Die Kunst, die richtigen Fragen zu stellen

Eine kluge Frage ist die halbe Weisheit.

(Francis Bacon)

Ein guter Moderator ist immer auch ein guter Kommunikator. Zu den kommunikativen Fertigkeiten, die einen guten Moderator auszeichnen, ließe sich problemlos ein eigenes Buch schreiben. Hier beschränken wir uns auf die wichtigste: den richtigen und bewussten Umgang mit Fragen.

Fragen ist die zentrale Kommunikationsform der Moderation. Durch zielgerichtetes Fragen trägt der Moderator erheblich zum Erfolg der Arbeitssitzung bei. Mit Hilfe kluger Fragen kann er

  • die nötigen Informationen in der Vorbereitungsphase einholen,

  • die Arbeitssitzung und die Arbeitsphase strukturieren,

  • die Umsetzung der Arbeitsphase unterstützen,

  • alle Teilnehmer einbeziehen und

  • schwierige Situationen meistern.

Welche Frageart passt zu welcher Situation?

Als Moderator sollten Sie die wichtigsten Fragearten kennen und mit ihnen umgehen lernen. Denn die verschiedenen Fragearten können gezielt für unterschiedliche Zwecke eingesetzt werden.

Es gibt offene und geschlossene Fragen. Offene Fragen fordern ganze Sätze als Antwort, während man auf geschlossene Fragen mit einem einzigen Wort oder der knappen Nennung einer Tatsache ausreichend reagiert hat. Die Antwort auf eine offene Frage fällt also in der Regel länger und ausführlicher aus als die meist knappe Reaktion auf eine geschlossene Frage.

Den Gesprächspartner mit offenen Fragen einbeziehen

Offene Fragen haben den Vorteil, dass sie den Gesprächspartner zum Nachdenken anregen, ihn einladen, sich intensiv mit einer Sache auseinander zu setzen und eigene Lösungsvorschläge vorzubringen. Durch offene Fragen erfährt man in aller Regel mehr als durch geschlossene.

Hier einige Beispiele für offene Fragen:

  • Welche Gründe sprechen aus Ihrer Sicht für den Vorschlag?

  • Worin sehen Sie den Hauptvorteil?

  • Wie sollten wir weiter vorgehen?

  • Was würden Sie jetzt tun?

  • Was sind die Ursachen des Problems?

  • Wie können unsere Besprechungen effektiver werden?

Offene Fragen wendet man deshalb als Moderator an, um

  • tiefergehende Informationen zu erhalten,

  • freie Meinungsäußerung zu fördern,

  • Gedanken anzuregen,

  • Kreativität zu fördern.

Wenn Sie beispielsweise im Rahmen der Adressatenanalyse Vorgespräche führen und sich die Gesprächspartner zurückhaltend oder zögerlich verhalten, kann eine offene Frage das Eis brechen. Sie signalisieren damit auf sehr deutliche Weise, dass Ihnen die Ansicht oder die Ideen Ihres Gesprächspartners wirklich wichtig sind.

Sie werden als Moderator auch oft Teilnehmer in Ihrer Gruppe haben, die sehr zurückhaltend sind und meistens schweigen. Wir glauben nicht, dass es sinnvoll ist, ruhige Teilnehmer regelmäßig zu Stellungnahmen zu zwingen. Es gibt eben introvertierte Menschen, deren zurückhaltende und ruhige Art vom Moderator zu respektieren ist.

Manchmal aber empfiehlt es sich, ein deutliches Signal zu geben, dass jeder in der Gruppe mitreden darf. Vielleicht ist ja nur übertriebene Schüchternheit der Grund für die Zurückhaltung. In einer solchen Situation bieten sich offene Fragen an.

Beispiel

Sie sollen einen Workshop zur Problemlösung gestalten und moderieren. Im Vorgespräch mit Herrn Maier möchten Sie herausfinden, warum die bisherigen Lösungsversuche gescheitert sind. Doch Herr Maier ist sehr verschlossen.

In dieser Situation bieten sich die folgenden offenen Fragen an:

„Was hätten Sie denn aus jetziger Sicht damals anders gemacht?“„Welche Vorteile hatten denn die bisherigen Lösungsversuche Ihrer Meinung nach?“

„Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit der Lösung der Probleme gemacht?“

„Was würden Sie beim nächsten Mal anders machen?“

Zum Vergleich dazu ein paar geschlossene Fragen, die in solchen Situationen oft genug gestellt werden und Herrn Maiers Zurückhaltung wohl kaum lösen:

„Herr Maier, sind Sie mit den Lösungsansätzen, die schon ausprobiert wurden, zufrieden?“ (Mögliche Antwort: „Nein.“)

„Hätten Sie etwas anders gemacht?“ (Mögliche Antwort: „Nein.“)

„Sollte man beim nächsten Versuch anders vorgehen?“ (Mögliche Antwort: „Ich weiß es nicht.“)

Wenn Sie während einer Arbeitssitzung einen Teilnehmer in das Gespräch einbinden wollen, könnten die folgenden Fragen hilfreich sein:

„Herr Peter, Sie haben gerade die Meinung von Frau Werth gehört. Wie sehen die Dinge aus Ihrer Sicht aus?“

„Herr Schneider, Sie haben ja sehr viel Erfahrung bei der Bearbeitung derartiger Themen. Worauf sollten wir denn bei der Umsetzung besonders achten?

Zum Vergleich wieder typische geschlossene Fragen, wie sie hier eher nicht angebracht wären:

„Herr Peter, Sie haben gerade die Meinung von Frau Werth zu dem Lösungsvorschlag gehört. Möchten Sie dazu etwas sagen?“ (Mögliche Antwort: Kopfschütteln.)

„Herr Schneider, Sie haben sehr viel Erfahrung auf diesem Gebiet. Haben Sie dazu noch etwas beizutragen?“ (Mögliche Antwort: „Nein.“)

Klare Antworten auf geschlossene Fragen

Geschlossene Fragen können ganz kurz mit einem Wort oder einer Geste beantwortet werden.

Die folgenden Fragen sind Beispiele für geschlossene Fragen:

  • Wie spät ist es?

  • Wie heißen Sie?

  • Wo ist der Projektor?

  • Wer kann zur nächsten Sitzung nicht kommen?

  • Wann treffen wir uns wieder?

  • Wer führt heute Protokoll?

  • Bis wann liegt die Auswertung vor?

  • Wer übernimmt die Verantwortung für das erste Teilziel?

Geschlossene Fragen wendet man als Moderator an, um

  • Einverständnis bzw. Zustimmung einzuholen,

  • eine Bestätigung zu bekommen,

  • Gespräche möglichst straff zu führen,

  • Übereinstimmung zu sichern,

  • eine klare Antwort zu bekommen.

Fragen nach dem Einverständnis einer Gruppe sind eine sehr wichtige geschlossene Frageform. Der Moderator bespricht den Arbeits- und Zeitplan der Arbeitssitzung und stellt die geschlossene Frage: „Sind Sie einverstanden, wenn wir nach diesem Plan vorgehen?“ Sie holen durch eine solche Frage die Zustimmung der Teilnehmer ein. Sollte von einem oder mehreren Teilnehmern ein Nein als Antwort kommen, muss natürlich geklärt werden, was an dem Plan abgelehnt wird und warum. Geschlossene Fragen eignen sich auch gut, um unklare oder sehr lange Redebeiträge zu präzisieren oder zu strukturieren.

Beispiel

Sie moderieren einen Workshop und Herr Huber führt gerade in epischer Breite seine Vorschläge aus. Sie sehen an den körpersprachlichen Signalen der anderen Teilnehmer, dass sie sich langweilen: kurzer Blick zur Decke, leichtes Grinsen, Hände über dem Kopf zusammenschlagen, flehende Blicke zum Moderator u. Ä.

In dieser Situation können Sie folgende geschlossene Fragen einsetzen, um auf den Punkt zu kommen:

„Herr Huber, sind Sie nun für oder gegen das Projekt?“

„Wann sollten wir mit dem Projekt beginnen?“

„Wen schlagen Sie als Projektleiter vor?“

Zum Vergleich ein paar offene Fragen, auf die Herr Huber wahrscheinlich ganz anders reagieren würde und nicht unbedingt im gewünschten Sinne:

„Herr Huber, welche Gründe sprechen aus Ihrer Sicht für und welche gegen das Projekt?“ (Mögliche Reaktion: Herr Huber beginnt seinen Vortrag wieder von vorne.)

„Herr Huber, wie sehen Ihre Vorschläge zum Projektstart aus?“ (Mögliche Antwort: „Tja also, das ist natürlich ein sehr wichtiges und kniffliges Thema. Da muss ich ein bisschen ausholen …“) „Was ist Ihre Meinung zum Thema Projektleitung?“ (Mögliche Antwort ist auch hier wieder eine weitschweifige Rede.)

Zwei nützliche Fragetechniken
Rückfragetechnik

Als Moderator werden Sie nicht nur selbst Fragen stellen, Sie werden auch immer wieder mit Fragen konfrontiert, die an Sie gestellt werden. Oft wäre eine Antwort jedoch unvereinbar mit Ihrer Aufgabe als Moderator. Sie sollen die Gruppe ja gerade dabei unterstützen, mit Hilfe des eigenen Potentials an Ideen und Erfahrungen eigene Lösungen zu finden. Also brauchen Sie eine Möglichkeit, sich der Frage zu entziehen, ohne den Fragenden zu brüskieren und ohne den Kommunikationsfluss der Gruppe zu stören. Eine sehr nützliche Technik dazu ist die Rückfragetechnik.

Werden Ihnen aus der Gruppe Fragen gestellt, die die Gruppe selbst beantworten kann bzw. sollte, ist es sinnvoll die Frage an die Gruppe zurückzugeben. Hier einige Beispiele für typische Moderationsdialoge:

Beispiele

Herr Simon: „Wie können wir denn nun mit einem schwierigen Kollegen umgehen?“

Moderator: „Sie haben ja alle sehr viel Erfahrung in dieser Hinsicht – was meinen die anderen?“

Herr Jäger: „Was würden Sie denn an meiner Stelle tun?“

Moderator: „Eine gute Frage, die ich gleich an die Gruppe weitergeben möchte. Stellen Sie sich bitte vor, Sie wären in derselben Situation wie Herr Jäger: Was würden Sie tun?“

Frau Schneider: „Also ich sehe da keine Lösung. Sie haben doch viel Erfahrung in solchen Dingen: Was raten Sie uns denn?“

Moderator: „Na, wir werden aus dieser Sackgasse doch wohl herausfinden. Sammeln wir einfach ein paar Ideen für mögliche Lösungen – sie dürfen ruhig verrückt oder ausgefallen sein. Wer legt los?“

Die Rückfragetechnik eignet sich gut dazu

  • freie Meinungsäußerung zu fördern,

  • Diskussionen anzuregen,

  • die Teilnehmer zu ermuntern, ihrem eigenen Urteil zu vertrauen,

  • die Teilnehmer konkret in die Verantwortung zur Lösungsfindung einzubeziehen.

Nachfragetechnik

Eine in vielen Situationen sehr wirkungsvolle Technik ist das Nachfragen. Eine geschickt angewandte Nachfragetechnik erfordert vom Moderator große Aufmerksamkeit und die Fähigkeit, die Beiträge der Teilnehmer sofort auf ihre Stichhaltigkeit hin zu überprüfen. Bei der Nachfragetechnik beziehen Sie sich auf die unmittelbar vorhergehende Äußerung Ihres Gesprächspartners. Sie dient in erster Linie dazu, die Äußerung besser zu verstehen oder den Gesprächspartner einzuladen, seine eigene Aussage zu präzisieren oder zu hinterfragen.

Nachfragen hilft immer dort, wo es ungenau wird oder jemand bewusst etwas verschleiern will. Sie können mit der Nachfragetechnik

  • Blockaden auflösen,

  • Begriffe präzisieren,

  • Verallgemeinerungen relativieren,

  • versteckte Annahmen aufdecken.

Beispiele

Blockaden auflösen

Herr Ende: „Das funktioniert ja doch nicht.“

Moderator: „Was müsste denn getan werden, damit es funktioniert?“

Frau Schwarz: „Das kann ich nicht.“

Moderator: „Was bräuchten Sie, um es zu schaffen?“

Begriffe präzisieren

Frau Winter: „Es gibt so viele Spannungen bei uns.“

Moderator: „Was meinen Sie mit ‚Spannungen’?“

Herr Ziege: „Ich finde diese Lösung nicht so toll.“

Moderator: „Was genau meinen Sie mit ‚icht so toll’? Könnten Sie uns das näher erläutern?“

Verallgemeinerungen relativieren

Frau Müller: „Das machen doch alle so!“

Moderator: „Wie könnte man es sonst noch machen?“

Herr Maier: „Die anderen werden da nicht mitmachen!“

Moderator: „Wer genau wird nicht mitmachen?“

Versteckte Annahmen aufdecken

Herr Träger: „Der hat doch bloß keine Lust!“

Moderator: „Wie kommen Sie darauf, dass er keine Lust hat?“

Frau Werth: „Das kriegen wir beim Chef nie durch.“

Moderator: „Was macht Sie so sicher, dass das beim Chef nie durchkommt?“