7. Kapitel
Waroo stellte die übergroße Metallkiste auf dem Sabacc-Tisch ab und stieß dann ein verhaltenes, fragendes Knurren aus.
Han blickte auf die Kiste hinab. Sie sah wie eine von der Art aus, wie wohlhabende Reisende sie benutzten, um empfindliche, teure Kleidung zu transportieren. Mit Schaumstoffpolsterung ausgestattet eignete sich eine solche Kiste allerdings auch ideal für die Beförderung von Waffen, und diese hier war groß genug, um mehrere Blastergewehre mit Klappschaft zu beherbergen oder auch genügend Blasterpistolen, um damit gleich mehrere Trupps auszustaffieren.
Han, der sich dem Wookiee gegenüber befand, schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, was das ist. Kumpel. Bist du sicher, dass es für mich ist?«
Waroo nickte.
Leia nahm die Kiste näher in Augenschein. »Ich spüre keine Gefahr davon ausgehen. Hast du einen Routinescan durch geführt?«
Waroo grunzte eine Bestätigung.
»Sauber, hm? Aber kein Hinweis darauf, wer sie geschickt hat.« Von Neuem betrachtete Han die Schlösser am Deckel. Die breiten Verschlussklappen glommen matt im Schatten, den die Kiste selbst warf. »Das ist nicht sonderlich beruhigend.«
»Die Klappen sind Scanner.« Jag marschierte aus den Untiefen des Hangars auf sie zu. von dort, wo ihre X-Flügler in ihren Landebuchten standen, Jaina und Zekk im Schlepptau. Gerade erst von einer Routinepatrouille zurückgekehrt, hatte er berichtet, dass die Feuerschneisen, die die Lillibanca mithilfe der Solos und anderer Piloten - einschließlich Lando Calrissians - gezogen hatten, nach wie vor Wirkung zeigten. »Zum Lesen von Fingerabdrücken.«
»Aha.« Han legte probeweise die Daumen über die Verschlussklappen, ohne sie jedoch zu berühren. Er warf Leia einen Blick zu. »Ich nehme mal an, du beförderst mich in Sicherheit, wenn dieses Ding in die Luft fliegt.«
Sie stellte gespielte Gleichgültigkeit zur Schau. »Schon möglich.«
»Na dann.« Er legte seine Daumen auf die Klappen.
Es piepte, schrille kleine Geräusche, ehe die Klappen unter dem Druck seiner Daumen nachgaben. Er drückte fester zu, und sie klickten. Vorsichtig hob Han den Deckel an.
Die Kiste besaß tatsächlich eine Schaumstoffpolsterung, doch darin waren keine Schusswaffen. Stattdessen lag das Vorderstück eines Brustpanzers auf dem Boden der Kiste, geformt wie die stilisierte Darstellung einer menschlichen, muskulösen Männerbrust. Und am Kopfende befanden sich zwei annähernd ellbogenlange Panzerhandschuhe. Alle drei Gegenstände bestanden aus einem matten Metall, ähnlich wie gebürstetes Silber oder poliertes Eisen.
Im Spalt zwischen einem der Handschuhe und dem Polsterstoff. in dem sie saßen, steckte ein Stück Flimsiplast. Han zog es heraus, faltete es auseinander und las die handschriftlichen Worte darauf laut vor: »Mit tiefstem Mitgefühl.«
Leia runzelte die Stirn. »Mitgefühl? Weswegen?«
Han spürte einen Druck auf seiner Brust; er versuchte, es zu ignorieren. »Das sind Crushgaunts. Eine mandalorianische Waffe. Seit Generationen verboten und zudem sehr schwierig herzustellen, da die mandalorianischen Beskar-Adern so gut wie erschöpft sind.«
Jag, der den Begriff nicht kannte, schüttelte den Kopf. »Beskar?«
»Das Metall, aus dem sie bestehen. Mandalorianisches Eisen. Ein extrem widerstandsfähiges Material. Legenden zufolge trotzt eine Rüstung aus diesem Zeug sogar einem Lichtschwerttreffer. Und der Mechanismus in den Handschuhen erlaubt es einem, alles zu zerquetschen, was man damit packt. Hälse, Köpfe, Blastergewehre, so ziemlich alles. Vorjahren habe ich mal ein Paar gesehen. Ein anderer Schmuggler zeigte sie mir, ehe er sie Jabba dem Hutt lieferte.«
Jaina wirkte verwirrt. »Ist das dieses Paar?«
»Nein, Liebes. Die hier sind neu. Ungebraucht.«
Diese Antwort trug nichts dazu bei, Jainas Verwunderung zu mindern. »Dann ist diese Panzerung also eine mandalorianische Brustplatte?«
Han nickte. »Ja. Vermutlich liegt die Rückenplatte darunter.« Er hob das Vorderstück hoch, um tatsächlich ein passendes Rüstungsteil zu enthüllen, dessen Oberfläche die Konturen eines menschlichen Rückens aufwies, Die Frontplatte war nicht schwer und fühlte sich eher wie Aluminium als wie läsen an. »Sieh an.«
Jaina schüttelte den Kopf. »Ich kapier's immer noch nicht.«
»Es ist ein Geschenk. Jaina. Von Boba Fett.«
Han hörte, wie Leia tief einatmete. Obwohl er nicht die Absicht hatte, Leias Schmerz noch zu verschlimmern, konnte er Jainas Neugierde nicht einfach so abtun und hielt das Stück Flimsiplast hoch. »Verstehst du's jetzt? Mitgefühl wegen des Verlusts meines Sohnes. Da er selbst eine Tochter verloren hat. kann er das nachvollziehen. Eine Tochter, die von meinem Sohn zu Tode gefoltert wurde. Er will damit sagen: Tut mir ehrlich leid, dass du deinen Jungen verloren hast. Hier ist ein kleines Spielzeug für dich, mit dem du ihn endgültig erledigen kannst.«
Jainas Miene wurde teilnahmslos. »Oh. Und wirst du es benutzen?«
»Nein.«
»Also hat er eine Menge Geld für nichts ausgegeben.«
Han nickte. »Eine Menge Geld. Selbst wenn die Mandalorianer wieder Beskar abbauen, stecken hinter diesem schlechten Scherz ganz schön viele Credits und einiges an Aufwand.« Er besah sich den Inhalt der Kiste von Neuem. »Es sei denn, das ist gar kein Scherz. Vielleicht will er demjenigen, der den Mörder seiner Tochter umbringt, einfach bloß helfen, ganz gleich, wer das ist. Womöglich möchte er dem, der Colonel Solo ins Jenseits befördert, etwas Gutes tun. Vielleicht empfindet er sogar echte Anteilnahme.« Er streckte die Hand aus, um den Deckel der Kiste zuzuschlagen. »Seine Botschaft ist genauso kompliziert und vermurkst wie Fett selbst.«
Jaina zuckte die Schultern und wandte sich auffallend gleichgültig ab. »Zeit für eine Dusche.« Sie zog an Zekks Ärmel. »Und dann für noch mehr Training.«
Er folgte ihr protestierend: »Wie wär's zuerst mit Training und dann mit Duschen? Auf diese Weise überspringen wir die sinnlose Dusche dazwischen.«
Jag blieb zurück und musterte die Kiste. »Han, auch auf die Gefahr hin, gefühllos zu klingen ...«
Han schnaubte. »Wenn du schon fürchtest, etwas Gefühlloses zu sagen, sollte ich mich wohl besser auf etwas gefasst machen.«
Jag schenkte ihm ein knappes, entschuldigendes Lächeln. »Sie haben wirklich nicht vor. diese Ausrüstung einzusetzen, oder?«
Han schüttelte den Kopf.
»Eine Rüstung, die einem Lichtschwert standhält, und das, wo Alema Rar unser Ziel ist... «
»Du denkst, sie könnte dir von Nutzen sein?«
»Nicht so nützlich wie etwas, das Sie neulich sagten, aber ja. Sogar sehr.«
Han runzelte verwirrt die Stirn. »Was habe ich denn gesagt?«
»Etwas über Alemas Taktik.« Doch Jag ging nicht weiter darauf ein.
»In Ordnung, Junge. Nimm sie, sie gehört dir.«
Leia fiel Han ins Wort: »Unter einer Bedingung.«
Jag, der die Kiste gerade aufnehmen wollte, hielt mitten in der Bewegung inne. »Natürlich. Unter welcher?«
»Sag mir, was mit meiner Tochter los ist.«
Jag hob die Kiste versuchsweise an, die offensichtlich nicht annähernd so schwer war. wie er erwartet hatte. »Sie ist vollkommen auf unser Ziel konzentriert. Auf Alema Rar.«
»Das weiß ich. Aber selbst, es mit einer derart gefährlichen Gegnerin zu tun zu haben, sollte sie nicht so kalt machen, so gleichgültig.«
»So gefühllos.« Jag sah Jaina und Zekk nach, die sich weiter entfernten. Sie gingen auf eine schattige Lichtung zu, die sie häufig als Trainingsgelände benutzten. »Nun, ich nehme an, es ist diese ganze Schwert-der-Jedi-Sache. Sie glaubt, sie ist dahintergekommen. was es bedeutet, das Schwert der Jedi zu sein. Alema Rar zur Strecke zu bringen ist für sie bloß eine Übung. Sie glaubt, dass sie ihrem Bruder die Stirn bieten muss. Und dass einer von ihnen das nicht überleben wird.«
Han seufzte. Er streckte die Hand aus, um die seiner Frau zu ergreifen. Leias Finger drückten fest zu. »Schon klar, Junge. Eine Menge Leute freuen sich bereits auf ein Kräftemessen mit Colonel Solo.«
»Jaina ...« Jag zögerte, suchte nach den richtigen Worten. »Sie glaubt, dass jede gegenwärtige Ablenkung sich später für sie als fatal erweisen könnte, Das bedeutet, auch Freude in jeglicher Form. Alles, was sie zum Lächeln bringen würde, ist böse. Die Sache ist, sie ähnelt ihrem Bruder wirklich sehr, vor seiner Veränderung, und ich möchte nicht, dass sie ihre Menschlichkeit genauso ablegt, wie er es getan hat.« Er bedachte Leia für diese Worte mit einem flüchtigen, entschuldigenden Lächeln. »Ich versuche schon seit einer ganzen Weile, ihr zu sagen, dass von einer Schwertklinge, die man die ganze Zeit über schärft, selbst wenn das gar nicht nötig ist, in dem Moment, wenn man sie wirklich braucht, womöglich nichts mehr übrig ist. Oder dass sie dann bricht. Aber sie hört nicht auf mich.«
Leias Stimme klang leise und besorgt. »Hast du exakt diese Worte benutzt?«
»Aus Worten lernt sie nichts. Jedi Solo. Sie lernt bloß aus Erfolgen. Oder Niederlagen.« Jag warf ihr einen mitfühlenden Blick zu und trat mit der Metallkiste in Händen ins Sonnenlicht hinaus.