025
24
Torbas und Sheera
Ein Licht flammte auf der ansonsten vollkommen dunklen Oberfläche des Schattenbringers auf. Ar-Don!, durchfuhr es Torbas. Offenbar hatte das zwielichtige, undurchschaubare Wesen nur für diesen Moment all die Kraft und die Materie gesammelt und die grotesk vermehrte Substanz seines Körpers mit purer Magie aufgeladen. Für diesen Moment, den diese Kreatur vielleicht vorhergesehen hatte – doch wer vermochte das schon mit Bestimmtheit zu sagen?
Aber auch wenn der Gargoyle dieses magische Experiment letztlich doch noch zu einem gewissen Erfolg geführt hatte, er konnte sich nur einmal opfern.
Torbas glaubte fast körperlich zu spüren, wie der Schattenbringer in Bewegung geriet, und wenige Augenblicke später veränderte sich der Sonnenlichtkranz, wurde breiter, heller und schloss sich schließlich sogar wieder.
»Hierher!« Torbas streckte die Hände aus, und ein Chor durchdringender Schreie antwortete ihm. Es waren die dreizahnigen Riesenfledertiere, die wie in einer Phalanx auf den Turm zuflogen, riesenhaft, doch pfeilschnell. Sie umkreisten den Turm, bis eines der Monstren aus der Formation ausscherte und auf dem Turm landete.
Torbas wandte sich an Sheera, die noch immer in ihrer Starre gefangen war.
»Komm!«
Ein Gedanke wie ein Peitschenschlag. Sie zuckte regelrecht darunter zusammen, und ein wimmernder Laut drang ihr über die Lippen, der vielleicht ein Wort des Protestes hatte werden sollen, aber nicht mehr als das schmerzerfüllte Aufbäumen einer gefangenen Seele war, die kaum noch wusste, wer sie war, und aus der alle Klarheit der Gedanken längst verschwunden war.
Abermals ging ein Ruck durch ihren zierlichen Körper, dann gehorchte sie. Torbas half ihr auf den Rücken des Dreizahnigen und setzte sich hinter sie. Ein Gedanke genügte, damit sich das Wesen mit machtvollem Flügelschlag emporhob.
Gleich darauf stürzten sich die fünf anderen Dreizahnigen auf den Hohlspiegel, packten ihn mit ihren Pranken. Blitze zuckten aus dem Sternenmetall, aber sie konnten den Kreaturen nicht gefährlich werden, schließlich zählten die Dreizahnigen zu den Frostgöttern, und auch wenn Morygor sie zu Befehlsempfängern degradiert hatte, so waren sie in der alten Zeit vor der Schlacht am Weltentor von den Völkern des Nordens als machtvolle Herrscher verehrt worden.
Die dreizahnigen Riesenfledertiere rissen den Spiegel aus seiner Verankerung und flogen mit ihm davon, hinaus in die Weite des Meeres. Als sie das seichte Küstengewässer um die Caladranischen Inseln verlassen hatten und über der Tiefsee schwebten, ließen sie den Spiegel fallen. Funkensprühend und Bälle aus purem Licht abstoßend sank der Spiegel in die Fluten, tausendmal schwerer als jeder Stein. Konzentrische Wellen, auf denen grelle Blitze tanzten und erst nach mehr als einer caladranischen Meile verloschen, bildeten sich dort, wo der Spiegel ins Meer geschlagen war. Blasenartige Gebilde aus bläulichem und gelblichem Licht sprudelten an die Oberfläche und zerplatzten dort, man sah das magische Feuer noch über Stunden im Meer leuchten, als würde ein unterseeischer Vulkan sein Magma ausspeien. Aber je tiefer der Spiegel sank, desto schwächer wurden diese Erscheinungen.
Niemand konnte in diese schier unergründliche Tiefe gelangen, um dieses magische Werkzeug zu bergen und es ein zweites Mal gegen Morygor einzusetzen, zumal sich bald ein meilendicker Eispanzer auch über diesen Teil des Ozeans bilden würde.
Die dreizahnigen Fledertiere zogen nach Nordosten, Morygors Reich entgegen.
»Wir waren schwach«, murmelte Sheera. »Viel zu schwach …«
Es waren die ersten klaren Worte seit ihrem Aufbruch, und in ihrer Stimme lag die Trauer über das eigene Versagen.
»Nein«, widersprach Torbas. »Wir hatten die nötige Stärke, um uns auf die Seite des Siegers zu schlagen.«
Sheera schluckte. »Morygor …«
»Nur ein Narr wie Gorian könnte daran zweifeln.«
 
Der Stadtbaum von Pela, die Bucht, der Hafen mit den Himmelsschiffen – all das schien auf Gorian zuzurasen.
Er fiel aus einer Höhe, die die jedes bekannten Berggipfels überstieg. Der schier ins Endlose gewachsene Turm wirkte wie ein gerader, schwankender Strich, der sich von der höchsten Astgabelung des Baumes in den Himmel emporzog, aufrecht gehalten durch Magie. Aber auch Magie würde ein derartiges Bauwerk nicht auf Dauer stützen können. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es in sich zusammenstürzen würde, zumal sein Baumeister nicht mehr existierte, um die Magie zu erneuern.
Abgesehen davon wirkten mächtige Kräfte darauf ein. Magische Kräfte, allen voran die stärker werdende Aura Morygors und die kalten Frostwinde, die er von den Frostgöttern nach Süden schicken ließ. Spätestens das Eis würde alles niederwalzen und einknicken wie Grashalme, die man niedertrat. Den Turm und den Stadtbaum gleich mit. Nichts würde dieser Urgewalt widerstehen.
Gorian fühlte sich wie betäubt. Seine Hand umklammerte noch immer den Griff von Sternenklinge, obwohl ihn die Waffe nicht davor bewahren würde, am Boden zerschmettert zu werden. Einen solchen Fall konnte niemand so abbremsen, dass er ihn überlebte. Zumindest nicht, wenn man einen vergleichsweise empfindlichen menschlichen Körper hatte. Für Gargoyles mochten andere Gesetze gelten.
Die Gedanken rasten in Gorian, während sich die Zeit zu dehnen schien. Sollte das, was er als seine Bestimmung angesehen hatte, bereits sein Ende gefunden haben? Sollte die letzte Begegnung mit Morygor niemals stattfinden und er nie dessen Schicksalslinie kreuzen?
Wenn dem so war, hatte Morygor gesiegt.
Und das vermutlich endgültig.
Erdenrund würde ein einziges Reich der Kälte werden, von den Polen bis zum Äquator mit Eis bedeckt. Selbst entfernte, unbekannte Länder würden unter der sich ausbreitenden Kälte untergehen, noch bevor die dort lebenden Wesen auch nur ahnten, welche Macht für ihre Vernichtung verantwortlich war.
Gorian dachte an Sheera, seine Seelenverwandte, deren Gedanken nicht mehr zu ihm sprachen. Aber für einen Moment war ihm, als ob er durch ihre Augen blickte. Er sah aus ihrer Perspektive von einem weißen Riesenfledertier hinab, dessen Flügel ruhig in der Luft standen, blickte kurz zurück zu dem nadelartig in den Himmel ragenden Turm und sah aus den Augenwinkeln das schattenhafte Profil von Torbas’ Gesicht.
»Warum folgst du ihm?«, dachte er – aber es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass sein Gedanke sie erreichte.
Er hatte Torbas für einen Freund gehalten. Seinen Zwilling im Geiste, dem er Schattenstich überlassen hatte.
Als er das Feuer auf dem Schattenbringer aufblitzen sah, dachte er an Ar-Don. Wer hätte gedacht, dass sich ausgerechnet der Gargoyle als Gorians treuester Gefährte erweisen würde, zumal er doch einst gekommen war, um Gorian zu töten. Ausgerechnet er
Er sah sein Leben wie im Flug an sich vorüberziehen. All die Erinnerungen, die mit jenem Moment begannen, da er im Boot seines Vaters in der Bucht von Thisilien erwacht war. Und noch einmal sah er vor seinem geistigen Auge, wie Nhorich, sein Vater, von den Frostkriegern erschlagen worden war.
Sollte all das umsonst gewesen sein?
Nein!
Der Moment der Agonie ging vorüber, und wie ein Fanal durchschoss Gorian die Erkenntnis, dass es nur eine Möglichkeit gab, am Leben zu bleiben.
Die Schattenpfade!
Er hatte die Ausbildung im Haus der Schattenmeister begonnen, aber in den Wochen vor dem Fall der Ordensburg hatte kein geordneter Unterricht mehr stattfinden können. So gut wie alle Schattenmeister waren für den Kampf gegen Morygors Horden oder für Kundschafterdienste im Frostreich abgezogen worden, und so hatte Gorian im Wesentlichen nur theoretisches Wissen über die Schattenpfadgängerei erlangt. Bis auf kurze unfreiwillige Aufenthalte im Zwischenreich der Schattenpfade, wie etwa während seines Kampfes gegen den Totenalb im Palast des Greifenreiter-Königs.
Die Gefahr, in den Zwischenwelten zu stranden, war immens groß. Wenn ihm das widerfuhr, gab es kaum noch Rettung. Im schlimmsten Fall würde er sich auf einer Welt wiederfinden, auf der er fortan vollkommen allein existieren würde, bar jeden Sinneseindrucks und jeden Voranschreitens der Zeit, eine Ewigkeit gefangen in den eigenen Gedanken eines einzigen Moments. Konnte man sich eine furchtbarere Folter vorstellen? Selbst der Tod konnte nicht schlimmer sein, auch dann nicht, wenn die schrecklichsten Vorstellungen der Priesterschaft des Verborgenen Gottes über die Hölle der Wahrheit entsprachen.
Als Gorian die Dreizahnigen davonfliegen sah – auf einem von ihnen unverkennbar Sheera und Torbas -, war sein erster Gedanke, sie über die Schattenpfade zu verfolgen. Wohin sie sich auch wenden würden, er konnte sie einholen. Das Beschreiten der Schattenpfade erlaubte schließlich, die entferntesten Orte ohne nennenswerten Zeitverlust zu erreichen. Und in diesem Moment wäre es ihm auch gleichgültig gewesen, wenn er dafür so viel Kraft hätte aufwenden müssen, dass er dadurch zum vorzeitig gealterten Greis wurde.
Aber dann entschied er sich dagegen. Eine lange Strecke im Zwischenreich der Schattenpfade zurückzulegen barg ein zu großes Risiko, und selbst eine kurze Entfernung auf diese Weise zu überwinden konnte ihm schon zum Verhängnis werden. Und wenn er sein Ziel nicht erreichte, half er damit niemandem.
So wählte er ein anderes.
Er sammelte die Alte Kraft in sich und murmelte in Gedanken eine unterstützende Formel der Schattenmeister.
Kurz bevor sein Körper auf den felsigen Berghängen in der Nähe des Stadtbaums von Pela aufschlug, verwandelte er sich in einen schwarzen Rauchwirbel …
… und erreichte dann den Hafen von Pela. Über einem der Himmelsschiffe verstofflichte er wieder, stolperte aus Hüfthöhe ungeschickt zu Boden und schlug hart auf den Planken auf, denn er hatte nicht daran gedacht, diesen letzten kleinen Fall magisch abzumildern. Sternenklinge entglitt seiner Hand und rutschte ein Stück über das Deck.
Auf die Schattenmeisterwürde musste er wohl noch etwas warten.
Er streckte die Hand aus, und das Schwert kehrte zu ihm zurück. Dann besann er sich auf das, was er im Reich des Geistes gelernt hatte. Dort war er schon einmal mit einem Himmelsschiff geflogen, wenn auch nur in Gedanken.
Aber der Unterschied konnte so groß nicht sein. Alles, was notwendig war, um dieses Schiff sich in die Lüfte erheben zu lassen und den dreizahnigen Riesenfledertieren zu folgen, wusste er.
Er ging zum Heck, zerschlug die Taue aus feinstem Caladran-Seil mit ein paar Schwerthieben, eilte dann zum Bug und machte das Schiff auch dort frei.
Es trug den Namen Sonnenbarke von Pela, wie die Caladran-Runen verrieten, die die Aufbauten weithin zierten. Allerdings hatte das Schiff nicht einmal ein Drittel der Länge, die das Flaggschiff des Königs auszeichnete.
Die Sonnenbarke von Pela setzte sich in Bewegung, ohne dass sich das Segel rührte. Gorian spürte die metamagischen Winde. Und er spürte auch all die Möglichkeiten des Schiffes, die sich durch einen puren, auf die richtige Weise formulierten Gedanken in Gang setzen ließen.
Das Schiff trieb auf die Einfahrt des Hafens zu, dann ließ er es schneller fahren, und es durchpflügte die hohen Wellen in der Bucht von Pela, ehe es sich schließlich aus dem Wasser erhob. Ein Ruck ging durch die Sonnenbarke, als Gorian noch einmal die Geschwindigkeit erhöhte und dafür sorgte, dass die metamagischen Winde das Gefährt vorantrieben.
Vielleicht war das etwas zu schnell, denn die Umgebung begann zu verschwimmen. Selbst der noch relativ nahe Stadtbaum von Pela war nur noch als verwaschene, gebogene Kontur wahrzunehmen, wie ein Zerrbild seiner selbst.
Er durfte nicht außer Acht lassen, dass er ein Anfänger war und ihm die Magie der Caladran noch viele ungelöste Rätsel aufgab. Gleichzeitig entsann er sich all der Warnungen im Zusammenhang mit den Himmelsschiffen und den metamagischen Winden. Es bedurfte eines starken Geistes, um nicht ungewollt allein in einer eigenen metamagischen Raumzeit zu enden.
Die Umgebung verformte sich noch stärker, während Gorian zusätzliche Kräfte zu sammeln versuchte. Seine Augen waren mittlerweile permanent von Schwärze erfüllt. Er drosselte die Geschwindigkeit ein wenig, und die Formen der Umgebung wurden wieder klarer und vertrauter, waren nicht mehr verzerrt.
»Es sind nicht deine eigenen Kräfte, die dieses Schiff vorantreiben, sondern die metamagischen Winde und Schwingungen«, hörte er eine Gedankenstimme in sich, die geradewegs aus dem Reich des Geistes zu kommen schien. »Du bestimmst nur, wie sehr du ihnen das Schiff überantwortest. Also verhalte dich nicht wie ein Koggenkapitän, der selbst den Wind zu blasen versucht, anstatt ihn zu erwarten und die Segel nach ihm auszurichten!«
Es war die Gedankenstimme des Namenlosen Renegaten. Dort, wo alle Gedanken und Erinnerungen der Caladran aufgehoben waren, würden wohl auch die seinen für alle Zeiten bewahrt bleiben. Mochte er sich auch noch so sehr von seinem Volk losgesagt haben, die Spuren, die er im Reich des Geistes hinterlassen hatte, waren unauslöschlich.
Und so achtete Gorian mehr auf die metamagischen Strömungen und versuchte, ihre Kraft zu nutzen, statt seine eigene zu verschwenden.
Das Schiff gewann überraschenderweise an Fahrt, während es Gorian plötzlich sehr viel leichter fiel, es unter seiner Kontrolle zu halten. Es dauerte nicht lange, und er gewann beinahe dieselbe Leichtigkeit im Umgang damit, wie er sie bereits während der Fahrt mit Torbas im Reich des Geistes empfunden hatte.
Den eisigen Wind, der ihm entgegenwehte, milderte er mittels eines leichten magischen Schirms, der sich durch einen einfachen Gedanken über das Schiff wölben ließ. Den Zauber, der dazu nötig war, brauchte der gegenwärtige Steuermann der Sonnenbarke von Pela keineswegs selbst zu wirken, er war vielmehr schon da und musste nur noch in Kraft gesetzt werden.
Ein gleißendes Licht ließ ihn den Blick wenden, und er sah zum Schattenbringer, um den sich der Sonnenkranz noch einmal deutlich vergrößert hatte. Das dunkle Gestirn hatte sich zweifellos in Bewegung gesetzt, und erstmals seit längerer Zeit brach die Dämmerung sichtbar auf. So viel Helligkeit hatte es lange nicht gegeben. Man konnte fast meinen, dass ein neuer Tag anbrach.
Der Schattenbringer gab stetig ein bisschen mehr von der Sonne frei. Aber Gorian gab sich keinen Illusionen hin. Die Kraft, die den finsteren Himmelskörper in Bewegung versetzt hatte, würde längst nicht ausreichen, um ihn gänzlich von der Sonne wegzuschieben. Sie würde erlahmen, und dann gewannen wieder jene dunklen Kräfte die Überhand, die Morygor einsetzte, um die Welt zu verderben. Das Pendel würde zurückschwingen und die Finsternis danach tiefer sein als zuvor.
Und auch die Hoffnungslosigkeit …
 
Meister Thondaril meldete sich über das Handlicht.
Es war nicht das erste Mal, dass der zweifache Ordensmeister versuchte, Gorian seit seinem plötzlichen Aufbruch aus dem Hafen von Pela zu erreichen. Diesen hatte Thondaril ebenso verfolgt wie zuvor den schrecklichen Sturz und die Flucht von Torbas und Sheera.
Aber zunächst hatte sein ehemaliger Schüler seine Versuche ignoriert, mit ihm in Verbindung zu treten, um sich voll auf die Lenkung des Himmelsschiffs konzentrieren zu können; das hatte seine Aufmerksamkeit zunächst vollkommen in Beschlag genommen.
Nun endlich legte er die Handkanten gegeneinander, ließ ein Licht in seinen Händen entstehen, und das Gesicht des zweifachen Ordensmeisters erschien darin.
»Endlich, Gorian! Ich hatte schon die schlimmsten Befürchtungen …«
»Es geht mir den Umständen entsprechend«, erklärte Gorian. »Torbas hat sich auf Morygors Seite geschlagen. Und er hat Sheera in seiner Gewalt.«
»Sie waren schwach, Gorian. Jedem von uns hätte das passieren können.«
»Können, aber nicht dürfen«, erwiderte Gorian. »Meister, warum habe ich nicht bemerkt, welche Veränderungen in meinen Gefährten vor sich gingen?«
»Vielleicht hast du es und wolltest die Wahrheit nur nicht sehen. Davon will ich mich selbst nicht freisprechen.«
»Mag sein. Ich bin ihnen jetzt auf den Fersen und werde ihnen bis in die Frostfeste folgen, wenn es sein muss.«
»Kehr um, Gorian. Du begibst dich in eine Gefahr, der du noch nicht gewachsen bist.«
»Nein, das kann ich nicht«, widersprach Gorian mit Bestimmtheit.
»Verbanne die Gedanken an Torbas und Sheera aus deinem Geist. Sie werden dich nur schwächen bei den großen Herausforderungen, die dir immer noch bevorstehen.«
»Ich kann Sheera nicht einfach aufgeben. Sie ist Torbas nicht aus freien Stücken gefolgt.«
»Bist du dir sicher?«, fragte Meister Thondaril.
Die Wahrheit war, dass er sich keineswegs sicher war. Immerhin war die gedankliche Verbindung zwischen ihnen abgerissen.
»Ihr hattet von Anfang an recht, als Ihr daran gezweifelt habt, dass Torbas des Meisterrings würdig ist«, murmelte er.
Auf einmal wurde Thondarils Bild in seinen Händen undeutlich. Es verschwamm und war im nächsten Moment verschwunden.
»Gorian?«, klang ihm noch die Gedankenstimme seines Mentors im Kopf.
Dann riss die Verbindung vollkommen ab.
Morygors Aura, dachte Gorian. Es war ihm nicht bewusst gewesen, wie stark sie in dieser Gegend bereits war. Je tiefer er in das Frostreich eindrang, desto mehr überlagerte sie alles andere, den eigenen Willen ebenso wie jede Art von Magie, die Morygor nicht zu dulden bereit war.
Gorian versuchte mithilfe seiner magischen Sinne zu erspüren, wohin genau sich Torbas und Sheera gewandt hatte. Die grobe Richtung kannte er.
Schließlich spürte er deutlich Torbas’ magische Kraft – und die Magie der Dreizahnigen. Beides war für ihn wie eine gut sichtbare Fährte, und so war es ihm ein Leichtes, ihr zu folgen.
Unter sich sah er immer wieder Eisschollen gen Süden treiben, die bis zum Rand mit den Horden des Frostreichs besetzt waren. Sie manövrierten mit einer Leichtigkeit gegen die Strömung und dem Wind, dass es einen westreichischen Galeerenkapitän vor Neid hätte erblassen lassen.
Wo auch immer diese Horden anlanden würden, ob auf Pela, in Caladranien oder noch weiter südlich an der Küste Mituliens und des Westreichs, würden sie Angst und Schrecken verbreiten und alles zerstören, was endlose Generationenfolgen mühevoll errichtet und aufgebaut hatten.
Endlich erreichte Gorian jene weiße Grenze, die sich mitten durch den Ozean zog und an der sich der nach Süden drängende, ständig wachsende Eispanzer durch das endlose Wasserreservoir des Meeres von Ost-Erdenrund speiste. Auch das wenige Sonnenlicht, das wieder auf Erdenrund strahlte, hatte nicht dazu geführt, dass sich der Frost zurückgezogen hätte. Nicht eine Meile. Das Gegenteil war der Fall.
An der Bruchkante des Eispanzers lagerten Leviathane und Hunderttausende von Wollnashornreitern. Untote aus Orxanien, aus Torheim und von den Torlinger Inseln und aus Eisrigge formierten sich dort.
Immer wieder brachen Stücke aus dem Panzer, aber diese Brüche wurden bewusst herbeigeführt, wie Gorian erkannte. Sie waren zu gerade, zu akkurat, um nur Ergebnis blinden Zufalls oder chaotischer Spannungskräfte zu sein. Auf diesen Schollen fuhren die einzelnen Kriegsverbände gen Süden; es war der Beginn einer Reise, die mit Eroberung und Zerstörung ihren Höhepunkt finden sollte.
Gorian ließ das Himmelsschiff höher steigen. Er wollte kein Ziel für Katapultbeschuss oder den Angriff durch einen Schwarm Eiskrähen darstellen.
Eine ganze Weile flog er die sich beständig nach Süden voranschiebende Eisgrenze entlang, dann drang er schließlich in jene weiße Wüste vor, die ehedem Meer gewesen war.
Schneegestöber behinderte seine Sicht, und er war froh, dass der magische Schirm der Sonnenbarke von Pela die Auswirkungen des Wetters weitgehend fernhielt.
Die Nacht brach herein.
Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte Gorian den Unterschied wieder deutlich bemerken können. Der Schneefall hörte auf, und ein fahler, bleicher Mond stand am Himmel und leuchtete auf eine weiße Ebene hinab, die sein Licht zurückstrahlte.
 
Als die Sonne aufging, sah sie aus wie eine riesige Feuersichel und wirkte auf den ersten Blick wie ein unnatürlich großer und greller Mond. Es wurde so hell wie schon seit langer Zeit an keinem Morgen mehr, auch wenn noch immer einige Sterne sichtbar blieben.
Ein trügerisches Zeichen der Hoffnung, dachte Gorian. Aber vielleicht machte es dem einen oder anderen Mut, der nun in Gryphland oder in den südlichen Herzogtümern des Heiligen Reichs darüber nachdachte, sich gegen Morygors Macht zu stemmen.
Im Morgengrauen holte Gorian die dreizahnigen Riesenfledertiere ein. Sie schwebten über schneebedeckte Anhöhen und Gebilde, bei denen es sich womöglich um die Turmspitzen hoher Gebäude handelte.
Das musste die Torlinger Stadt sein. Gorian erinnerte sich der präzisen Darstellungen auf König Abrandirs Globus. Vor kurzem noch war die Torlinger Stadt ein großer Seehafen und Zentrum des Handels im nördlichen Meer von Ost-Erdenrund gewesen, nun war sie begraben unter einer dicken Schicht aus Eis und Schnee. Immerhin waren wieder Konturen in der Landschaft zu erkennen, und so gab es etwas Abwechslung in der weißen Einöde.
Gorian spürte die Wirkung von Morygors Aura. Aber sie beeinträchtigte ihn keineswegs mehr so stark wie bei seinem ersten Vorstoß ins Frostreich, als er zum Speerstein von Orxanor gelangt war. Und das, obwohl der Einfluss Morygors keineswegs schwächer geworden war, sondern sich ganz im Gegenteil noch erheblich weiter ausgedehnt hatte.
Gorian beschleunigte das Schiff.
Sheera!, dachte er und versuchte alle Kraft in diesen Gedanken zu legen, die er im Moment aufzubringen vermochte. Warum sollte es nicht trotz allem möglich sein, zu ihrer Seele vorzudringen? Es konnte nicht ihre freie Entscheidung sein, dass sie auf Torbas’ Seite stand und zu Morygors Dienerin geworden war.
Die Dreizahnigen veränderten ihre Flugbahn. Alle bis auf jene Kreatur, auf der Torbas und Sheera saßen, flogen einen Bogen und stießen annähernd gleichzeitig auf die Sonnenbarke von Pela zu. Dann stürzten sich gleich drei von ihnen von oben herab auf das Himmelsschiff.
Zischend prallten sie gegen den magischen Schutzschirm, sodass es grell aufblitzte. Zwei weitere Dreizahnige krallten sich von unten an die Sonnenbarke und rissen sie in die Tiefe. Ein geübterer Himmelsschiff-Steuermann hätte das vielleicht rechtzeitig ausgleichen können. So aber schrammte das Schiff wenig später über das Eis, grub sich in den Schnee und blieb schließlich kurz vor den Ruinen der Torlinger Stadt stecken.
Bevor sie unter dem Schiff begraben worden wären, waren jene Dreizahnigen, die sich von unten an das Gefährt gekrallt hatten, davongeflogen. Nun stürzten sie sich wie die anderen von oben auf die Sonnenbarke von Pela.
Der magische Schirm schleuderte sie davon und flackerte. Die Dreizahnigen taumelten durch die Luft, aber sie gewannen sehr schnell wieder eine stabile Flugbahn. Erneut kam einer von ihnen im Sturzflug heran. Der magische Schirm war bereits über Gebühr strapaziert worden, der Zauber, der ihn aufrechterhielt, wirkte nur noch schwach.
Als der herabstürzende Dreizahnige erneut gegen den Schirm prallte, zerplatzte dieser mit einem grellen blauen Blitz. Gorian stieß einen Kraftschrei aus und stieß den Strahl von Sternenklinge in den Körper des Monstrums. Zischend übertrug sich die angesammelte Kraft auf den Dreizahnigen. Blitze wanderten die Klinge entlang, das Riesenfledertier stieß einen röchelnden Laut aus und stob davon, taumelte durch die Luft und fiel zuckend zu Boden, krachte auf das Eis und blieb reglos liegen.
Die anderen Dreizahnigen waren daraufhin vorsichtiger. Sie kreisten etwas höher um Gorian und die Sonnenbarke von Pela. Dann wagte wieder einer einen Vorstoß, und Gorian schleuderte ihm seinen Dolch Rächer entgegen, der ihn genau zwischen die Augen traf. Die Klinge aus Sternenmetall bohrte sich in den Schädel des weißen Riesenfledertiers, das daraufhin gegen eine der Turmspitzen rammte, die noch aus dem Eis ragten. Das Mauerwerk bröckelte, die Turmspitze brach mitsamt dem massigen Körper des Dreizahnigen seitwärts und wurde umgerissen.
Gorian streckte die Hand aus, und der Dolch kehrte zu ihm zurück.
»Wo bist du, Torbas? Du wirst nicht damit gerechnet haben, mich noch einmal lebend zu sehen! Was wird dein Herr sagen, wenn du vor ihn trittst, ohne seinen Auftrag erledigt zu haben? Du wirst mich hier und jetzt töten müssen, wenn du nicht in Ungnade fallen willst!«
Es dauerte nicht lange, da kehrte jener Dreizahnige, auf dem Sheera und Torbas ritten, zurück und landete kaum fünfzig Schritt von dem im Eis gestrandeten Himmelsschiff entfernt.
Mit einem Gedanken, der so mächtig war, dass auch Gorian ihn mitbekam, scheuchte Torbas die anderen Dreizahnigen davon. Sie reagierten erst etwas ungläubig, doch dann flogen sie tatsächlich fort.
Torbas stieg von seinem Reittier, während Sheera dort sitzen blieb, reglos, mit starrem Gesicht und von Finsternis erfüllten Augen.
 
Torbas ging auf das gestrandete Himmelsschiff zu, Schattenstich mit beiden Händen umfassend, und Gorian sprang über die Reling der Sonnenbarke.
In einem Abstand von kaum fünf Schritten blieben sie stehen. Gorian hatte Rächer eingesteckt, denn so leicht wie ein Dreizahniger war ein Schwertmeister mit einer solchen Waffe nicht zu besiegen.
Und noch mehr galt dies für einen Schwertmeister, der im Reich des Geistes der Caladran gewesen war und dort sein magisches Wissen noch in einer Weise vervielfältigt hatte, wie es in der Vergangenheit keinem Meister des Ordens möglich gewesen war.
»Ich habe dich schon einmal besiegt und werde es wieder tun«, sagte Torbas. »Die Dinge geschehen, wie sie geschehen, und Morygor bestimmt das Schicksal und die Gestirne. Sieh zum Himmel, sieh zur Sichel der Sonne, und benutze dabei deine Augen so, wie es die Caladran tun und wie es auch dir möglich ist, seit du im Reich des Geistes warst. Dann erkennst du, dass die Sichel bereits wieder schmaler wird und der Schattenbringer die Sonne langsam, aber unaufhaltsam verlöschen lässt. Morygor ist sehr großzügig, bedauerlicherweise aber nicht dir gegenüber. Sheera und mir steht der Weg frei, uns auf die Seite dessen zu stellen, der eine neue Welt schaffen wird. Dir aber ist dieser Weg verwehrt. Für dich gibt es – früher oder später – nur den Tod und das ewige Vergessen.«
»Das werden wir sehen«, murmelte Gorian.
»Nein, es steht schon fest!«
Dann griff Torbas an. Eine Folge wilder Schläge prasselte auf Gorian ein, so blitzschnell, dass sie auch für jemanden, der die Kunst der Voraussicht beherrschte, gefährlich waren. Gorian musste zurückweichen, und Torbas trieb ihn fast ein Dutzend Schritte vor sich her.
Auf einmal aber hielt er inne. Ein kaltes Lächeln spielte um seine dünn gewordenen Lippen. »Die Aura Morygors verleiht mir ungeahnte Kräfte, aber deine werden dadurch geschwächt. Insofern hast du einen guten Ort gewählt, um diesen Kampf zu verlieren.«
Erneut griff er an, und in seinen Schwerthieben lag eine unbändige Wut, die ihnen noch zusätzliche Energie verlieh. Sternenmetall schlug auf Sternenmetall, Funken sprühten, Blitze zuckten die Klingen entlang und sprangen von einer Waffe zur anderen.
Gorian parierte die Hiebe und ging dann selbst zum Angriff über. Mit aller Macht schlug er zu, aber so rasch er seine Hiebe auch aufeinander folgen ließ, Torbas wehrte sie alle scheinbar mühelos ab. Immerhin gelang es Gorian, seinen Gegner einige Schritte zurückzutreiben, ehe dieser wieder die Oberhand gewann. Ein mörderischer Hieb sauste dicht über Gorians Kopf hinweg; er hatte sich im letzten Augenblick ducken können. Er stieß mit Sternenklinge zu, aber Torbas wich mit einer unglaublichen Leichtigkeit aus und schlug Gorians Klinge mit Schattenstich einfach zur Seite.
»Du kannst mich nicht besiegen, Gorian. Du wirst gegen mich verlieren, weil du gegen mich einfach nicht gewinnen kannst. Die entsprechende Schicksalslinie wurde durch die letzten Ereignisse festgelegt!«
Gorian empfand auf einmal die schreckliche Gewissheit, dass Torbas recht hatte. Erneut trieb dieser ihn vor sich her, drängte ihn Schritt für Schritt zurück. Gorian konnte die überlegene Kraft seines Gegners deutlich spüren. Es folgte Schlag auf Schlag…
… und dann stieß Torbas einen Kraftschrei aus, wie Gorian ihn noch nie gehört hatte. Schattenstich glühte auf, und dieses Glühen sprang innerhalb eines Augenaufschlags auf Sternenklinge über, raste über den Griff in Gorians Hände, und ein höllischer Schmerz stieß von dort aus über Arme und Schultern in seinen gesamten Körper.
Ein Bild erschien in diesem Moment vor seinem inneren Auge. Er sah Nhorich, seinen Vater, als er die Schwerter Sternenklinge und Schattenstich schmiedete, damals, in jener Nacht, als das Sternenerz vom Himmel fiel und zwei Jungen mit besonderer Begabung geboren wurden.
Gorian schrie auf. Er hatte das Gefühl, seine Hände und Arme würden verbrennen. Verzweifelt versuchte er, das Schwert zu halten, aber es gelang ihm nicht; die Wucht eines zweiten Hiebes riss es ihm aus den Händen, schleuderte es hoch empor, wo es noch einmal aufglühte, um dann mehr als dreißig Schritte entfernt mit der Spitze in einen Eisblock zu fahren, wo es zischend stecken blieb.
Gorian riss Rächer heraus, schleuderte ihn auf Torbas, einen Kraftschrei auf den Lippen, doch der wehrte den Dolch mit Schattenstich ab.
Torbas’ schwarze Augen veränderten sich. Sie wirkten auf einmal, als wären sie von flüssiger Lava erfüllt. Er streckte die Hand aus, stieß erneut einen Schrei aus, und im nächsten Moment wurde Gorian zu Boden geschleudert und gegen das Eis gepresst. Er versuchte sich zu befreien, aber unsichtbare Fesseln banden ihn. Auch Rächer oder Sternenklinge konnte er auf einmal nicht mehr zu sich rufen.
Eine lähmende Macht drückte ihn zu Boden wie eine Grabplatte aus schwerem Blei. Ausgestreckt lag er auf dem Eis, hilflos, magisch gefesselt und nahezu kraftlos.
Torbas näherte sich.
»Es wird Zeit, dass auch du den Moment vollkommener Schwäche erlebst«, wisperte eine Gedankenstimme, bei der sich Gorian nicht sicher war, ob sie wirklich Torbas gehörte oder jemand anderes ihm die Worte sandte, vielleicht sogar Morygor selbst.
Torbas streckte die Linke aus, und Sternenklinge wurde wie von einer unsichtbaren Hand aus dem Eis gerissen, schwebte durch die Luft, wirbelte um den Schwerpunkt und landete schließlich in Torbas’ zuschnappenden Fingern.
»Zwei Schwerter, endlich wieder vereint. Aber sie haben keine Bedeutung mehr, denn niemand wird den Spiegel aus der Tiefsee bergen können, um noch einmal zu versuchen, das dunkle Gestirn zu bewegen. Niemand!«
Torbas lachte auf und trat mit beiden Schwertern in den Händen auf den hilflos daliegenden Gorian zu.
»Du wunderst dich darüber, welche Kraft dich zu Boden zwingt und dich lähmt? Es ist zum größten Teil deine eigene, die ich gegen dich gewandt habe. Eine interessante Art von Magie haben die Caladran in ihrem Reich des Geistes bewahrt. Eine Magie, die fast gänzlich ohne eigene Kraft auskommt, wenn man sie richtig anwendet.« Er lachte wieder.
Dann stand er über Gorian, der inzwischen eingesehen hatte, dass es sinnlos war, sich von den unsichtbaren Fesseln befreien zu wollen. Sie drückten ihn nur noch ärger zu Boden, je mehr er sich dagegen auflehnte.
»Torbas, warum tust du das? Wie konntest du mich so verraten? Ich habe dir vertraut!«
»Ich dir nie. Wer in den Straßen von Thiskaren aufgewachsen ist, traut niemandem«, gab Torbas kühl zurück. Er wandte sich halb herum. »Komm her, Sheera!«, rief er. »Sofort! Jetzt ist der Augenblick gekommen, da du beweisen kannst, dass du Morygors Gunst wirklich verdienst!«
 
Sheera stieg zögernd und mit ruckartigen, seltsam ungelenken Bewegungen vom Rücken des weißen dreizahnigen Riesenfledertiers. Langsam näherte sie sich. Ihre Schritte waren klein und unsicher, die dunklen Augen weit aufgerissen und wirkten aus der Entfernung wie die leeren Höhlen eines Totenschädels. Sie war bleich und zitterte leicht.
Torbas trat einen Schritt zur Seite und warf ihr Sternenklinge zu. Sie hob die Hand und fing die Waffe sicher auf.
»Töte ihn«, verlangte Torbas. »Jetzt! Das wird Morygor von deiner Treue überzeugen!«
»Sheera!«, rief Gorian.
»Tu, was ich dir sage!« Torbas steckte Schattenstich in die Schwertscheide seines Waffengehänges.
Sheera trat weiter vor. Ihre Bewegungen wirkten marionettenhaft. Sie packte den Griff von Sternenklinge mit beiden Händen, hob das Schwert, als wollte sie es Gorian in die Brust rammen.
Dann wirbelte sie herum, stieß einen Kraftschrei aus und wollte Torbas den Kopf abschlagen.
Torbas hob nur seine Hand.
Sternenklinge prallte von einer unsichtbaren Wand ab, so schien es, schnellte zurück – und durchschnitt Sheeras Kehle!
Blut spritzte aus ihrer geöffneten Halsschlagader, während sie röchelnd zu Boden ging.
Torbas ließ Sternenklinge in seine Hand schweben. Sheeras Blut troff von der Klinge, die er dicht neben Gorians Kopf in das Eis rammte.
»Worauf wartest du?«, schrie Gorian entsetzt. »Töte mich!«
»Ich habe dich schon besiegt.«
»Dann mach ein Ende!«
»Es ist mir nicht mehr bestimmt, dich zu töten, wie auch dir nicht mehr bestimmt ist, Morygors Schicksalslinie zu beenden. Was auf dem Turm geschah, hat alles verändert. Das Schicksal ganz Erdenrunds ist nicht mehr dasselbe. Auf dem Turm hätte ich dich töten sollen – hier nicht.«
»Hat Morygor dir seine Voraussicht der Schicksalslinien offenbart?«, fragte Gorian ächzend.
Torbas verzog das Gesicht zu einem kalten Lächeln. »Er fürchtet dich nicht mehr, denn er weiß, dass von dir keine Gefahr mehr für ihn ausgeht. Du wirst Morygor nicht töten, Gorian.«
Dann wandte er sich der am Boden liegenden Sheera zu, deren Blut in den Schnee strömte und dort dampfend verrann.
»Und du – heile dich selbst!«