiedene Kunststücke! Und ich verstehe die Anweisungen meines Trainers und meines Regisseurs in fünf Sprachen. In Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch. Als Affe von heute muß man ja ganz schön auf Zack sein.«

Reporter: »Das sind Sie sicher, Judy. Und deshalb ist Ihre Zeit auch kostbar. Nur eine letzte Frage noch: was sind Ihre Hobbys?«

Judy: »Bananen, Nelken, Säfte. Und — Interviews.«

Reporter: »Vielen Dank, Judy, für das Kompliment. Und viel Erfolg weiterhin. Sicher gehen Sie jetzt an Ihre Arbeit.«

Judy: »Genau. Ich gehe jetzt frühstücken. Tschüß!«

Reporter: »Ich danke Ihnen für das Gespräch, Judy. Und ich danke Ihnen, Bob Edison, dafür, daß Sie in Ihrer Eigenschaft als Judys Privat-Sekretär alle Fragen und Antworten so schön übersetzt haben.«

Judy, der Telestar

»Afrika, USA« — das ist heute ein Markenartikel für alle Fernsehstationen der Welt. Ein Gütezeichen für Qualität und Beliebtheit.

Ivan Tors’ Tierfarm wird von rund 600 vierbeinigen, pelztragenden, gefiederten und schwimmenden zahmen Wild-Tieren bevölkert: darunter sind Löwen, Tiger, Panther, Bären, Büffel, Elefanten, Kamele, Zebras, Giraffen, Nashörner, Affen, Haie, Wale und Delphine. Seine Fernsehtiere haben Ivan Tors bisher über 50 Millionen Mark an Gagen eingespielt. Etwa 60 Mitarbeiter helfen Ivan Tors, alle diese Tiere zu zähmen und zu betreuen und die Filme mit ihnen zu drehen. In »Afrika, USA« wird ein Großteil aller amerikanischen Fernseh-Tierfilme hergestellt. Von hier aus wird die ganze Welt beliefert: zunächst Amerika, dann Europa, Asien, Australien, sogar Afrika. Rund 90 Prozent aller Fernsehserien, in denen Tiere Haupt- und Nebenrollen spielen, werden in diesem Tierparadies produziert.

Die »großen Tiere« der Fernsehwelt gehen in »Afrika, USA« in den Tier-Kindergarten, in die kleine Tierschule, in die große Schauspielschule für Tiere, in die Trainingscamps, um topfit zu bleiben, auch wenn sie schon Stars geworden sind. Selbst wenn sie es bereits geschafft und Karriere gemacht haben, kehren sie in regelmäßigen Abständen auf die Farm zurück, um hier weiter zu lernen und sich für neue Rollen in Form zu bringen.

Von den 60 berühmtesten Schülern der Farm sind die allerberühmtesten: der Collie Lassie, der Delphin Flipper, die Schimpansin Judy, der schielende Löwe Clarence, der Bär Ben, der Hund Higgins und das Schwein Arnold.

Sie alle bekommen, genau wie ihre großen menschlichen Kollegen, Post von ihren Fans. Ganze Waschkorbladungen gehen manchmal für die Fernseh-Tiere ein. Ein Stab von Sekretärinnen ist nur damit beschäftigt, die Briefe der Tier-Fans aus aller Herren Ländern zu beantworten.

Zum Beispiel diesen Brief eines Japaners an Judy: »Liebe Judy! Ich bin so begeistert von Ihnen, daß ich immer an Ihrer Seite sein möchte! Könnten Sie nicht veranlassen, daß man mich als Tierwärter in Ihrem Tierpark einstellt?«

Oder diesen Brief einer Dame aus Chile: »Judy — möchtest du nicht die Ehe mit meinem Schimpansen Johnny einghen? Er ist so zärtlich und liebebedüftig! Und er sitzt immer sehnsüchtig vor dem Bildschirm, wenn deine Sendung läuft!«

Oder diesen Brief eines kleinen Jungen aus Deutschland? »Ich hab’ dich so lieb, Judy, daß ich dir etwas schenken möchte. Was hast du lieber: Bananen oder Nüsse? Schreib es mir schnell! Und leg bitte ein Foto von dir dazu, möglichst mit deinem Autogramm!«

Aus dem kleinen Busch-Wildling ist in kurzer Zeit ein berühmter Fernsehstar geworden. Judy verdient ein Ministergehalt.

Aber ihr einziger Luxus ist ein eigener Wohnwagen! Ein Prunkstück von einem Wohnwagen, in den sie sich zurückziehen kann, wann immer ihr das Leben zu affig wird. Um sich zwischen den Dreharbeiten zu entspannen. Auf der gemütlichen Couch, bei leiser Musik, bei einer Banane oder manchmal bei einem Glas Tee …

Ist dem Affen der Erfolg zu Kopf gestiegen? Ist er vielleicht arrogant geworden? Benimmt er sich manchmal affiger als früher?

Herrchen und Trainer Ron Oxley schüttelt lächelnd den Kopf. »Oh, nein — Judy ist noch immer genauso neugierig und interessiert wie früher, wenn es darum geht, etwas Neues kennenzulernen und auszuprobieren. Von Star-Allüren keine Spur! Ganz im Gegenteil: Sie überschlägt sich manchmal sogar vor Eifer. Und ihre gelegentlichen Improvisationen während der Dreharbeiten sind teilweise gefürchtet, weil die menschlichen Darsteller und die Filmleute oft nicht wissen, wie sie darauf reagieren sollen — so ganz ohne vorherige Absprache mit Judy!«

Und das sieht dann so aus:

Judy gibt eine Sondervorstellung

Ein ganz normaler Drehtag für eine weitere Folge der Daktari-Serie. Drehort: »Afrika, USA«. Alle menschlichen Darsteller sind schon zur Stelle. Auch alle Filmleute. Fehlt nur noch der Star persönlich. Endlich kommt er. Das heißt: er kommt nicht — er erscheint: Judy.

Wenn Judy am Drehort erscheint, wie gesagt: erscheint, scharen sich sofort alle Anwesenden um sie. »Hallo, Judy! Wie geht es dir?« — »Hast du gut geschlafen?« — »Hast du gut geträumt?« — »Hast du gut gegessen?« — »Hast du gute Laune, Judy?«

Sofort ist Judy Mittelpunkt. Besonders die letzte Frage ist überaus berechtigt.

»Hast du gute Laune, Judy?«

Zwar hat Judy von Hause aus immer gute Laune. Aber manchmal wird sie von einer Art Migräne geplagt. Sie ist nämlich sehr wetterfühlig und reagiert besonders sensibel auf die unterschiedlichen Temperaturen Kaliforniens. Gerade an solchen Migräne-Tagen hilft ihr dann die Aufmerksamkeit schneller über ihr »Diva-Leiden« hinweg.

Auch heute hat sie gute Laune. Der Regisseur des Fernseh-Streifens erklärt Judys Herrchen, was sie in der nächsten Szene zu tun hat. Danach heißt es: zwanzig Minuten Pause für alle. In dieser Zeit zeigt Ron Oxley seinem klugen Tier alles, was es vor der Kamera machen soll — und Judy macht ihm alles brav nach. Nach zwanzig Minuten sitzt die Rolle.

Nun beginnt das eigentliche Spiel vor den laufenden Kameras und den grellen Jupiterlampen. Und zusammen mit Chef-Daktari Marshall Thompson und dessen Film-Tochter Paula. Judy macht alles ganz genauso, wie sie es zuvor geprobt hat.

Aber manchmal ist es ihr ein wenig zu einfach — zu langweilig. Sie findet, sie könnte gut noch ein bißchen mehr aus ihrer Rolle machen. Leider kann sie jetzt keinen ihrer Kollegen fragen, also beschließt sie einfach, geringfügige Änderungen einzubauen, die ihrer eigenen Rolle nur zugute kommen können. Sie improvisiert plötzlich. Sie macht kleine Scherzchen am Rande, fügt interessante Zwischenhandlungen ein und schneidet Grimassen, die nicht in ihrer Filmrolle stehen.

Solange sich die Menschen rings um sie nicht aus der Ruhe bringen lassen, ist alles in Ordnung. Wehe aber, wenn einer der Beteiligten — ob nun Schauspieler oder Kameramann, Beleuchter oder Ton-Ingenieur — anfängt, über Judys Extravorstellungen zu lachen!

Dann ist es aus. Gelächter, also offenen Applaus, empfindet Judy nämlich als Aufforderung zu weiteren Solo-Vorführungen. Jetzt legt sie sich erst richtig ins Zeug.

Nun spielt Judy ihre Rolle wirklich nach eigenem Geschmack weiter. Es ist bald nicht mehr die Rolle, die sie eigentlich einmal war. Es ist überhaupt eine völlig neue Szene, ein anderer Film — nicht schlecht, sehr gut sogar —, bloß leider kommen die Menschen da nicht richtig mit …

An diesem Punkt spätestens muß das Spiel abgebrochen und die Szene neu gedreht werden. Wobei jedoch der kluge Regisseur nicht etwa dem einfallsreichen Affen die Schuld daran gibt, sondern jenem lachenden Menschen, der sich nicht beherrschen konnte und das Tier aufforderte, sich in seine Rolle hineinzusteigern.

Deshalb heißt das oberste Gebot für alle Menschen, die eine Fernseh-Aufzeichnung mit Judy machen:. »Nicht lachen, chen, Kinder, auch wenn Judy noch so komisch ist! Lacht später! Lacht, wenn die Szene im Kasten ist! Auch, wenn das gar nicht so leicht ist. Aber schließlich — ihr seid doch Schauspieler — oder …?«

So was läßt man sich natürlich nicht gern sagen. Lieber verkneift man sich da mal das Lachen.

Judy und ihre »Kollegen«

Wie ist das Verhältnis der menschlichen Schauspieler zu dem Schauspiel-Affen? Sind die Akteure manchmal eifersüchtig auf Judys Erfolg? Empfinden sie das Tier nicht als Rivalen?

Der amerikanische Schauspieler Marshall Thompson, der den »Dr. Marsh Tracy« in den Daktari-Folgen spielt, meinte auf diese Frage: »Es gibt bei uns Schauspielern die traditionelle Meinung, daß man besser nicht mit Kindern und Tieren zusammen auftreten sollte. Ganz einfach deshalb, weil Kinder und Tiere jedem erwachsenen Schauspieler die Schau stehlen. Es ist richtig, daß speziell unsere Tiere aus Daktari schnell bei groß und klein in aller Welt berühmt geworden sind. Aber es stimmt auch, daß wir menschlichen Schauspieler, die vorher nur in kleinerem Kreis bekannt waren, mit ihnen weltweit bekannt geworden sind. Mit diesen Tieren kommen wir schneller nach oben als vielleicht aus eigener Kraft.«

Eine ehrliche Antwort. Genauso ehrlich wie die seiner Filmtochter Paula Tracy, mit richtigem Namen Cheryl Miller. Sie antwortete: »Daran denke ich gar nicht, ob wir einander an die Wand spielen. Ich liebe diese Tiere. Und ich weiß, daß sie mich auch mögen. Die Arbeit mit ihnen ist die schönste Filmarbeit meines Lebens.«

Und die kleine Brie Moran, die kindliche Hauptdarstellerin aus einigen Daktari-Folgen, die so alt wie Judy ist, meint unbekümmert: »Judy ist für mich gar kein Affe. Judy ist ein Kind wie ich. Als wir uns zum erstenmal sahen, liefen wir aufeinander zu und nahmen uns in die Arme, wie das zwei kleine Mädchen tun, die sich mögen. Judy ist einfach meine Freundin.«

Soweit die menschlichen Kollegen. Sie alle lieben Judy und fühlen sich durch ihren Erfolg nicht überrollt. Wie aber steht es mit den anderen Tieren? Mit Judys Tier-Partnern? Mit den Elefanten und Büffeln und Tigern und Bären? Und wie vor allem mit den Löwen? We kommt Judy mit den Löwen klar?

Ganz besonders mit einem der Löwen. Mit jenem Löwen, der ebenfalls ein Star aus Daktari und genauso berühmt ist wie der Schimpanse: Clarence, der schielende Löwe, der riesige, zahme Wüstenkönig mit dem Silberblick, der seine Augen so herrlich verdrehen kann.

Sind Judy und Clarence vielleicht aufeinander eifersüchtig? So wie das bei zwei menschlichen Stars, die einander den Rang ablaufen, manchmal der Fall ist? Können sich der Schimpanse Nummer eins und der Löwe Nummer eins überhaupt leiden?

Dazu weiß Ron Oxley, Judys Trainer, zu berichten: »Für ein paar Wochen kam ich mit Judy allein zu einer Zirkus-Welt-Tournee nach Europa. Es war das erste Mal, daß sich der Schimpanse vom Tierpark ›Afrika, USA‹ trennen mußte. Judy war plötzlich vollkommen verändert. Die Trennung von Clarence ist ihr echt an die Nieren gegangen. Wochenlang trauerte sie ihm nach. Die beiden hatten sich aneinander gewöhnt wie — wie Geschwister. Und sie haben ja auch nicht nur vor der Kamera miteinander zu tun. Sondern auch privat, also in ihrer Freizeit. Sie sind nicht nur Kollegen, sonder dicke Freunde. Wie oft habe ich erlebt, wenn ich zu Judys Wohnung kam, daß Judy auf den Stufen hockte und der Löwe im Sand zu ihren Füßen lag! Sie sahen sich aufmerksam an. Und ich glaube, sie führten ein richtiges gutes Gespräch miteinander. Ein Gespräch von Tier zu Tier …«

Judy und Clarence, die beiden Freunde

Judy: »Wie schön, daß du mich wieder einmal besuchst, Clarence! Wie geht es dir, alter Junge?«

Clarence: »Danke, Judy, gut. Und dir?«

Judy: »Das Wetter macht mir mal wieder zu schaffen! Na, du kennst ja meine Migräne.«

Clarence: »Ich weiß. Arme Judy! Das hat man dir aber heute bei den Dreharbeiten gar nicht angemerkt! Du warst großartig, Judy!«

Judy: »Vielleicht weil du mir so gut über die Runden geholfen hast, Clarence! Ich fand dich auch phantastisch! Und ich habe gehört, wie Ivan Tors gesagt hat, du wärst in Hochform! Willst du einen Kaffee?«

Clarence: »Danke nein, Judy! Mein Magen — weißt du. Typischer Manager-Krankheits-Magen. Ich mache deshalb zur Zeit eine Milchkur.«

Judy: »Milch — huh, schrecklich! Nicht meine Hausmarke. Milch kann ich mir nur in Form von Kühen vorstellen. Aber, Hauptsache, sie bringt dich wieder auf die Pranken, Clarence. Sag mal, Junge, ist es eigentlich wahr, daß du gar nicht Clarence heißt? Sondern — Freddie?«

Clarence: »Schon mal was von einem Künstlernamen gehört, Judy?«

Judy: »Klar, Clarence. Was die Menschen können, können wir schließlich auch, nicht wahr? Übrigens — hast du heute abend was Besonderes vor?«

Clarence: »Ich will ein bißchen fernsehen, Judy. Im Unterhaltungsprogramm läuft heute ›Mein Freund Ben‹. Ich bin ein echter Ben-Fan. Du weißt doch, das ist dieser große Braunbär, der …«

Judy: »Mensch, Clarence, das weiß ich selbst! Ich kenne Ben sogar persönlich! Wir sind uns bei irgend so einer Preisverleihung mal vorgestellt worden! Das ist ein duftcer Kumpel. Übrigens ist er im Augenblick hier in ›Afrika‹. Er sagt, er muß mal wieder ein bißchen trainieren, um fit zu sein. Er hätte zu lange auf der Bärenhaut gelegen.«

Clarence: »Wo soll er denn auch sonst liegen, Judy? Aber hör mal, ich kenne Ben nur flüchtig — könntest du nicht ein zufälliges Treffen arrangieren?«

Judy: »Klar, Clarence. Kleinigkeit für mich! Ich geh nachher mal rasch zu ihm rüber, oder ich ruf ihn einfach an? Wir könnten uns vielleicht morgen nach Drehschluß bei mir treffen, was? Ich hab noch etwas Saft für mich und einen Löwenanteil Milch für dich — und der Ben wird scharf auf Honig sein, wie? Hoffentlich hat er nicht ’nen Bärenhunger.«

Clarence: »Manchmal bist du ganz schön affig, Judy! Aber — ich mag dich trotzdem.«

Judy: »Paß auf, daß ich dir nicht morgen unsere große Kämm-Kosmetik-Szene schmeiße, Clarence!«

Clarence: »Alter Afle, du!«

Judy: »Mach das bitte doch nochmal — das mit deinen Schielaugen, Clarence!«

Clarence: »Nein! Ich denke gar nicht dran!«

Judy: »Oh, wunderbar! Danke, Clarence, danke! Und dann — bis morgen früh!«

___________

Die Kämm-Kosmetik-Szene am nächsten Morgen wird ein großer Doppel-Erfolg für Judy und Clarence.

Clarence, der schielende Löwe, liegt im hohen Steppengras und läßt sich von Judy, der Schimpansin, kämmen. Vor ihm steckt ein Handspiegel im Gras, und so kann Clarence gut mitansehen, Wie Judy mit einem großen Kamm in seiner Mähne herumfuhrwerkt. Es muß ein angenehmes Gefühl für ihn sein. Denn so langsam fallen ihm die schielenden Augen zu. Und dann schläft er ganz ein. Sein Schnarchen dröhnt weit über den Platz.

Die dieses Tier-Idyll umstehenden Menschen — Schauspieler und Filmleute — halten den Atem an. Nicht aber ihre Kameras. Eine entsprechende Handbewegung des Regisseurs bedeutet den Kameraleuten: »Weiterkurbeln! Drehen, was das Zeug hergibt!«

Der gekämmte Löwe träumt sicher einen wundervollen Traum, der bestimmt nichts mit Löwen, freier Wildbahn und Anschleichen auf eine Rinderherde zu tun hat. Der kämmende Affe dagegen versenkt sich regelrecht in seine menschliche Mutterrolle.

Wirklich? Oder aber — spielen sie nur? Halten sie die staunenden Menschen zum Narren?

Denn in der Sekunde, in der Judy den Kamm sinken läßt, stellt Clarence sein Schnarchen ein und schlägt seufzend seine Augen auf. Beide Tiere heben ihre Köpfe und blicken zu den Filmleuten hinüber. Beide lachen mit weitgeöffneten Mäulern und glänzenden Augen. Na, wie haben wir das gemacht? Habt ihr auch schön mitgekurbelt? Waren wir nicht wieder mal einsame Spitzenklasse?

Judy springt hoch, hüpft um Clarence herum, klatscht in die Hände. Dabei spricht sie ununterbrochen auffordernd auf ihn ein. Tatsächlich erhebt sich Clarence nach einer Weile träge, aber brav, brummt ein bißchen und trottet dann gehorsam hinter seiner Affenfreundin her.

»Afrika, USA«

Er war ziemlich sauer, als er nach »Afrika, USA« kam, der kleine Affe aus Kenia. Er war in Afrika immer gescholten worden. Und manchmal sogar geprügelt. Und richtige Liebe hatte er nie kennengelernt.

»Die kleine Schimpansin war ein Biest mit dem Teufel im Leib«, sagen ihre ersten Tierpfleger und Trainer noch heute, wenn sie an die Anfänge von Judy zurückdenken. »Ein Bösewicht, ein Wildling aus dem Busch, die reinste Landplage. Aus allem, was sie in die Pfoten bekam, machte sie Kleinholz. Sie war bloß sehr erstaunt darüber, daß sie deshalb nicht von uns betraft wurde.«

Tatsächlich hörte die ungestüme Judy in ihrer neuen Heimat von Anfang an kein einziges böses Wort. Sie wurde nicht ein einziges Mal geschlagen. Sie erfuhr von den neuen Menschen, mit denen sie lebte, nur Liebe und Zärtlichkeit und unendlich viel Geduld. Darüber war sie so verwundert, daß sie ihre Lausbubenstreiche glatt vergaß.

»Alle unsere Tiere«, sagt Ivan ‘Tors, der Besitzer von »Afrika, USA«, »wachsen in einer Atmosphäre der Liebe, Geduld und Sympathie auf.«

So gibt es beispielsweise keine Peitsche und keinen Stock auf der Farm. Nur die beruhigende Stimme der Menschen. Ihre Furchtlosigkeit den Raubtieren gegenüber. Ihre Geduld im Spiel mit ihnen. Und ihre streichelnden Hände.

Sie machen aus den ungebärdigsten Gesellen des Urwalds und der Steppe die zahmsten und friedlichsten Burschen. Und es kann geschehen, daß es manchmal die größte Mühe kostet, um die Tiere böse erscheinen zu lassen, wenn eine Fernseh-Rolle einen Bösewicht erfordert.

Judy begreift jedenfalls schon sehr schnell, daß die Menschen es gut mit ihr meinen. Von nun an folgt sie ihren menschlichen Lehrern bereitwillig. Denn von nun an macht ihr alles Spaß.

Ehe sie aber anfangen kann, die Menschen zu lieben und zu verstehen, muß sie lernen, die Tiere zu begreifen und zu mögen. Die anderen Tiere, die wild sind wie sie. Und aus dem Busch wie sie.

»Wenn unsere Tiere noch ganz jung sind, bringen wir jeweils zwei aus verschiedenen Arten zusammen«, sagen die Tierpfleger. »Sie leben von nun an miteinander. Im harmlosen Spiel lernen sie, einander nicht zu jagen.«

So beginnt der Affe Judy schon früh damit, den Löwen Clarence zu lieben. Und so beginnen die jungen Affen und Löwen, Bären und Elefanten, Giraffen und Tiger, die vielleicht die großen Fernseh-Tiere von morgen sein werden, überall auf der Farm, einander gernzuhaben.

Erst, wenn sie die anderen Tiere akzeptieren, dürfen sie damit anfangen, sich auch an die Menschen zu gewöhnen. Dann verlassen sie ihr KäfigJében zu zweit und werden versetzt in den »Kindergarten« des Tierparks. Das ist dann gewöhnlich der Beginn einer Karriere, einer Tier-Karriere, auf deren Höhepunkt sich heute Judy und Clarence befinden.

»Daktari« auf dem Bildschirm

Klaus: »Tag, Bernd — du, ich hab gestern …«

Bernd: »Hast du gestern ›Daktari‹ gesehen, Klaus?«

Klaus: »Ja, das will ich dir doch gerade sagen, ich hab …«

Bernd: »Erzähl mal, Klaus! Was war diesmal los? Hat Judy mitgespielt? Und Clarence? Und hat …«

Klaus: »Also, jetzt setz dich erst mal hin, Bernd. Und nun paß auf. Der Dr. Tracy schickt seine Leute raus in den Busch, damit sie dort die Strauße beobachten, die ihre Eier gelegt haben. Mike und Jack fahren also mit ihrem Kombiwagen los. Und sie finden ein Straußen-Gelege, von dem der Hahn runter ist, und die Eier sind ganz allein …«

Bernd: »Wieso der Hahn? Du meinst wohl die Henne!«

Klaus: »Irrtum, bei den Straußen brüten die Hähne und nicht die Hennen!«

Bernd: »Oh! Und warum ist der Hahn weggegangen?«

Klaus: »Der ist nicht weggegangen, der ist von einem Gepafden gerissen worden.«

Bernd: »Ooch …«

Klaus: »Ja, nun wollen die Daktari-Leute die Eier retten, nicht — aber, wie? Zum Glück haben sie Judy bei sich und Clarence. Und der Clarence hat ein so schönes dickes und warmes Fell. Und die Küken in ihren Eiern brauchen viel Wärme, wenn sie ausschlüpfen sollen. Und deshalb legen sie nun den Clarence in eine Sandkuhle und packen ihn ringsum mit den Eiern voll. Ganz dicht an sein Fell heran, verstehst du, wegen der Wärme.«

Klaus: »Kaputt dürfen die Eier natürlich nicht gehen. Und deshalb bewegt sich der Clarence nur ganz, ganz vorsichtig. Und immer, wenn ihm aus Versehen mal ein Ei verrutscht, dänn kommt die Judy angesaust und schiebte es ihm wieder zu.«

Bernd: »Das ist aber lustig!«

Klaus: »Na, weißt du, so lustig ist das gar nicht! Weil Clarence eben doch nicht richtig brüten kann. Die Eier kühlen immer mehr ab. Das bedeutet den Tod der kleinen Küken Und dagegen hilft nur eines: es muß unbedingt ein neuer Straußenhahn her! Mike, Jack und Judy fahren mit dem Wagen los, um einen Straußenhahn Zu suchen. Tatsächlich sehen sie eine Menge Strauße, aber sie haben keine Ahnung, Wie sie einen fangen sollen. Na, schließlich fällt Judy was ein.«

Bernd: »Typisch für Judy!«

Klaus: »Während Mike und Jack noch "überlegen, schnappt sich Judy ein Halstuch aus dem Wagen und pirscht sich damit an einen Straußenhahn heran. Im richtigen Moment springt sie von hinten auf den Strauß, setzt sich auf den langen Hals und verbindet dem Strauß blitzschnell die Augen.«

Bernd: »Warum denn das?«

Klaus: »Weil du keinen wilden Sträuß auf der ganzen Welt dazu bringst, sich von dir reiten zu lassen. Judy kennt sich mit solchen Tricks aus. Und sie weiß, man kann jeden Strauß dorthin reiten, wohin man ihn haben will, wenn er nichts sehen kann und wenn man ihn geschickt lenkt.«

Bernd: »Ach, so! Und nun reitet Sie ihren Strauß zum Löwennest?«

Klaus: »Genau. Dort setzen Mike und Jack den blinden Hahn auf die Eier, aber der will wieder hoch und nix wie weg. Er hat Angst. Mike und Jack halten ihn eine Weile fest, bis er sich endlich beruhigt und still hält.«

Bernd: »Und — und …?«

Klaus: »Sie müssen es wagen. Judy bindet ihm also das Tuch ab, und Clarence drückt die Pfoten. Der Strauß guckt verdutzt — und dann: Glück gehabt! Er bleibt sitzen, schaut sich die Eier an und beginnt zu brüten.«

Bernd: »Prima, Klaus! Und damit ist die Geschichte zu Ende?«

Klaus: »Noch nicht ganz, Bernd. Am Schluß sieht man, wie sich der Strauß von dem Gelege erhebt, und wie zwanzig kleine Strauße zwischen den Eierschalen herumkrabbeln. Und Judy und Clarence stehen drumrum und gucken so bedeppert, als ob sie die Eltern wären.«

Bernd: »Das sind sie ja eigentlich auch! Clarence hat schließlich gebrütet. Und Judy hat den Stiefvater organisiert!«

Clarence bei der Arbeit

»Clarence!«

Ralph Helfer steht hinter dem Löwen in seinem Käfig und gibt ihm einen leichten Klaps auf das schmalhüftige, goldbraune Hinterteil.

»Clarence, komm, mein Lieber! Auf geht’s! Du bist wieder mal an der Reihe! Deine Szene …«

Clarence erhebt sich mit einem abgrundtiefen Seufzer. Nicht, daß er nicht zur Arbeit will. Aber er hat gerade eben so schön geträumt.

Von einer blühenden, duftenden, blumenwogenden Wiese. Von lauter flauschigen Schafen. Und von sich selbst auf dieser Wiese, zwischen diesen Schafen — Clarence, mitten drin im großen Sommerglück.

Aus der Traum! Na, er wird sich bemühen, beim nächsten Nickerchen genau da weiterzuträumen, wo soeben der Traumfilm gerissen ist. Aber jetzt muß er erst einmal arbeiten — wenn’s auch schwerfällt.

Bedächtig tappt Clarence hinter seinem Herrn und Trainer her. Hinüber zu den Filmleuten, die schon auf ihn warten.

»Also, Clarence, paß auf!« Ralph Helfer kniet sich neben den Löwen, der ihn aufmerksam betrachtet. »Der Film, den wir jetzt drehen, heißt ›Die Mutprobe‹. Diese Mutprobe soll ein junger Häuptlingssohn vor seinem strengen Vater ablegen. Und du mußt ihm dabei helfen, die Angst vor wilden Tieren zu verlieren, indem du ihm gegenüber sanft und lammfromm bist. Seinem Vater, dem Häuptling, gegenüber jedoch müßt du furchtbar Wild tun und eben ein richtiger Urwaldlöwe sein. Verstehst du, Clarence?«

Clarence verdreht seine Augen zum Zeichen dafür, daß er verstanden hat.

Ralph lachtund streicht zärtlich über die prachtvolle dichte Löwenmähne seines Lieblings. »Fein. Du schleichst dich also jetzt in diesen Busch da drüben, gleich wird dich der junge Häuptlingssohn dort entdecken — und da sein Vater euch heimlich von hinten belauscht — brüllst du furchterregend laut, reißt dein Maul auf, rollst deine Augen, hebst eine Vorderpranke und — na, du weißt schon …«

Clarence richtet sich auf. In seinen eben noch so friedlich blickenden Augen brennt plötzlich ein gefährliches Feuer.

»Ok, boys, wir sind soweit!« ruft Ralph Helfer und springt auf seine Beine. Die Lampen leuchten auf, die Kameras surren und der Ton läuft an. Und vor Clarence wird die Klappe zusammengeschlagen:

»7. Szene, 1. Einstellung. ›Die Mutprobe‹. Hauptdarsteller: Clarence, der schielende Löwe. ›Daktari‹.«

___________

Auf der Wameru-Station im tiefsten afrikanischen Busch wird ein junger Eingeborener eingeliefert. Man hat ihn im Steppengras gefunden. Er ist schlimm zugerichtet.

Mike, einer der Daktaris, ein freundlicher, dunkelhäutiger junger Buschdoktor, leistet ihm Erste Hilfe. »Mit wem bist du denn aneinandergeraten«, fragt er seinen Patienten kopfschüttelnd.

»Mit einem Leoparden, Daktari …«

»Nun sag mal, wie ist denn das passiert?«

»Mein Vater …« Weiter kommt der Junge nicht. Er wimmert vor Schmerzen. Der Gedanke an seinen Vater scheint ihn noch zusätzlich zu quälen.

»Nun sei mal ganz ruhig, mein Junge«, beruhigt Mike ihn. »Ich helfe dir ja. Ich bring dich schon wieder auf die Beine.« Während Mike den Jungen versorgt, erfährt er die ganze Geschichte.

Um seinem Vater, dem gestrengen Häuptling Kukuia, seinen Mut zu beweisen, sollte Häuptlingssohn Ngaio im Busch ein Raubtier erlegen. Aber dort kam es zu einem blutigen Kampf mit einem Leoparden, der den Jungen übel zurichtete.

»Nun paß mal gut auf, Ugaio«, sagte Daktari Mike, als er die ganze Geschichte des Jungen kennt und seine Wunden verbunden hat. »Ich kann mir gut vorstellen, wie verzweifelt du jetzt bist. Erstens die Sache mit deinem Vater. Und zweitens die Sache mit der Angst. Ich könnte nämlich wetten, vorher hattest du gar keine Angst. Ist es nicht so?«

Ngaio senkt seinen Kopf. Er nickt beschämt. »Ja, es ist so, Daktari …«

»Siehst du — dasist unser Feind. Deine Angst. Nicht dein Vater. Deinen Vater können wir überzeugen.«

Zögernd hebt der junge Häuptlingssohn seinen Kopf. »Aber — wie, Daktari?«

Mike lächelt. »Ich weiß schon, wie«, sagt er nur. Er tritt ans Fenster und blickt hinaus ins hohe Steppengras hinter der Station. Ein mächtiger Löwe liegt dort im Gras, auf dem Rücken ausgestreckt, behaglich brummend, die dicken Franken vor der gewaltigen Brust. Schläft, schnarcht und träumt. Ein Bild des Friedens.

»Komm mal her, Ngaio«, sagt Mike. »Hättest du vor dem da Angst?«

»So, wie der jetzt liegt, nicht«, antwortet der Junge. »Aber wenn er wach ist …«

»Dann ist er genauso. Das ist nämlich unser Clarence. Und der kann sich verstellen — na, du wirst noch staunen! Das heißt — dein Vater wird noch staunen! Über deinen Löwenmut, Ngaio!«

»Ich verstehe kein Wort, Daktari«, sagt der Junge. »Aber ich hab das Gefühl, Sie wollen mir helfen.«

»Ich nicht. Aber — der da draußen. Unser Clarence.« Er winkt dem Häuptlingssohn. »Komm mit, wir werden jetzt mit ihm reden. Und dann werden wir bei nächster Gelegenheit deinem Vater ein Kunststückchen vorspielen. Wir werden ihn dazu bringen, daß er dich heimlich beobachtet. Dich und — den Löwen. Im wütenden Kampf miteinander, verstehst du? Und du siegst — du besiegst den Löwen …«

Ngaio bekommt nun doch einen Schreck. »Kampf? Dieser riesige Löwe und ich? Daktari — hören Sie …«

Aber Mike ist nicht mehr zu bremsen. »Nun komm schon, Ngaio, damit ich euch endlich miteinander bekannt machen kann! Clarence wird sich freuen, daß jemand zum Spielen zu ihm kommt. Und dann könnt ihr schon ein bißchen üben!«

»Daktari — wirklich? Ich meine, das klappt wirklich?« fragt Ngaio zögernd.

»Auf Clarence ist Verlaß, Ngaio«, sagt Mike. »Er ist ein großartiger Schauspieler. Und der friedlichste Löwe der Welt. Es muß ja nur nicht jeder wissen …«

Clarence wird ein Star

Eigentlich heißt er Freddie. Tier-Vater Tors brachte ihn, wie fast alle seine Tiere, von einer seiner zahllosen Reisen durch Afrika mit nach Amerika. Damals war Freddie noch ein wirkliches Raubtier, wenn auch ein sehr junges.

Tors erkannte sofort, daß der junge Löwe ein Schauspiel-Naturtalent war. Denn Freddie verdrehte beim Anblick des tierlieben Ungar-Arnerikaners seufzend seine Augen. Und Ivan Tors war genauso hingerissen von dem jungen Löwen wie der junge Löwe von ihm. Tatsächlich ist für Ivan Tors der schielende Löwe Clarence noch heute das liebste Tier von seinen rund 600 Tieren auf der Farm.

Und das gewiß nicht nur, weil Clarence eines der erfolgreichsten Fernseh-Tiere der Welt ist. Sondern schlicht und einfach — aus echter Zuneigung zwischen Mensch und Tier.

»Niemals und um keinen Preis würde ich mich von Clarence trennen«, sagt Ivan Tors. »Denn Clarence ist ein solcher Prachtkerl, daß seine bloße Existenz mir immer wieder den Atem verschlägt.«

Es ist ein Wunder, daß sich diese Raubkatze überhaupt hat zähmen und dressieren lassen.

»Ich bin sicher«, sagt Ivan Tors, »Clarence spielt zwar aus Spaß am Spiel vor der Kamera und mit den Menschen und anderen Tieren — aber ich bin ebenso sicher, er tut es auch mir zuliebe! Aus Zuneigung zu mir, seinem Herrn, in dem er vielleicht den Oberlöwen sieht.«

Sicher — ein Tier wie Clarence ist mehr für Ivan Tors als irgendein anderes Wildtier seiner Farm. Immerhin ist er — ein Löwe. Der König der Tiere. Der stolze Herrscher in freier Wildbahn und Symbol für den Erfolg von Ivan Tors’ Wildtier-Dressur schlechthin.

Wenn Clarence einem Menschen seinen dicken Kopf zum Kraulen hinhält, wenn er behaglich wie eine Katze vor sich hinschnurrt oder brummt, wenn er hingerissen seine Schielaugen verdreht, so bedeutet das mehr, als wenn ein Pony im Zoo einem Kind ein Stück Zucker aus der Hand frißt.

We bekommt man aber einen Löwen soweit? Mit eisernem Willen und Zwang? Mit Stock und Peitsche?

»Uni Himmels willen, nein!« rufen die Tierpfleger von »Afrika, USA«, entsetzt, wenn man solche Fragen stellt.

»Hier gibt es nur das ›Zuneigungs-System‹. Also: streicheln, liebkosen, sanft anleiten. Und immer wieder: streicheln.«

Zuerst mit einem leichten Stöckchen, mit dem die Tierwärter die neuen Tiere, die direkt aus der freien Wildbahn zu ihnen kommen, vo‘rsichtig — und vorsichtshalber auch noch etwas aus der Entfernung — streicheln.

So lange streicheln, bis sich die Wilden an diese für sie neue Berührung gewöhnt haben. Wenn es soweit ist, können die Tierlehrer das Stöckchen weglassen. Nun dürfen sie sich dem Tier mit der Hand nähern. Es wird sie nicht zurückstoßen, weil es inzwischen an die Streichel-Bewegung gewöhnt ist. Es wird sich nun auch bald an die Hand gewöhnen.

Und die Hand — das ist für das Tier der Mensch. Das Tier spürt die Zuneigung des Menschen, die durch seine Hand übertragen wird. Es spürt die Liebe. So verliert es allmählich seine ursprüngliche Angst vor dem Menschen.

Von nun an wird es von sich aus Sympathie für den Menschen entwickeln. Es wird spielen; zuerst dem Menschen zu Gefallen und dann, nach einer gewissen Anfangszeit, aus eigenem Spaß an der Sache. Eine sehr schöne und faire Methode, aber sicher nicht einfach und of sehr langwierig.

»Nehmen wir einmal an«, sagt Tiervater Tors, »ein wilder Löwe wie Clarence soll dazu gebracht werden, durch ein Fenster zu springen. Was tun? Den Löwen so einschüchtern, daß er aus Angst vor dem Trainer durch die Fensteröffnung springt, nur, um seinem vermeintlichen Peiniger zu entkommen? Weit gefehlt!«

Sie machen das ganz anders, die Männer vom Wameru-Institut. Sie legen ein Stück Fleisch hinter das Fenster, durch das der Löwe springen soll. Anfangs redet der Trainer dem Tier gut zu. Er lockt und schmeichelt, er zeigt ihm sogar das Fleisch hinter dem Fenster. Nach einer Weile springt der Löwe zum erstenmal und bekommt sowohl sein Fleisch als auch viel Lob von seinem Trainer. Von nun an springt er immer, wenn er die Anweisung dazu bekommt. Denn er weiß, was hinter dem Fenster ist: Fleisch für ihn. In der ersten Zeit jedenfalls. Später nur hin und wieder. Aber er springt nun jedesmal — es könnte ja sein, daß wieder mal ein Stück Fleisch für ihn dort liegt …

Einen Fenstersprung oder etwas ähnliches Technisches erlernen ist nicht so furchtbar schwer. Was aber ist mit Aktionen, die direkt mit dem Menschen zu tun haben? Zum Beispiel mit einem Sprung auf einen Film-Gangster, den ein Löwe wie Clarence festhalten und, unblutig natürlich, zur Strecke bringen soll?

Ist da die Gefahr nicht groß, daß plötzlich der tierische Ur-Instinkt wieder in ihm durchbricht? Daß er alle angelernten Kunststückchen, Tricks und Schauspiel-Gags vergißt? Daß von einer Sekunde auf die andere die Dressur versagt und aus dem zahmen Film-Tier wieder die alte, wilde fleischreißende Steppenbestie wird?

»Die einzig echte Gefahr«, sagt Ivan ‘Tors dazu lächelnd, »ist die, daß der vermeintliche Gangster ein paar blaue Flecken bekommt! Das ist aber auch schon alles. Und wenn der stürmische Clarence das hinterher sieht, tut es ihm immer furchtbar leid.«

Denn Clarence ist auch ein ausgesprochener Gentleman. Aber trotzdem kein Salonlöwe, sondern ein Wohnzimmerlöwe aus der Fernsehabteilung. In einem Wort: ein Karriere-Löwe.

Interview mit einem Karriere-Löwen

Reporter: »Clarence — die Serie ›Daktari‹ hat Ihren Herrn, Ivan Tors, und auch Sie persönlich in aller Welt berühmt gemacht. Wie erklären Sie …«

Clarence: »Ich möchte ja gewiß nicht unbescheiden sein — aber ich habe sozusagen den Löwenanteil daran.«

Reporter: »Das ist sogar statistisch erwiesen. Sie stehen in der Gunst der Fernsehkinder der ganzen Welt an der Spitze. Sie …«

Clarence: »Weil Sie gerade davon sprechen — ist es wahr, daß wir mit ›Daktari‹ in Deutschland sogar den Fußball abgehängt haben?«

Reporter: »Es ist wahr, Clarence! König Löwe schlug König Fußball! Wenn es zur gleichen Zeit in einem deutschen Programm Fußball gibt und im anderen Sie, dann hat Deutschlands Lieblingssport keine Siegeschance!«

Clarence: »Da bin ich ja bei aller Bescheidenheit wirklich ganz gerührt!«

Reporter: »Darf ich Sie in aller Bescheidenheit fragen, wieviel Honorar Sie so für eine Rolle in einem Fernsehspiel bekdmmen und wieviel für einen einzigen Drehtag, und wie hoch Sie versichert sind und wie …«

Clarence: »Für eine Rolle 30 000 Mark. Für einen Drehtag 1000 Dollar. Und versichert bin ich für drei Millionen Mark …«

Reporter: »Uiiiiii …«

Clarence: »Ganz schön happig, was?«

Reporter: »Nein, nein! Sie sind ja nun einmal eine populäre Figur der Zeitgeschichte, eine Persönlichkeit des öffentlichen Interesses. Aber, sagen Sie, Clarence, was würden Sie tun, wenn eines Tages aller Glanz um Sie erlöschte?«

Clarence: »Tja …«

Reporter: »Würden Sie zum Beispiel in den Busch zurückgehen und wieder als wildes Raubtier arbeiten?«

Clarence: »Ach, das hab ich sicher inzwischen ganz verlernt.«

Reporter: »Würden Sie vielleicht auf die Dörfer gehen, wie ausgediente Menschenstars das gelegentlich tun? Oder würden Sie sich einfach zur Ruhe setzen. Clarence, der Löwen-Rentner oder so?«

Clarence: »Vielleicht würde ich mich dann mehr meinem Privatleben widmen. Judy besuchen. Fernsehen. Oder — bitte, lachen Sie nicht: Schafherden anschauen.«

Reporter: »Was …?«

Clarence: »Ja, Sie haben richtig gehört. Schafherden anschauen. Das ist nämlich mein Hobby, wissen Sie. Ich finde es in unserem schnellebigen Mondzeitalter so romantisch, wenn der Schäfer mit seinen Schafen und seinem Schäferhund und all den süßen kleinen Lämmern auf der Wiese steht.«

Reporter: »Hm …«

Clarence: »Ja, ehrlich, daran kann ich mich begeistern! Da möchte ich am liebsten auch auf der Wiese grasen, mitten unter den Lämmern, und ich möchte auf dem Rücken liegen und an einem Blümchen knabbern und in den hohen blauen Himmel sehen und dort die Wölkchen zählen, die Lämmerwölkchen.«

Reporter: »Clarence — Woher kommt Ihr Schielen?«

Clarence: »Vom Lämmerwölkchenzählen. Das entspannt mich so richtig. Da kann ich ausvollstem Löwenherzen ausruhen. Da bin ich Schaf — da darf ich‘s sein!«

Reporter: »Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch, Clarence.«

Die Ivan-Tors-Tierfamilie

Menschenauflauf vor der Tierfarm »Afrika, USA«. Ein Käfig, der von einem großen Transportwagen gehoben wird. Empfang für einen Neuankömmling aus dem Busch im fernen Afrika. Großer Bahnhof für ein weißes Rhinozeros.

Marshall Thompson, Cheryl Miller, Yale Summers und Hari Rhodes — oder wie sie in den »Daktari«-Filmen heißen: Dr. Marsh Tracy, Tochter Paula, Jack Dane und Mike — umstehen den Käfig mit dem neuesten Mitglied der großen Tors-Tierfamilie. Auch Tiervater Tors ist dabei. Und einige seiner Tierpfleger und Trainer.

»Wie meistens begrüßen sie auch heute den ›Neuen‹ herzlich und gemeinsam, ehe für ihn der Ernst des Tierlebens beginnt, der auf dieser Farm eigentlich eher ein Vergnügen; ist.«

Das junge Rhinozeros bleibt nur ein paar Tage allein, um sich ein bißchen an seine neue Umgebung zu gewöhnen. Schon nach kurzer Zeit Wird es mit einem jungen Tief einer anderen Art zusammengebracht, beispielsweise mit einem Elefantenbaby. Die beiden Jung-Tiere lernen nun ihre erste Lektion: das Leben zu zweit im friedlichen Spiel.

Überall in den Käfigen kann man zwei verschiedene Tier-Babys beobachten: Löwen und Affen, Kamele und Zebras, Giraffen und Strauße. Dies ist die erste Station auf dem Wege zu einer späteren Fernseh-Karriere.

Sowie sich die Wildlinge daran gewöhnt haben, einander nicht aufzufressen, sondern harmonisch miteinander auszukommen, werden sie in den »Kindergarten« umgesiedelt, in die erste Klasse jener Schule, die aus den Urwaldkindern | Schauspieler zu machen versucht. Dort spielen sie nun mit vielen Tieren vieler Arten. Erst wenn auch das alles klappt, kommt die Begegnung mit den Menschen.

Wenn es soweit ist, beginnt die wirkliche Arbeit. Die Tiere bekommen zuerst leichte Aufträge, die sie ausführen müssen. Unter der sanften Anleitung ihrer Lehrer begreifen und lernen sie schnell. Sie führen Kunststückchen aus und lernen Tricks. Schließlich macht es ihnen solchen Spaß, daß sie ganz begierig darauf sind, immer Neues zu erlernen.

Wenn sie die erste Klasse zur Zufriedenheit der Tierpfleger absolviert haben, werden sie auf die Schauspielschule versetzt. Dazu muß man aber schon etwas mehr können als nur Pfötchen geben, einen Gegenstand apportieren oder eine verschlossene Tür öffnen.

___________

Nehmen wir mal das Beispiel eines jungen Gepards, der noch nicht viel Filmerfahrung hat, als er zu den Dreharbeiten für einen Daktari-Flm geholt wird. Er bekommt sogar die Hauptrolle. Und der Titel des Films heißt nach ihm: »Der Gepard«. Die Story ist folgende:

Ein stolzer Emir hat mit einem Stammeshäuptling gewettet, daß sein Gepard Kimba alle anderen Geparde im Rennen schlagen wird. Aber Kimba erkrankt schwer. Der Emir bringt ihn zum Daktari. Dr. Tracy erkennt sogleich: nur eine Operation kann das Tier retten. Er muß den Renner des Emir wieder auf die schnellen Beine bringen. Denn der Emir hat viel Einfluß und könnte dem Daktari sehr schaden. Kimba muß in kürzester Zeit zum vereinbarten Wettlauf antreten können. Auf der Wameru-Station sorgen sich Dr.Tracy und sein Assistent Mike um das kranke Tier.

Soweit die Geschichte, an deren Ende Gepard Kimba, unterstützt durch die Daktaris und ihre Tiere, auch tatsächlich das Rennen gewinnt. Nun aber die entscheidende Szene; entscheidend jedenfalls für den jungen Gepard.

Das ist nämlich nicht die Szene, in der er rennen und gewinnen muß. Denn das ist eine Kleinigkeit für ihn. Nein, das andere — das ist viel schlimmer und schwieriger. Einen kranken Gepard zu mimen, das fällt dem jungen Schauspiel-Eleven zunächst doch sehr schwer.

Da liegt er also nun während der Dreharbeiten auf dem Untersuchungstisch und soll krankspielen. Dr. Tracy und Mike halten ihn fest. Und er darf sich nicht führen, er muß ein wehleidiges Gesicht ziehen, er soll laut vor sich hin stöhnen.

Das sind natürlich lauter Sachen, die einem Gepard, noch dazu einem völlig gesunden und quicklebendigen, ganz schön gegen den Fell-Strich gehen. Selbst einem Gepard von der Schauspielschule. Denn er kann ja den Filmhandlungsablauf nicht verstehen. Er begreift immer nur die kurzen Passagen, in denen er seinen Auftritt hat.

Daktari Mike, der ihn genau untersucht, muß dem »Kimba«-Darsteller also mächtig zureden, damit er ruhig liegenbleibt. Und nachher, nach seiner erfolgreichen »Gesundung«, muß er ihm genauso mächtig zureden, damit er endlich aufspringt und losläuft und das Rennen vor den anderen Gepards haushoch gewinnt.

Inzwischen hat der junge Gepard viel gelernt. Er hat begriffen, was man von ihm, was seine Rolle von ihm verlangt: liegenbleiben, traurig aussehen, Schmerz ausdrücken. Nun soll aber alles plötzlich wieder anders sein! Auf und davon und alles das, was er vorher eigentlich wollte, jedoch nicht durfte.

Schwierig, was die Menschen alles verlangen! Wie soll man sie je verstehen?

Clarence fällt aus der Rolle

Ja, schauspielern ist schwer. Schule auch. Für Tierkinder genauso wie für Menschenkinder. Schwer und anstrengend und oft so unlogisch! Das ist ein Trost — nicht nur für die kleinen Tiere in den unteren Klassen. Sondern manchmal auch für die großen Tiere in der Oberstufe.

Sogar ein Star wie Clarence, der schielende Löwe, benimmt sich hin und wieder bei den Dreharbeiten wie ein Anfänger, der gerade aus der Abteilung »Kindergarten« gekommen ist. Und nicht nur Clarence — auch Judy!

So wie Schimpanse Judy von Zeit zu Zeit von sich aus während der Drehafbeiten eine Rolle spielt, die nicht geplant war, so bricht auch Löwe Clarence gelegentlich aus dem Spiel vor der Kamera aus, um seine eigenen Ideen zu verwirklichen.

Star-Allüren?

»Nein«, meinen die Filmleute übereinstimmend. »Keine Star-Allüren. Sondern einfach der Beweis dafür, daß unsere Freunde keine bloßen Befehlsausführer sind, keine Puppen, die man aufzieht und die dann funktionieren. Vielmehr bleiben sie Tierpersönlichkeiten: so unberechenbar wie wilde Tiere letzten Endes sind, auch wenn sie gezähmt und dressiert wurden. Aber auch so zerknirscht wie Musterschüler, die plötzlich den Text vergessen haben und aus ihrer Vorbild-Rolle fallen.«

»Das ist: dann der schönste Lohn für unsere Arbeit«, sagen die Trainer. »Wenn die Tiere von selbst spüren, daß sie einen Moment versagt haben, und reuevoll zu uns und unserer gemeinsamen Arbeit zurückkehren. Meistens steigern sie dann noch ihre Bemühungen. Denn Schauspieltiere lernen etwas voneinander und von den Menschen: Sie sind ehrgeizig.«

___________

Bei Clarence sieht das »Aus-der-Rolle-Fallen« so aus:

Es kann ein kleiner Käfer sein. Oder ein vom Winde bewegtes Blatt. Oder ein flatterndes Stück Papier. Plötzlich ist Clarence abgelenkt.

Man weiß nie genau, was es ist und wann es passiert. Man spürt nur die starre Spannung in seinem langgestreckten Löwenkörper.

In den wenigsten Fällen können sich die Filmleute während der Dreharbeiten noch rechtzeitig mitteilen, daß Clarence gleich lospringen wird. Meist ist er dann schon gesprungen. Auf den kleinen Käfer, auf das lose Blatt, auf das Stück Papier — was immer es auch gerade sei.

Er springt einfach los. Und es ist ihm egal, ob er eine Kamera umwirft und den Kameramann gleich mit, vielleicht auch noch den Toningenieur und den Stuhl vom Regisseur — und die ganze Szene.

Erst wenn er sich sattgesehen hat, kehrt er an seinen Platz zurück. Friedlich — und reuevoll.

Was guckt ihr mich denn alle so an, scheint in seinem verlegenen Blick zu stehen. War was? Was wollt ihr denn — ich bin doch schon wieder da …

»Wenn man wüßte, was er gerade anvisiert, wäre es einfacher für uns«, sagen die Filmleute. »Wir könnten ihm dann noch rechtzeitig ausweichen oder ihn sogar abstoppen.« Aber meist verdreht Clarence gerade kurz vor dem Absprung seine schielenden Augen. Und so blickt er praktisch zwei verschiedene Dinge an, in zwei verschiedene Richtungen, und die Filmleute können nicht so schnell entscheiden, auf welches er gleich losspringen wird.

Aber, wie gesagt, diese plötzlichen Sondereinlagen von Clarence kommen ziemlich selten vor. Und danach schämt er sich so schön, daß er sich anschließend zu Höchstdarbietungen hinreißen läßt. Man kann dann die kompliziertesten Einstellungen mit ihm drehen — mit seinem schlechten Gewissen macht er einfach alles. Und läßt auch alles mit sich machen.

Vor allem nach Schluß der Dreharbeiten. Da dürfen seine Menschen-Kollegen sogar auf ihm reiten. Vorsichtig schaukelnd, mit einem Menschen auf dem Rücken, streift er dann durch die Gegend.

Ben, der riesige Braunbär, läßt am liebsten das blonde Natur-Mädchen Cheryl Miller aufsitzen. Vielleicht, weil er dann erzählen kann, daß man ihm heute einen Menschen aufgebunden hätte …

Und der Tiger Samba bevorzugt seinen Menschenfreund Yale Summers, den er nicht nur auf sich reiten läßt, sondern mit dem er auch große private Schau-Kämpfe austrägt. Dabei steht der mächtige Tiger gewöhnlich hocherhoben vor dem schlanken jungen Mann, greift ihn scheinbar mit beiden Pranken an, reißt sein Maul weit auf, fletscht seine scharfen Zähne und faucht böse. Ein wirklich gefährlicher Anblick — nichts für zarte Nerven.

Hat Yale Summers, der Jack Dane aus »Daktari«, dabei niemals Angst, daß Samba alle seine guten Manieren plötzlich vergessen könnte? Yale Summers schüttelt nur lächelnd den Kopf, wenn man ihn so etwas fragt.

»Aber nein! Samba würde mir niemals etwas tun! Er ist vollkominen zahm! Er spielt mit Begeisterung ›Kampf auf Leben und Tod‹ mit mir, und er ist ein ausgezeichneter Schauspieler. Er hat die ganze Zeit Angst. Ja, Angst! Angst davor nämlich, daß er mich versehentlich einmal verletzen könnte!«

Wenn Yale Summers tatsächlich mal einen kleinen Kratzer abbekommt, so ist das nicht Sambas Schuld, sagt er. Sondern allein seine eigene. Dann hat er sich einfach dumm bewegt und ist dabei den scharfen Tigerkrallen zu nahe gekommen.

Zurück in den Dschungel?

Sie halten fest zusammen, die Menschen und die Tiere auf der Farm »Afrika, USA«.

Aber was würde geschehen, wenn man die Tiere dorthin zurückbrächte, woher man sie einmal geholt hat? In den Dschungel, in den Urwald, in die Buschsteppen. Tierärzte und Dresseure, Tier-Psychologen und Verhaltensforscher sind sich einig darüber: Es wäre ein für die Menschen zwar hochinteressantes, aber für die Tiere sehr gefährliches Experiment.

Möglicherweise würden auf freier Wildbahn ihre alten, überlieferten Instinkte wieder erwachen. Der Drang, zu kämpfen, zu töten, zu überleben. Aber gezähmte und dressierte Raubtiere, die ihr halbes Leben bei den Menschen verbracht haben, müßten erst lernen, sich Nahrung zu besorgen, Höhlen zu bauen, sich in ein Rudel einzufügen, sich mit anderen freien Raubtieren im Kampf zu messen und zu überleben.

Vielleicht würden sie sich instinktiv anpassen. Vielleicht aber würden sie auch an diesen fremden Lebensbedingungen zugrunde gehen.

Es ist noch nicht ausprobiert worden. Aber man kann es sich vorstellen, was zum Beispiel Judy, Clarence und Samba aus ihrer speziellen Tier-Sicht heraus dazu zu sagen hätten, wenn sie in Menschensprache reden könnten:

Judy: »Stellt euch mal vor, Kinder, im Zoo von Budapest machen sie jetzt ein tolles Experiment: Sie schicken meine Fernseh-Schimpansen-Kollegin Böbe, die seit sechs Jahren im Zoo lebt, in den Dschungel von Neuguinea zurück!«

Clarence: »Nein! Und wozu soll das gut sein?«

Samba: »Na, sie wollen sicher rauskriegen, ob dieser Affe heute noch im Urwald leben kann.«

Judy: »Aber, Samba — Böbe trägt inzwischen Kleider, sie kann kochen und servieren, sie malt in ihrer Freizeit, sie ißt vom Teller mit Besteck, sie wohnt beim Zoo-Direktor in der Wohnung, und sie wäscht sich ihre Sachen selbst …«

Clarence: »Tolles Weib!«

Samba: »Wißt ihr, was Böbe tun wird? Sie wird sofort loslaufen!«

Judy: »In ihren alten Busch zurück?«

Samba: »Nein — zurück zu ihren Menschen! Wer einmal von einem Teller mit Besteck gegessen hat und seine Kleider wäscht und Bilder malt …«

Clarence: »Mich würden ja auch keine zehn Schafe in den Urwald kriegen!«

Judy: »Na — zehn Schafe, Clarence? Dafür würdest du schon ‘ne Masse tun, glaube ich!«

Clarence: »Aber nicht zurückgehen, Judy!«

Judy: »TZ, tz, tz. Aber ich möchte wirklich gern mal wissen, was wir tun würden, wenn Ivan Tors uns von hier zurückbrächte. Du, Clarence. Und du, Samba. Und alle die anderen. Und — ich auch.«

Clarence: »Würdest du nicht wieder ganz gern in Kenia leben, Judy? In der Freiheit? Ohne diese ollen Proben dauernd? Na, ehrlich?«

Judy: »Hm …«

Samba: »Du würdest es vielleicht wollen, Judy. Aber du würdest es nicht können!«

Clarence: »Und warum kann sie nicht, Samba?«

Samba: »Na, Clarence, überleg doch mal! Judy ist schließlich daran gewöhnt, nicht vor elf Uhr morgens aufzustehen. Dann braucht sie ihr ausgiebiges Frühstück! Ihre Bananen, ihren Kaffee und hin und wieder ihre Säfte und ihre Schokolade.«

Clarence: »Und ihren Wohnwagen! Sie ist ja schließlich kein gewöhnlicher Affe!«

Judy: »Danke, Clarence!«

Samba: »Als erstes würden ihr die anderen Affen im Urwald von Kenia den Wohnwagen beschlagnahmen! Dann würden sie Judy regelrecht ausplündern. Und aus wär’s mit der Ruhe und mit dem Schläfchen bis um elf!«

Judy: »Ja, ja, ich seh schon. Ich glaub, ich bleibe lieber hier bei Ivan Tors. Und ihr? Wie wär’s bei Clarence, Samba?«

Samba: »Armer Clarence! Wo er doch in seiner Freizeit immer so gern auf seiner Wiese liegt und in den Himmel guckt und träumt und …«

Clarence: »Und Lämmerwölkchen zählt!«

Samba: »Na, dich würden sie mit deinem Hobby ganz schön fertigmachen, Clarence! Die anderen Löwen, deine wilden, grimmigen Brüder! Du müßtest im Rudel leben und eine Ehefrau haben und jede Saison mindestens zwei Kinder! Und nachts beim Mondenschein müßtest du auf die Jagd gehen für deine Familie! Da hieße es dann Herden anschleichen und Beute reißen — Rinderherden und Gazellenherden und Schafherden und …«

Clarence: »Nein, ich will nicht! Meine armen Schäfchen! Ja, ich seh schon! Ich bleib wohl auch besser hier. Hoffentlich kommt Herr Tors nicht auf die Idee, mich zurückzuschicken.«

Judy und Clarence: »Und wie ist das nun mit dir, Samba?«

Samba: »Bei mir ist alles klar. Ich bleib natürlich von vornherein freiwillig hier. Erstens würden die mich im Urwald sofort vertreiben, wenn ich anfangen würde, Gewerkschaften zu organisieren und höhere Löhne zu fordern und ein freies Wochenende! Und zweitens liebe ich eben meine Menschen. Warum sollte ich also jemanden verlassen, bei dem ich bleiben möchte?«

Judy und Clarence: »Ja, warum eigentlich, Samba?«

Samba: »Seht ihr, Kinder! Und deshalb sollen die Zoo-Leute von Budapest die Schimpansin Böbe ruhig nach Neuguinea bringen! Sie kommt ganz bestimmt gleich wieder zurück nach Budapest!«

Umzug nach Florida

Das Tierleben auf der Farm »Afrika, USA« geht also weiter. Und auch das Schauspielschulleben. Die »Höheren Tiere« machen täglich ihre Trainingsübungen in den verschiedensten Landschaften und Lagern. Sie müssen körperlich topfit bleiben und gleichzeitig immer aufnahmebereit für etwas Neues.

Die besten unter ihnen, die das Ziel von Klasse Zwei erreichen, ziehen in die Elite-Schule »Beverly Hills« um, die aus einer Reihe von Gehegen und Käfigen besteht, in der auch jene Vierbeiner noch weiter ausgebildet werden, die längst eigenen Star-Ruhm erworben haben.

Dort arbeitet beispielsweise der sechs Zentner schwere Braunbär Ben, der in einer Reihe von Filmen mitwirkte, bevor er Star der Fernseh-Erfolgs-Serie »Mein Freund Ben« wurde, die in Deutschland seit Anfang 1969 im Regionalprogramm läuft.

Aber auch Ben kehrt immer wieder auf die Tierfarm zurück. Genau wie zwei andere Stars aus Fernseh-Tier-Serien, die sich trotz ihrer Beliebtheit niemals auf die faule Tierhaut legen dürfen. Sie wohnen zwar nicht hier, aber sie werden in gewissen Zeitabständen immer wieder hier trainiert. Lassie, der Collie aus der Serie »Lassie«. Und Flipper, der kluge Delphin aus der Serie »Flipper«.

Sie alle filmen in immer neuen Serien, in denen sie als Haupt- und Nebendarsteller mitwirken. Zwischendurch gehen sie auch mal auf eine Verbeugungs-Tournee.

So reiste Judy eine ganze Weile mit ihrem Herrn und Trainer Ron Oxley im Programm des Zirkus Sarrasani durch Europa. Und Clarence stellte sich auf einer unerhörten Triumphreise durch die amerikanischen Staaten persönlich auf Messen und Ausstellungen seinen begeisterten Zuschauern vor, die ihn bisher nur von der Mattscheibe kannten. Er wurde wie ein menschlicher Fernseh-Star begrüßt und umjubelt.

Doch Judy litt unter der Trennung von Clarence. Und Clarence ging es nicht besser: Auch er vermißte seine Judy. Und dazu kam noch die Sache mit dem Umzug.

Die neue Heimat und gleichzeitig auch die neue Trainingsstätte liegt nicht mehr in Kalifornien. Sondern in Florida. In Homo Sassa Springs. Hier leben und arbeiten die beiden Stars mit mehreren anderen Fernseh-Tieren unter Ivan Tors’ Anleitung und mit einigen ihrer vertrauten Trainer.

Judy ist glücklich. Für ihre zarte Gesundheit und ihre gelegentlichen Migräneanfälle ist die Sonne Floridas günstiger als das wechselhafte kalifornische Klima. Und Clarence ist auch wieder glücklich. Weil er mit Judy zusammen ist.

Judy und Clarence bereiten sich schon wieder auf neue Filmrollen vor. Auch »Daktari«-Hauptdarsteller Dr. Marshall Tracy, richtiger: Marshall Thompson, soll wieder mit von der Partie sein.

Marshall Thompson, Hollywood-Star und ganz spezieller Clarence-Fan, hat inzwischen eine eigene Filmgesellschaft gegründet. Er wird in mehreren Filmen die Hauptrollen spielen. Daß er dabei seine einstigen Kollegen aus dem Busch nicht vergißt, ist für ihn selbstverständlich.

Gemeinsam mit Ivan Tors wird Marshall Thompson schon bald eine neue Tier-Serie herausbringen. In jeder Folge soll ein Tier der afrikanischen Wildnis vorgestellt werden.

»Jambo« ist der Titel dieser neuen Serie. »Jambo« — das heißt »Guten Tag« in Suaheli, der afrikanischen Buschsprache. In »Jambo« Wird wohl auch Clarence wieder zu bewundern sein.

Samba, der Chefkomparse

Samba ist kein Superstar wie Judy oder Clarence. Er ist zwar nicht jedesmal dabei, wenn eine neue Folge von »Daktari« entsteht. Aber er ist doch immer in »Afrika, USA«, im großen Tele-Tier-Dorado und auf den Trainingsplätzen, wo die gezähmten Wildtiere fit gehalten werden, damit sie immer bereit sind, wenn ihr nächster Einsatz kommt.

Samba ist ein Einzelgänger. Und hin und wieder sogar Hauptdarsteller neben Judy und Clarence. Das sind dann die Sternstunden in Sambas Künstlerleben.

Am glücklichsten ist er, wenn er mit »seiner« Paula, mit der jungen, blonden Schauspielerin Cheryl Miller, zusammen arbeiten darf. Etwa so:

Paula Tracy, die Tochter des Daktari Marshall Tracy, schleicht durch den Busch. Es ist spät geworden und schon ziemlich dunkel. Paula ist müde. Zur Wameru-Station ist es noch sehr weit. Paula wird wohl im Busch übernachten müssen. Es wäre nicht das erste Mal für sie. Und sie hat auch gar keine Angst davor. Sie ist ein mutiges Mädchen, das sich nicht vor den Tieren der Wildnis fürchtet. Und sie weiß, daß sich ihr Vater und die anderen Daktaris auf der Station keine Sorgen um sie machen werden. Denn schließlich ist ja Samba bei ihr.

Er hängt an dem jungen Mädchen wie ein Hund an seiner Herrin, und er würde sie immer gut beschützen. Jetzt folgt er ihr durch den Busch. Dicht auf ihren Fersen, geduckt, lauernd, nach allen Seiten spähend und witternd.

»Komm her, Samba — hier bleiben wir!« ruft Paula plötzlich aus. Sie bleibt unter einem dicken Baumstamm stehen, der rings von dichtem Gestrüpp umgeben ist. »Das ist ein feiner Platz für uns beide, Samba! Von allen Seiten geschützt!«

Samba findet das auch. Sorgsam untersucht er das angrenzende Buschwerk, unter dem sie die Nacht verbringen wollen. Zufrieden trabt er am Ende seiner Visite zum Baumstamm, an dessen Fuß sich Paula schon niedergelassen hat.

Alles okay, scheint sein Blick zu sagen. Hier bist du sicher. Und außerdem hast du ja noch mich, wenn’s hart auf hart kommt.

»Komm, Samba«, lockt Paula und zieht den gewaltigen Tigerkopf zu sich herunter. »Komm, leg dich schön hierher. Ich brauch nämlich ein Kopfkissen!«

Genüßlich brummend hält Samba noch einen langen Moment seinen dicken Kopf zum Kraulen hin. Dann läßt er sich mit einem abgrundtiefen Seufzer auf den Boden plumpsen, legt sich träge auf die Seite und streckt sich lang aus.

»Ein prima Kopfkissen bist du, Samba!« Schon liegt auch Paula lang am Boden. Und zwar so, daß ihr Kopf auf Sambas weicher, pelziger Flanke ruht. »Herrlich bequem und weich, Samba! So werde ich wunderbar schlafen! Gute Nacht, Samba!«

Gute Nacht, Paula, scheint der Tiger zu brummen. Er schnurrt richtig vor Wohlbehagen wie eine große Katze. Er ist jetzt ganz und gar glücklich. Er macht ja schon lange kein Geheimnis mehr daraus, daß er in Paula regelrecht verliebt ist. Und nun darf er sie sogar eine ganze Nacht beschützen.

Die Nacht bricht herein und rings schwellen in der Dunkelheit die Stimmen der Urwaldtiere zu einem mächtigen nächtlichen Konzert an.

Samba liegt ganz still, um seine Herrin nicht zu stören. Erst als er Paulas ruhige Atemzüge hört und weiß, daß sie schläft, schließt auch er seine bernsteinfarbenen Augen. Aber das lebhafte Spiel seiner Ohren verrät, daß er dennoch wach ist und auf jedes Geräusch im Busch lauscht.

Soweit die Filmszene.

Sambas großer Auftritt

Marion: »Mutti, Mutti …«

Mutti: »Was ist denn los, Marion? Du bist ja ganz aufgeregt!«

Marion: »Ich hab eben ›Daktari‹ im Fernsehen gesehen!«

Mutti: »Das siehst du doch immer! Was war denn heute los mit Judy?«

Marion: »Nicht mit Judy, Mutti! Diesmal hat mir Samba am besten gefallen!«

Mutti: »Samba? Wer ist denn Samba?«

Marion: »Na, der Tiger, Mutti!«

Mutti: »Ach, so! Entschuldige, mein Spatz. Ich kenn die Tiere nicht so gut wie du.«

Marion: »Also, Samba ist ein Riesentiger, ein bengalischer, wunderschön gestreift und gefleckt und einfach riesig.«

Mutti: »Na, du bist ja ganz verliebt in deinen Samba!«

Marion: »Ja, genau wie die Paula. Die ist auch ganz verliebt in ihn. Also, stell dir vor, die Paula und der Samba müssen nachts im Busch übernachten. Und da sagt Paula, Samba soll sich hinlegen, und sie legt dann ihren Kopf auf ihn drauf. Und so schlafen sie. Er ist ihr Kopfkissen!«

Mutti: »Und der Samba — der legt sich auch hin und läßt sich das gefallen?«

Marion: »Klar, Mutti. Der ist doch Paulas bester Freund. Er hält sogar ganz still, damit sie bloß nicht von ihm runterfällt. Irgendwann mitten in der Nacht haben sie sich wohl ein bißchen gedreht. Man hat zwar eine Bewegung gesehen, aber es war zu dunkel, um richtig zu erkennen, was los war. Der Samba muß nämlich mitten in der Nacht selbst Sehnsucht nach einem schönen, weichen Kopfkissen bekommen haben. Jetzt liegt nämlich die Paula lang ausgestreckt am Boden! Und der Samba hat seinen Kopf auf ihrem Bauch! Er hat ein feines Kopfkissen gefunden! Ist das nicht ulkig?«

Mutti: »Ja, Marion, sehr schlau von dem Burschen!«

Marion: »Ja, er hat das von Paula gelernt! Die kann eine Weile gar nicht aufstehen wegen des dicken Tigerkopfes, den sie erst wegschieben muß! Und die ganze Zeit über blinzelt Samba sie so spitzbübisch an, als ob er sagen will: na, bin ich nicht ein kluges Kerlchen? — Samba ist süß! Ich würde ihn auch sofort als Kopfkissen benutzen!«

Die anderen …

Wie ist das eigentlich mit den vielen Tieren, die keine Stars sind? Mit den großen Herden und Radeln von gezähmten und dressierten Wildtieren? Sie sind immer dabei, ziehen im Hintergrund jeder »Daktari«-Folge durch den Urwald und die Buschlandschafd.

Wie ist ihr Verhältnis zu den Menschen? Sind sie nicht weitgehend namenlos, eine einzige graue Tier-Masse?

Weit gefehlt! Auf der Tierfarm gibt es nur Einzel-Tiere, auch wenn sie nachher im Rudel, in der Herde gezeigt werden. Zum »Zuneigungs-System«, mit dem Ivan Tors und seine Freunde arbeiten, gehört die individuelle Behandlung jedes einzelnen Geschöpfes.

Gleichgültig, ob es dabei nun um den König der Tiere geht oder um einen seiner niedersten Untertanen. Es hat schon Fernsehfilme gegeben, in denen Giftschlangen, Eidechsen oder Schildkröten die tragenden Rollen spielten.

»Unsere Tiere haben alle Namen«, sagen die Trainer von »Afrika, USA«. »Sie müssen sich persönlich von uns Menschen angesprochen fühlen, das ist wichtig.«

Dieses Gefühl der Ansprache schafft überhaupt erst die Grundlage zur Verständigung zwischen Mensch und Tier. Wenn das Tier erst einmal auf seinen Namen hört, wird es später auch auf Befehle und Anweisungen hören. Es beginnt zu verstehen.

Im allgemeinen, so meint der Tierzauberer Ivan Tors, sind Delphine, Elefanten und Schimpansen die intelligentesten Tiere. Und — Wale. Die hält Ivan Tors sogar für die allerklügsten Tiere. Voller Wehmut erinnert er sich an seinen Wal Namu, eines seiner ersten Tiere, mit denen er Dressurversuche machte. Aber der Wal kam nach kurzer Zeit bei einem Unfall ums Leben. .

»Mein Wal Namu war die intelligenteste Kreatur, der ich jemals begegnet bin«, sagte Ivan Tors. Er sagt es traurig. Denn er hatte mit Namu noch sehr viel vor. Eigentlich ist Namu an allem schuld. Er brachte Ivan Tors auf die Idee, mit anderen Tieren zu versuchen, was er mit seinem Wal nicht mehr schaffen konnte.

Der Riese Ben

Eines jener Tiere, die nicht zu den »Intelligenzbestien« gehören, aber dennoch zu den klügsten Fernseh-Tieren von heute, ist der Braunbär Ben. Von ihm sagen sogar Tors und seine Mitarbeiter immer wieder kopfschüttelnd:

»Ben ist einer der größten seiner Branche. Er ist nicht nur der erklärte Liebling aller seiner zweibeinigen Freunde und Kollegen. Er ist eine Art Tierwunder. Kein Stichwort, das er versäumt. Kein Einsatz, den er verpaßt. Immer wieder setzt er uns Fachleute in Erstaunen, die, weiß der Himmel, viel von den Tieren gewohnt sind. Wenn wir uns die Drehbücher ansehen, sagen wir uns, daß ein Bär diese Dinge gar nicht tun kann. Und dann tut er sie doch. Leicht, flüssig, wie selbstverständlich. Manchmal denken wir, daß ein Mensch in seinem Bärenfell steckt …«

Wenn das nun schon die Filmleute von einem ihrer Stars sagen!

Das ist natürlich das höchste Lob, das einem Schauspiel-Tier überhaupt gesagt werden kann. Wenn es dem riesigen Bären Ben zu Ohren kommt, schaut er meist etwas verlegen zur Seite. Bei allem Erfolg und Ruhm ist er bescheiden geblieben.

Die goldenen Tiere

Sie verdienen Ministergehälter. Sie könnten über dicke Bankkonten und Aktienbündel verfügen. Sie könnten jedes Jahr eine Weltreise machen und jeden Morgen ein Sektfrühstück haben. Soviel Geld verdienen sie.

Aber was tun sie statt dessen? Sie verdienen neues. Sie arbeiten von früh bis spät, weil ihr Typ verlangt wird. Und wenn sie gerade mal keinen Film drehen, dann proben sie schon die nächste Rolle, für den nächsten Film. Oder aber sie trainieren, um in Schwung zu bleiben, um weiterhin das große Geld zu verdienen.

Die modernen Fernseh-Tiere bitten in aller Welt zur Kasse. Seitdem Amerikas Film- und Fernsehmetropole in Hollywood das Talent und die Zugkraft von vierbeinigen Schauspielern entdeckt hat, steigt von Jahr zu Jahr die Zahl der Haupt- und Nebenrollen für Tiere in amerikanischen Film- und Fernsehproduktionen, die später um die ganze Welt gehen.

Allein 1968 wurden Hunde und Pferde, Affen und Esel, Löwen und Bären, Schweine, Hühner und andere Tierarten für mehr als 20 000 Rollen engagiert. Die Stars unter ihnen kassieren dabei Gagen, die von den Stars unter ihren menschlichen Kollegen nur sehr selten erreicht werden.

Es ist mit den Schauspieler-Tieren wie mit den Schauspieler-Menschen. Auch bei ihnen heben sich aus der großen Menge der durchschnittlich begabten Schauspieler nur relativ wenige Könner und Stars ab. Viele von den Star-Tieren sind längst weltberühmt. Einige beschäftigen eigene Sekretäre zur Erledigung ihrer Verehrerpost aus aller Welt!

Die gefragtesten unter den Tier-Darstellern sind in Hollywood nach wie vor talentierte Pferde. Stars wie Fury, Flicka und Mr. Ed sind schon längst an die Spitze galoppiert. Und ein Heer von weniger bekannten und dennoch vielbeschäftigten Pferden trabt hinter ihnen her.

Doch auch das Federvieh liegt gut im Geschäft. Hier eine interessante Zahl, die das beweist. Im Jahre 1968 standen insgesamt 1200 Pferderollen nur knapp vor 1186 Rollen für Hennen und Hähne!

Film- und Fernsehprogramme mit den felltragenden Vierbeinern oder gefiederten Zweibeinern haben sich nicht nur in Amerika als Kassenschlager herausgestellt. Deshalb werden die Karriere-Aussichten von Tieren mit Schauspiel-talent immer besser. Aber auch die Chancen der Menschen, die mit ihnen arbeiten und Geld verdienen.

Darüber, daß aus der Tier-Arbeit keine Viecherei wird, daß man mit den Kreaturen kein Schindluder treibt, wacht eine Künstler-Gewerkschaft für schauspielernde Tiere. Eine Organisation, die sich »Die Amerikanische Humane Vereinigung« nennt. Sie sorgt durch laufende Kontrollen dafür, daß die Tiere nicht zu lange und nicht zu hart arbeiten, daß sie genügend Muße und Freizeit haben und daß sie gut behandelt und gepflegt werden. Aber das braucht man weder Ivan Tors noch seinen Freunden und Mitarbeitern erst zu sagen!

Dennoch — einem von ihnen ist das alles immer noch zu wenig. Er fordert mehr für die Tiere. Denn er weiß, was sie leisten. Er ist ein langjähriger Mitarbeiter von Ivan Tors. Er war jahrelang der zweite Herr von Clarence, dem schielenden Löwen.

Dieser Mann will seinem Namen Ehre machen. Er will helfen. Er heißt Ralph Helfer.

Ralph Helfer, der Helfer der Tiere

Der Mann, der den Löwen Clarence vielleicht besser kennt als jeder andere Mensch auf der Welt, weil er jahrelang sein Herr und Trainer war, hat kürzlich eine neue Gewerkschaft für Tierdarsteller gegründet. Gemeinsam mit fünfzehn weiteren Besitzern von großen amerikanischen Tierfarmen.

»Diese Tiere, die mit ihrer Kunst zur Unterhaltung der Menschen beitragen, verdienen genausoviel Respekt und Bewunderung wie ihre menschlichen Kollegen«, sagt Ralph Helfer. »Deshalb sollten sie auch ebenso behandelt werden. Sie sollten auch dieselben Honorare für Wiederaufführungen ihrer Werke bekommen, wie Menschen-Stars sie erhalten. Sie sind Profis, sie haben ein Leben lang ihr Metier von Grund auf gelernt, und man muß das honorieren. Mehr noch als bisher.«

Mit dem »Honorieren« meint Ralph Helfer nicht nur die Gagen, die die Tiere für ihre jeweilige Rolle erhalten. Er fordert in seiner neuen Gewerkschaft ein garantiertes Mindesteinkommen für Tier-Darsteller, öffentliche Anerkennung durch regelmäßige Preisverleihungen, Gewinnbeteiligung und vor allem: eine Altersversorgung für die Tiere, die eines Tages nicht mehr arbeiten können.

Außerdem verlangt er höhere Löhne für die Stars, die sich durch ihre Kunst aus dem Rahmen des Üblichen abheben. Und dabei wieder ganz besonders für die »Großen Vier«: Löwen, Bären, Elefanten und Schimpansen.

Ralph Helfers finanzielle Forderungen sehen so aus:

300 Mark für einen Auftritt im Käfig.

800 Mark für Dreharbeiten an Leine oder Kette.

1200 Mark für »freien« Auftritt.

Die Mehreinnahmen wollen Helfer und seine Helfershelfer für die Tiere selbst verwenden. Für noch bessere Pflege, für noch gemütlichere Behausungen, für noch angenehmere Freizeitgestaltung.

»Ben, sei bitte bitterböse!«

»Weißt du noch, Ben?« fragte Tiger Samba einmal nachdenklich Ben, den Braunbären, als er dem Tiger über den Weg lief. »Weißt du noch, Ben, als wir in einem unserer gemeinsamen Filme kämpfen mußten? Und wie schwer uns das fiel? Also, ich hab’s einfach nicht über mein Tigerherz gebracht, dich anzufallen, Ben!«

»Und ich, Samba — ich konnte dich nicht einmal so wütend anstarren, wie es im Drehbuch stand!« antwortete Ben, der riesige Bär.

Solche Tier-Dialoge gibt es zwischen den Tieren im Tierpark »Afrika, USA«. Die Tierlehrer und Trainer meinen dazu:

»Unsere Wildtiere sind teilweise derart zahm und zutraulich geworden, daß es ihnen schwerfällt, in einer Filmszene vor den Kameras miteinander zu kämpfen, aufeinander wütend zu sein, sich scheinbar etwas anzutun. Dazu sind sie viel zu sehr miteinander befreundet.«

Tatsächlich sind diese gezähmten Wildtiere so sehr an Frieden, Sanftmut und Freundlichkeit gewöhnt, daß ihre menschlichen Lehrer ihnen vor Drehbeginn mühselig beibringen müssen, wie das ist, wenn man als Urwaldtier böse ist, grimmig und angriffslustig.

»Was — den Ben soll ich anspringen, meinen Freund, den Ben?« so schien es in Sambas entsetzten Augen zu stehen, als Ivan Tors ihm seinerzeit gut zuredete, jetzt auf den Bären loszuspringen.

Und bei Ben war die Reaktion nicht viel anders, als er erfuhr, daß er nun mit Samba zu kämpfen hätte. »Mit Samba? Ausgerechnet mit Samba?«

Zauberer Tors sagt selbst darüber: »Das schlagendste Beispiel für zwei, die sich nicht schlagen wollten, sind Ben und Samba. Einmal erforderte es tatsächlich eine Rolle, daß die beiden miteinander kämpfen mußten. Aber es ging nicht. Sie sahen sich traurig an, rührten sich nicht vom Fleck, am liebsten hätten sie miteinander geschmust.«

Ivan Tors gab sich alle Mühe, dem Bären beizubringen, wie ein Bär einen Tiger angreift.

»Sieh ihn zumindest bitterböse an, Ben«, bat er schließlich. Dann mußte er lange Zeit auf den Tiger einreden, damit er wenigstens von weitem so tat, als wollte er den Bären anspringen.

Endlich kämpften der Bär und der Tiger doch miteinander. Sie waren ja schließlich Schauspieler. Aber ihre Lieblingsrollen wurden diese Kampfszenen ganz gewiß nicht.

So wie auch für zwei andere Tiere ausgerechnet die Rollen nicht zu ihren Lieblingsrollen wurden, die ihnen den »künstlerischen Durchbruch« brachten. Es waren ein junger begabter Leoparden-Statist und eine kleine Verehrerin von Clarence, dem schielenden Löwen: eine blutjunge Löwin, die bisher nur Nebenrollen bekommen hatte.

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Der junge Leopard sollte in einem Daktari-Film den Retter eines jungen Elefanten spielen, mit dem er auch privat eng befreundet ist. Dieses indische Elefanten-Baby war von einer Herde afrikanischer Dickhäuter nicht angenommen worden. Der kleine Inder wurde von den anderen Elefanten angefallen, verletzt und schwer verwundet. Die Daktaris von der Wameru-Station wollten den kleinen Elefanten retten, der schreckliche Angst ausstand, weil er einfach nicht begreifen konnte, daß ausgerechnet Elefanten ihn töten wollten. Er war doch schließlich einer von ihnen.

Die Daktaris versuchten, an das Elefantenbaby heranzukommen. Aber das war sehr schwer, denn die riesigen Afrikaner hatten den Kleinen in ihre Mitte genommen und schirmten ihn vollkommen ab. Sie trieben ihn von den Menschen fort, in den tiefen Busch. Dort würde der Elefantenleitbulle dem Kleinen schließlich den Todesstoß versetzen. Den Daktaris war völlig klar, welche Gefahr dem jungen Elefanten drohte.

In diesem kritischen Augenblick half den Menschen nur noch eines: die geschickte Zusammenarbeit mit einem Raubtier, das einerseits von den Dickhäutern gefürchtet wurde, andererseits mit dem Elefantenbaby befreundet war.

Der junge Leopard sollte sich an die für ihn auch nicht ungefährliche Elefantenherde heranschleichen. Die Daktaris gaben ihm »Feuerschutz«: Sie luden ihre Betäubungsgewehre, um eventuelle Angreifer aus der Herde außer Gefecht setzen zu können.

Sollten sie gezwungen sein, schießen zu müssen, so würde keine Kugel die Elefantenhaut treffen, sondern ein Betäubungsgift, das den Dickhäuter für eine Weile lahmlegte. Einige Eingeborene, Freunde von ihnen, entzündeten inzwischen ein schönes Buschfeuer von der anderen Seite, das die Elefanten auseinander- und von dem bedrohten Jungen wegtreiben sollte.

Aber — Buschfeuer find Betäubungsgewehre und die Hilfe der Menschen halfen nichts! Der einzig wirkliche Retter, der dem kleinen Elefanten schließlich den Weg freikämpfte und ihn zu den Menschen zurückkehren ließ, war der junge Leopard, sein Freund, der ihn richtiggehend herausbiß aus der tobenden Herde.

Ein dramatischer Sieg! Ein herrliches Film-Happy-End! Der Beginn einer neuen Tier-Karriere!

Aber der Leopard war zunächst gar nicht so stolz auf seine großartige Leistung. Und auf sein erfolgreiches Film-Debüt. Seinem Freund und Gönner, dem Tiger Samba, gestand er: »Wissen Sie, Samba, den kleinen Elefanten zu retten, das war ja nun wirklich nicht schlimm! Aber mit all den anderen Elefanten ganz hart auf hart kämpfen zu müssen, das war haarig! Schließlich bin ich ja nicht nur mit dem indischen Baby befreundet, sondern auch mit der gesamten afrikanischen Herde!«

Ganz ähnlich reagierte wenig später die junge Löwin, die ihre Premiere in einem Daktari-Film erlebte, in dem Judy der Star war. Die Löwin durfte mit der berühmtesten Schimpansin der Welt zusammenspielen!

Das war die Story: Mike, Jack Dane und Judy führten einige Gäste durch den Busch. Sie gerieten in das Gebiet eines Fallenstellers. Tatsächlich war auch schon ein Löwenbaby in eine der Gruben geraten und konnte sich aus eigener Kraft nicht befreien. Sein angstvolles Schreien brachte die Daktaris auf die Fährte.

Sie wollten das Junge herausholen, aber die verzweifelte Löwenmutter vor der Falle verstand ihre Bemühungen falsch und griff die Menschen an. Während Mike nach dem Betäubungsgewehr griff, um die Löwin für eine kurze Weile ungefährlich zu machen, schoß einer der aufgeregten Begleitgäste ganz unsinnig los — und traf Mike in den Oberschenkel.

Mike war damit außer Gefecht. Und Jack, der ihm das Gegengift einspritzen wollte, geriet selbst in eine Falle. Folge: Chaos bei den Gästen — größte Unruhe unter den Tieren. Die Löwin selbst setzte jetzt zum offenen Kampf an — der Löwenmut einer um ihr Junges kämpfenden Löwin ist gefürchtet und lebensgefährlich.

Nur ein einziges Geschöpf in diesem Busch-Durcheinander behielt ruhiges Blut. Oder — tat jedenfalls so. Judy!

Sie wußte, daß irgend etwas geschehen mußte. Daß sie Mike und Jack im Moment nicht helfen konnte. Und daß auf den Rest der Gesellschaft kein Verlaß war. Also mußte sie selbst heran. Das einzige, was sie tun konnte — sie mußte sich dem Gegner stellen, der kämpfenden Löwin.

Judy versuchte mit List und Tücke, die Löwin abzulenken, sie von den beiden Männern fortzulocken. Es gelang ihr schließlich auch, so daß sich Mike und Jack endlich befreien konnten. Aber vorher mußte Judy eine ganze Menge einstecken. Eine ganze Menge Katzenköpfe. Im Film sah das dann so aus, als schwebte sie in höchster Lebensgefahr. Und es sah sehr echt aus …

Judy stöhnte hinterher, nachdem die Szene endlich im Kasten war, anerkennend, aber mit schmerzverzerrtem Gesicht: »Donnerwetter — wirklich ein Naturtalent und eine sehr überzeugende Darstellerin!«

Die junge Löwin meinte bekümmert: »Wenn man bloß damit Erfolg hat, daß man einem Weltstar eine runterhaut — na, ich weiß nicht —, blieb ich da nicht lieber hinterm Busch?«

Nun, sie hat schließlich, wie alle anderen Tors-Tiere, auch Blut geleckt. Nicht Judys natürlich. Auch nicht das eines Menschen, aber eben dieses Künstlerblut, das nur die wahren Leute vom Bau in ihren Adern haben.

Alle Tiere lieben Ivan Tors

Ivan Tors, der ehemalige Drehbuchautor aus Hollywood, der mit seinen Tier-Schauspielern eine Marktlücke ausgefüllt hat, die von anderen noch nicht entdeckt worden war, genießt das volle Vertrauen seiner Wilden aus dem Busch von Afrika und aus dem Dschungel Asiens. Er darf ungestraft mit seinen Tigern baden, seine Bären küssen und seine Löwen kitzeln. Alle Tiere lieben Ivan Tors.

Das Geheimnis?

»Weil ich alle meine Tiere liebe«, sagte er.

Ganz einfach also.

Und — es stimmt sogar.

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Und so denken seine Tiere darüber:

Judy: »Mich laust der Affe, Samba! Wie hast du das bloß fertigbekommen, mit Ben zu kämpfen Es sah so echt aus, echter ging’s nicht. Ich hatte richtig Angst!«

Samba: »Ach, war doch bloß Spaß, Judy!«

Judy: »Aber gekonnt. Diese tolle Vernichtungs-Mimik in deinem Gesicht!«

Samba: »In Wirklichkeit hätte ich heulen mögen. Ich hab’s auch bloß wegen Herrn Tors gemacht, glaub mir.«

Judy: »Na, das tun wir doch alle. Aber außerdem bist du ein großartiger Schauspieler, Samba. Das sieht man besonders bei solch schwierigen Szenen.«

Samba: »Ja, der Herr Tors hat ganz schön was aus uns gemacht, was, Judy? Er hat eben das Besondere in uns erkannt.«

Judy: »Vor allem: Er hat es rausgeholt.«

Samba: »Und verarbeitet. Man hätte ebensogut auch im Busch bleiben und sein Leben lang wildes Tier spielen können.«

Judy: »Also, alles in allem sind wir hier doch alle sehr glücklich, oder?«

Samba: »Ja. Und wir sind hier nicht nur sehr tierlieb. Wir sind auch sehr menschenlieb. Wir sind bestimmt die schönste Mensch-Tier-Kommune, die es je gab.«

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Sie sind auf einer ofienen Wagen-Plattform versammelt. Stehend, sitzend, hochaufgerichtet. Lächelnd, stolz und heiter. In der Reihenfolge von links nach rechts:

Higgins, Hündchen, aus der TV-Serie »Lieber Onkel Bill«.

Arnold, Schwein, aus der TV-Serie »Grüne Acker«.

Lassie, Collie, aus der TV-Serie »Lassie«.

Ben, Bär, aus der TV-Serie »Mein Freund Ben.«

Judy, Schimpanse, aus der TV-Serie »Daktari«.

Dahinter, in einem viel zu engen Käfig, bloß weil die Polizei das so wünscht, und deshalb knurrend und zum erstenmal im Leben wirklich sauer:

Clarence, Löwe, aus der TV-Serie »Daktari«.

Hinter ihnen allen steht er: Ivan, der Unerschrockene, der moderne Boß der Arche Noah: Ivan Tors. Der Mann, der diese Tiere zu Stars gemacht hat. Und der sie heute wieder einmal auf ihrem und seinem glanzvollen Triumphzug begleitet. Auf dem Wege zum »Patsy«.

Der »Patsy« ist für die schauspielernden Tiere das, was für schauspielernde Menschen der »Oscar« ist: Die höchste Auszeichnung für Schauspieler-Tiere. Wer den »Patsy« bekommt, ist absolute Spitzenklasse.

Die meisten der berühmten Tors-Tiere haben ihren »Patsy« schon bekommen, manche bereits mehrfach. Ganz besonders häufig haben ihn die »Daktari-Tiere«.

Aber richtig glücklich sind sie nicht nur, wenn sie Auszeichnungen bekommen. Richtig glücklich sind sie, so wie alle Tiere es sind, die gewohnt sind, mit den Menschen zu leben. Wenn eine Menschenhand sie streichelt. Wenn eine Menschenstimme zu ihnen spricht. Wenn sie fühlen, daß sie geliebt werden. Und daß sie den Gegenstand ihrer eigenen Zuneigung auf ihre Art erreichen können.

Darin unterscheiden sich die Tier-Stars nicht von den anderen Tieren, die höchstens vor dem Bildschirm sitzen.

Und darin unterscheiden sich auch die Menschen nicht, die mit Tier-Stars umgehen, als seien es ihre Haustiere. Auch sie lieben ihre Tiere.

Ivan Tors sagte es einmal so:

»Wenn ich eines meiner berühmten Tiere auf dem Arm halte oder streichle, dann vergesse ich plötzlich seine weltweite Popularität. Dann ist das nichts als ein lebendiges Wesen, ein Geschöpf Gottes für mich, dem ich ausdrücken möchte: ich mag dich sehr gern. Und dem ich sagen will: ich danke dir für deine Zuneigung. Du machst mich glücklich. Laß mich versuchen, dich auch glücklich zu machen, mein Tier!«

»Machste ja schon dauernd, Onkel Tors«, würde Judy sicher geführt flüstern, wenn wir ihre Affensprache wörtlich nehmen dürften.

Auf die Palme wegen Flipper

Manchmal werden auf der Tierfarm »Afrika, USA« gleich mehrere Fernsehfilme gleichzeitig gedreht. Hier ein bißchen »Daktari«, dort ein wenig »Lassie« und ganz hinten, hinter den Felsen, am Wasser, eine Szene zu einem »Flipper«-Film.

In den Drehpausen treffen dann nicht nur die Filmleute der verschiedenen Serien zusammen, sondern manchmal auch die Tiere. Dabei gibt es manches vergnügliche Hallo in der Menschen- und auch in der Tiersprache. Schließlich hat man sich lange nicht gesehen.

Aber gelegentlich lernen sich einige der großen Tier-Stars außerhalb der Tierfarm von Ivan Tors kennen. So fing es auch mit Judy und Flipper an.

In einer »Daktari«-Folge spielte eine kleine Szene am Meer. Es ging um eine Einstellung mit der Schimpansendame Judy. Einige der Filmleute flogen deshalb mit Judy nach Florida.

Nachdem die Szene im Kasten war, beschloß das Aufnahme-Team, bei dieser günstigen Gelegenheit gleich Judys großen Bildschirm-Kollegen Flipper zu besuchen, der ebenfalls in Miami filmte und an diesem Tage seine Runden durch das große Seeaquarium drehte. Die beiden Tiere hatten einander noch nie zu Gesicht bekommen — es sei denn auf dem Bildschirm.

Sowohl die Leute von »Daktari« als auch die »Flipper«-Leute waren sehr neugierig, wie sich die beiden Berühmtheiten verhalten würden, wenn sie sich so plötzlich gegenüberstanden.

Flipper kam im Raketentempo durch das Wasser angeschossen, auf die kleine Gruppe zu und legte seinen langen, lachenden Kopf vor sie auf den Beckenrand. So, als wollte sie sagen: »Hallo, Judy! Freut mich, dich kennenzulernen!« Aber da geschah etwas absolut Unvorhergesehenes.

Mit einem spitzen Aufschei des Entsetzens sprang Judy hoch und stürzte in heller Panik zur nächsten Palme und schwang sich an ihr hoch bis in den Wipfel. Von dort aus zeterte sie aufgeregt weiter.

Alle Bemühungen, die beiden großen Tiere gemeinsam zu fotografieren, scheiterten. Auch nicht die zärtlichsten Lockrufe und schon gar nicht die Fiep-Töne Flippers brachten die Affendame dazu, ihre Palme zu verlassen.

Sie kam erst wieder herunter, nachdem man ihr hoch und heilig versprochen hatte, Miami sofort zu verlassen und nach Hause, nach Kalifornien, zurückzureisen.

Später soll Judy zu ihrem Löwen-Freund Clarence gesagt haben: »Du weißt ja am besten von allen, daß ich mich vor nichts auf der Welt fürchte! Weder vor den Menschen noch vor den größten Tieren! Aber vor diesem Flipper habe ich doch einen unheimlichen Respekt! Den sehe ich am liebsten nicht live, sondern nur im Fernsehen! Wenn ein Bildschirm zwischen uns ist …«

Flipper hingegen lacht noch heute, wenn er an seine erste und einzige Begegnung mit Judy zurückdenkt. »Noch nie ist jemand meinetwegen so auf die Palme gegangen wie sie …«

Flipper, das Wunderkind aus dem Ozean

Die Lagune flimmert in der Sommerhitze. Das Meer liegt ruhig und blau vor der Südküste Floridas. Nur ein paar vorlaute kleine Wellen schlagen mit ihren gischtweißen Schaumköpfchen gegen die weißen Flanken der Hochseeyacht, die sanft in der Bucht schaukelt.

Die beiden Menschen auf der Yacht, ein Mann und ein hübsches junges Mädchen, beugen sich lachend über die Reling. Plötzlich vergeht dem Mädchen das Lachen — erschreckt schreit es auf, faßt sich an den Hals. »Meine Kette — oh, meine Kette ist weg …«

»Eben war sie aber noch da, ich habe sie doch gesehen«, sagte ihr Begleiter.

»Sie ist ins Wasser gefallen — was mache ich nun, ich muß sie wiederhaben, ich muß sie wiederhaben!« Das junge Mädchen ist den Tränen nahe.

Während der Mann noch überlegte, ob er ins Wasser springen soll, um den kostbaren Schmuck wiederzubeschaffen, zieht unmittelbar hinter der Yacht ein kleines Ruderboot vorbei. Zwei Jungen sitzen darin. Der kleinere hält den Kahn an, und der größere ruft zur Yacht hinüber: »Wir haben es mit angesehen! ‘Wir holen Ihnen die Kette wieder!« Und mit einem Hechtsprung ist er im Wasser.

Wenn das junge Mädchen überhaupt eine Chance hat, seinen Schmuck wiederzubekommen‘ dann jetzt. Denn die beiden Jungen sind niemand anderes als Sandy und Bud, die Söhne des Jagdaufsehers Porter Ricks, die in der ganzen Gegend dafür bekannt sind, Unmögliches möglich zu machen.

Aber diesmal ist das Unterfangen doch schwieriger, als die beiden tauchgewandten Jungen gedacht haben. Auch der kleine Bud springt ins Wasser und taucht, aber immer wieder kommen sie beide hoch, mit nassen Haarschöpfen, geräteten Gesichtern und — leeren Händen.

Schließlich geben sie auf. Sie reißen ihre Taucherbrillen herunter. »Tut uns leid! Aber die Kette ist nicht da.! Wir haben alles abgesucht!«

In diesem Augenblick springt ein silbrig-grauer Schatten neben den beiden Jungen hoch aus dem Wasser. Er gibt fiepende Töne von sich. Mit einem gewaltigen Klatschen verschwindet er wieder im Meer.

»Der Fisch!« ruft das junge Mädchen von der Reling. »Der Fisch hat meine Kette verschluckt! Ich muß sie wiederhaben — man muß ihn fangen und töten!«

»Aber nein!« rufen Sandy und Bud empört wie aus einem Munde. »Niemals hat Flipper das getan! Niemals werden wir zulassen, daß man ihn tötet! Flipper ist unser bester Freund!« Und der kleine Bud fügt beleidigt hinzu: »Und außerdem ist er kein Fisch, sondern ein Säugetier!«

Aber das junge Mädchen besteht darauf, daß der »Fisch« eingefangen werden muß. »Wenn er euer Freund ist, dann ist es doch leicht für euch, ihn zu erwischen«, sagte sie. Und ihr Begleiter ist der gleichen Meinung.

Allmählich wird die Situation schwierig. Schwierig für die beiden kleinen Jungen. Und schwierig für ihren Freund, den Delphin, der ahnungslos und lebenslustig immer wieder zwischen ihnen hochspringt. Es ist gut, daß endlich der Vater der beiden Jungen dazukommt. Mit ernstem Gesicht hört sich Porter Ricks die ganze Geschichte an.

»Wenn die Kette bis morgen nicht wieder da ist, werde ich veranlassen, daß der Fisch getötet wird«, sagt der Mann auf der Yacht streng.

Porter Rics nickt zustimmend. Bis morgen ist es noch lange. Ihm wird schon was einfallen. Oder seinen Söhnen. Oder — Flipper selbst. Kaum ist die Yacht weitergesegelt, fangen die vier an, systematisch nach dem Schmuck zu suchen. Und als ob der kluge Delphin ahnt, daß von dieser Suche eine ganze Menge für ihn abhängt, gibt er sich besonders viel Mühe. Mit Erfolg …

Aufgeregt fiepend führt er nach einer Weile vergeblichen Suchens seine beiden Menschenfreunde zu einer abgelegenen Unterwasserhöhle, in der eine Riesenkrabbe sitzt. Auf der Krabbe liegt — die Kette! Sie muß der Krabbe auf den Rücken gefallen sein, als sie auf dem Weg in ihre Höhle war. Jetzt hat sie ihre »Eroberung« geborgen.

Nun ist es ein leichtes für Sandy und Bud, die Kette aus der Höhle zu holen, während der Delphin fiepend vor Freude durch das .Wasser schießt — schnell wie eine Ra- kete, mit 80 Sachen.

Am nächsten Tag können die Ricks-Boys dem herzlosen jungen Mädchen auf der Yacht den Schmuck zurückgeben. »Das verdanken Sie Flipper, den Sie töten lassen wollten, obwohl er völlig unschuldig war«, sagt Sandy, immer noch wütend. Der Delphin steigt dazu senkrecht aus dem Wasser, und sogar das junge Mädchen muß nun zugeben, daß er wirklich ein ganz toller Kerl ist.

»Vielen Dank, Flipper«, sagt sie, und diesmal lächelt sie sogar.

»Aus!!« Eine mächtige Stimme ertönt aus dem Hintergrund — die Stimme des Regisseurs. Das ist das Ende einer Szene, einer Filmzsene aus einer der beliebtesten Fernseh-Serien, aus »Flipper«.

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»Aus! Dein Lächeln muß herzlicher sein, wenn du dich bei Flipper bedankst, mein Mädchen! Wir drehen die Szene von der Schmuck-Übergabe noch einmal! Also, los Kinder — macht euch fertig!« tönt wieder die Stimme des Regisseurs. Alle hörten auf sein Kommando. Die Schauspieler, die Kameraleute, die Männer hinter den großen Scheinwerfern, die Toningenieure und die Techniker. Auch Flipper, der Delphin, der in der Bucht von Miami kreist und auf seinen Einsatz wartet.

Jemand stößt den Regisseur an, der dreht sich um, senkt den Kopf, hört zu, lacht plötzlich auf. »Okay, sag’ ihm, daß er Klasse war! Wie immer! Sag’ ihm, er soll’s einfach machen wie immer. Flipper ist der geborene Schauspieler!«

Flipper, der Delphin, schießt durch die Bucht, in großen Kreisen, mal scharf an der Yacht vorbei, mal hart an dem kleinen Ruderboot, zwischendurch hebt er seinen langen schlanken, glatten Körper immer wieder hoch hinaus in die Luft. Er tobt sich ein bißchen aus, bevor es weitergeht, aber er läßt die ganze Zeit über einen bestimmten Menschen nicht aus den Augen. Seinen besten Freund, seinen Trainer, der ihm die Regieanweisungen gibt: Rico Feldman, genannt »Rico«.

»Daß Delphine, die Wunderkinder des Meeres, gelehriger sind als andere Tiere, haben schon die Griechen und Römer im Altertum. entdeckt«, sagt Rico Feldman, wenn man ihn auf seine Arbeit mit Flipper anspricht. »Es gibt Leute, die behaupten sogar, Delphine seien von Haus aus noch klüger als die Affen und fast so intelligent wie die Menschen. Tatsächlich bringen sie es auf 195 Intelligenz-Punkte, während es der kluge Schimpanse nur auf 63 bringt — der Durchschnittswert des Menschen beträgt 214. Aber natürlich ist es mit den Delphinen wie mit den Menschen: Es gibt unter ihnen gute und schlechte Schüler.«

Flipper ist ein guter Schüler. Vielleicht sogar der beste überhaupt. Er ist daran gewöhnt, innerhalb von zwanzig Minuten seine Rollen zu lernen, neue Tricks zu erarbeiten. Gebr‘üllte Regieanweisungen braucht er nicht. Er reagiert allein auf die Daumenzeichen seines Trainers. Beispielsweise so:

»Daumen nach unten — das bedeutet tauchen«, erklärt Rico Feldman. »Daumen nach oben — heißt springen. Und Daumen zur Seite — und er folgt den beiden Jungen oder dem Kameraboot. Das alles ist leicht. Aber er bewältigt auch schwerere Übungen.«

So hat Flipper beispielsweise in kürzester Zeit Kunststücke gelernt und vorexerziert, die Delphine normalerweise nicht gerade jeden Tag machen. Einen Überschlag in der Luft zum Beispiel. Oder einen Sprung durch einen brennenden Reifen. Oder einen Kampf mit einem »bösen Menschen«, ohne diesen dabei zu verletzen.

Was nicht so ganz einfach ist, wenn. man bedenkt, daß Flipper 102 messerscharfe Zähne hat, eine starke Schwanzflosse, und daß er mit drei Zentnern Gewicht und 2,40 Meter Länge bei vollstem Tempo bis zu 120 Stundenkilometer schwimmt. Daß er mit einem Wort eine Rakete ist. Eine feuchte Rakete, die allerdings einen wunden Punkt hat. Und das ist — der Mensch. Die angeborene Delphin-Liebe zum Menschen.

»Der Delphin ist das einzige Geschöpf, das den Menschen um seiner selbst willen liebt«, hat schon der griechische Gelehrte Plutarch vor rund 2000 Jahren geschrieben. Das ist bis heute so geblieben. Ganz besonders heute, denn in unserer Zeit ist der Delphin von den Menschen wiederentdeckt worden. Delphine können vielfältige und oft genug abenteuerliche Aufgaben übernehmen: als U-Boot-Jäger und U-Boot-Retter, als Taucher, als Wächter vor militärischen Unterwasseranlagen, als Rettungsschwimmer, als Wachhunde gegen Haie, als pfeilschnelle Unterwasser-Nachrichtenüberbringer.

Auch die Menschen, mit denen der Fernsehstar Flipper heute zusammenarbeitet, sind voll des Lobes über ihn. Sagt Sandy Ricks, der in Wirklichkeit Luke Halpin heißt: »Ich habe Flipper die schönsten Jahre meines Lebens zu verdanken. Nichts davor und nichts danach hat mir soviel Freude gemacht wie die Dreharbeiten mit diesem intelligenten und schönen Tier.«

Sein kleiner Filmbruder Bud, der junge Filmstar Tommy Norden, meint: »Wir haben weit über hundert Folgen der Flipper-Serie abgedreht. Wir haben damit unzählige Dollars verdient. Flipper hat uns allen Glück gebracht. Ganz besonders aber mir. Nie war ich so glücklich. Und ich glaube — er war es auch.«

Und beider Filmvater, der Schauspieler Brian Kelly, sagt sogar: »Flipper ist für mich ein zauberhaftes Mädchen! Voller Lebenslust, feinfühlig, heiter und immer hilfsbereit. Ein echter Kamerad! Wenn sie ein Mensch wäre, würde ich sie heiraten!!«

Die Szene mit der Schmuck-Übergabe ist im Kasten. Der Regisseur reiht sich die Hände. »Okay, Leute«, sagte er und schiebt sich seine Schirmmütze aus der Stirn. »Machen, wir Mittagspause. In einer Stunde drehen wir weiter!«

In der Mittagspause besucht Tommy Norden seinen Freund und Filmpartner Flipper. Tommy Norden, der schon mit fünf Jahren ein gefragtes amerikanisches Fotomodell in der Werbung war und mit zehn Jahren als »Flipper«-Freund weltberühmt wurde, ist heute sechzehn und ein bekannter Schauspieler. Fünf Jahre lang hat er mit Flipper gearbeitet. Fünf Jahre lang hat er mit dem Delphin gelebt. Kaum ein anderer kennt das Tier so gut wie er.

»Ich verstehe alles, was er sagt«, erzählt er heute und erinnert sich gern an die schöne Zeit mit dem Delphin. »Und ich fing bald an, auch einige seiner Laute zu erlernen. An Flippers Reaktion merkte ich dann immer, was ich ihm so ungefähr gesagt hatte. Manches regte ihn schrecklich auf und machte ihn närrisch und wild. Andere Laute wiederum beruhigten ihn so, daß er ganz brav und lieb wurde. Ich wußte auch bald, was er fühlte. Wenn er zirpte, war er böse. Hatte er Hunger, dann wimmerte er wie ein Menschen-Baby. Und wenn ich sein Yak, Yak, Yak hörte, dann wußte ich, daß er glücklich war.«

So auch an diesem Drehtag in Miami in der Mittagspause. Es ist ein besonders heißer Tag, und Tommy will sich ein bißchen abkühlen. Er zieht seine Tauchermaske über und schwimmt hinaus aufs Meer. Dann läßt er sich einfach auf den Meeresgrund sinken.

Wie meistens hat er Flipper mitgenommen. Wie andere Jungen ihren Hund. Und wie Hunde es genießen, neben ihrem kleinen Herrn einherzulaufen, so ist auch Flipper selig, als er neben Tommy zum Meeresgrund hinabsinkt. Neugierig beobachtet der Delphin den kleinen Jungen. Was werden sie wohl heute wieder alles anstellen?

Tommy spielt das Spiel, das sie beide am liebsten mögen. Und von dem Flipper niemals ganz genau weiß, ob es nun ein Spiel ist oder nicht. Aber eines weiß er genau: er kann helfen, er darf seinen kleinen Freund retten. Und wenn es etwas gibt, was ein Delphin lieber hat als einen Menschen, so ist es die Gelegenheit, einen Menschen zu retten.

Tommy stellt sich »tot«. Er macht sich ganz steif und läßt sich treiben. Schon saust Flipper heran, guckt komisch aus seinen kleinen Äuglein, stupst Tommy an, wird unruhig. Tommy rührt sich nicht. Jetzt wird’s ernst für Flipper. Er weiß, daß sein Freund, genau wie er, zum Atmen nach oben an die Lufl muß. Aber er kann es anscheinend nicht mehr aus eigener Kraft.

Also muß Flipper ihm helfen. Ganz vorsichtig schwimmt er unter seinen Freund, hebt ihn auf seinen festen, breiten Schädel und hievt ihn nach oben an die Wasseroberfläche.

Oben gibt es dann eine gewaltige Freundschaftsdemonstration. Überschwenglicher Dank des »Geretteten«. Und großer Triumph des »Retters«!

»Tommy! Flipper! Kommt, wir wollen weiterdrehen!« ruft Rico Feldman von der Lagune her übers Meer. Die beiden Freunde schwimmen zurück. Dicht nebeneinander, sich hin und wieder leicht berührend, in der Delphin-Sprache miteinander schwatzend.

Flipper freut sich, sagt Tommy später. Erstens, weil er weiß, daß wir Freunde sind. Zweitens, weil er nun mit seinem Freund, weiterarbeiten kann. Und drittens, weil er am Ende dieses langen, aufregenden und schönen Tages endlich seine Tagesgage bekommt: 18 Pfund Heringe. Manchmal auch 20 Pfund.

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Flipper, der Delphin. Wo kommt er eigentlich her? Wer hatte die Idee, ihn filmen zu lassen? Wie fing’s an mit Flipper?

Eines Tages stürzte ein Flugzeug vom Himmel und ging im Ozean unter, hilflos schaukelte die Besatzung in Schlauchbooten über die hohen Wellenberge. Der Pilot war ohnmächtig und trieb getrennt von den anderen im Wasser. Als er wieder zu sich kam, war ein Delphin bei ihm und stieß ihn mit seiner langen Schnauze immer wieder in die Schwimmweste. So brachte er ihn allmählich in flachere Gewässer. Verwundert sah der Pilot, daß bei dem großen Delphin, der ihn retten wollte, noch ein kleinerer herumschwamm. Ein Delphin-Baby.

Später konnte der erschöpfte Pilot am Ufer lebend geborgen werden. Der große Delphin war verschwunden, aber der kleine blieb bei den Menschen. Er hatte entdeckt, daß er Menschen mehr liebte als Delphine.

Sie brachten ihn ins Tier—Paradies »Afrika, USA« zu dem berühmten Tier-Trainer Ivan Tors, und er nannte ihn Susie. Denn das Delphin-Baby war ein kleines Mädchen. Erst später bekam Susie ihren »Künstlernamen«. Nämlich Flipper.

Ivan Tors hatte nun auch einen Delphin. Im Laufe der Zeit wurden es mehrere. Er richtete ihnen ein schönes, großes Delphin-Becken ein und hatte seine Freude an ihren possierlichen Spielen.

Eines Tages wurde eine Szene für einen James-Bond-Film auf der Tierfarm von Ivan Tors gedreht. Die Szene zeigte den Kampf des Helden, Sean Connery, mit gefährlichen Haien. Agent 007 saß in seinem schneidigen Gummianzug am Rand des Hai-Bassins und zögerte, zu den gefährlichen Fischen hineinzuspringen. Es waren sechs Haie, keiner kürzer als vier Meter, mit weitaufgerissenen Mäulern und vielen spitzen Zähnen. 007 hatte Angst. Für ihn waren viele Dinge »kleine Fische« — Haie aber nicht.

Erst als Ivan Tors mutig zu seinen spitzzähnigen Freunden hineinsprang und gemütlich mit ihnen spielte, faßte auch Connery Mut. Nachher gestand er aber: »Ich wäre viel lieber zu den Delphinen ins Becken gegangen!«

Ivan Tors lachte. Die Delphine waren freilich harmloser. Immer wieder beobachtete er sie, hatte er seine helle Freude an ihrem Treiben. Wenn sie gelehrig waren — so gelehrig wie die Haie … Oder wie die Wale …

Erst vor kurzem hatte er seinen Freund, den Wal Namu verloren, an dem er sehr gehangen hatte. Namu hatte das Zeug zu einem echten Tier-Schauspieler. Aus dem hätte er eine Menge machen können. Warum soll ich’s nicht mal mit den Delphinen versuchen? überlegte Ivan Tors.

Der Versuch gelang, wie wir heute wissen. Über 100 »Flipper«-Folgen sind inzwischen zu wiederholten Malen über die Bildschirme in aller Welt geflimmert und haben groß und klein, alt und jung erfreut. Zwischen 1961 und 1965 flipperte es auf allen in- und ausländischen Kanälen, und im Jahre 1970 wird es auch auf deutschen Bildschirmen weitergehen. Die alten »Flipper«-Abenteuer, aber in Farbe!

1961 wurde der erste »Flipper«-Film gedreht. Mit Delphindame Susie und ihrem ersten Menschen-Partner David McCallum.

Gleich nach Beendigung dieses »Flipper«-Filmes wußten Ivan Tors und sein Trainer Rico Feldman, wie sie Susie in Zukunft einsetzen würden: in einer eigenen Fernseh-Serie nämlich, in der sie spannende Abenteuer im Meer zu bestehen hat. Die ersten Fortsetzungs-Geschichten wurden zusammengestellt, das erste Drehbuch geschrieben, die Suche nach den passenden menschlichen Partnern begann. Ivan Tors kümmerte sich persönlich um die Wahl der Darsteller. Er fand seinen »Bud Ricks« in Tommy Norden, einem sommersprossigen, verschmitzten kleinen Jungen, der aussah wie Millionen anderer kleiner Jungen, der aber bereits ein gefragtes Werbe-Modell war, Filmpartner von Sofia Loren und Statist in Broadway-Shows.

Tommys Filmbruder »Sandy« fand Ivan Tors in Luke Halpin, der ebenfalls bereits ein Kinderstar war, mit Natalie Wood gefilmt hatte und in dem Musical »Annie, get your gun« über tausendmal auf der Broadwaybühne gestanden hatte.

Den Vater der beiden, seinen »Jagdaufseher Porter Ricks«, holte sich Tiervater Tors ebenfalls von der Bühne: Brian Kelly.

Und so fing es an. Ein Vater, zwei Söhne, eine Handvoll Partner und Freunde, ein paar Gegner und Feinde und — , dazu Flipper, die Delphin-Dame, die nunmehr die Ehre hatte und auch das Vergnügen, zum berühmtesten Delphin aller Zeiten zu werden. »Yak, yak, yak …«

Telefon-Interview mit einem Star-Delphin

Reporter: »Guten Tag, Flipper. Können Sie mich hören?«

Flipper: »Yak, yak, yak.«

Reporter: »Ich meine, ob Sie mich verstehen können?«

Flipper: »Yak — ich muß mich nur erst einsprechen. Am Anfang jedes Telefonats flippt das nicht so richtig. So, jetzt bin ich aber da. Guten Tag. Wie geht es Ihnen?«

Reporter: »Danke, ausgezeichnet! Sie beherrschen die Menschen-Sprache wirklich ausgezeichnet!«

Flipper: »Delphinisch!«

Reporter; »Ja, so nennen es die Wissenschaftler in aller Welt, die seit Jahren hart daran arbeiten, damit wir uns eines Tages mit unserem ›Bruder im Meer‹ unterhalten können. Man hat bereits in einigen Ihrer Pfeif-, Quietsch- und Gurgellaute eine gewisse Ähnlichkeit mit menschlichen Lauten erkennen können.«

Flipper: »Stimmt genau. ‘Wir haben nur zur Zeit leider noch einige schrrri — Schwierigkeiten mit den unregelmäßigen Verben.«

Reporter: »Aber telefonisch fällt das nicht so auf, Flipper. Ich habe kürzlich gelesen, daß zwei Delphine in Amerika ein längeres Telefonat miteinander geführt haben. Sie waren viele, viele Meilen voneinander entfernt. Und sie haben sich eine geschlagene Stunde lang unterhalten. Und …«

Flipper: »Und das Gespräch hat 600 Mark gekostet!«

Reporter: »Bleiben wir noch einen Moment bei Ihrer eigenen Sprache: Was bedeuten eigentlich die verschiedenen Laute, wenn zwei Delphine miteinander telefonieren?«

Flipper: »Wir unterscheiden da fünf verschiedene Typen. Den kurzen wiederholten Pfiff als Kontaktaufnahme und Bitte an den Gesprächspartner, am Apparat zu bleiben. Dann eine einfache Folge von Pfeiftönen als Erkennungssignal zwischen den Telefonpartnern. Ferner drei verschiedene Laut-Typen als Austausch von Informationen aus Delphin-Kreisen.«

Reporter: »Hochinteressant, Flipper! Wenn wir Menschen eines Tages nun auch noch herausbekommen, worüber Sie sich miteinander unterhalten, dann könnten wir an Ihren Gesprächen teilnehmen, nicht wahr? So wie wir beide das jetzt schon mal kurz vorweggenommen haben.«

Flipper: »Genau. Wir warten nur darauf. Wir haben euch ja so viel zu sagen. Und wir wollen so furchtbar viel von euch wissen. Vielleicht werden wir Delphine eines Tages sogar eine eigene Fernsehstation gründen. Das beliebte Flipper-Fernsehen. Und Fernseh-Filme produzieren. Und eine ganz bestimmte Erfolgsserie, in dem die Hauptrolle ein …«

Reporter: »… ein Delphin!«

Flipper: »Nein, natürlich ein Mensch schwimmt!«

Flipper-Susie träumt von einem Baby

Flipper hat über hundert Fernsehfilme gedreht, die auf Bildschirmen in der ganzen Welt gesendet werden. Er hat allein in Deutschland zehn Millionen Zuschauer-Freunde. Er gehört zu den beliebtesten und gefragtesten Tierdarstellern von heute. Und er verdient natürlich eine Menge Geld.

Flipper, der pfiffige Delphin, zählt heute wie seine Tier-Kollegen Lassie, Fury oder die Daktari-Tiere zu den Großverdienern, zu den Millionären in der internationalen Schau-Branche.

Hat ihn das eitel gemacht, arrogant, überheblich? Kein bißchen. Er ist geblieben, wie er immer war: ein gutmütiger, ein immer fröhlicher Tier-Kamerad, dem nichts auf der Welt lieber ist als das Spiel mit den Menschen. Abgesehen von den Heringsportionen natürlich.

Was tut ein Tier wie Flipper mit seinem vielen Geld? Schließlich kann er es nicht gut auf die hohe Beckenrandkante legen oder Aktien horten. Er kann auch schlecht in einer Luxusvilla residierén oder einen schnellen Sportwagen fahren, und aus Kaviar macht er sich auch nichts.

Also gibt Flipper sein Geld für das aus, was er am liebsten hat — beziehungsweise: er läßt es dafür ausgeben. Das ist: das Wasser, sein Lieblingselement. Das 70 000-Liter-Meerwasserbecken in Hollywood, wo er für sein Millionen-publikum filmt. Sein Riesen-Seeaquarium mit Meeressalzzusatz in Miami, Florida, wo er vor den begeisterten Zuschauern seine Super-Shows abzieht. Und sein Spezial-Bassin in »Afrika, USA«, wo er immer wieder einmal zum Lernen und Auffrischen seiner Kunststücke bei Ivan Tors vor Anker geht.

Ansonsten ist er zufrieden mit seinen 20 Pfund Heringen am Tag, die allerdings — wo immer er sich auch befindet — per Luftfracht aus Island eingeflogen werden, weil sie vor Islands Küsten besonders schmackhaft sind. Dies ist, abgesehen von gelegentlichen Makrelen, Flippers Lieblingsspeise, aber auch sein einziger wirklicher Luxus: die Luftfracht aus Island!

Daß er, wenn er sich auf Reisen begibt, für 200 000 Mark versichert wird, ist eher eine Vorsichtsmaßnahme für ihn und die ganze »Unternehmensgruppe Flipper«. Wozu auch seine menschliche Begleitung gehört, deren Mitglieder nicht nur seine besten Freunde sind, sondern auch die gutbezahlten Angestellten von »Big Boss Flipper«.

Das sind außer Rico Feldman noch Flippers Trainer und Transportspezialist Robert Baldwin, sein Leibarzt Dr. Jesse White, der Chef der Delphin-Schau, Captain Tiebor, und die beiden jungen blonden Mädchen Lee Wiesenbaker und Beverly Leftwich, die als seine Dompteusen und Spielgefährtinnen im Wasser mit ihm arbeiten, wenn er nicht gerade vor der Fernsehkamera springt. Oder auf der feuchten faulen Haut liegt.

Was selten passiert. Denn normalerweise ist er immer in Bewegung, unser Freund Flaschennase mit dem Atemloch auf dem Scheitel, den stecknadelkopfgroßen Ohren, den weit auseinanderstehenden flinken Äuglein und der Riesenskala von Pfeif-, Fiep-, Quitsch- und Schnarrlauten.

Und meistens natürlich in schnellster Bewegung. Sogar seine besten Freunde gehen lieber zunächst in Deckung, wenn der Delphin-Lausejunge wieder einmal spritzend, prustend und berstend vor Übermut und Lebensfreude quer durchs Bassin auf sie zugeschossen kommt.

Nicht, daß er ihnen etwas tun würde. Aber — er könnte es. Ein Delphin in voller Aktion hat soviel Kraft, daß er jeden Menschen, der ihm im Wege ist, glatt in Stücke reißen könnte. Es ist kein Zufall, daß ausgerechnet die Haie, die größten Räuber der Meere, großen Respekt vor den Delphinen haben.

Schon oft haben angreifende, wütende Delphine riesige Haie mit ihren flachen, harten Schnabelnasen zu Tode gerammt. Und sogar Riesenschildkröten, die eigentlich zu den Freunden und liebsten Spielgefährten der Tümmler gehören, geraten in Lebensgefahr, wenn ein Delphin mit 120 »Sachen« auf sie aufprallt — ihre harten Nasen zertrümmern bei diesem Tempo auch die harten Schildkrötenpanzer …

Flipper selbst wird so etwas allerdings wohl niemals fertigbringen. Er ist nämlich ein ausgesprochener Schildkröten-Fan. In seinen Bassins tummeln sich immer einige seiner gepanzerten Freunde. Und manmal trägt er einen von ihnen, vorsichtig auf seinem platten Kopf balancierend, quer durchs Wasser spazieren. Ein hübsches, friedliches Bild.

Genauso hübsch wie das typische Flipper-Bild, das den Delphin zeigt, wie er gerade drei Kunststücke gleichzeitig ausführt: Hochsprung aus dem Wasser, Rückwärtsgehen und aus voller Kehle lachen — alles ganz ohne Schwierigkeit in einem Zug!

Das kann nur Flipper. Und wie hat er es gelernt? Rico Feldman lacht: »Ganz einfach. Stock — Sprung — Fisch.« .

Und das heißt?

»Stock gezeigt. Sprung gemacht. Fisch bekommen.«

»Also: man zeigt ihm eine Richtung. Er leistet etwas. Dafür bekommt er sofort eine Belohnung. Ist das richtig so?«

»Fast«, sagt der Trainer und lächelt. »Ich hab’ nur eine Kleinigkeit vergessen. Man muß natürlich schon sehr befreundet mit ihm sein …«

Natürlich.

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1961 erfand Ivan Tors, der Mann, den sie den Zauberer nennen, die Sache mit Flipper; dem Delphin. Tiervater Tors startete mit ihm eine der erfolgreichsten und beliebtesten Fernsehsendungen von heute. 1965 war der Spaß vorbei — nicht wegen des tierischen Hauptdarstellers, sondern wegen seiner menschlichen Partner, die zu alt, zu erwachsen für ihre Rollen geworden waren.

Flipper und seine Freunde haben sich inzwischen getrennt. Sie sind künstlerisch ihre eigenen Wege gegangen. Die menschlichen Schauspieler sind heute in ganz anderen Rollen auf Bühne, Leinwand und Bildschirm zu sehen, Flipper hingegen noch immer in seinem großen Aquarium in Miami und hin und wieder irgendwo unterwegs auf einer großen Tournee. Manchmal besucht man einander, es gibt dann jedesmal ein großes Hallo — Flipper hat seine Freunde von damals nicht vergessen, sie aber vergessen all ihre neuen Rollen, schlüpfen bei seinem Anblick in ihre Badehosen und springen zu ihm ins Bassin. Dann ist alles für einen Augenblick wie früher.

Aber der Augenblick geht vorbei. Und die Trennung kommt. Und dann gehen die Menschen davon, und der Delphin bleibt allein zurück. Einsam, traurig, manchmal sehr traurig.

Diese Trauer des sonst so vergnügten Delphins konnten sich seine Freunde nicht mit ansehen. Sie dachten lange darüber nach, und schließlich unternehmen sie etwas dagegen.

Etwas, das sich im Herbst 1968 so las:

»Flipper hat geheiratet!«

Tatsächlich hat die Tümmlerdame Susie inzwischen einen Lebenspartner bekommen. Er ist ein Delphin-Mann in den besten Jahren, übertrifft seine stattliche Gattin noch um weitere 40 Pfund und heißt Abel. Er ist ein Flipper-Fan und Susies größter Bewunderer. Seitdem er 1968 in das Seeaquarium seiner Allerliebsten einzog, hat er eine ganze Menge von ihr abgeguckt und kann schon selbst die tollsten Kunststücke. Sein schönster Lohn, wenn’s wieder mal prima geklappt hat, ist nicht der Hering, sondern der anerkennende Stups seiner berühmten Gattin.

Abel hat eine große Chance, sich selbst einen Namen zu machen. Wenn er Vater wird. Wenn Flipper-Susie und er eines schönen Tages ein Delphin-Baby vorstellen können.

Die Drehbücher liegen schon in der Schublade. Die Drehbücher für eine neue Tier-Serie mit Familie Flipper in vielen, vielen Folgen.

Deshalb, Flipper und Abel, halten wir euch die Flossen …